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Flashing Thoughts

von

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Hallo,

tut mir leid, dass ich so lange gebraucht habe, aber manchmal bin ich eben eine lahme Schnecke. Ich hoffe, euch gefällt das Kapitel^^.
 

Am Abend von Seijis Ankunft im Wohngebäude der SAT war noch nicht viel passiert. Da es schon spät gewesen war, hatte man lediglich seinen Personalausweis eingescannt und ihm ein Zimmer zugewiesen mit dem Hinweis, dass er dort auch einen Plan des Gebäudes auf dem dort angeschlossenen Computer vorfinden würde und Frühstück ab 07:00 Uhr begänne. Alles weitere würde er danach erfahren. Zwar war er total aufgeregt, aber trotzdem fiel Seiji gegen Mitternacht in einen tiefen Schlaf, da ihn die Sache ganz schön mitgenommen hatte.

Am Morgen holte ihn Stephen Mitchell zum Frühstück ab, was ihm ganz recht war, denn dieser war ihm lieber als dieser mysteriöse, aalglatte Lorane.

Mitchell führte ihn zur Kantine und plapperte auf dem Weg dahin wie ein Wasserfall, während er ihm alles erklärte. Beim Essen vertilgte er erst mal eine Riesenportion, bei der man sich fragte, wo er die bei seinem schlanken Körperbau hin steckte, nahm einen großen Schluck Limo und meinte dann:
 

„Puh, ich frage mich, was für eine Droge man Lorane verabreicht hat.“
 

„Was meinst du?“, fragte Seiji irritiert, der mit Stephen auch schon per du war.
 

„Na ja, gestern war er total crazy. Oder sollte ich lieber sagen: ausnahmsweise mal normal und umgänglich? Du solltest ihn sonst erleben. Er ist die Furie in Person. Eine Bestie, ein Scharlatan. Ups, bloß nicht zu laut denken, sonst kriegt es noch jemand mit. Nun ja, jedenfalls war er zu dir so nett, so hab ich ihn noch nie erlebt. Was hast du angestellt und krieg ich das auch hin?“
 

„Ich habe keine Ahnung. Ist er wirklich so schlimm?“
 

„Nein – noch viel schlimmer.“
 

„Ts! Lästern Sie wieder über mich?“, erklang plötzlich eine Stimme in ihren Gedanken. Stephen zuckte erschrocken zusammen und wurde ganz bleich im Gesicht. Er sah so aus, als würde er gleich vom Stuhl kippen.
 

„Ich dachte, Sie wären auf einer wichtigen Mission“, kam ein erschrockener Gedanke von Mitchell zurück.
 

„Nun, dachten Sie, da haben Sie wohl falsch gedacht. Was anderes kann man von Ihnen wohl auch nicht erwarten“, stellte Lorane fest und schlug mit der Faust auf den Tisch, dass Mitchell noch mal zusammenzuckte. „Seien Sie froh, dass Ihre HyB (hyperfrequente Bewusstseinsausstrahlung) so stark ist, sonst wären Sie schon längst zum Kloputzer degradiert worden. An denen mangelt es bei uns nämlich auch, weil kaum ein Normaler unter Telepathen arbeiten möchte“, wandte er sich erklärend an Seiji.
 

„Tut mir leid, Sir“, entschuldigte sich Mitchell, wobei sich seine Gedanken um die Frage drehten, was Lorane später wohl mit ihm anstellen würde. Dabei vergaß er vor lauter Furcht kurzzeitig seine Abschirmung.
 

„Und, wie gefällt es dir hier?“, lächelte Lorane Seiji an, wobei er plötzlich so nett war, als hätte man einen Schalter umgeknipst.
 

„D-danke. Bisher ganz gut“, stotterte Seiji.
 

