Männergespräche
Eigentlich hatte er gedacht, dass dieses Treffen ruhiger werden würde, als die vorangegangen, da Omaeda nicht da war – die letzten Male hatte er die Unterredungen mit dem lauten Knuspern seiner Chips gestört – und auch Sasakibe war nicht da, der die Stimmung meistens sehr drückte und darauf achtete, dass auch ja kein Fünkchen von einem persönlichen Gespräch aufkam. Nun saßen sie hier zu viert im Hauptquartier der siebten Division und Iba Tetsuzaemon hatte sie gerade aufgefordert, Platz zu nehmen. Abarai Renji warf sich gut gelaunt auf einen der Stühle und streckte sich ausgiebig.
»Keine Chips… keine Moralpredigten«, sagte er zufrieden und Kira ließ sich zu einem kaum merklichen Lächeln hinreißen. Hisagi Shuuhei setzte sich neben Renji und sah misstrauisch zu Iba hinüber, der gerade einen Schrank geöffnet und einige Flaschen herausgenommen hatte.
»Du hast jawohl nicht vor, Alkohol während eines Meetings zu trinken, oder?«, erkundigte sich Kira vorsichtig und starrte die Flaschen an. Diese Alkoholexzesse kannte er zur Genüge von Matsumoto, die ihn eigentlich bei jeder Gelegenheit dazu zwang, ein paar Gläser mit ihr zu trinken. Auch Shuuhei schien von der Idee, Sake bei einem offiziellen Meeting zu trinken, nicht sonderlich begeistert zu sein. Iba zuckte mit den Schultern.
»Ich trinke mit Ikkaku öfter mal ein Glas. Es muss ja nicht ausarten«, erklärte er mit unbeweglicher Miene und die kleine Sonnenbrille ließ nicht erkennen, was sich in seinen Augen abspielte. Kira betrachtete seufzend seinen leeren Becher, hielt ihn Iba schließlich hin und ließ sich etwas Sake einschenken. Renji tat es ihm nach, doch Shuuhei schien immer noch mit seinem Gewissen zu kämpfen.
»Komm schon, Hisagi. Niemand wird davon erfahren«, sagte Renji heiter und nahm einen großen Schluck. Shuuhei schien dieser Satz sehr zu beruhigen und Kira fragte sich, wer wohl von seinem Alkoholgenuss nichts erfahren sollte. Einer der Captains oder seine heimliche Flamme, von der Kira immer noch nicht herausgefunden hatte, wer sie war.
»Zunächst einmal sollen wir über die Besetzung der neuen Lehrstellen an der Akademie sprechen, die noch ausstehen… wir brauchen noch zwei Freiwillige für einige Exkursionen«, begann Shuuhei und warf seinem Becher einen Blick zu, ehe er nach einigen Unterlagen kramte und sie auf den Tisch legte. Renji gähnte verhalten.
»Also ich bin dafür nicht zu gebrauchen«, sagte er. Kira dachte daran, wie hitzköpfig Renji schon immer gewesen war und wie wenig Kontrolle er noch heute über seine Kido- Fähigkeiten hatte. Im Stillen stimmte er ihm zu.
»Wie steht es mit dir, Kira?«, fragte Shuuhei und wandte ihm das Gesicht zu. Langsam hob der Dunkelhaarige seinen Becher zum Mund und genehmigte sich einen sehr kleinen Schluck.
»Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee wäre«, sagte er trocken und fuhr sich durch die blonden Haare, »irgendjemand muss immerhin all den Papierkram erledigen, jetzt wo die dritte Division ohne Captain ist.«
Shuuhei schien dieses Argument sofort hinzunehmen und so wandte er sich an Iba.
»Wie wäre es also mit uns beiden?«, fragte er und machte einige Notizen auf den Unterlagen. Shuuhei schien es nicht zu stören, dass sein Captain nicht mehr da war und er somit doppelt so viel Papierkram wie sonst zu erledigen hatte. Iba zog eine Augenbraue hoch.
»Ich und Kinder? Ich fürchte, dafür habe ich keine Geduld.«
»Es sind keine Kinder, sondern Heranwachsende und irgendjemand muss den Job machen!«, sagte Shuuhei, mittlerweile ziemlich gereizt und er nahm einen weiteren Schluck aus seinem Becher.
»Es gibt doch immer noch die Frauen«, sagte Renji schulternzuckend.
»Ja«, sagte Kira und ging sie alle nacheinander durch, »wie wäre es mit Isane oder Nanao?«
Ein kaum merkliches Leuchten huschte über Shuuheis Gesicht, als Kira Nanaos Namen erwähnte und Kira konnte sich kaum mit der unfassbaren Neuigkeit auseinander setzen, dass einer der heißbegehrtesten Offiziere von Seireitei sich für ihre strenge Brillenschlange interessierte, da lachte Renji dröhnend auf.
»Wunderbar, Shuuhei und Nanao betreuen zusammen ein paar Kinder, dann könnt ihr gleich für später üben«, sagte er breit grinsend.
