Zum Inhalt der Seite

Erlösung

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Licht am Ende des Tunnels

Kapitel 6: Licht am Ende des Tunnels
 

Wünschst du dir nicht auch manchmal tot zu sein?
 

Das alte Geschirrhandtuch, dass seine letzten Tage als provisorische Kopfschlinge verbringen durfte wurde gnadenlos in Fetzen gerissen. Die kitschigen Blumenmuster tränkten sich Faser für Faser mit der warmen Flüssigkeit, die den Jäger so wild machte. Er machte krank, er machte besinnungslos er machte wahnsinnig. Schmerz. Er Raste wie ein besonders gefährliches Gift durch den Körper, stellte jeden einzelnen Nervenstrang auf die Zerreißprobe. Unsortierte Gedanken schweiften kaum greifbar durch Jacks Schädel, machten das immer stärker werdende pochen des aufgestauten Blutes nur noch schlimmer.

Ich will sterben

Hoffnungslosigkeit ist der Erste Schritt in die Depression.

Vielleicht werde ich sie im Himmel wieder sehen.

Ein greller Lichtstoß zerriss das Dunkle Reich des Jägers. Anfänglich weiße, schwammige Flecken formten sich in Jacks Augen zu der Visage seiner Nemesis. Grausam, hässlich, gnadenlos... unzählige Adjektive dieser Natur blieben ihm im Hals stecken, bildeten einen dicken Klumpen.

Nichts und niemand bewegte sich jemals unentdeckt durch sein Jagdrevier. Umso irritierender war der helle Strahl, der seine für die Nacht geschaffenen Augen verbrannte. Böse zischend schreckte das Ungetüm vom Opfer zurück. Jack jaulte wie ein getretener Hund auf, als sich die Sichelartige Klaue von seinem Fleisch trennte. „Geh in das Licht!“ Wer war das? Ein Engel? Sie hatte die Stimme eines Engels. Die Prozedur des Aufstehens brachte Jacks letzte Kräfte gewaltig ins schwanken. Zitternde Knie wollten das Gewicht des Torsos partout nicht halten und brachen wie ein Kartenhaus zusammen. Unsicher stützte er seinen zusammensackenden Körper auf den noch gesunden Arm ab, der von der plötzlichen Anstrengung ins beben geriet. Der Jäger war nach wie vor erzürnt von der unangenehmen Unterbrechung und achtete glücklicherweise kaum auf den tollpatschigen Fluchtversuch seines Opfers. Jack erinnerte an ein Kleinkind, das gerade seine ersten Laufversuche unternahm. Stolpernd und staksend bewegte er sich weiter auf das sprichwörtliche „Licht am Ende des Tunnels“ zu. Eine Hitzewelle durchflutete ihn. Für einen kurzen Moment verschwamm das Licht zu einem gräulichen Strudel. Jack drehte sich der Magen um. Scharfe Galle drückte gegen seine Zunge, die er aber schnell wieder herunterschluckte.

Konzentrier dich... konzentrier dich...

Der Gedanke kitzelte zuerst in seinem Hinterkopf, formte dann aber ein imaginäres Geflecht, dass sich wie ein Teppich über alle Sinne legte. Fokus und Ruhe waren der Schlüssel. Panik und Angst die Vorbereitung auf einen schmerzhaften Tod. Sicherlich glich es einer wahren Meisterleistung, das fauchende, wütende, nach Blut lechzende Ungetüm schlicht weg zu ignorieren, aber Jack versuchte sein Bestes, den Blick nicht nach hinten zu werfen. Schleimige Speichelfäden tropften von den gefletschten Zähnen des Jägers. An Dunkelheit gewöhnte Augen scannten die Umgebung nach dem verlorenem Opfer. Als er den stark blutenden Mann von seinem ehemaligen Standpunkt wegschwanken sah, stieß er ein Schreckliches Kreischen aus.

Jack zuckte bei dem Ohrenbetäubenden Geräusch zusammen. Der einstige Plan das nahende Ende zu vergessen drohte in sich zusammenzubrechen. Jack konnte seine innere Hektik nicht verstecken geschweige denn komplett ausblenden.