„Schön“, klatschte Lorane in die Hände. „Ich hab Hunger, was gibt' s zu Essen?“
 

Nachdem sie mit dem Frühstück fertig waren, verkündete Lorane, dass nun erst mal Seijis HyB-Wert gemessen werden sollte. Mitchell wunderte sich, dass er den Neuen dabei persönlich begleitete. Aus irgendeinem Grund musste er ein besonderes Interesse an ihm haben. Und wo er schon mal dabei war, kam er ebenfalls mit.
 

„Was ist das eigentlich genau, diese HyB?“, erkundigte sich Seiji auf dem Weg zum Untersuchungszimmer.
 

„Das ist die sogenannte Hyperfrequente Bewusstseinsausstrahlung, die jedes Lebewesen ausstrahlt. Bei Tieren ist sie kaum vorhanden und bei normalen Menschen nur schwach. Aber bei parapsychisch Begabten ist sie besonders ausgeprägt. Ab einem Wert von ca. 5 beginnt man von einem Psi-Begabten zu sprechen. Am meisten erforscht ist dabei die Telepathie. Andere Gaben kommen äußerst selten vor. Wie zum Beispiel Hellseherei. Allerdings kann man den Unterschied bei dieser Messung nicht feststellen, sondern bloß über Auffälligkeiten wie Abweichungen vom üblichen Bild spekulieren und auch sonst gibt es leider noch viel zu wenige wissenschaftliche Erkenntnisse über andere Talente. Nun ja, jedenfalls liegt der höchste, je gemessene Wert bei 30. Ab 25 kann man SAT-Aufseher werden und der Durchschnitt liegt so bei kapp 10, da sehr viele Telepathen leider nur schwach ausgeprägte Fähigkeiten besitzen“, erklärte Lorane.
 

„Aha“, machte Seiji, der zwar schon gehört hatte, dass man die Stärke der Psi-Kraft messen konnte, aber sonst nichts weiter darüber gewusst hatte. Im Grunde genommen war es ihm egal, wie stark seine telepathischen Fähigkeiten waren, Hauptsache, sie waren nicht so stark, dass er auch noch unter anderen Telepathen auffiel und nicht nur unter nicht Psi-Begabten. Denn nach wie vor gefiel es ihm nicht, irgendwo im Mittelpunkt zu stehen.
 

„Ach ja, und einen wichtigen Punkt gibt es noch zur Hyperfrequenten Bewusstseinsausstrahlung“, fuhr Lorane fort. „Sie ist nämlich keineswegs konstant. Bei Nichttelepathen variiert sie zwar so gut wie gar nicht, doch wir können sie beeinflussen, entweder bewusst oder unbewusst. Und zwar durch unsere Abschirmung. Viele Telepathen bauen, wenn ihre Fähigkeiten mit der Pubertät plötzlich ausbrechen, unbewusst eine mentale Barriere auf, um sich vor dem Wahnsinn zu schützen. Bei manchen ist sie stärker, bei anderen schwächer. Das kommt natürlich auch auf die Stärke der HyB an. Jedenfalls beeinflusst diese Barriere die Messung. Deshalb ist es wichtig, dass du deine Abschirmung so gut es geht, senkst. Da das auf Anhieb meistens nicht möglich ist, wird dein HyB-Wert nach deiner Ausbildung noch einmal gemessen, wenn du gelernt hast, wie du deine mentale Abschirmung bewusst steuern kannst. Zuvor ist diese Messung lediglich ein Anhaltspunkt. Trotzdem wird sie durchgeführt, um wenigstens grob festzustellen, wie stark deine Psi-Kraft ist oder ob es Abweichungen vom üblichen Muster gibt, sprich, du vielleicht noch über andere Talente außer Telepathie verfügen könntest.“
 

Seiji nickte nur und fragte sich, wie sein Ergebnis dann wohl aussehen würde. Allerdings interessierte ihn mehr die Technik und Wissenschaft dahinter, als sein eigener HyB-Wert. Wenn er schon nicht Ingenieurwissenschaften studieren konnte, vielleicht dann etwas in dieser Richtung? Oder überließ man diese Forschung nur Nichttelepathen und setzte Telepathen ausschließlich in Bereichen ein, wo sie ihre Fähigkeiten direkt anwenden konnten, da es ihrer viel zu wenige gab? Seiji hielt sich mit seiner Frage allerdings zurück, das würde er alles später noch herausfinden können. Sie waren auch schon beim Untersuchungszimmer angekommen und nachdem Mitchell geklingelt hatte, wurden sie nun eingelassen.
 

