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Fate

A next generation story.
von

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Fate loses control

Der Sog spuckte sie irgendwo in London wieder aus. Immer noch verstand Scorpius nicht was gerade passiert war. Fred war aufgetaucht und hatte ihn gerettet. Hatte er auch die Seiten gewechselt?

Und was war mit Rose? Der Malfoy hatte das Gefühl zum ersten Mal bei ihr durchgedrungen zu sein, denn sie hatte es nicht fertig gebracht ihn zu töten. Stattdessen hatte sie tatenlos zugesehen und nicht einmal mehr den Versuch unternommen gegen ihn vorzugehen. Damit hatte er möglicherweise einen Teilsieg davon getragen, doch er war noch weit entfernt sie zurückholen. Das wusste er.

„Fred“, versuchte Scorpius noch einmal mit dem Weasley zu reden, doch es kam nicht einmal eine winzige Reaktion von diesem. Er stand einfach nur mitten auf der noch leeren Straße, die sich – da die Sonne sich langsam am Himmel erhob – bald füllen würde. Scorpius hatte das Gefühl, dass Fred ihn nicht einmal gehört hatte und er fragte sich was den Weasley so verstört hatte.

Doch der Blonde hatte nicht mehr die Kraft weiter nachzufragen. Fred hatte ihm geholfen und er verdankte ihm sein Leben. Das Warum konnte später immer noch geklärt werden. Erschöpft ließ er sich auf einen Treppenaufgang zu einem der Häuser fallen. Sein Kopf fühlte sich an als müsste er platzen, denn es war soviel passiert über das er noch keine Zeit hatte sich Gedanken zu machen. Eigentlich brauchte er eine Pause. Urlaub von all diesem hier. Aber das war unmöglich. Es gab keine Pausetaste im Krieg. Niemand fragte danach ob er noch konnte und genug Reserven hatte. Scorpius fragte sich wann das alles ein Ende fand, denn er war langsam aber sicher an seiner Grenze angelangt und wusste nicht mehr wie er das weiter überstehen sollte.

Wenn sie doch nur endlich die Identität des Puppenspielers ausfindig machen konnten. Er musste sich direkt vor ihrer Nase befinden und sich schlapp lachen darüber wie sie versuchten vergeblich eine Lösung zu finden und ihm zu entkommen.

Wenn sie nur irgendetwas hätten. Ein Motiv. Ein Hinweis. Einen Zeugen. Die Methode. Einen Fehler. Aber sie hatten reinweg gar nichts nach diesen fünf Monaten vorzuweisen. Was brachte es ihnen denn schließlich zu wissen, dass sie Schachfiguren waren und wehrlos dem nächsten Zug ausgesetzt waren?

Die Sonne stieg stetig höher und die ersten Sonnenstrahlen krochen schon über die Hausdächer. Bald würde jemand die Tür öffnen und ihn von der Treppe verscheuchen. Fred hatte sich immer noch nicht gerührt und starrte auf irgendeinen Punkt in der Ferne. Wahrscheinlich war er nur in seinen Gedanken verloren so wie Scorpius. Er konnte deutlich jeden Knochen in seinem Körper fühlen was kein Wunder war schließlich hatte Rose ihn wieder gefoltert. Er brauchte sein Bett und eine Portion Schlaf.

Mühsam quälte der Malfoy sich von den Stufen hoch und trat auf Fred zu.

„Lass uns gehen“, meinte er und legte dem Weasley eine Hand auf die Schulter. Er wäre fast zurück geschreckt, da Fred sich seltsam eisig anfühlte, aber er tat es nicht. Stattdessen wedelte er mit der Hand vor den Augen seines Retters herum, der sich immerhin weit genug zusammenriss um hoch zuschauen und in dem Augenblick wurde Scorpius klar, dass etwas Schreckliches geschehen war.

Als James neben ihm auftauchte, ihn beiseite schob und Fred die Faust ins Gesicht trümmerte, wusste er auch was. Die kleine Lily Potter war tot.
 

~~~
 

In James schrie alles und er schlug wie ein Berserker auf seinen ehemaligen besten Freund ein in der Hoffnung dadurch seinem Schmerz Einhalt zu gebieten, aber es war vergebene Liebesmüh. Als Molly ihn endlich von Fred herunterziehen konnte, der sich nicht einmal gewehrt hatte, waren seine Fäuste blutig, sein Atem ging schwer und sein Gesicht war klitschnass von den Tränen, die er nicht stoppen konnte oder wollte. Aber besser fühlte er sich nicht. Molly zog ihn in ihre Arme und strich ihm über den Rücken um ihn zu beruhigen. In der warmen Umarmung begann er zu zittern und konnte seine Gefühle nicht mehr zurückhalten. Er schrie, weinte, tobte und schluchzte, doch Molly ließ ihn nicht los, sondern blieb bei ihm bis er all seine letzten Kraftreserven aufgebraucht hatte und zusammensank wie ein Haufen Elend, dem nur noch die entsetzliche Wahrheit geblieben war.

Seine Schwester war tot. Seine kleine, über alles geliebte Schwester. Die Prinzessin, die er sich immer geschworen hatte zu beschützen. Er war gescheitert. Hatte versagt als großer Bruder und Ritter. Es war alles seine Schuld. Er hatte sie diesen Weg hinunter getrieben.

„Meine Schuld, alles meine Schuld“, echote James nur noch schwach, während er sich an Molly festklammerte. Er konnte an nichts anderes mehr denken. Lily war tot.

„Pscht“, versuchte seine beste Freundin ihn zu beruhigen, während sie ihm durch die Haare fuhr und die Tränen vom Gesicht wischte. „Ich bin hier und ich gehe nicht weg.“

Die Stimmen der anderen drangen schwach an sein Ohr aber er verstand nicht was sie sagten und dann waren sie auf einmal weg. Er konnte nicht mit ihnen zurück. Er konnte nicht zurück zu seinen Eltern und seinem Bruder und ihnen mit dieser schrecklichen Schuld in die Augen sehen. Er hatte versagt. Seinetwegen war seine Schwester fort und jetzt war sie tot. Das konnte er nie wieder gut machen. Für dieses Vergehen musste er den Rest seines Lebens Buße tun.

„James“, flüsterte Molly ihm zu. Er konnte spüren wie ihre heiße Tränen auf sein Gesicht tropften. Sie versuchte sich zusammenzureißen und für ihn stark zu sein.

„Albus“, murmelte er. „Ich muss zu Albus.“

Er konnte hier nicht bleiben und sich seinem Schmerz hingeben. Wer war dann für seinen Bruder da? Auf keinen Fall durfte er jetzt auch noch seinen Bruder verlieren. Albus war schon einmal der dunklen Seite verfallen. Er musste verhindern, dass sein kleiner Bruder sich die gleichen Vorwürfe machte, wie er sich jetzt selbst machte. Sie mussten füreinander da sein und sich gegenseitig Trost spenden. Er durfte nicht so selbstsüchtig sein und sich in seinem Kummer vergraben.

Molly half ihm auf, da James kaum mehr die Kraft hatte alleine zu stehen so schwach fühlte er sich.

„Danke“, brachte er schwach über die Lippen und meinte damit so viel mehr als nur die Dankbarkeit für ihre Hilfe beim Aufstehen. Ohne Molly hätte er gar keinen Grund mehr gefunden wieder aufzustehen. Ohne sie hatte er sich schon längst in seinem Schmerz verloren.

Gemeinsam machten sie sich auf den Rückweg und James wappnete sich. Das Wichtigste war jetzt für seine übrig gebliebene Familie da zu sein und allen eine Stütze zu sein. Sein eigener Kummer musste jetzt warten.
 

