Prolog
Er musste sie finden. Seit einem Monat hatte er das starke Gefühl, als würde ihm
etwas fehlen, als wäre er alleine auf dieser Welt.
Seitdem suchte er vergeblich nach dem kleinen Mädchen, das später den Platz an
seiner Seite einnehmen sollte.
Er war vor dem Haus angekommen. Sie sollte am selben Tag auf die Welt
gekommen sein. Über hunderte von Säuglingen hatte er sich angesehen, dieses
Kind musste es einfach sein.
Leise öffnete er die Tür.
Zwei klopfende Herzschläge drangen an sein Ohr.
Er könnte das Babyherz genau heraushören, wie das Flügelschlagen eines kleinen
Vogels.
Langsam schritt er die Treppe hinauf, drückte die Klinke herunter und betrat das
Schlafzimmer.
Ein brauner Kleiderschrank stand neben der Tür, am Fenster ein veralteter
Computer und daneben ein kleines Holzschränkchen. Die Mutter lag schlafend in
einem kleinen Einmannbett.
Sein Blick wanderte zu der blauen Babywiege.
Dieser näherte er sich nun und strich den blauen durchsichtigen Sternenvorhang zur
Seite. Seine katzenartigen roten Augen blickten in die ihren.
Etwas Schöneres hatte er nie zuvor gesehen!
Es war, als blickte er in einen Ozean, auf deren Oberfläche kleine Funkeln des
Mondlichtes tanzten.
Sie sah ihn mit verwunderten Augen an und streckte ihre kleinen Ärmchen nach ihm
aus. Es zerriss ihm das Herz.
Dieses Mädchen weckte Gefühle in ihm, die er noch nie gespürt hatte. Eine
angenehme Wärme breitete sich in ihm aus. Sie war wie ein Magnet. Das
Gegenstück,das er schon immer gesucht hatte.
Sachte nahm er sie ihn seine Arme. Ihre winzigen Fingerchen streichelten seine
Wange. Selbst da sie noch ein Baby war, hatte er solche Gefühle für sie. Doch er
wusste, dass es noch zu früh war. Er musste noch warten.
"Meine Mate. Du bist tausendmal schöner als alle Rosen auf dieser Welt. Deine
Augen glitzern wie die Sterne in einer Vollmondnacht. Ich wünschte, ich könnte
schon
jetzt für immer an deiner Seite sein, doch du solltest eine glückliche Kindheit
haben. Aber schon bald werden
wir vereint sein. Solange, werde ich jede Nacht an dich denken. Heute in fünfzehn
Jahren werde ich wiederkommen und dann bleiben wir für immer zusammen."
Sie schlummerte in seinen Armen. Bis zum Sonnenaufgang blieb er bei ihr. Er gab
ihr einen liebevollen Kuss auf die Stirn, streichelte zärtlich über ihre Wange
und verließ sie.
Alles nur Märchen
"Seline? Seline? Warte doch mal!" Iva lief atemlos zu mir. "Hey, was sollte das?
Seitwann wartest du nach dem Unterricht nicht auf mich?" fragte sie
eingeschnappt.
"Sorry, aber mein Gedanke war nur ‚Schnell raus hier’. Ich konnte mir Herrn
Teobalds Gerede nicht mehr länger anhören." Ich hatte das Gefühl, als platze
gleich mein Schädel.
"Schon in Ordnung!"
Rumps. Ein Junge aus unserer Parallelklasse lief gegen einen Schrank. Er konnte
seinen Blick nicht von mir abwenden. Er ging rückwärts den Flur entlang und sah
mir noch nach.
"Wirst du dich je daran gewöhnen, dass jeder Junge der Schule verrückt nach dir
ist und alle mit dir zusammen sein wollen?" Ich seufzte. Nein, ich würde nie
damit klarkommen,ich fand es einfach nur widerlich. Jeder glotzte mir nach, in
der Cafeteria wollten alle neben mir sitzen und sie liefen mir sogar bis zum Klo
hinterher. Als ich auf diese Schule wechselte, hatte jeder Junge mit seiner
damaligen Freundin Schluss gemacht, also kein Wunder, dass überall wo ich
hinging, die Mädchen über mich lästerten. Ich konnte noch nicht einmal etwas
dafür.