Drinnen erwartete sie ein Mann Mitte Dreißig, mit lockigem braunem Haar, der auf einem aus der Entfernung undefinierbaren Stäbchen kaute und und etwas schmuddelig wirkte. Er stellte sich als Eliah Cyrus vor und schien irgendwie nicht in diese saubere Einrichtung zu passen.
 

„Na, mal wieder eine HyB-Messung, was?“, es klang eher wie eine Feststellung als eine Frage. „Und dazu noch bei einem Neuling. Und ich dachte schon, diesen Monat könnte ich abhaken.“ Der Mann spielte darauf an, dass es nicht besonders viele neue Telepathen gab, an denen er seine Messung durchführen konnte. „Wenn ich allein damit mein Geld verdienen würde, wäre ich dauerpleite“, verkündete er und holte ein Formular aus seiner Schublade. „Name?“, wollte er wissen.
 

„Seiji Connor“, antwortete er. Mehr Angaben musste er nicht machen, da man ja am Tag zuvor seinen Personalausweis eingescannt hatte.
 

„Gut, setz dich da hin“, zeigte der Mann auf einen gepolsterten Stuhl. Dort wurde Seiji mit einigen Sensoren ausgestattet, die an seinem Kopf befestigt wurden. Neben diesen, wurden noch sein Puls- und Herzschlag gemessen. Vor ihm war ein großer Monitor an der Wand befestigt, der nun eingeschaltet wurde. „Jetzt erst mal die Grundmessung“, wurde ihm erklärt. Auf dem Monitor erschien eine Wellenline mit mehreren, annähernd gleichen Wölbungen, mit einigen Zacken darin. „HyB 15“, stellte Cyrus fest. „Gut, und jetzt entspanne dich und versuche, deinen Geist schweifen zu lassen. Denk am besten an irgendetwas, schönes, ruhiges, zum Beispiel an einen Strand, eine grüne Wiese oder so was. Was dir am besten hilft. Versuche, einfach los- und dich treiben zu lassen. Und wenn du soweit bist, dann machst du einfach deine telepathischen 'Augen' auf und siehst hinaus in die schöne weite Welt“, wurde er angewiesen.

So sollte er also seine Barriere senken, wenn denn überhaupt eine solche vorhanden war, was Seiji bezweifelte. Denn er nahm ja immer noch ständig anderer Leute Gedanken war, sofern sie keine Telepathen waren und sich abschirmten. Mal davon abgesehen: Wie zum Teufel, sollte man sich entspannen, wenn jemand wie Lorane einen mit Luchsaugen anstarrte, als hoffte er, fette Beute gemacht zu haben? Zu seinem Glück bemerkte Cyrus sein Unbehagen und warf die beiden Aufseher kurzerhand raus. Lorane warf ihm dabei noch einen bösen Blick zu, fügte sich aber. „Und die telepathischen Lauscher bleiben auch draußen“, fügte Cyrus noch hinzu, da er Lorane nur zu gut kannte.
 