~~~
 

Louis wollte mit niemanden reden. Vor allem nicht mit seiner Schwester. Er wollte allein gelassen werden und sich ganz seiner Trauer hingeben. Er hatte seine Tür verbarrikadiert und sich auf Lysanders Bett unter dessen Decke verkrümelt, wo er seine Tränen freien Lauf ließ.

Wenn er doch nur bei seinem besten Freund in der Bibliothek geblieben wäre. Wenn er ihn dazu gezwungen hätte aufzustehen und mit ihm zu kommen. Aber Lysander hätte nur abgewinkt, das wusste Louis genau. Nichts und niemand hätte ihn dazu bringen können seine Notizen liegen zu lassen, wenn er vielleicht gerade auf einer heißen Spur war. War das sogar der Grund warum sein bester Freund jetzt tot war? Louis bekam es mit der Angst zu tun und er rollte sich noch tiefer unter der Decke ein, da ihn die Kälte wieder befiel. Der Puppenspieler würde sie alle längst getötet haben bevor sie nur irgendetwas herausfinden würden. Das würde er niemals zulassen.

Es war so hoffnungslos. Dieser ganze Kampf gegen einen unsichtbaren Gegner war nicht zu schaffen. Sie hatten doch nicht die geringste Chance. Lysander war der einzige von ihnen gewesen, der möglicherweise hinter die Identität des Puppenspielers hätte kommen können. Doch nur war er fort und damit war auch ihre minimale Erfolgsaussicht zu Staub zerfallen.

Und ihm blieben nur der Schmerz und die Schuldgefühle. Louis spürte wie die Tränen auf seinem Gesicht eine Bahn in seine Wangen einmeißelten. Er wollte nur noch, dass es aufhörte. Möglicherweise war es das Beste wenn er wie in seinem Traum starb um dem Leid zu entkommen, denn er konnte so nicht mehr weitermachen. Er fühlte sein Fundament bröckeln. Bald würde er auseinander fallen. Es gab niemanden mehr, der ihm Mut machte. Ohne Lysander war er einfach nur ein verlorenes Schaf. Es war Lysander gewesen, der ihnen das Vertrauen gegeben hatte, dass sie es schaffen konnte, dass sie Helden sein konnten und den Bösewicht erledigen würden.

Wie sollte es ohne ihn weitergehen? Es konnte so nicht weiter laufen. Louis wollte die Zeit zurückdrehen zu seinem letzten Gespräch mit seinem besten Freund. Er wollte ihn darum bitten mit ihm zusammen Alice zu besuchen. Lysander würde wissen was zu sagen war um Alice aus ihrer Starre wieder herauszureißen und ihr neue Hoffnung zu geben. Zu dritt würde sie sich durch die Notizen wühlen und endlich den entscheidenden Hinweis finden.

Louis schluchzte bei diesem Gedanken auf. Es tat zu weh daran zu denken, was hätte sein können, denn es war nur eine dumme Illusion, die er sich nur machte, damit er sich besser fühlte.

Lysander würde ihm nicht mit Alice helfen können. Er würde ihm auch keine Hoffnung mehr machen können. Diese Zeit war vorbei. Es gab keine Heldentruppe mehr. Alice war im Krankenhaus und völlig zerbrochen, Annie war in Behandlung, Lysander tot und er war vor Kummer gelähmt. Niemand von ihnen würde den Puppenspieler jetzt noch stoppen. Die Zeit der Helden war vorüber.
 

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„Nein“, erwiderte Alice nur wütend. „Du lügst. Lysander kann nicht tot sein.“

Sie konnte sehen wie ihr Vater hilflos mit den Schultern zuckte und sein verzweifelter Gesichtsausdruck verriet ihr schon was er als nächstes sagen würde.

„Ich wünschte es wäre anders, mein Liebling. Aber es ist die Wahrheit.“

Er wollte sie in den Arm nehmen um sie zu trösten doch sie wich ihm nur aus und rutschte bis an die Bettkante des Krankenhausesbettes. Sie wollte jetzt keinen Trost. Sie wollte nicht, dass jemand sie in den Arm nahm und ihr sagte, dass alles wieder gut werden würde, denn das wäre gelogen.