Er stolperte.

Der Jäger fand einen sicheren Weg, dem gleißenden Lichtkegel zu entgehen. Dicht an der Decke gepresst setzte die Kreatur ein drahtiges Bein vor das andere. Jack drehte den Hals in die entgegengesetzte Richtung und sah wie sein Verfolger das störende Hindernis überwand. Wie würde er wohl töten? Das schmackhafte Fleisch seines Opfers in Stücke reißen, während es seinen Pein aus der Lunge schrie? Vielleicht durchbohrte das Monster auch zuerst seinen Hals, damit er Ruhe gab. Etliche Möglichkeiten zu sterben. Aber nur eine einzige die zum Überleben führte... eventuell. Es konnte eine weitere Falle sein, ein Raum, der sich von selbst verriegelte und zum ewigen Gefängnis wurde, ein weiteres Biest, dass intelligent genug war, um seinen Rivalen mithilfe von Lichtquellen auszuspielen. Alles war möglich, denn das Brookhaven Hospital hatte die Tiefen der Hölle entfesselt. Mit aufgeriebenen Knien stemmte sich Jack erneut hoch. Um an das nächste Elend zu denken, musste er erstmal dem jetzigen entkommen. Das heftige rascheln an der Decke war Nervenzermahlend. Der Jäger wurde ungewöhnlich leise in Anbetracht seiner vorherigen schäumenden Wut. Still verschwand er endlich in die geliebten Schatten. Ein schlimmeres Gefühl als der Tod selbst war das Unwissen wann es Geschah. Das Paar quietschender Lederschuhe und das Keuchen einer gequälten Lunge gaben die einzigen lauten Geräusche von sich. Wie viele Meter waren es noch? Die Quelle des Lichts schien unendlich weit entfernt zu sein. Lediglich ein ferner, unerreichbarer Hoffnungsschimmer. Für einen kurzen Moment lang dachte Jack daran, ob sich die Schmerzen überhaupt lohnten. Er konnte einfach stehen bleiben und das vom Schicksal gedrungene Ende über sich ergehen lassen. Amanda war nicht hier... zumindest nicht in ihrer fleischlichen Form. Sie war nur noch ein Geist, eine vage Erinnerung, die Jacks Gedanken folterte und malträtierte. Allerdings könnte er ihr im Himmel begegnen...

Ein Kampfschrei.

Er konnte die Klaue schon durch den Luftzug spüren, bevor sie um Haaresbreite an ihm vorbei surrte. Reflexartig und erschrocken schlug Jack beide Arme über den Kopf, wobei der rechte Arm schmerzhaft protestierte. „Lass mich in Ruhe!“ Schreien war die einzige Verteidigung, die er sich selbst bieten könnte. Ein grausames Monster anschreien, als ob es ein Muskelbepackter Hüne war, der ihn wegen seines Pausengelds verprügelte. Gedämmtes Licht spiegelte sich in den milchigen Augen wider, die ihn für einige Sekunden anstarrten. Dann verschwand die Kreatur mit einem mächtigen Satz erneut in den Schatten. „Was... soll das?“ Hatte es etwa Angst bekommen? Diese Vorstellung war geradezu lächerlich. Lachhaft. Die darauf folgende Erkenntnis ließ seine Gedanken rasen.

Es spielt nur mit mir.
 

Der Jäger beäugte aufgeregt sein zappelndes Opfer. Man möge ihn für ein primitives Wesen halten, aber er war durchaus dazu in der Lage Taktiken zu wechseln und oberflächliche Emotionen zu empfinden. Das gleißende Licht verbrannte seine empfindlichen Augen und reizte sein Gemüt, doch nun war der Jäger wieder voll und ganz auf das Ziel fixiert. Die lange fleischige Zunge kitzelte seinen Rachen, der sehr bald mit frischen, warmen Blut gefüllt sein sollte. Doch zuerst vergnügte er sich ein wenig mit der Angst des Opfers. Er spürte die Angst, konnte sie wie ein Hund riechen. Sie erregte den Jäger, sodass er nicht mehr vom Opfer ablassen konnte.
 