Seiji atmete tief durch und wurde tatsächlich etwas ruhiger, als die Beiden draußen waren. Jetzt waren da nur noch er und Cyrus. Zwar konnte er noch die Präsenz einiger Leute im Nebenraum spüren und auch die Anwesenheit der Aufseher draußen, doch das war nicht so schlimm, als wenn sie neben ihm standen und ihn anstarrten. Er schloss die Augen und tat, wie ihm geheißen. So wirklich glaubte er zwar nicht daran, dass das etwas ändern würde, aber versuchen wollte er es wenigstens. Was er dabei nicht bemerkte war, dass Cyrus neben ihm einen Generator einstellte, der Hypnosestrahlung aussandte, damit er sich nicht nur entspannen konnte, sondern auch wirklich seine mentale Barriere weiter abbauen. Eine Garantie brachte das zwar auch nicht, aber es war besser als ohne diese unterstützenden Strahlen. Cyrus verriet seinen „Patienten“ nichts von dem Generator, damit diese sich nicht innerlich dagegen wehrten und die Wirkung damit zunichte machten. Noch besser wäre natürlich ein echter Hypnotiseur gewesen, aber von denen gab es leider noch viel weniger als Telepathen und keiner von den wenigen war für eine Arbeit wie diese abkömmlich.
 

Seiji begann zu zittern, als die Hypnosestrahlung auf sein Bewusstsein wirksam wurde. Dieses seltsame Gefühl, das sich seiner plötzlich bemächtigte, gefiel ihm gar nicht. Er wusste nicht, was es war, wusste nicht mal, dass dieses Gefühl von außen erzeugt wurde, doch es fühlte sich schrecklich an, oder vielmehr das, zu was es ihn veranlasste. Plötzlich waren die Stimmen, die er hier unter Telepathen wegen deren Abschirmung fast gar nicht mehr wahrgenommen hatte, wieder in seinem Kopf und noch schlimmer, sie brannten wie Feuer in seinem Gehirn. Fast wie damals, als seine telepathischen Fähigkeiten ausgebrochen waren. Seiji ächzte und wandt sich schmerzerfüllt. Was ist mit ihm?, vernahm er die verwunderten Gedanken von Cyrus, sah sich selbst mit dessen Augen, hörte die Stimmen der Leute nebenan, als würden sie laut reden, aber direkt in seinem Kopf und gleichzeitig eine ätzende Spur in sein Gehirn brennen. Draußen auf dem Korridor nahm er Mitchells Angst wahr, die er fast zu riechen glaubte, da Lorane ihm wegen der Beleidigungen beim Frühstück auf die Pelle gerückt war. Jener dagegen wandte sich ihm sofort telepathisch zu und Seiji spürte dessen Überraschung. Auch Loranes Präsenz schmerzte ihn, doch im Gegensatz zu den anderen, nur ein wenig. Ob es an dessen besserer Abschirmung lag? Als er seinen Schmerz spürte, stürzte er in den Untersuchungsraum, um zu sehen, was los war. Als ob man in seinem Gehirn ein Feuer angezündet hätte, so fühlte sich Seijis Kopf an. Es schien, als wollten die Stimmen sein Bewusstsein übernehmen oder es zerstören.
 

„Schalten Sie das aus!“, befahl Lorane, mit einem Blick auf den Hypnosegenerator, dem verdutzten Cyrus, der so eine Reaktion noch nicht erlebt hatte. Doch bevor er der Anweisung Folge leisten konnte, brannte das Gerät plötzlich mit einem unschönen Geräusch aus und sandte durch die Lüftungsschlitze kleine Rauchwölkchen aus. Seiji sackte ächzend in seinem Stuhl zusammen. Sein Kopf fühlte sich an, als hätte eine Horde Fußballspieler damit trainiert. Schwarze Schlieren tanzten vor seinen Augen und er bemühte sich, das Bewusstsein zu behalten.
 

„Alles in Ordnung?“, fragte Lorane und nahm ihn bei den Schultern. „Geht es wieder?“ Seine Präsenz strahlte für seine Verhältnisse ungewöhnlich sanft. Vielleicht war er ja gar nicht so schlimm, wie Stephen behauptete, dachte Seiji und wunderte sich, dass dieser ihn sogar in den Arm nahm, als er weder eine akustische noch gedankliche Antwort bekam. Denn Seiji wahr so fertig, dass er nicht mal in der Lage war, weiter zu denken. Ob er letztlich das Bewusstsein verlor oder nur in einen unglaublich tiefen Schlaf fiel, wusste er später nicht zu sagen.
 