„Geh“, schnauzte sie ihren Vater nur an. „Ich will allein sein.“

Einen Augenblick fürchtete sie, dass er trotzig sitzen bleiben würde, aber ihr Vater hatte ihr noch nie etwas aufgezwungen und so verließ er schweigend– aber nicht ohne ihr noch ein letztes Mal über die Haare zu streichen – das Zimmer.

Alice blieb fassungslos zurück. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass der smarte und freundliche Scamander fort war. Für immer. Er hatte sie heute besuchen wollen, um mit ihr zu reden. Sie hatte ihn nicht mehr gesehen seit er sich von ihnen verabschiedet hatte bevor sie sich zum Ministerium aufgemacht hatten. Nie hätte sie gedacht, dass das ein endgültiger Abschied gewesen war. Sie hatte ihm noch soviel sagen wollen. Ihm erklären wollen wie dankbar sie ihm und Louis war. Dafür dass die beiden für sie da gewesen waren und ihr eine Beschäftigung gegeben hatten. Es schmerzte unendlich der Chance auf diese Worte beraubt worden zu sein.

Doch statt ihre Trauer zuzulassen erlaubte Alice ihrer Wut Besitz von ihr ergreifen zu lassen. Sie war so verdammt sauer. Hauptsächlich auf sich selbst, aber auch auf den Puppenspieler und die anderen Schachfiguren. Lysander hätte dort draußen nicht alleine sein dürfen. Sie hätte sich nicht hier im St. Mungos vergraben sollen. Warum war sie nur so schrecklich verängstigt gewesen? Wie hatte sie nur ihre Freunde im Stich lassen können und sich so selbstsüchtig ihrer Angst hingeben können?

Sie starrte die weiße Wand vor sich an in der Hoffnung, dass diese ihr eine gute Antwort liefern konnte. Aber es war jetzt zu spät sich Vorwürfe zu machen. Alice konnte ähnlich wie bei der Schlacht in Hogwarts die Zeit nicht zurückdrehen und Lysander zurückholen.

Doch sie konnte sich aus ihrer Starre befreien, diesen Ort verlassen und in den Kampf gegen den Puppenspieler ziehen. Sie ballte die Fäuste zusammen. Das Opfer ihres Freundes konnte nicht umsonst gewesen. Keine Figur auf dem Schachbrett sollte grundlos geopfert werden. Es sollte dem Ziel dienen zu gewinnen und es war noch nicht vorbei solange noch Schachfiguren auf dem Feld waren.

Alice konnte nur vorwärts gehen und jede gegnerische Figur vom Brett fegen bis sich endlich dem schwarzen König gegenüberstand. Sie musste ihn schachmatt setzen. Für Lysander. Und für all die anderen Toten, die es nicht hätte geben dürfen.

Entschlossen stand die Blonde mit einem Ruck auf. Es war Zeit zu kämpfen und zurückzuschlagen.
 

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Man konnte sich in seinen Kummer vergraben und die Welt ausschließen. Man konnte stark sein und den Schmerz ertragen. Oder man konnte die Trauer durch ein anderes ebenso starkes Gefühl überlagern. Und Harry war verdammt wütend. Die Wut hatte ihn längst völlig durchflutet und er brauchte jetzt sofort einen Schuldigen, an dem er all diese Wut auslassen konnte, denn er konnte nicht mehr klar denken. Diese grausame Nachricht hatte einfach noch nicht seinen Kopf erreicht.

Kaum waren die Kinder zurückgekommen hatte Harry den Saal in seine Einzelheiten zerlegt. Aber das hatte nicht gegen den rauchende Zorn und diesem schrecklichen Gefühl der Hilflosigkeit geholfen.

Also war er hinausgestürmt und hatte Ginny alleine gelassen, obwohl er wusste, dass sie ihn jetzt brauchte. Aber er konnte es einfach nicht ertragen.

Es musste irgendetwas geben. Irgendetwas, das er tun konnte. Er musste diesen Mörder finden und ihn zur Strecke bringen. Er musste etwas unternehmen. Es musste aufhören.

In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken und die Vermutungen und er folgte einfach seinem Instinkt. Er hatte das Gefühl, dass das entscheidende Puzzleteil direkt vor seiner Nase baumelte und er nur noch zugreifen musste.

Also folgte er seiner Eingebung und machte sich auf den Weg zu den Quartieren der Erwachsenen. Der Puppenspieler musste unter ihnen sein. Er musste unter ihnen sitzen und sich das Schauspiel aus nächster Nähe ansehen. Der Verdacht stand schon länger im Raum, dass einer unter ihnen der Manipulator war und derjenige alle Informationen hatte, die er brauchte, um sie geschickt auszuspielen und sein grausiges Morden ungehindert fortsetzen zu können.

Harry erreichte den Raum, indem die Liste hing, wer mit der Nachtwache dran war. Er riss sie von der Wand und sah sie sich an. Dieser Mistkerl musste gestern mit den Rundgängen dran gewesen sein. Nur so konnte er sich erklären wie es Scorpius und Lysander gelungen war unbemerkt das Gelände zu verlassen. Der Puppenspieler musste es zugelassen haben.

Er fand den Namen, den er brauchte, am Ende der Liste und stürmte wieder aus dem Zimmer hinaus. Harry machte sich gar nicht erst die Mühe anzuklopfen, er stürmte gleich in den Raum und fand seinen Hauptverdächtigen schlafend vor.

Mit gezogenem Zauberstab weckte er ihn.

„Was ist los?“, murmelte dieser schlafgetrunken. „Ist was passiert?“

„Steh auf“, forderte Harry ihn auf.

Er musste tief durchatmen um sich noch zusammenreißen. Dieser Kerl machte auf völlig unschuldig.

Langsam kam sein Gegenüber auf die Beine und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Dann fiel sein Blick auf den Zauberstab in Harrys Hand.

„Hab ich irgendetwas verbrochen?“, fragte er erschrocken und mit aufgerissenen Augen.

