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Kein Zurück

Der Sand der Zeit steht niemals still
von

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Erkenntnis

Jetzt sitzen wir schon eine geschlagene halbe Stunde hier und ich langweile mich fast schon zu Tode!

Uruha will es einfach nicht besser gehen und der Lehrer hat alle Mühe ihm den Tee aufzuschwatzen.

Ich frage mich, was er bloß hat?

Er ist scheinbar noch nicht einmal schlecht drauf, er ist nur so unglaublich erschöpft.

Eben war er sogar für einige Minuten eingeschlafen. Dabei hatte der Lehrer ihm scheinbar nur etwas gegen die Übelkeit gegeben, ob das einen so müde macht?

Wenn es ihm endlich ein wenig besser geht, dann gehen wir zurück zu unserer Jugendherberge, endlich!

Es dauert auch gar nicht mehr so lange bis ich die anderen endlich wiedersehen werde.
 

Leise summend beobachte ich die Passanten um uns herum.

Man merkt richtig, dass wir hier in einer Großstadt sind.

Uruha und ich fallen hier kaum auf mit unseren gefärbten Haaren, geschweige denn unserer Kleidung.
 

Langsam bekommt Uruha auch wieder etwas Farbe ins Gesicht.

Ich frage mich immer noch, was wirklich vorgefallen war?

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Irgendeinen triftigen Grund musste er doch gehabt haben, warum er zurück zu den Junkies gegangen war, oder nicht?

Es ist ja noch kein Jahr her, zwischen seinem letzten Selbstmordversuch und jetzt.

Er muss doch geahnt haben, dass er ohne Geld nicht so einfach an die Drogen heran kommt.

Das ist mir schon vor langem aufgefallen, dass Uruha im Gegensatz zu mir kaum Taschengeld bekommt und Fumiko ist auch viel strenger bei ihm.

Seit er wieder da ist, hat er sowieso Hausarrest.

Aber ich glaube kaum, dass ihn das momentan stört.
 

Uruha vergräbt gerade leise wimmernd sein Gesicht in meinem Oberteil, aber ich soll ihn ja nicht bedauern.

Selbst Aoi ist ungewöhnlich kalt gegenüber Uruha.

Leise seufzend lege ich einen Arm um Uruha und verwuschele seine Haare.

Lächelnd fragt der Lehrer: „Uru-chan, soll ich dich auf meinem Rücken tragen? Es würde dir wahrscheinlich unglaublich gut tun, einfach nur ein paar Minuten auf einem richtigen Bett zu liegen, oder etwa nicht? Und ich würd gerne einmal mit dir hinter geschlossenen Türen reden. Du wirkst nämlich nicht so, als würde dich nur dein miserabler Zustand beschäftigen.“

Uruha nickt nur und wenig später trägt der Lehrer ihn auf seinem Rücken raus in Richtung der U-Bahn-Station.

Lustlos trotte ich hinterher.
 

Auch später in unserem Zimmer herrscht ein bedrückendes Schweigen.

Uruha liegt mit geschlossenen Augen auf seinem Bett und kämpft schon wieder gegen seine inneren Dämonen. Scheinbar ist so ein Entzug doch ganz schön anstrengend?

Mir ist ganz schön kalt hier drinnen und die Decke auf Reitas Bett spendet mir kaum Wärme.

Wann wir wohl los gehen werden?

Misstrauisch beguachte ich den Lehrer, der auch noch die Decke von meinem Bett über mich legt und diese bis zu meinem Kinn zieht.

„Trink etwas warmen Tee, ja? Und ess endlich einmal etwas, dann ist dir auch nicht mehr so kalt“, meint er nur und setzt sich wieder auf Uruhas Bettkante.

Irgendetwas murmelt Uruha gerade, aber mir ist es egal was.

Motivationslos richte ich mich etwas auf, um das Melonpan zu essen und die Tasse Tee zu trinken.

Ich hasse es so schrecklich dünn zu sein.

Da ich so lange krank war, kann ich immer noch nicht so viel auf einmal essen und durch die Essstörung habe ich einfach keinen Appettit mehr. Oder auch kein Hungergefühl die meiste Zeit.

Wenigstens habe ich schon etwas zugenommen.

-

Plötzlich spüre ich einen stechenden Schmerz in meinem Arm, erschrocken beiße ich auf meine Unterlippe und versuche jeden Schmerzenslaut zu unterdrücken.

Die anderen beiden sollen davon nichts mitbekommen.

Verzweifelt presse ich mit der anderen Hand auf die schmerzende Stelle, genau auf den Verband.

Egal wie fest ich es mache, der stechende Schmerz bleibt.

Ob es mit den Wunden zusammenhängt, die ich mir genau vor der Klassenfahrt zugefügt hatte?

Zitternd drehe ich mich auf die andere Seite, erhöhe den Druck auf meinen Arm.