Als Seiji wieder zu sich kam, pochte sein Kopf immer noch, doch es ging ihm schon viel besser. Er strich sich durch die Haare und blinzelte gegen das Licht. Als er sich daran erinnerte, was vorhin passiert war, stöhnte er. Aber nicht wegen der Schmerzen, sondern weil es ihm furchtbar peinlich war, dass er den Bewusstseinen anderer Leute in so aufdringlicher Weise nahe gekommen war. Hoffentlich nahmen die ihm das nicht übel.
 

„Na wie geht es dir, junger Mann?“, erkundigte sich jemand neben ihm. Seiji schrak zusammen, weil er ihn erst jetzt bemerkte. Irgendwie fühlte sich sein Kopf trotz des Pochens wie in Watte gepackt. Alles war so dumpf, so... leer. Er guckte den Mann neben sich verwundert an. Wieso hatte er ihn nicht bemerkt? War er so abgelenkt gewesen?
 

„G-geht so“, erwiderte er stockend. „Was ist passiert?“
 

„Oh, als du ohnmächtig wurdest, hat man dich hier in den Krankentrakt gebracht. Falls du dich wunderst, dass du nichts mehr wahrnimmst: Ich habe dir ein Mittel verabreicht, das Psi-Kräfte unterdrückt. Weil du so angeschlagen warst, hielt ich das für besser.“
 

„Es gibt ein Mittel dagegen?“, wunderte sich Seiji und seine Augen weiteten sich. Wenn das so war, dann könnte er ja seine telepathischen Fähigkeiten für immer abstellen... Aber nein, so einfach war das nicht, so leicht würde ihn die SAT nicht gehen lassen.
 

„Ja, normalerweise empfehle ich die Anwendung nicht, wegen der Nebenwirkungen, aber in Fällen wie diesen und bei einmaliger Einnahme, überwiegen die Vorteile die Nachteile.“
 

„Nebenwirkungen?“
 

„Ja, abgesehen davon, dass es bei längerer Einnahme süchtig machen kann, ist es eigentlich ein Medikament, das gegen Schizophrenie entwickelt wurde. Es bei einem Gesunden anzuwenden, würde auf Dauer nur den Geist verwirren.“
 

„Schade“, flüsterte Seiji.
 

„Du kannst deine telepathischen Fähigkeiten wohl nicht leiden, was? Da bist du aber in der Minderheit. Die meisten Telepathen bilden sich etwas darauf ein und würden alles dafür tun, wenn sie einen so hohen HyB-Wert hätten, wie du.“
 

Auch das noch, stöhnte Seiji innerlich. Ich will keinen hohen HyB-Wert, ich will überhaupt kein Telepath sein, sondern nur zurück nach Hause, zu Chris und... Alex. Was sie jetzt wohl machen?
 

„Fünfundzwanzig“, erwiderte Eliah Cyrus, als würde das alles sagen.
 

„Das kann nicht sein. Er hat den Generator zum Explodieren gebracht. So etwas könnte nicht mal ich Zustande bringen“, stellte Lorane fest und schaute auf das verschmorte Gerät, das immer noch an seinem Platz vor sich hin stank.
 

„Stimmt, aber überlegen Sie doch mal, wenn wir ihm jetzt sagen, dass sein HyB-Wert in der Spitze bis auf Fünfunddreißig angestiegen ist. Er bekäme nur Schwierigkeiten mit den anderen Schülern, die ihn entweder aus Neid auf den Kieker nehmen würden, oder ihm angstvoll ausweichen. Außerdem könnte er sich auf den hohen Wert etwas einbilden. Zwar macht er mir nicht den Eindruck, aber Macht korrumpiert bekanntlicherweise. Sie könnten ihm eine Menge ersparen, wenn Sie ihm sagen, dass sein HyB-Wert nur bei Fünfundzwanzig liegt. Das ist immer noch sehr hoch und damit wird er schon genug Schwierigkeiten bekommen, aber es ihm stünde trotzdem jede Laufbahn innerhalb der SAT offen, die er gehen möchte. Sie müssten doch am Besten wissen, wie es ist, von anderen aus Neid fertig gemacht zu werden. Nach seiner Ausbildung können wir ihm immer noch den richtigen Wert nennen.“