Harry zwang sich ruhig durchzuatmen und nicht zuzuschlagen, weil er ihm keine Sekunde diese Unschuldsshow abkaufte. Dieser hier hatte Dreck am Stecken.

„Du hattest gestern Nachtwache, nicht wahr?“

„Ist was passiert? Es tut mir so schrecklich leid, aber ich bin nur ganz kurz eingeschlafen. Ich war so müde vom Nichtstun. Es ist alles meine Schuld.“

Harry war die Entschuldigung egal. Er packte den Kerl beim Kragen und drückte ihn gegen die Wand. Er hatte keine Lust sich von diesem Typen veräppeln zu lassen.

„Du bist der Puppenspieler, nicht wahr?“, ließ Harry seiner Vermutung freien Lauf. „Daher stehst du jetzt unter Arrest, Mr. Paul Hyde.“

Und sein Gegenüber lächelte nur als wäre das alles bloß ein Witz. Als wäre seine Tochter nicht gerade ermordet worden. So als wäre die Welt noch in Ordnung und alles nur ein böser Traum.
 

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„Was habt ihr euch nur gedacht?“, fuhr Nathan Rose und Liam an. „Dank eurer gigantischen Lust auf nächtliche Spaziergänge haben wir drei unserer Mitstreiter verloren. Drei!“

Rose hatte ihn noch nie so wütend und zeitgleich bitter enttäuscht erlebt. Aber sie wusste selber nicht wie sie das rechtfertigen konnte. Sie stand noch völlig unter Schock.

„Ich hätte für euch intelligenter gehalten. Besser vorbereiteter. Aber nein ihr lasst euch überrumpeln. Euch außer Gefecht setzen. Ihr lasst zu, dass eure Mitstreiter getötet werden oder die Seiten wechseln. Ihr habt nichts dagegen unternommen.“

„Wenn Rose…“, setzte Liam zur Erklärung an aber Nathan schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab und der Pucey protestierte nicht einmal dagegen.

„Du hast zugelassen, dass dein Zauberstab zerbrochen wurde. Was willst du jetzt tun ohne einen vernünftigen Zauberstaub? In die Winkelgasse marschieren und dir einen neuen besorgen? Hast du eigentlich mal drüber nachgedacht, dass das nicht so einfach funktioniert?!“ Nathan schnaubte. „Nein natürlich nicht. Keiner von euch kann denken und mal ein bisschen voraus planen. Was bin ich eigentlich? Euer Aufpasser, der euren Müll zusammenkehrt?!“

Rose hatte Tränen in den Augen. Sie wusste gar nicht weswegen ihr so zum Heulen zumute. War es weil Nathan so enttäuscht von ihr war? War es weil sie so wütend über sich selbst war, dass sie sich von ihren Emotionen überwältigen lassen hatte und schon wieder die Chance verpasst hatte Scorpius den Garaus zu machen? Oder weil Lorcan und Lily fort waren und sie das traf?

Sie fing an zu schluchzen und Liam warf ihr die Sorte Blick zu, die eindeutig sagte, dass sie ihn bloß mit ihrem Geheule verschonen sollte. Aber ihr war verdammt noch mal egal was der ehemalige Slytherin von ihr jetzt dachte. Sie war einfach fertig mit den Nerven. In den letzten drei Tagen hatte sie mitgeholfen das Ministerium zu zerstören, Albus hatte sie im Stich gelassen und Lorcan war auch fort. Und sie hatte sich zweimal die Gelegenheit entgehen lassen Scorpius zu töten weil Rose es einfach nicht schaffte ihre Gefühle endgültig abzuschalten und sich davon zu befreien. Die Weasley hatte einfach genug von alldem.

„Ist das genug der Strafpredigt?“, fragte Liam genervt.

Aus Nathans Augen schossen tödliche Blitze und Rose hätte beinahe aufgelacht als Liam automatisch einen Schritt zurück machte und in Deckung ging.

„Verschwinde schon“, fauchte der ehemalige Hausmeister und Liam war schneller bei der Tür als man Quidditch hätte sagen können.

Rose blieb, denn auch wenn Nathan wütend auf sie war, war er die einzige Person bei der sie sich jetzt noch sicher und geborgen fühlte. Und sie war noch so durcheinander von ihrer Begegnung mit Scorpius, dass sie nicht alleine mit ihren Gedanken bleiben wollte.

Nathan sagte nichts sondern ließ sich einfach in seinem Sessel am Kamin nieder. Auf dem Tischlein neben ihm stand eine Flasche Rotwein und dazu ein Glas. Er musste gestern hier im Schein des Kamins gesessen haben und den Wein getrunken habe. Rose ärgerte sich. Sie hätte einfach zu ihm kommen sollen statt sich in die Nacht hinaus zu schleichen. Er hätte ihr zugehört und ihr eine Tasse Tee gemacht sowie er es in Hogwarts getan hatte, als er die einzige Person gewesen war, die Zeit für sie gehabt hatte.

„Es tut mir leid“, brach Rose stockend hervor. „Ich hätte nicht hinausgehen sollen.“

Er warf ihr einen langen Blick zu. Sie fing an sich unwohl dabei zu fühlen, weil er nichts dazu sagte sondern sie nur ansah, aber dann wand er sich ab und blickte hinaus in den Regen, der angefangen hatte auf das Dach zu tropfen und im gleichmäßigen Takt zu trommeln begann.

Rose fühlte sich allein gelassen in dieser weiten Welt. Plötzlich schien niemand mehr da sein zu. Nur das Trommeln des Regens, das das dunkle Loch in ihrem Herzen ausfüllte.
 

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Dominique hatte versucht mit ihrem Bruder zu reden, doch Louis hatte sich eingeschlossen und weigerte sich herauszukommen. Sie hatte es schon bei ihrem Aufbruch geahnt aber dennoch war sie fassungslos. Noch mehr Tote. Noch mehr Opfer des Puppenspielers und sie konnten nichts tun.