Warum hört es nicht auf weh zu tun?

Meine Finger an der Hand fangen an zu krampfen und ich kann den Schrei gerade noch so unterdrücken.

Warum muss es ausgerechnet der verletzte Arm sein?

Hat es etwas damit zu tun, dass ich die Hand nach wie vor kaum bewegen kann?

Das einzige was ich damit kann ist etwas festhalten, alles andere wie aufheben oder anderes ist nach wie vor schier unmöglich, dabei gebe ich mir so viel Mühe bei der Physiotherapie.

Vorsichtig setze ich mich auf, als ich merke wie der Verband unter meinen Fingern feucht wird.

Warum sind die Wunden wieder aufgegangen?

Hört dieser Alptraum denn nie auf?

Egal wie oft ich es versuche, ich bekomme die Finger an der verletzten Hand einfach nicht bewegt.
 

Als ich aus den Augenwinkeln sehe wie Uruha und der Sportlehrer auf mich zukommen, weiche ich panisch zurück.

Was wollen sie von mir?

Uruha sagt leise zu mir: „Bleib sitzen, wir wollen dir helfen, ja? Zeigst du mir bitte deinen Arm?“

Zögerlich nehme ich die Hand von dem Arm und lass den verletzten Arm einfach nur herunter hängen, alles andere wäre mir jetzt zu schmerzhaft.

Der Sportlehrer kniet sich vor mich und fängt an meine Hand zu massieren, die Finger zu lockern.

Obwohl es kurzweilig den Schmerz erhöht, lässt er nach einiger Zeit ein wenig nach.

Kritisch beobachte ich Uruha, der langsam den Verband von meinem Arm löst und ihn zusammen mit der Kompresse auf den Boden legt.

Erst jetzt fällt mir das Erste-Hilfe-Täschchen auf, welches neben mir steht.

„Ru-chan, schau mich bitte einmal kurz an. Bedrückt dich irgendetwas? Möchtest du über irgendetwas reden, worüber du mit Reita nicht reden kannst? Oder weckt das alles hier einfach ungute Erinnerungen in dir?“, fragt mich Uruha mit Nachdruck.

Kurz schüttele ich den Kopf, ehe ich Uruhas Hand in meine gesunde Hand nehme und sie einfach nur festhalte.

Was würde ich nur ohne ihn machen?

Plötzlich meint der Lehrer: „Das hilft alles nicht. Ich geh ihm kurz etwas zum Wärmen der Hand holen, ja? Lenke ihn bitte einfach etwas ab, ich bin direkt wieder da.“

Und mit diesen Worten lässt er uns zwei ganz alleine in dem Raum.

Ganz langsam lege ich mich wieder unter die Bettdecke, lasse jedoch den verletzten Arm darüber, damit ich die Decke nicht verschmutze. Die Wunden sind immer noch offen und ich hoffe einfach einmal, dass ich nicht ins Krankenhaus muss.

Uruha scheint es wieder halbwegs gut zu gehen, auf jeden Fall sieht er viel gesünder aus als die letzten Tage. Hoffentlich hält das jetzt einige Zeit an und er kommt nicht schon wieder in Versuchung Drogen zu nehmen.

Allgemein frage ich mich, wie es Aoi mit ihm aushält.

Also ich würde mit niemanden ins Bett gehen, der seinen Körper für Drogen mehrmals verkauft hatte.

Ich weiß zwar, dass Uruha laut den Tests gesund ist, aber trotzdem wäre es mir zu unsicher.

Vorsichtig hebt er meinen Arm an, um ein Tuch darunter zu legen.

Die Hand ist immer noch ganz verkrampft und ich frage mich, ob das normal ist?

Ist es normal, dass ich den Arm kaum spüre? Außer den Oberarm?

Leise seufzend schließe ich die Augen und versuche mich zu entspannen.

Ich sollte aufhören mich um solche Dinge zu kümmern.

„Ist alles okay, Ru-chan?“, werde ich direkt gefragt.

Kopfschüttelnd lege ich den gesunden Arm über meine Augen.

Warum kann alles nicht einfach normal verlaufen?

Warum muss ich den anderen immer solche Umstände machen?
 

Ich weiß nicht wie lange es gedauert hat, aber irgendwann höre ich wie jemand den Raum betritt und ich fühle, wie jemand ein Wärmekissen unter meine Hand legt.

Direkt wird wieder meine Hand massiert und der Schmerz geht endlich auf ein erträgliches Maß zurück.

Vorsichtig streicht mir jemand über die Schulter.

Panisch reiße ich die Augen auf, als mir jemand etwas über den gesunden Arm zieht.

Warum zum Teufel zieht mir Uruha eine Armstulpe über?

Reicht es nicht, wenn ich etwas langärmliges trage?

