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Kein Zurück

Der Sand der Zeit steht niemals still
von

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Unerwartet

Und es ist genau das passiert, was wir mit aller Kraft vermeiden wollten.

Jetzt bin ich über eine Woche lang mit Reita morgens zur Schule gegangen. Aber anstatt durch das Schultor zu gehen hatte mich Aiko immer abgeholt und mit zur Arbeit genommen. Das hat alles super geklappt und trotzdem ist heute alles schief gelaufen.

Nach einer ganzen Reihe an Flashbacks auf dem Weg in die Schule war ich einfach zusammen geklappt und Reita hatte mich deshalb auf die Parkbank verfrachtet.

Auf jeden Fall wurde mir das so erzählt.

Gerade warten wir auf Jun, damit wir endlich den restlichen Weg hinter uns bringen können.

Reita hat mich dazu gezwungen ein wenig Tee zu trinken und er streicht mir auch immer wieder über den Rücken. Mein Kopf liegt auf meiner Schultasche und am liebsten würde ich einfach im Boden versinken.

Reita will mir nicht verraten, was zum Teufel während den Flashbacks passiert ist und das macht die Sache nur schlimmer. Und warum muss Jun kommen? Was habe ich nur getan?

Vorsichtig setze ich mich hin und nehme ein Melonpan aus der Tasche und esse dieses.

Seufzend setzt sich Reita neben mich und reibt mir immer wieder über den Rücken.

Warum hat er mir nicht einfach die Tablette gegeben oder habe ich die einfach aus Angst davor erbrochen? Ich hab das ja schon viel zu oft zu Stande gebracht und es würde auch erklären warum ich mir eben nach dem aufwachen den Mund ausspülen sollte.

Schnell habe ich das Melonpan aufgegessen und die Verpackung davon in den Mülleimer geworfen. Ich fühle mich wie vom LKW überrollt und ich denke Mal die Flashbacks hatten es ganz schön in sich.
 

Es dauert auch nicht lange ehe Jun kommt. Scheinbar haben wir ihn wohl während dem Fußballtraining gestört? Er trägt immer noch seine Sportkleidung und er ist scheinbar auch den ganzen Weg gelaufen.

Die beiden blödeln eine ganze Weile ziemlich herum und man merkt richtig, dass sie sich schon Ewigkeiten kennen.

Und es dauert auch nicht lange ehe mich Jun Huckepack nimmt und ich auf seinem Rücken einschlafe.
 

Das nächste was ich bewusst wahrnehme ist eine Art Spinne oder was auch immer an meiner verletzten Hand, weshalb ich auch panisch den Arm schleudere und die Metallschiene abreiße und diese von mir wegwerfe.

Als ich meinen Arm kontrolliere scheint da jedoch keine Spinne zu sein, weshalb ich mich versuche etwas zu beruhigen. Umständlich schlinge ich die Decke etwas mehr um mich und lege mich wieder hin.

Ich bin wohl im Arztzimmer der Schule wie es scheint.

Warum haben mich die beiden nicht geweckt?

Mein Arm kribbelt und zwickt und das ganze nervt schon ziemlich.

Und am liebsten würde ich mich gerade kratzen, aber auch das hilft meistens nicht gegen dieses Gefühl.

Ganz vorsichtig legt der Arzt meinen verletzten Arm auf mich und ein Kühlpad darunter.

„Wie geht es dir?“, fragt er mich.

„Ganz gut. Ich hatte gedacht an meinem Arm wäre etwas, aber dem war wohl nicht so. Tut mir Leid, falls ich Ihnen einen Schrecken eingejagt habe“, antworte ich.

Kurz darauf wird die Metallschiene neben meinen Arm gelegt.

„Ich bin bring dich dann gleich in die Klasse, ja? Das Kühlpad nimmst du am Besten auch gleich mit“, schlägt der Arzt vor.
 

Und jetzt stehe ich ganz nervös vor der Klassenzimmertür und schaffe es kaum die Klassenlehrerin anständig zu begrüßen.

Sie schiebt mich mit Nachdruck zu meinem Platz, da ich die ganze Zeit nur auf meine Füße starre und selbst als ich dann endlich sitze starre ich nur meinen Tisch an.

Ich will einfach nicht hoch gucken und sehen wie alle meine beiden nackten Arme anstarren. Der Schularzt meinte, dass ich heute die Schiene erst einmal auslassen und dem Arm Ruhe gönnen soll. Und jetzt sieht man halt auch die großen hässlichen Operationsnarben.

Jun reibt mir ganz kurz über meinen Rücken und lässt mich dann auch in Ruhe.

~

In der Mittagspause sitze ich neben Reita und nur noch Jun ist mit uns im Klassenraum.

Mir ist total unwohl und ich bekomme einfach keinen Bissen runter. Meine Tabletten musste ich schon ziemlich herunter würgen und ich habe einfach totale Angst gerade.

Plötzlich steht Jun auf und nimmt mir die Stäbchen aus der Hand und packt ohne zu Fragen mein Essen zurück in meine Tasche und nimmt ein paar Armstulpen und ein Melonpan aus dieser.

Vorsichtig zieht er mir die Stulpen über und geht zusammen mit mir auf den Gang. Reita guckt uns nur verdutzt hinterher und isst einfach weiter.

Irgendwie fühle ich mich gerade ziemlich hintergangen von ihm!

Ich lasse mich von Jun die Gänge lang führen und es kommt mir so vor, dass wir wohl zu Aoi gehen.

Was hat er nur vor?
 

Aoi steht gerade bei einer Gruppe und scherzt mit ihnen herum.

Als er uns sieht rennt er uns entgegen und hebt mich einfach so hoch.

„Was macht ihr denn hier?“, fragt er uns.