Aber die blonde Weasley konnte sich nicht in ihrem Kummer vergraben. Lysander war vielleicht ihre beste Chance gewesen, aber er war nicht der einzige, der klug genug war. Sie musste jetzt an sich selbst und ihre Fähigkeiten glauben so wie es Mr. Blotts ihr geraten hatte.

Und sie konnte einfach nicht untätig herumsitzen und warten bis der nächste Zug kam. Da sich alle in ihr Schneckenhaus zurückgezogen hatten, um das Geschehene zu verdauen und zu trauern, machte sich Dominique ungesehen auf dem Weg in die Bibliothek. Es war seltsam ohne Lysander im Raum. Einen Augenblick hielt sie inne und ließ sich dann auf Lysanders Platz auf dem Fußboden nieder. Seine Notizen waren verstreut und sie begann sie zu ordnen, aber währenddessen holten die Erinnerungen sie ein. Ihr Tanz mit Lysander am Abend der Hochzeit ihrer Schwester. Wie sie ihn nur abschätzig betrachtet hatte und ihn gar nicht wirklich wahrgenommen hatte. Aber er hatte sie genau gesehen und in ihr Inneres geblickt. Er hatte sie verstanden und akzeptiert wie sie war.

Lysander hatte das größte Herz von ihnen allen gehabt und hatte alles getan um ihnen zu helfen. Er hatte es nicht verdient zu sterben. Keiner von ihnen hatte es verdient zu sterben. Sie alle hatte noch ihr ganzes Leben vor sich. Niemand sollte das kaputt machen.

Dominique liefen die Tränen über das Gesicht aber sie machte sich nicht die Mühe sie wegzuwischen, denn es würde nicht aufhören weh zu tun. Der Schmerz würde nie enden. Sie wollte lieber Lysanders Gedenken wahren, indem sie seine Arbeit fortsetzte. Die Blonde machte sich also daran die Notizen ihres verstorbenen Freundes durchzusehen und sich jedes einzelnes Wort davon einzuprägen.

Sie musste zwar gegen die Tränen anblinzeln aber es gelang ihr immerhin das Geschriebene nicht auch noch mit ihren Tränen zu verschmieren. Lysander hatte wirklich jede Kleinigkeit festgehalten, die sich seit der Hochzeit von Victoire und Ted ereignet hatte. Er schien sich sicher gewesen zu sein, dass alles dort angefangen hatte und egal was der Puppenspieler für ein Zauber auf sie verwendet hatte, er hatte es auf der Hochzeit getan.

Dominique versuchte sich zurückzuerinnern ob ihr irgendetwas seltsam vorgekommen war oder ob sie jemanden gesehen hatte, den sie nicht gekannt hatte. Aber sie erinnerte sich an nichts Merkwürdiges. An diesem Tag war sie nur völlig geblendet von der Eifersucht auf ihre Schwester gewesen, dass sie nichts um sich herum wahrgenommen hatte. Wahrscheinlich war das der Grund gewesen, dass der Puppenspieler sie ausgewählt hatte. Möglicherweise hatte jeder von ihnen sich an diesem Tag mit negativen Gefühlen herumgeplagt. Irgendwie musste er gewusst haben wer besonders gut auf seine Manipulation anspringen würde. Hatte er sie länger beobachtet? Beherrschte er Legilimentik?

Es schien eine Million Fragen zu geben bezüglich des Puppenspielers und es schien als könnte sie keine einzige davon beantworten. Aber Dominique wollte die Hoffnung noch nicht aufgeben und las in den Notizen weiter. Irgendwo musste es den einen entscheidenden Hinweis geben. Der Schlüssel zu allen Antworten.
 

Dominique spürte wie ihr die Augen langsam zufielen. Sie war erschöpft, da sie kaum geschlafen hatte in den letzten Tagen und soviel passiert war. Aber sie wollte noch nicht zurück in ihr Zimmer. Erst wenn sie alles gelesen hatte und sich eingeprägt hatte, konnte sie ins Bett gehen. Und selbst dann eigentlich nicht. Sie konnte erst wieder beruhigt schlafen wenn die Gefahr durch den Puppenspieler gebannt war. Es war kalt geworden auf dem Fußboden und sie hatte sich keine Jacke mitgenommen. Durch das kleine Fenster in der Nähe des Schreibtisches fiel ein wenig Licht des abnehmenden Mondes. Ansonsten lag die Bibliothek im Dunkeln. Der Blonden war gar nicht aufgefallen, dass es schon Nacht geworden war. Obwohl sie einerseits das Gefühl hatte, dass keine Zeit vergangen war, schien der blutige Morgen andererseits Jahre her zu sein. Der Augenblick als sie die Leichen gefunden hatte kam ihr vor wie aus einem anderen Leben. Aber all das war passiert und es war nicht einmal ein Tag her.

Dominique versuchte sich wieder auf die Notizen zu konzentrieren, doch die Buchstaben tanzten vor ihrer Nase auf und ab und ergaben keinen Sinn mehr. Bevor sie sich dagegen wehren konnte übermannte der Schlaf sie und sie rollte sich auf dem Fußboden ein. In ihrem Traum tanzten die Buchstaben weiter, setzten sich neu zusammen und zerfielen wieder auseinander bevor der ganze, seltsame Reigen von vorne begann. Sie versuchte die Buchstaben zu verscheuchen, weil sie in Ruhe gelassen werden wollte, aber wie kleine Libellen wuchsen ihnen Flügel und sie flogen über sie hinweg und tanzten als leuchtende Punkte am Himmel weiter. Dominique schnaubte missmutig und starrte in den Nachthimmel, der sich über sie erstreckte. Im Osten begann es bereits heller zu werden und die Buchstaben erloschen nach und nach. Bis zum Schluss nur noch fünf Buchstaben übrig blieben, die ein letztes Mal ein Wort bildeten bevor die Sonne sich ganz am Himmel erhob und alles in goldenes, warmes Licht tauchte.