»Heranwachsende!«, sagte Shuuhei, offensichtlich bemüht, nicht näher auf dieses Thema einzugehen, doch nun, da Renji es ausgesprochen hatte, musste Kira sich etwas näher erkundigen.
»Du und Ise- san, ihr seid ein Paar?«, fragte er höchstinteressiert. Shuuhei wandte ihm das Gesicht zu, er sah ziemlich verlegen aus. Ein Gesichtsausdruck, den Kira noch nie bei seinem ehemaligen Senpai gesehen hatte.
»Nein, sind wir nicht«, meinte er.
»Aber du hättest es gerne, dass ihr ein Paar seid«, sagte Renji glucksend und Iba warf ihm einen tadelnden Blick zu, doch Kira entdeckte ein unverhohlenes Interesse in dem bebrillten Gesicht.
»Wo wir gerade von Nanao und mir reden«, begann Shuuhei, doch Renji klopfte ihm grinsend auf die Schulter und unterbrach ihn:
»Aha! Ihr nennt euch schon bei Vornamen!«
»Wie läuft es eigentlich bei Rukia und dir?«, fragte Shuuhei sehr laut, woraufhin Renji das Lachen im Halse stecken blieb und er leuchtend rot anlief. Kira musste sich ein Schmunzeln verkneifen. Iba nahm einen großen Schluck Sake und zog Shuuheis Unterlagen zu sich heran, als wäre er an ihrer Unterhaltung überhaupt nicht interessiert.
»Danke, es…läuft ganz hervorragend«, sagte Renji etwas heiser und leerte seinen Becher in einem Zug. Shuuhei schnaubte.
»Mindestens so gut wie bei Ikkaku und Nemu«, murmelte Iba, offenbar immer noch in die Unterlagen vertieft.
Alle am Tisch starrten ihn an. Als das Schweigen länger andauerte, hob Iba den Kopf und eine seiner Augenbrauen wanderte in die Höhe.
»Nun ja, Nemu hat einen wahnsinnigen Vater und Rukia einen ausgesprochen… eigenwilligen Bruder, was letztendlich aufs Gleiche hinaus kommt, wenn ich das richtig verstanden habe.«
»Ikkaku und Nemu?«, hauchte Kira ungläubig. Iba grinste.
»Allerdings. Aber Kurotsuchi Taichou war nicht begeistert davon und hat ihn beinahe mit seinem Zanpakuto aufgespießt, als er es erfahren hat«, meinte Iba und sein Grinsen wurde breiter. Renji schluckte.
»Hat Kuchiki Taichou auch schon versucht, dich aufzuspießen, weil du mit Rukia ausgehst?«, fragte Shuuhei interessiert. Renji schüttelte den Kopf, doch es sah ganz so aus, als würde er genau dies schon die ganze Zeit befürchten.
»Na dann, sorg dafür, dass es länger so bleibt«, meinte Shuuhei übermäßig freundlich und leerte ebenfalls seinen Becher Sake. Kira war gerade froh darüber gewesen, dass dieses Gespräch sich noch nicht ihm zugewandt hatte, da drehte Shuuhei den Kopf zu ihm und sah ihn einen Moment lang schweigend an, ehe er fragte:
»Und? Stehst du immer noch auf Matsumoto?«
Dröhnende Stille folgte auf diese Worte. Iba und Renji sahen komplett fassungslos drein.
»Matsumoto?«, fragte Iba ungläubig.
»Willst du jung an einer Alkoholvergiftung sterben?«, erkundigte sich Renji.
Kira spürte, wie sein Gesicht zu glühen begann. Es war ungerecht, dass ihm unterstellt wurde, er wäre in Matsumoto verknallt. Das stimmte nicht. Es war nur so, dass all diese lauschigen Treffen mit viel Alkohol in ihm eventuell den Wunsch geweckt hatten, ihr etwas näher zu kommen. Zu seiner Schande musste er allerdings gestehen, dass es ihm dabei um rein körperliche Nähe ging, wie Shuuhei wohl wusste, denn er schmunzelte amüsiert, während er Kiras hochroten Kopf betrachtete.
»So schön, wie sie ist, so wenig kann ich sie mir im Bett vorstellen«, sagte Renji nachdenklich. Kira verschluckte sich an einem Schluck Sake, den er gerade genommen hatte und hustete kräftig, bis Iba sich erbarmte und ihm auf den Rücken klopfte.
»Du sollst sie dir ja auch nicht im Bett vorstellen, wenn du mit Rukia ausgehst«, röchelte er und wischte sich die tränenden Augen. Renji zuckte die Schultern.
»Tu ich ja gar nicht. Ich meinte ja nur…«
Shuuhei schien plötzlich in Gedanken ganz weit weg zu sein.
»Na? Denkst du an Nanao?«, fragte Renji scheinheilig. Einen Moment lang herrschte erneut Stille, dann lachten sie alle los, froh darüber, dass weder Omaeda noch Sasakibe noch eines der Mädchen hier war, um diese Gespräche mit anzuhören.