Ja, ich sah anders aus. Rotes lockiges Haar, blaue Augen, bleiche Haut und ich
war zierlich, obwohl ich zugeben musste, dass ich kaum auf meine Ernährung
achtete.
"Ich weiß gar nicht, was die alle haben. Das ist so peinlich. Das einzig Gute
ist, dass die Schule jetzt aus ist." Endlich, denn alle Lehrer der Schule hatten
seit Wochen nur ein Thema.
Dämonen! Auch bekannt als Vampire!
Es hing mir bis zum Hals heraus. Den ganzen Unterricht über machten die Jungs
doofe Vampirwitze, wir mussten uns Bilder über verschiedene Arten von Dämonen
ansehen und bekamen in jeder Stunde zu hören, wie herzlos, kalt und blutrünstig
sie waren. Sie entführten Frauen und Kinder und töteten sie daraufhin.
Wir bekamen sogar eine Ausgangssperre vom Bürgermeister auferlegt: Ab zehn Uhr
durfte niemand mehr das Haus verlassen. Man hatte uns sogar verboten, mit
fremden Männern zu sprechen, denn jeder hätte ein Dämon sein können. Jeder
Junge, der an eine neue Schule oder in eine andere Stadt zog, musste eine
Blutprobe abgeben.
Eine der wenigsten Methoden, einen Dämon zu entlarven. Man sagte, dass sie sich
perfekt tarnen konnten.
Also bitte, es gab keine Vampire, geschweige denn Dämonen.
Ich glaubte nicht an diese bescheuerten Hirngespinste.
"Bye, wir sehen uns dann morgen in der Schule. Vergiss die Hausaufgaben nicht!"
Wie könnte man so etwas nur vergessen.
"Klar, keine Sorge, das passiert schon nicht." Iva Swan war so ein
durchgeknalltes Mädel. Im Gegensatz zu mir trug sie immer bunte Klamotten. Von
pinken Jeans, grünen T-Shirts bis hin zu gelben High-Heels. Auch ihre Haare waren
sehr ausgefallen - sie hatte sie lila gefärbt.
Ich hingegen war das genaue Gegenteil von ihr. Meistens trug ich schwarz oder
rot. Iva hatte sogar einmal versucht mich komplett umzustylen, dies endete
allerdings damit, dass zwischen uns ein ganzer Monat Funkstille herrschte.
"Beklopptes Mädel", sagte ich leise zu mir selbst. Wir wohnten nicht weit von
einander entfernt, daher trafen wir uns für die Schule immer an der Kreuzung, die
uns getrennte Wege gehen ließ.
Trotz Streitereien, die es in jeder Beziehung gab, waren wir ein Herz und eine
Seele.
Geheimnisse und Probleme tauschten wir miteinander aus, egal was es war, wir
behielten es unter uns. Ratschläge, wie Iva ihren Schwarm erobern könnte, standen
an oberster Gesprächsliste. Obgleich ich ihr versicherte, dass er nicht der
Richtige für sie war.
Jungs waren doch alle gleich und wollen immer dasselbe.
Am Besten ein weites Dekolleté, einen knackigen Hintern und sie mussten beliebt
sein. Ich verstand die Mädchen an meiner Schule einfach nicht, doch nicht nur
weil sie eine an der Klatsche hatten. Sie konnten doch froh sein, keinen Freund
zu haben. Wenn man zu spät nach Hause kam, vermuteten sie direkt, dass man
fremdging. Bekam man einen Drink ausgegeben, wurden sie sofort eifersüchtig. Traf
man sich mit seinen männlichen Freunden, kam die Unterstellung, mit jedem
einzelnen was am Laufen zu haben. Sofort wurde man als Schlampe abgestempelt.
Was sollte also dieses Getue um das andere Geschlecht? Sie änderten sich nie.
Also was soll’s.
Merkwürdiger Weise hatte ich das unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden.