Dominique wachte davon auf, dass etwas sie berührte und sie schoss panisch hoch. Sie blickte in die überraschten blauen Augen von Mr. Blotts, der gerade dabei gewesen war eine Decke über sie auszubreiten.

„Ich wollte dich nicht wecken“, entschuldigte er sich höflich.

Die Weasley bekam den Mund gar nicht auf, da ihr hundert Fragen zugleich durch den Kopf schossen. Hatte sie sich das Wort in ihrem Traum nur eingebildet? Hatte sie während sie geschlafen hatte gesabbert? Wie sah sie überhaupt in diesem Moment aus? Und war sie sich wirklich sicher, dass sie das Wort in Lysanders Notizen gelesen hatte? Und warum musste ausgerechnet jetzt nach so einem wirren Traum auch noch der Mann auftauchen, der sie am meisten aus dem Konzept brachte?

„Aber jetzt wo du wach bist solltest du wirklich zurück in dein Zimmer. Sonst muss ich über deinen Schlaf wachen, damit du nicht verloren gehst, aber ich will mir lieber keinen Ärger einhandeln, weil ich meine Pflichten des Nachtrundganges vernachlässige.“

Seine dunkle Stimme und sein kurzes Zwinkern ließen Dominique alles vergessen. Er durfte gerne über ihren Schlaf wachen. Am besten konnte er gleich neben ihr liegen. Nackt versteht sich natürlich.

Aber sie musste sich zusammenreißen um nicht jetzt das Sabbern anzufangen. Sie wollte natürlich kein Ärger verursachen. Zumindest nicht wenn die Auswirkungen davon Mr. Blotts betrafen. Sie sammelte alle Notizen zusammen und versuchte möglichst lässig aufzustehen.

„Dann ist es wohl besser, dass ich alles mitnehme und auf meinem Zimmer weiter lese.“

Sie lächelte ihn zuckersüß an und er erwiderte kurz verschmitzt das Lächeln bevor er wieder streng drein guckte. Er begleitete sie zurück bis zu ihrer Zimmertür und hielt ihr diese auf, damit sie mit dem Stapel Notizen ohne Probleme hineingehen konnte.

„Gute Nacht“, wünschte er ihr und sie wollte sich noch einmal umdrehen um ihm das ebenfalls zu wünschen, doch er war schon wieder mit seiner Laterne den Gang herunter gelaufen und drehte sich auch nicht noch einmal zu ihr um. Enttäuscht seufzte sie und legte die Notizblätter auf ihrem Bett ab. Erst jetzt fiel ihr der Buchstabentraum wieder ein und sie begann Lysanders Notizen erneut durchzublättern. Sie glaubte, dass sie das Wort aus ihrem Traum schon einmal dort gelesen hatte und es sich daher in ihrem Traum eingeschlichen hatte.

Je länger sie suchte, desto sicherer war sie sich. Auf einem der Notizblätter hatte Lysander das Wort „Squib“ an den Rand gekritzelt. Doch die Notiz war unauffindbar.
 

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Roxanne war unzufrieden mit der Gesamtsituation. Natürlich war es ein Erfolg das ihr Bruder zurück war, aber nur ein einziger Blick auf ihn reichte, um zu wissen, dass er völlig zerstört war. Der Verlust von Lily hatte ihn aus der Bahn geworfen und sie kannte ihn gut genug um zu wissen, dass er sich in Schuldvorwürfen ertränkte. Sie hatte versucht mit ihm zu reden, doch er hatte nur in die Leere gestarrt und sie gar nicht wahrgenommen. Die Rückkehr ihres Bruders fühlte sich dadurch nicht mal ein kleines bisschen wie ein Erfolg an. Es war nur eine weitere Niederlage. Der Puppenspieler hatte Fred innerlich zerbrochen und ihn dann vom Spielfeld gefegt wie ein lästiges Insekt.

Sie war bei ihm geblieben um ihm Gesellschaft zu leisten, damit er nicht alleine in seiner Trauer war und weil sie Angst um ihn hatte. Angst, was er sich antun konnte, wenn er alleine war. Doch Fred blieb wo er war als wäre er festgewachsen an seinem Sessel von dem er nach draußen starrte. Er hatte keine der Fragen beantwortet die ihm die Erwachsenen gestellt hatten, was nur zu Wutausbrüchen und Frust geführt hatte bis sie aufgegeben hatten und ihn in Ruhe gelassen hatten.

Roxanne saß auf dem Sofa gegenüber von Freds Sessel, doch er sah nicht einmal in ihre Richtung. Sie fragte sich ob er Lilys Tod mit angesehen hatte. Ob er wusste was passiert war?

Aber selbst wenn er es wusste, er würde es ihnen nicht erzählen. Sie machte sich nichts vor. Er würde vielleicht nie wieder aus dieser Starre erwachen. Doch er hatte Scorpius noch das Leben gerettet bevor er sich selbst aufgegeben hatte. Möglicherweise würde er wieder einen Grund finden zum Leben zu erwachen. Sie konnte nicht die Hoffnung verlieren.

Am Anfang hatte sie sich das alles anders vorgestellt. Sie hatte gedacht sie könnte eine Heldin sein wie ihr Onkel Harry. Aber sie hatte nichts getan als nur rum zu sitzen. Vielleicht war sie nicht einmal eine Schachfigur, denn sie hatte bis jetzt nichts ausrichten können. Sie fühlte sich so verdammt nutzlos. Und jetzt konnte sie nicht einmal ihrem Bruder helfen.

Roxanne musterte ihn, versuchte irgendwo seinen Lebenswillen zu finden, etwas das ihr sagte, dass er nicht für immer aufgegeben hatte. Wenn sie ihm doch nur irgendwie helfen konnte. Aber Fred hatte Lily geliebt. Sie war ihm sein wichtigster Mensch auf Erden gewesen und er hatte sie für immer verloren. Roxanne konnte sich das nicht einmal vorstellen. Sie hatte nie irgendjemanden so sehr geliebt, dass ohne diese Person das Leben nicht mehr verheißungsvoll erschien. Wie sollte sie also ihren Bruder verstehen und ihm helfen? Sie wusste sich kein Rat und sie wünschte sich nur weit weg an einen Ort an den es diese Fragen nicht gab und an dem alle glücklich waren.