Seufzend richte ich mich etwas auf und gucke dem Lehrer zu.

Die Verkrampfung ist scheinbar weg, aber trotzallem spüre ich meine Hand nicht.

Aber wahrscheinlich braucht das auch noch ein paar Stunden, schließlich war es kein kleiner Krampf und ich weiß ja selbst, dass die Verletzungen nicht ganz ohne sind oder waren.

„Geht es wieder, Ruki? Dann würde ich jetzt nämlich aufhören und deinen Arm verbinden. Und dann sollten wir uns langsam einmal fertig machen, damit wir wieder zum Rest der Klasse gehen können“, meint der Lehrer.

Geduldig warte ich ab, bis er endlich meinen Arm desinfiziert und verbunden hat, ehe ich mich aufsetze und dann aufstehe.

Warum hatte ich überhaupt einen so heftigen Krampf in der Hand?

Sind vielleicht Bakterien in die Wunde gekommen und es hat sich entzündet?

Ich hoffe ja nicht, immerhin muss ich ab nächster Woche wieder zur Therapie und der Arzt wird garantiert nicht begeistert davon sein.

„Ich binde das Wärmekissen auch noch fest, ja? Den Arm kannst du ja scheinbar sowieso kaum bewegen, also ist es eigentlich egal, oder?“, meint der Lehrer und bindet das Wärmekissen ganz locker über dem Verband fest.
 

Ich ignoriere die beiden den ganzen Weg über, bis wir im Tokyo Tower selbst sind.

Nur wegen Reita bin ich überhaupt mitgegangen, schließlich kann ich ihn jetzt endlich wiedersehen.

„Wenn gleich irgendetwas sein sollte, dann sagst du bitte Bescheid, Ruki. Reita hat meine Handynummer und du sollst dich nicht unnötig herum quälen“, meint der Lehrer.

Ich nicke nur und folge den beiden zu Reita und noch jemandem, ehe ich mich von Uruha und dem Lehrer verabschiede.

Reita mustert mich kritisch und sein Blick bleibt ganz lange an meinem verletzten Arm hängen.

Hoffentlich denkt er jetzt nichts falsches?

Ich weiß nicht, ob ich ihn umarmen darf oder nicht.

Der andere Junge sieht zwar ganz nett aus, aber wer weiß wie er eigentlich ist und ich mag Fremde so absolut gar nicht.

Reita zieht mich zögerlich an der Hand zu sich und zusammen gehen wir zur Aussichtsplattform.

Die beiden unterhalten sich über irgendetwas belangloses und vorsichtig drücke ich mich an Reita, der vorsichtig mit dem Daumen über meine Hand streicht.

Oben auf der Aufsichtsplattform geht der Fremde zu den anderen und Reita bleibt etwas abseit mit mir von ihnen stehen.

„Ist alles okay mit dir? Du wirkst ein wenig neben der Spur. Komm, wir gehen jetzt etwas hier rum und genießen die Aussicht. Währenddessen kannst du mir ja sagen, was du so ohne mich gemacht hast“, fordert mich Reita auf.

Er führt mich herum und zeigt mir immer wieder ein paar Dinge, ganz so als wäre ich ein kleines Kind. Bin ich das etwa für ihn?

„Wir mussten zurück zur Jugendherberge wegen Uruha, da er wieder wegen dem Drogenentzug Probleme hatte. Mir war die ganze Zeit schrecklich langweilig und ich wollte die ganze Zeit zu dir, da ich mich so einsam gefühlt hatte. Ich hatte einen Krampf in der Hand und die Wunden waren deshalb aufgegangen, aber eigentlich geht es mir wieder gut. Ich fühle mich halt nur etwas aus der Bahn geworfen deshalb, da ich die Finger der Hand nicht bewegen kann, geschweige denn sie wirlich spüre. Magst du mich vielleicht etwas davon ablenken?“, bitte ich ihn.

Er nickt nur und verwuschelt meine Haare, umarmt mich.
 

Und genau in diesem Moment wird mir klar, dass zwar mein Körper nach wie vor Verletzungen hat, aber mein Leben an sich nicht viel besser laufen könnte.

Ich kann es kaum erwarten heimzukommen, um Fumiko und Aiko zu umarmen und ihnen für alles zu danken.

Ich bin so unendlich glücklich darüber Reita zu kennen.

Er gibt mir immer wieder das Gefühl gemocht und gebraucht zu werden.

Er ist das Licht in meiner Dunkelheit.

Und ich bin schon lange nicht mehr der gefangene Vogel, der ich einst war.

Ich kann mit meinen gebrochenen Flügeln fliegen, so viel ich will.

Ich bin frei.

Und glücklich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Ruha_Ducky
2012-11-18T12:27:10+00:00 18.11.2012 13:27
schön geschrieben
freue mich auf mehr~


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