Bestimmt spielte mir meine Phantasie einen Streich. Kein Wunder bei dem Müll, den
wir in der Schule beigebracht bekamen.
Ich war zu Hause angekommen. Es war zwar kein großes Haus, doch hatte es zwei
Schlafzimmer, ein Bad, eine Küche, ein Wohnzimmer und einen Garten, der direkt an
den Wald grenzte. In dieser Gegend gab es kaum Häuser, somit also auch keine
unfreundlichen Nachbarn.
Ich schloss die Tür auf und ging hinein. Ich stand in einem kleinen Flur, an
dessen Wänden verschiedene Kunstwerke hingen.
"Mum! Bist du da?" rief ich mit lautstarker Stimme durchs Haus. Noch eine
Eigenschaft von mir: Ich besaß eine hohe Stimme.
"Bin in der Küche!" kam es aus dem Raum am Ende des Flurs.
"Hi! Du, ich will ja gar nicht nerven oder so, aber was gibt’s denn zu essen?"
"Ich wollte dein Lieblingsessen machen, Lasagne. Wie war die Schule so? Was
wollten sie euch heute beibringen?" Ein leichter Sarkasmus lag in der Luft.
Super, was sollte ich schon gelernt haben?
"In Deutsch haben wir kreatives Schreiben geübt. Das war cool, allerdings war
Mathe so öde.
Funktionsgleichungen! Ich brauche das in meinem ganzen Leben nicht mehr!
Abgesehen davon war Geschichte noch viel schlimmer als sonst. Was ist nur so
besonders an diesen angeblichen Dämonen. Es gibt keinen Beweis dafür, dass sie
überhaupt existieren. Das ist genauso, als würde man sich irgendeinen Vampirfilm
ansehen und behaupten, Dracula gäbe es wirklich. Es gibt sie nicht, diese ganzen
Geschichten. Von wegen es gäbe sie seit über Tausenden von Jahren und zwischen
ihnen und uns Menschen herrsche Krieg. Ich hab den Lehrer gefragt, ob er das
alles beweisen könnte, aber er meinte nur:
>Seline, sind das nicht genug Beweise? Frauen und Kinder verschwinden. Niemand
traut sich seit Jahren nach Transilvanien zu reisen, da niemand von der Reise je
zurückkam. Und die Bilder, die ich euch gezeigt habe.<
Wenn es sie wirklich gibt, wie kommt es, dass sie niemand gesehen hat. Die Bilder
können auch gefälscht sein. Weißt du wie ätzend das ist, jeden Tag diesen Mist zu
hören?" Ich war so wütend und genervt, dass ich nicht aufpasste und das Glas
überlief, das ich mit Limo füllte. "Na klasse! Als könnte der Tag nicht noch
schlimmer werden."
Meine Mutter reichte mir einen Lumpen.
"Ach, Seline, du kennst die Menschen ja. Sie glauben alles. Früher Hexen, heute
Dämonen, vielleicht sind es morgen sprechende Tiere. Es kann gut sein, dass die
Sache mit den Vampiren stimmt. Weiß man es? Gut möglich, dass sie schon viele
Jahre im Verborgenen leben, damit sie in Vergessenheit geraten. Zur meiner Zeit
gab es diese Gerüchte auch schon. Über die neun Dämonenkönige. Damals hatte
man alle in Angst und Schrecken versetzt. Ich hatte auch nicht daran geglaubt,
aber mein Lehrer, Herr Gilges, glaubte dies. Fünf Jahre nach meinem Abschluss lag
er blutleer in seiner Wohnung. Du kannst dir ja denken, was für eine Panik dann
ausbrach. Tu mir einfach einen Gefallen,
tu so, als glaubst du an diesen Unfug und mach keinen Ärger. Du kannst daran
nichts ändern. Na toll, es ist schon so spät. Ich gehe jetzt einkaufen. Kommst du
mit?"
"Nein, danke. Ich habe jede Menge Hausaufgaben zu machen." Leider.
"Bis später!" Sie gab mir einen Kuss auf die Wange.