Die Tür knarrte und öffnete sich. Molly kam herein. Sie war blass und man konnte noch die Tränenspuren auf ihrem Gesicht sehen, aber aus ihren Augen loderte ein Feuer, das Roxanne verblüffte. Ihr wurde klar, dass es noch nicht Zeit zum Aufgeben war. Sie musste dieses Feuer zurück in die Augen ihres Bruders bringen.
 

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Claire war beharrlich. Sie war schon immer ein Sturkopf gewesen und hatte versucht ihren eigenen Willen durchzusetzen. Daher hatte Albus gar keine Chance gegen sie und musste sich irgendwann geschlagen geben. Ihre eiserne Geduld zahlte sich auch aus. Albus ertrug den Gedanken nicht sie noch vier weitere Stunden draußen vor seiner Tür sitzen zu wissen und öffnete ihr die Tür.

Sie huschte in sein stockdunkles Zimmer, da er die Vorhänge zugezogen hatte und ließ sich auf sein Bett nieder. Er seufzte als er sie da sitzen sah.

„Ich will alleine sein“, beschwerte er sich, aber es sah nicht aus, als würde er sie rausschmeißen. Insgeheim war er sicher froh, dass sie so lange darauf bestanden hatte hereinzukommen, weil er nicht alleine mit seinem Kummer sein wollte.

Claire konnte sich selbst nicht erklären, warum es ihr so wichtig war bei Albus zu sein, aber seit ihrem Gespräch auf der Treppe vor ein paar Tagen, fühlte sie eine tiefe Verbundenheit mit ihm, weswegen sie für ihn da sein wollte und mit ihm gemeinsam die Dunkelheit bekämpfen wollte.

„Ich mach mir Sorgen um dich“, erwiderte sie ruhig. „Du solltest jetzt nicht alleine sein.“

Albus seufzte wieder, ließ sich aber neben ihr auf dem Bett nieder.

„Ich wünschte ich hätte etwas unternehmen können“, sagte er niedergeschlagen.

„Du hast gehört was Lysander gesagt hat. Wir sind raus aus dem Spiel. Du hättest ihr nicht helfen können“, versuchte Claire ihm gut zu zureden. „Und du konntest nicht wissen was passieren würde. Das konnte keiner von uns wissen.“

„Aber trotzdem…“, erwiderte Albus trotzig. „…wenn ich da geblieben wäre, hätte ich bei ihr sein können. Sie retten können.“

Claire legte ihm eine Hand auf den Arm. „Nein. Du wärst manipuliert worden und wärst wahrscheinlich ganz woanders gewesen und hättest jemanden getötet. Es wäre dir sogar egal gewesen, dass deine Schwester gestorben ist, weil du unter der Manipulation nichts gefühlt hättest.“

Der Potter sah sie entsetzt an und wollte etwas darauf erwidern, aber ihm fiel nichts ein, weil er sich eingestehen musste, dass sie Recht hatte. Unter der Manipulation wäre es ihnen egal gewesen wer gestorben wäre. Sie hatten selbst so viele getötet und dabei nicht mal eine Träne vergossen. Erst jetzt nach dem Verlassen des Schachspieles fühlte Claire wieder. Alles was die Manipulation von ihr ferngehalten hatte überrollte sie nun wie eine riesige Sturmwelle nun. Es war unerträglich. All der Kummer. All die Verzweiflung. All die Schuld, die sie auf sich geladen hatte. Aus diesem Grund konzentrierte sie sich auf ihren persönlichen Felsen in der Brandung. Albus brauchte sie jetzt um sich nicht in seinem Kummer zu verlieren.
 

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Molly löste Roxanne von ihrer Wacht über Fred ab, obwohl sie selbst am Ende war und nur schlafen wollte, aber sie musste es wenigstens versuchen mit ihrem Freund zu reden. Sie war so erleichtert, dass ihm nichts geschehen war und er zurückgekehrt war. Sie wusste, dass sie es nicht ertragen hätte ihn zu verlieren. Fred reagiert nicht auf sie, als sie sich auf das Sofa fallen ließ. Sein Blick war starr aus dem Fenster gerichtet und seine Finger krallten sich in den Sesselarmen fest, so als fürchtete er im nächsten Augenblick davon gespült zu werden.

Sie streckte sich um seine Hand zu berühren, doch er zeigte keine Reaktion. Sie wusste nicht mal ob er die Berührung spürte. Er fühlte sich eisig an. Sie hatte nicht einmal von seinen Gefühlen für Lily gewusst. Er hatte sich ihr gegenüber nie geöffnet. Aus Rücksicht auf James hatte er diese Gefühle wahrscheinlich in sich hineingefressen und das hatte ihn zu einem leichten Ziel für den Puppenspieler gemacht.

„Fred es tut mir alles so schrecklich leid. Ich wünschte ich hätte für dich da sein können“, flüsterte Molly ihm zu, während sie die Tränen in ihren Augen wieder aufsteigen spürte. Hastig wischte sie die Tränen wieder weg. Sie musste stark sein. Für Fred. Für James. Für alle anderen.

„Ich versteh es einfach nicht, weißt du“, begann sie sich alles von der Seele zu reden. „Warum tut jemand so etwas? Was treibt diesen Puppenspieler an? Wie kann ein Mensch so sehr hassen?“

Es erschien ihr so unbegreiflich. Sie konnte auch wütend werden und es gab sicher einige Menschen, die sie an manchen Tagen wirklich verabscheute und die sie in Gedanken gern umbrachte, aber sie würde es nie tun. Was hatte der Puppenspieler erlebt um zu so einem Menschen zu werden? Molly wollte nicht daran glauben, dass diese Person – wer auch immer er oder sie war – es nur dem Vergnügen wegen tat. Es musste einen tieferen Grund dafür geben. Niemand schlachtete grundlos Menschen an.