Lorane starrte ihn auf diese Erklärung hin finster an. Seiji machte ihm keinen so schwachen Eindruck, dass er geschützt werden müsste. Und doch, Cyrus hatte Recht, junge Leute konnten wirklich schlimm sein, wenn sie neidisch waren. Und Telepathen waren meistens ziemlich sensibel.

„Seine Kräfte könnten außer Kontrolle geraten,“ fügte Cyrus als weiteres Argument hinzu, „wenn man ihn zu sehr reizt.“
 

„Na gut. Es kann ja nicht schaden“, gab Lorane nach. Vielleicht war es wirklich besser so. Er zupfte in Gedanken versunken am Kragen seines schwarzen Pullovers, bevor er sich ohne Abschiedsworte abwandte.
 

„Ach, noch etwas“, hielt ihn Cyrus zurück. „Warum machen Sie sich eigentlich solche Sorgen um ihn? Gibt es dafür einen besonderen Grund?“ Lorane zögerte.
 

„Er ist ein sehr starker Telepath“, sagte er dann, als erkläre das alles.
 

„Wer' s glaubt“, flüsterte Cyrus, nachdem sich die Tür hinter dem Anderen geschlossen hatte.
 

Wie lange wohl die Wirkung des Medikaments anhalten würde, fragte sich Seiji. Er lag in seinem Zimmer mit hinter dem Kopf verschränkten Armen auf dem Bett und starrte an die Decke. Abgesehen von diesem Watte ähnlichen Gefühl, war es erleichternd, mal nicht die Gedanken anderer Leute wahrnehmen zu müssen. Er war ziemlich müde, obwohl es erst Mittag war und schlief deshalb eine Weile, bis er gegen Abend von aufdringlichen Geräuschen gestört wurde. Er hoffte im Halbschlaf, dass sie aufhören würden, doch im Gegenteil, es wurde immer lauter. Schließlich fing es neben ihm auch noch an zu Schreien, so dass Seiji nun kerzengerade und noch immer benebelt, im Bett saß. Erschrocken guckte er auf eine Meute Kinder und Teenager, die sich um einen Jungen mit hellblau gefärbten Haaren scharrte und lauthals am Plappern war. Was machten die in seinem Zimmer? Ach ja: Seiji hatte sich schon gewundert, dass ein zweites Bett im Raum stand. Bekam er jetzt etwa einen Zimmergenossen? Oder doch eher eine ganze Meute davon? Wollten die dann auf dem Boden schlafen? Aber es ging wohl doch nur um den blauhaarigen Jungen, der zwei große Koffer neben sich stehen hatte und geräuschvoll von seinen Freunden Abschied nahm. Seiji guckte verschlafen auf die Meute und wusste nicht so recht, was er tun sollte. An weiter schlafen war nicht zu denken, aber andererseits war er viel zu müde, um an diesem Tag noch mal aufzustehen. Doch als er sich schon einfach wieder hinlegen und die Bettdecke über den Kopf ziehen wollte, bemerkte ihn eines der Kinder.
 

„Da, guck mal, dein Zimmergenosse ist aufgewacht. Der sieht aber lustig aus“, lachte der Eine, woraufhin alle zu kichern anfingen. Wahrscheinlich lag es daran, dass seine Haare in alle Richtungen abstanden und er so verschlafen aussah, überlegte Seiji.
 

„Hy“, gab er von sich. Selbst Kindern gegenüber war er ziemlich schüchtern. Die störten sich aber nicht daran.
 

„Wie heißt du?“, wollte der Blauhaarige wissen. Seiji antwortete ihm und bekam nun seinerseits zu hören, dass der Junge tatsächlich hier einziehen würde und Derik Gordon hieß.
 