"Ja, tschüss!"
Tja, ich hatte sturmfreie Bude und musste auch noch Aufgaben machen. Einen
zweitausend Wörter langen Aufsatz, warum man die Dämonen aus meiner Sicht
jagen und ausrotten sollte. Was für ein Scheiß! Jetzt musste ich mir noch
irgendeinen Humbug ausdenken, um in Geschichte keine sechs für nicht gemachte
Aufgaben zu bekommen.
Ich stieg die Treppe hinauf. Im oberen Stockwerk war das Schlafzimmer von meiner
Mutter und mir. Das Badezimmer lag direkt neben meiner Tür.
Ich öffnete die Tür meines Zimmers. Die Wand hatten wir erst vor kurzem weiß
gestrichen und damit sie nicht so langweilig aussah, hatten wir ein paar rote
Blumenmuster daraufgemalt. In der Mitte stand mein Doppelbett. Auf meinen
blauen Bettlacken waren gelbe Sterne.
An der Wand gegenüber stand mein schwarzer Kleiderschrank. Er war randvoll mit
Klamotten und Schuhen. Ich hatte schon lange den Verdacht, dass ich die meisten
Sachen doppelt haben musste. Neben dem Fenster stand mein Schreibtisch, mit
einer roten Leselampe und meinem Laptop darauf.
Ich setzte mich auf den schwarzen Drehstuhl und versuchte, im Internet Ideen für
meinen Aufsatz zu finden.
Plötzlich klingelte es.
Ich ging zur Haustür. Öffnete sie.
"Hallo, Seline...!"
Schicksal
Ein junger Mann stand direkt vor mir. Er drückte sich an mir
vorbei. Sein Haar war schwarz wie die Nacht, seine Augen grün
wie das Gras und seine Haut weiß wie Schnee. Er sah ziemlich
gut aus. Moment mal, was tat ich da?
"Hey was machen Sie da. Ich habe Sie nicht rein gebeten.
Außerdem kann ich mich nicht erinnern, Sie zu kennen. Wer sind
Sie, woher kennen Sie meinem Namen und was wollen Sie?"
Er sah mir tief in die Augen. "Natürlich erinnerst du dich nicht
an mich. Als ich dich das letzte Mal sah, warst du noch ein
kleines Kind. Du bist zu einer wunderschönen jungen Frau
herangewachsen."
Dieser Mann war so unheimlich. Sein Blick klebte förmlich an mir.
Er durchbohrte mich. Ein Schauer lief meinen Rücken hinunter.
Eine leichte Unruhe machte sich in mir breit.
"Sie haben immer noch nicht meine Fragen beantwortet!" Ich
verschränkte meine Arme. Ich hatte keinen Schimmer, wie ich diesen
Typen wieder loswerden würde.
"Bitte verzeih, wie unhöflich von mir. Mein Name ist Edward
Volturi." Wie bitte?
"Ahhh.... das ist doch ein Scherz!" Ich drehte ihm den Rücken zu,
da ich mich vor Lachen an der Kommode festhalten musste.
"Du glaubst mir also nicht?" Hatte er dies wirklich gefragt. "Nein
natürlich ni...!" Ich stand da wie angewurzelt. Ich hatte mich
während ich sprach umgedreht, doch das was ich sah, glich einem
schlechten Horrorfilm.
Seine grünen Augen waren plötzlich rubinrot und ähnelten der einer
Katze. Seine Lippen nahmen eine schwarze Farbe an. Er öffnete seinen
Mund. Zwei glänzend weiße Reißzähne spiegelten sich im Licht. Sein
Gesicht war eine einzige Maske. Ohne Reaktionen. Zu Eis erstarrt,
kalt und gefühllos.
Am liebsten würde ich mich kneifen, doch wusste ich es auch so.
Es war kein Traum, auch kein Albtraum, er war real und vermutlich
stimmte alles andere, was man über ihn oder seiner Art erzählt
hatte auch.
"Und Ssseline glaubst du mir jetzt?" Ich wusste, dass er wegen
seiner Schlangenzunge lispelte, doch jagte es mir große Angst ein.