„James ist auch am Boden zerstört“, versuchte sie sich abzulenken, damit die grausigen Bilder von den Toten nicht wieder vor ihren Augen tanzten. „Es tut ihm so schrecklich leid, was er zu dir gesagt. Er wollte nicht nur Albus und …“

Ihre Stimme versagte kurz und sie brachte es nicht über sich den Namen auszusprechen. Es war noch zu früh und Fred brauchte nicht an seinen Verlust erinnert werden.

„Er wollte dich zurückholen. Ihr seid doch beste Freunde. Ihr wart doch schon immer zusammen. Schon bevor ihr mich aufgenommen habt. Ich brauch euch beide an meiner Seite. Ich fühl mich im Augenblick so einsam. So unvollständig. Ich weiß nicht wie ich ohne euch vorangehen und diesem ganzen Unheil ins Gesicht blicken soll. Ich weiß nicht ob ich stark genug bin um all das hier zu überstehen“, sagte sie während ihre Stimme immer tränenerstickter wurde bis sie ganz abbrach. Molly wusste nicht mehr was sie noch sagen sollte. Es erschien ihr alles wie eine Zeitschleife in der sie bis ans Ende ihrer Tage festsaß.

Fred schien ihr nicht einmal zugehört zu haben. Nichts hatte sich in seinem starren Blick geändert und sie fühlte sich nur noch einsamer und leerer als zuvor.

Da öffnete sich die Tür und Adam kam herein mit einem grimmigen Gesichtsausdruck, der nur noch mehr schlechte Nachrichten bedeuten konnte.

„Annie ist verschwunden“, sagte er kurzbündig, doch Molly konnte spüren, dass er bereits das Schlimmste befürchtete. Von den Verschwundenen war nie jemand lebend zurückgekehrt.

„Dann lass uns sie suchen gehen“, versuchte Molly ihm Mut zu machen und stand auf um hinauszugehen. Ein letzter Blick auf Fred zeigte ihr, dass nicht mal diese Nachricht Leben in ihn zurückgeholt hatte. Er erwartete nur noch das Ende während sie krampfhaft die Augen geschlossen hielt um es nicht kommen zu sehen. Es konnte noch nicht zu Ende sein.
 

~~~
 

Er stand am Kamin und starrte in das prasselnde Feuer. Das Papier färbte sich langsam schwarz und verkohlte Stück für Stück bis es ganz zerfiel. Es war ein wunderschönes Schauspiel, das er sich immer wieder ansehen konnte. Er nahm die Zeitung von heute und warf sie auf das Feuer.

Die Titelüberschrift lautete „Ist der Puppenspieler ein entflohener Todesser?“ und entlockte ihm nur ein müdes Lächeln. Sie waren alle so dumm. Er hatte nichts mit den Todessern zu schaffen. Er war kein wiedergekehrter fanatischer Anhänger Voldemorts. Das sollte den Leuten doch klar sein. Schließlich schlachtete er nur Zauberer mit sichtlichem Vergnügen ab. Aber es zeigte nur wieder einmal wie planlos die Regierung im Dunkel tappte und sich verzweifelt an den einzigen Strohhalm klammerte, der für sie Sinn machte. Woher konnte der neue Bösewicht nur seinen Ursprung haben wenn nicht im alten? So lächerlich.

Mit Schadenfreude sah er zu wie das Feuer gemächlich Buchstabe für Buchstabe fraß bis diese dumme Frage ganz ausgelöscht war. Er war das Schicksal. Nichts anderes. Aber was erwartete er auch von solchen unterbelichteten Zauberern?! Es war das Beste sie ein für alle mal vom Angesicht der Welt zu tilgen. Die Zeit der Zauberer war vorbei. Es war Zeit, dass er die Kontrolle übernahm.

Doch er konnte sich jetzt keine Unvorsicht mehr erlauben. Heute wäre ihm beinahe für einen Augenblick die Kontrolle entglitten. Zum Glück war er darauf vorbereitet gewesen und hatte das ganze Unheil abwenden können. Er grinste bei dem Gedanken am dummen Gesicht von Harry Potter. Er hatte gedacht, dass er es geschafft hatte und der Wahrheit auf die Spur gekommen war. Doch er war blind wie alle anderen. Die Antwort lag so offensichtlich vor ihrer Nase. Aber darin lag der Spaß für ihn. Er saß in der ersten Reihe des Puppentheaters und amüsierte sich königlich über die Aufführung, die er selbst entworfen hatte und nun kunstvoll dirigierte.

Der erneute Verlust von schwarzen Schachfiguren gefiel ihm nicht. Es gefiel ihm ganz und gar nicht. Doch damit hatten die anderen Figuren nur ihr Schicksal besiegelt. Die Zeit der kleinen Scharmützel war endgültig vorbei. Der Moment, den er so sehnsuchtsvoll herbeigesehnt hatte war gekommen. Der letzte Akt hatte begonnen und der Höhepunkt war endlich völlig in seiner Gänze vorbereitet.

Der nächste Zug würde das Ende einläuten und es würde ein Spektakel werden. Alles bis jetzt waren nur kleine Aufwärmübungen gewesen. Es wurde Zeit der Welt seine wahre Macht vorzuführen.

Er schnalzte mit der Zunge bei dem Gedanken an all das Blut, das noch fließen würde. Ungeduld erfüllte ihn und er zwang sich einen tiefen Atemzug zu nehmen um nicht laut vor Begeisterung los zu schreien. Er ließ sich zurück in seinen Sessel fallen und griff nach seinem Weinglas.

Er trank es in einem Zug leer, stellte es ab und klatschte in die Hände.
 

Das Ende war gekommen.
 



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