„Aber jeder nennt ihn nur Flash“, grinste ein anderer Junge.
 

„Ich bin 14 Jahre alt. Und du? Du siehst irgendwie so alt aus, als müsstest du schon mit deiner Ausbildung fertig sein. Aber dann bekommt man doch ein Einzelzimmer, oder?“ Deriks Worte hörten sich so an, als gehörte Seiji mit seinen achtzehn Jahren schon zum alten Eisen. Das war aber sicher nicht so gemeint, sagte der sich und beantwortete dessen Frage.
 

„Ich bin erst gestern von der SAT entdeckt worden, deshalb fängt meine Ausbildung erst jetzt an“, erklärte er.
 

„Ach so“, machte Derik ein verwundertes Gesicht. „Hast du dich denn nicht freiwillig bei der SAT gemeldet?“
 

„Nein.“
 

„Das verstehe ich nicht, ist doch super hier. Hier kann man seine Fähigkeiten trainieren, ist mit anderen Psi-Begabten zusammen und bekommt umsonst Essen und eine Unterkunft. Und die Berufschancen sind auch viel besser.“
 

„Ja“, erwiderte Seiji nur.
 

„Das sind übrigens meine Freunde aus dem Waisenheim, das meine Eltern leiten“, erklärte er. Seiji guckte überrascht auf die Kindermeute. Er war ja selbst auch im Waisenhaus aufgewachsen, hatte daran aber keine so guten Erinnerungen, beziehungsweise, die meisten verdrängt. „Ich hoffe, wir werden auch Freunde.“ Das schien ja ein ganz netter Junge zu sein, dachte Seiji.
 

„Ja“, stimmte er zu.
 

„Redest du immer so wenig?“
 

„Was soll ich denn sonst noch sagen?“, wunderte sich Seiji, woraufhin Derik bloß kicherte. Irgendwie war ihm die Situation unangenehm. Also stand er auf und ging erst Mal ins Bad, um sich frisch zu machen, wenn er schon nicht weiterschlafen konnte. Als er wieder zurückkam, sah er gerade noch, wie jetzt auch Deriks Eltern sich von ihm verabschiedeten, bis er schließlich allein zurückblieb und nun gar nicht mehr so fröhlich aussah. Anscheinend wurde ihm erst jetzt klar, dass er von nun an ziemlich alleine und für lange Zeit von zu Hause fort sein würde.

Da blickte er auf und bemerkte Seiji im Türrahmen.
 

„Dass wir Freunde werden könnten, hab ich ernst gemeint“, versicherte er.
 

„Und ich hab es ernst gemeint, als ich ja sagte“, schmunzelte Seiji.
 

„Gut, dann... hilfst du mir beim Auspacken?“ Na ja, auf jeden Fall wusste Derik, wie man die Leute für sich einspannte. Dabei musste Seiji selbst noch die meisten seiner Sachen auspacken, weil er bisher nicht dazu gekommen war.
 

„Bist du Telepath oder hast du irgendeine andere Psi-Kraft?“, wollte Derik während des Auspackens neugierig wissen. „Die meisten hier sind ja Telepathen, oder?“ Seiji nickte.
 

„Ja, bin ich.“
 

„Ich nicht, schade eigentlich. Es wäre mir viel lieber, wenn ich Gedanken lesen könnte. Das ist viel spannender, als das, was ich kann.“
 

„Was kannst du denn?“ Als hätte Derik nur auf diesen Moment gewartet, begannen seine blauen Augen zu funkeln und straften seine Worte Lügen, dass er seine eigene Fähigkeit nicht so spannend fand.
 

„Ich zeig es dir.“ Der Junge holte aus einer seiner Reisetaschen eine silberne Kugel mit Ständer hervor. Wollte er jetzt wahrsagen? Er stellte die Kugel auf dem Nachttisch ab und fixierte sie mit seinem Blick. Daraufhin begannen kleine, blauweiße Blitze auf der Oberfläche zu zucken.
 