Eine eisige Kälte ging von ihm aus. Ich konnte kaum atmen.
"Wwwas wollen sie von mir?" Obwohl ich mich bemühte ruhig zu reden,
zitterte meine Stimme. Wieso war er hier? Ja, ich hielt ihn für
einen Mythos, aber dies war doch kein Verbrechen.
Er schüttelte den Kopf. "Tzzz.. Seline! Kannst du es dir nicht
denken, weshalb ich hier bin? Was glaubst du, warum ich deinen
Namen und den deiner Freundin Iva Swan kenne, warum ich weiß auf
welche Schule du gehst und über all deine Familienmitglieder
informiert bin und weiß, dass Lasagne dein Lieblingsgericht ist.
Ja, ich weiß viel über dich. Ich mache meine Aufgaben gründlich."
"Deswegen fühlte ich mich beobachtet. Ihr habt mich ausspioniert.
Mir hinterher geschnüffelt. Wieso tut ihr das?"
Das das konnte doch nicht sein. Was meinte er damit? Warum
interessierte er sich ausgerechnet für meine Familie, meine Freunde
und für mich?
"Nein! Nein! Das ist nicht wahr! Das kann nicht sein! Ihr irrt euch,
ich bin nicht die, nach der ihr sucht! Ich... ich will gar nicht
eure Freundin sein." Seine Augen ruhten auf mir. Sie fesselten mich.
Er streckte langsam seinen Arm nach mir aus, kam auf mich zu. Ich
stolperte geschockt zurück ins Wohnzimmer.
"Habe keine Angst Liebste, ich tue dir nichts. Wie könnte ich auch,
du bist meine Königin. Du hast ja keine Ahnung, wie lange ich schon
auf dich gewartet habe.", flüsterte er.
"Nein! Nein! Gehen Sie weg! Verschwinden Sie! Lassen Sie mich in
Ruhe!" Panik stieg in mir hoch. Mein einziger Gedanke war, zu flüchten.
Ich rannte zur Verandatür, riss sie auf und lief auf den Wald zu.
Ich wusste nicht wohin, doch ich wollte nur weg, weg von ihm. Weg von
seiner Kälte, weg von seiner Stimme, ich wollte sie nie wieder hören
und weg von seinem Blick, der meinen in seinen Bann zog, und ihn
festhielt, gegen den ich mich nicht losreißen konnte.
Ich kletterte mühsam über den umgefallenen Baum, rannte weiter. Was
dachte ich mir bloß dabei, natürlich würde er mich einholen, er war
viel schneller als ich, nicht nur beim Rennen, er besaß sogar Flügel.
Doch wollte ich nicht aufgeben, mich nicht kampflos geschlagen geben.
Niemals würde ich seine Prinzessin werden. Lieber würde ich sterben,
als dass dies geschehen würde. Ich sprang über eine Baumwurzel. Wo
war er? Er müsste längst an mir vorbei sein. Was hatte er vor? Ich
sprintete weiter, zwängte mich durch eine Blätterwand. Vielleicht
folgte er mir auch gar nicht. Ich drehte mich um, ließ meinen Blick
über die Bäume streifen, doch da war nichts.
"Ah..." Ich fiel zu Boden. Mein rechter Fuß steckte in einem
Kaninchenloch fest. Auch das noch! Ich schaufelte mit der Hand das
Loch größer. Er war frei. Ich stand auf, fing an zu laufen.
Knacks! Ein stechender Schmerz durchfuhr meinen Fuß. Ich sackte zu
Boden. "Au...ah... verdammt!"
Was sollte ich jetzt tun? Ich konnte nicht mehr gehen. Ich kroch
vorwärts.
"Seline! Seline! Bist du verletzt?" Nein, ich hatte Recht, er war mir
gefolgt. Ich sah ihn nicht, aber seine zischende Stimme reichte, um
mir Furcht einzuflößen.
"Kommen Sie nicht näher!" Er hörte nicht auf mich und kam von einem
hohen Baum herunter. Er setzte sich zu mir auf den moosbedeckten Boden.