Den Spaß wollte und konnte er dem Monster nicht lassen. Das bisschen Würde, das sich tief in Jacks inneren verkrochen hatte, drückte gegen seinen Brustkorb. So durfte es nicht enden. Nein. Er verdoppelte das Tempo, mit dem er über den rostigen, verbrannten Boden schlurfte. Ab und zu gab der Knöchel oder die Kniescheibe nach und knickte leicht ein, doch solche Unannehmlichkeiten spürte er nicht mehr. Auf der Wand zur Rechten Seite drückte sich eine lange Kerbe ins Metall. Ein aggressives fauchen dröhnte in Jacks Ohren. Wollte es angreifen oder verunsichern? Jack hetzte seine Augen von links nach rechts, nach oben und nach unten, immer wartend auf den nächsten Schlag. Aber er kam einfach nicht. Das Licht rückte weiter in seine Nähe. Eventuell würde er das erste Mal, seit er in Silent Hill angekommen war, so was wie Glück haben. Plötzlich wurde ihm der Sauerstoff aus den Lungen gepresst. Die Schwerkraft ließ ihre gnadenlosen Kräfte wirken und Jack knallte auf alle Viere. Der Schmerz trieb ihn Tränen in die Augen, die die Sicht verschwimmen ließen. Glück war an einem Ort wie diesen zu viel verlangt. Trotz neu eingetretener Verletzungen und einem erdrückendem Gewicht auf der Wirbelsäule robbte Jack tapfer nach vorne.

Bestimmt ist es einfacher zu sterben.

Böse Stimmen flüsterten ihm ins Gewissen.

Es hat keinen Sinn, es wird dich fressen.

Er spürte die hoch erhobene Kralle, die wie eine Guillotine über seinen Kopf schwebte.

Amanda wird sich bestimmt freuen, dich wieder zu sehen.

Jack sank weiter in sich zusammen, mit der Wange fast den Boden berührend.

Du wirst in dieser Welt ohnehin nicht gebraucht!

Die stille Wahrheit breitete sich wie ein starkes Gift in ihm aus. Arme und Beine erschlafften. Die Motivation, der kurzzeitige Überlebenswille... verflogen. Jack vermochte nur noch zu hoffen, dass es nicht zu lange dauern würde. Dann ein Schlag. Kein finaler Schlag, sondern ein dumpfer Gegenstand, der mit großer Gewalt gegen den Kopf des Jägers geschleudert wurde. Eben genannter stieß einen kehligen Grunzer aus und verlor das Gleichgewicht. Das gesamte Gewicht löste sich mit einem mal vom Rücken des Opfers. Zunächst blieb er stocksteif liegen. Entkommen war unmöglich, sich wehren war töricht und weiterleben war unnötig. Wahrscheinlich blieb man ohnehin auf ewig in dieser Hölle gefangen, bis man dem Tod endlich ins hässliche Antlitz sah. Doch ein kleiner Teil in Jacks Verstand fragte sich, wer den Jäger vertrieben hatte. Diese Frage schien sich von alleine zu beantworten. Schlappe Schultern wurden von kräftigen Händen umfasst. Wie eine Strohpuppe wurde der niedergeschlagene Mann über den dreckigen Boden geschleift, hinein in das Licht. Das wunderschöne, beruhigende Licht. Wollten die Engel ihn etwa zu sich holen? Er wurde gegen die Wand gelehnt.

Dann schloss sich eine Tür.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2010-08-10T19:09:33+00:00 10.08.2010 21:09
Heyy

Ich hab heute grade angefangen deine Fanfic zu lesen und finde
sie echt gut.
Ich mag Jack und er tut mir total leid.
Ich finde es auch cool, das es bei dir drei Welten gibt,
das bringt noch mehr spannung rein als so wieso schon drinn ist ;-)
Ich bin schon gespannt wie es weitergeht und freue mich schon
auf das nächste Kapitel.


Zurück