„Wow“, machte Seiji, der ehrlich erstaunt war. „Also, deshalb nennt man dich Flash“, stellte er fest.
 

„Ja“, erwiderte Derik stolz. „Und du, kannst du mir auch mal deine Fähigkeit zeigen und mir sagen, was ich denke?“ Seiji schüttelte den Kopf.
 

„Es gab da... einen Zwischenfall. Deswegen hat mir der Arzt hier ein Medikament gegeben, das meine Psi-Kraft unterdrückt.“
 

„Einen Zwischenfall?“, Deriks Augen blitzten neugierig. Oh, man ich hätte es wohl weniger mysteriös ausdrücken sollen, seufzte Seiji innerlich. Jetzt ist er erst recht neugierig.
 

„Nun ja, nichts Dramatisches. Bei der Messung meines HyB-Wertes sollte ich meine mentale Barriere senken und dabei...“ Man, das war ganz schön peinlich. Dass er vor Schwäche zusammen gebrochen war, nur weil so viele Gedanken in ihn eingedrungen waren. Wie hörte sich das denn an?
 

„Hast du was kaputt gemacht?“, wollte Derik wissen, wobei seine Augen leuchteten, als wäre es etwas Erstrebenswertes, Dinge mit den eigenen Psi-Kräften zu zerstören.
 

„Nein“, erwiderte Seiji, der nichts davon mitbekommen hatte, was mit dem Hypnosegenerator passiert war. „Es ist nur... Weißt du, wenn anderer Leute Gedanken in übermäßiger Stärke... in deinen Kopf eindringen, dann tut das ganz schön weh. So als würde man in deinem Gehirn ein Feuer anzünden.“
 

„Oh, das hört sich ja unangenehm an“, nickte Derik verständnisvoll. Er ist süß, obwohl er viel älter ist als ich. Seiji guckte ihn erschrocken an. Offenbar ließ das Medikament langsam nach und er nahm wieder vereinzelte Gedanken wahr. Aber erst nur solche, die besonders stark waren. Er lief rot an. Es war so peinlich. Ein Vierzehnjähriger fand ihn süß! Warum konnte er bloß nicht selbstbewusster und stärker sein?
 

Etwas später klopfte es an der Tür und Seiji bekam in einem Briefumschlag das Ergebnis der HyB-Messung und einen Stundenplan zugestellt. Auch Derik bekam einen Stundenplan, doch seine HyB-Messung stand noch aus.
 

„Wie hoch ist denn dein Wert?“, wollte Derik neugierig wissen und stellte sich auf Zehenspitzen, damit er vielleicht einen Blick auf den Brief erhaschen konnte. „Darf ich' s sehen?“
 

„Hier“, seufzte Seiji geschlagen und überließ der kleinen Nervensäge das Papier, ohne selbst einen Blick darauf geworfen zu haben.
 

„Wow, HyB 25! Ist ja krass! Das ist doch total selten, oder?“, staunte Derik.
 

„Was?“, wunderte sich Seiji. Das konnte doch nicht sein. Schließlich war bei der Grundmessung Fünfzehn herausgekommen. Gut, nachdem er seine mentale Barriere gesenkt hatte, war es schon klar, dass der Wert höher sein musste, aber doch nicht so viel höher! „Hast du dich auch nicht verlesen?“
 

„Ich bin doch nicht blöd. Da, guck selbst!“, hielt ihm sein kleiner Zimmergenosse den Brief unter die Nase. Tatsächlich, da stand es schwarz auf weiß. Mit einer Grafik wie er sie auf dem Monitor bei der Messung gesehen hatte. Komisch, die sah genauso aus, wie die bei der Grundmessung.

Derik grinste ihn an, als wäre er derjenige, der Seijis Psi-Kräfte zuerst entdeckt und damit ein Anrecht auf sie hatte. Ganz schön besitzergreifend, dieser Junge.



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