"Welcher Fuß ist es? Lass mich mal sehen."
Was bildete der sich ein? "Pfoten weg! Sie sind doch erst Schuld,
dass ich in dieses verdammte Loch getreten bin. Lassen Sie das.
Fassen Sie mich nicht an! Sagen Sie mir jetzt ja nicht, dass Sie
abgesehen von dem Beruf „ich-zerstöre-die-Menschheit“, noch Medizin
studiert haben!" Ich biss mir auf die Lippen. Ich pflaumte ihn richtig
an.
"Nein. Außerdem wird man als König geboren, genauso ist es auch bei den
Prinzessinnen. Jetzt zeig doch mal her."
Offenbar hatte ihn mein Tonfall nichts ausgemacht. Ich wollte meinen Fuß
wegziehen, doch ein Brennen bereitete sich in ihm aus. Sachte streifte
Edward meine schwarzen Ballerinas ab. Mein Fuß war leicht angeschwollen.
"Ach, so ist das. Der Monsterinstinkt ist also angeboren. Gut zu wissen!"
Wieder keine Regung. Das war unglaublich, ich konnte ihn beleidigen
und doch machte es ihm offenbar nichts aus.
"Kannst du ihn bewegen?" Ok, was sollte ich jetzt tun. Einerseits,
wollte ich ihm eine Kleben, ihm wüste Beschimpfungen an den Kopf werfen
und dafür sorgen, dass er verschwand. Andererseits, war es eine sehr
nette Geste von ihm und, obwohl ich es nicht gerne zugab, könnte ich
seine Hilfe gebrauchen. Also versuchte ich es.
"Ah... es tut so weh!" Vor Schmerz griff ich ins Moos, dabei schnitt
ich mich an einem Glassplitter. Tränen rollten meine Wange herunter.
Mein linker Zeigefinger blutete. Er nahm meine Hand, sah sie an, führte
sie zu seinem Mund.
"Wwwwas haben sie vor?" Ich versuchte mich zu befreien, versuchte
ihn mit meiner anderen Hand wegzudrücken. Nur mit der Spitze
seiner Zunge strich er über die Wunde und leckte das Blut von meinem
Finger ab. Küsste ihn. Ich hatte ein seltsames Gefühl im Bauch.
Erschrocken entzog ich ihm meine Hand. Aus Reflex knallte ich ihm eine.
Oh nein! Ich flehte in Gedanken. dass er es mir nicht übel nahm.
Ich wartete.
Er biss sich kurz auf die Lippen, atmete tief aus. Dann legte er
kaum spürbar, seine rechte Hand auf meinen Knöchel. Der Schmerz
ließ etwas nach.
Natürlich, seine Haut war im Gegensatz zu meiner immerhin sehr kalt.
Es war ein angenehmes Gefühl. "Mm... Ja. Es ist vermutlich eine
Verstauchung, allerdings fühlt es sich heiß und fest an." Seine
Stimme war ruhig und beherrscht. Er berührte kurz meine Stirn mit
seiner linken Hand. "Nein, Fieber hast du keins. Komm, ich helfe
dir!"
"Was haben Sie b.." Weiter kam ich nicht zu fragen, da er mich mit
einem Arm hochhob. "Was machen Sie da? Lassen Sie mich runter!"
Schon wieder durchbohrte sein Blick meine Seele. "Du gibst mir doch
die Schuld an dem Unfall, da muss ich mich doch um dich kümmern.
Das ist doch das Mindeste, findest du nicht?"
Ich glaubte, es wäre besser, wenn ich etwas klar stellte. "Nur weil
Sie Zivilcourage zeigen, heißt das noch lange nicht, dass ich meine Einstellung
ändere! Ich werde nicht Eure Prinzessin!" Er erwiderte
darauf nichts. Wenn er nachdachte, so ließ er sich nichts anmerken.
Sein Gesicht erschien mir wie eine leblose Maske.
"Seline, ich weiß, dass dies nicht einfach für dich ist. Die Menschen
haben dir viele schlimme Dinge über meine Art erzählt, doch eins
solltest du wissen. In manchen Dingen übertreiben sie maßlos." Er
trug mich ins Haus, legte mich auf das Sofa, setzte sich zu meinen
Füßen.
"Dann stimmt es also auch nicht, dass Sie den früheren Lehrer meiner
Mutter, Herrn Gilges, ausgesaugt haben." Wieder keine Regung.
"Er musste sterben."
Moment! Was hatte er gerade gesagt? Keine Emotionen, kalt und herzlos.
Eine grenzenlose Wut stieg in mir hoch.
"Er musste sterben... Was soll das heißen? Das ist doch einfach krank.
Die Menschen hatten Recht, sie sind ein Monster, eine Bestie!"
Seine Augen verengten sich. "Du denkst, ich bin ein Monster. Willst
du wissen, wieso er sterben musste? Ich tat es aus Liebe zu dir! Denn
unser ach so toller Herr Gilges hatte seine Nase in Angelegenheiten reingesteckt,
die ihn nichts angingen. Er wollte dich an die Menschen verraten! Dies konnte ich
nicht dulden!" Angst erfüllte mich. Wie konnte jemand nur so grausam sein, egal
was für ein Grund dahinter steckte.
"Und? Wenn ich Ihnen sage, dass ich nichts mit Euch zu tun haben will,
dann lassen Sie mich auch in Ruhe." Ich bekam noch mehr Angst. Seine
Augen weiteten sich wuterfüllt. Plötzlich packte er mich an beiden
Armen und schüttelte mich.
"Was? Nein, das wirst du nicht tun. Weißt du was sie mit dir machen
werden? Sie werden dich töten! Foltern! Vermutlich auch vergewaltigen!
Ist es das, was du willst? Sie werden dich als Druckmittel benutzen,
denn sie wissen, dass ich alles mache was sie sagen. Ich frage dich
noch einmal: Willst du das?"
Ich weinte. "Bitte hören Sie auf, Sie tun mir weh. Bitte. Bitte!"
Meine Stimme war nur noch ein Flüstern.
"Es tut mir Leid. Vergib mir!" Er stand auf und lief im Zimmer herum.
"Es tut mir wirklich Leid. Doch kann ich es nicht ändern. Es ist dein Schicksal -so war
ist bei allen Frauen in meiner Familie. Sie wollten
anfangs auch nicht, doch jetzt sind sie glücklich. Mach dir keine
Sorgen, ich beschütze dich vor den Menschen."
"Aber wer beschützt mich vor Euch?" schluchzte ich. Darauf antwortete er nicht. Ich
hatte mir immer gewünscht, glücklich zu sein, aber er war ein Dämon! Ein Monster,
das unschuldige Menschen tötete. Wie konnte jemand
nur so jemanden wie mich lieben?
"Was ist, wenn ich nicht will? Zwingt Ihr mich dann dazu? Sperrt Ihr
mich dann ein?"
Sein Gesicht wurde wieder zur einer ausdruckslosen Maske, sodass sich
Verzweiflung in mir breitmachte.
"Niemals. Das könnte und brauche ich auch nicht, denn du wirst meine
Königin, du braucht einfach nur etwas Zeit."
Ich konnte nicht anders und schrie ihn an: "Wollt Ihr es nicht
verstehen oder könnt Ihr es nicht verstehen?. Ich will Euch nicht.
Weder Euer Geld, noch Eure Macht, auch nicht Eure Liebe. Aber ich
bin so nett und sag Euch, was ich will. Ich will, dass Ihr verschwindet, verschwindet
und ich Euch nie wieder sehen muss!"
Ich hasste ihn einfach, denn er machte alles kaputt. Als wäre es
nicht schwer genug Anerkennung zu bekommen. Nein, er wollte mir
alles zunichte machen.
"Hört Ihr schlecht? Ich sagte: Verschwindet!"
Er stand auf, ging zur Verandatür und verschwand.
Er war ein Dämon. Er bedeutete mir nichts. Er würde mir nie etwas
bedeuten.