Verschmitzt lächelnd antwortet Jun: „Ich wollte mit dem Zwerg was spazieren gehen. Ihm geht es schon den ganzen Tag alles andere als gut und vielleicht kannst du ihn ja dazu bringen wenigstens ein kleines bisschen was zu essen.“

Seufzend stellt mich Aoi wieder auf den Boden und legt eine Hand auf meine Schulter. Unsicher gucke ich ihn an und irgendwie hab ich ein ganz ungutes Gefühl.

„Wollen wir vielleicht in einen ruhigeren Gang gehen?“, schlägt Aoi vor.

Es dauert auch überhaupt nicht lange bis wir einen absolut verlassenen Gang finden in dem wir uns auf den Boden setzen können.

Ganz behutsam zieht Jun mir die Armstulpen aus und fährt mir ein paar Mal durch die Haare.

Unsicher lehne ich mich an Jun und schließe die Augen. Warum darf ich nicht einfach auf das Krankenzimmer gehen? Es reicht doch langsam?

Vorsichtig streicht mir jemand über die Wangen und drückt ein paar Mal meine Nase.

Das kann eindeutig nur Aoi sein und ich frage mich was er vor hat?

„Kleiner? Magst du mir einen riesigen Gefallen tun? Versuch bitte das Melonpan zu essen. Es reicht mir, wenn du wenigstens einen kleinen Bissen schaffst. Dein ganzer Körper steht unter Strom und so wie du zitterst klappst du uns nachher noch zusammen. Ich weiß, dass wir ganz schön viel heute von dir verlangen. Nur manchmal muss man einfach ins kalte Wasser geschmissen werden, wenn man vorwärts kommen will“, versucht mich Aoi zu ermuntern.

Resigniert öffne ich die Augen und nehme das Melonpan aus Aois Hand und nehme einen Minibissen und lege das Gebäck wieder in seine Hand.

Ich habe richtig Mühe das ganze gerade zu schlucken.

Die ganzen Wochen als ich daheim war konnte ich normal essen und hatte auch gar keine Probleme mit Zwischenmahlzeiten.

Warum also fällt mir das alles gerade so schwer?

Ich schüttele nur den Kopf und stehe mühselig auf und halte mir eine Hand von den Mund.

Leise hustend gehe ich ein ganzes Stück und drehe mich weg.

Ich will den beiden nicht die Tränen zeigen, die mir übers Gesicht laufen.

Es fühlt sich wie Rasierklingen an, als ich es endlich schaffe das Stückchen runter zu schlucken.

Ich habe richtig Mühe das Taschentuch aus meiner Hosentasche zu bekommen. Energisch wische ich mir ein paar Mal über das Gesicht und putze meine Nase.

„Ru-chan? Brauchst du eine Toilette?“, erkundigt sich Jun.

Ich erstarre regelrecht bei der Frage und schüttele den Kopf. Denken die beiden etwa, dass ich gerade den kleinen Bissen losgeworden bin?

Als plötzlich Aoi vor mir steht bekomme ich noch mehr Angst.

Was will er von mir?

Lächelnd hält er mir das Melonpan vor die Nase.

„Sag mir bitte die Wahrheit, ja? Hast du das Stückchen gerade ausgespuckt?“, fragt mich Aoi und guckt mir dabei eindringlich in die Augen.

Direkt fangen wieder die Tränen an zu laufen, da ich das was er gerade macht absolut beängstigend finde.

Wird er mich schlagen, wenn er mit der Antwort nicht zufrieden ist?

„Ich hatte Probleme mit dem Schlucken und deshalb war ich aufgestanden. Und nein ich habe nichts ausgespuckt. Kannst du bitte einen Schritt zurück gehen?“, bitte ich ihn und nehme ihm das Melonpan ab.

Und obwohl ich ihn darum gebeten habe bleibt er einfach stehen. Resigniert senke ich meinen Kopf und lasse mir alle Zeit der Welt mit dem Melonpan. Mittlerweile steht auch Jun bei uns und streicht mir immer wieder über die Schulter.
 

Nachdem ich fertig gegessen habe mache ich mich mit Jun auf den Rückweg.

Im Klassenzimmer begrüßt mich direkt Reita und hält mir meine Pillendose und was zu trinken hin.

„Der Arzt hat mir was gegen Übelkeit für dich gegeben. Und ich hab ein neues Kühlpad für dich. Um ehrlich zu sein hatte ich erwartet, dass Jun dich dorthin bringt. Wo wart ihr also die ganze Zeit?“, erkundigt sich Reita.

Direkt nehme ich die Tablette mit etwas Tee zu mir und setze mich hin. Erschöpft verschränke ich meine Arme auf dem Tisch und vergrabe mein Gesicht.

Ich höre wie Jun und Reita etwas weiter weg miteinander reden, aber es ist mir vollkommen egal.

Die Tablette wirkt ungewöhnlich schnell und ich fühle mich total benebelt.
 

Auch als der Unterricht weitergeht fühlt sich alles ziemlich weit weg an und es fällt mir schwer dem Ganzen zu folgen.

Ich realisiere erst auf dem Gang, dass mich gerade Reita und Jun auf den Gang dorthin gebracht haben und sich bei mir einhaken um mich irgendwohin zu bringen.

Alles dreht sich und mir ist schlecht und ich will mich doch einfach nur hinlegen.

Auf der Schultoilette reibt mir Reita mit einem kalten Lappen durchs Gesicht, ehe ich auf einen geschlossenen Klodeckel gesetzt werde und mir der Lappen in den Nacken gelegt wird.

Vorsichtig drückt Reita mein Gesicht nach oben und fragt etwas.

Ganz verwirrt gucke ich ihn an und frage mich gerade, was seine Worte bedeuten?

Es fühlt sich so an als würde ich Achterbahn fahren und irgendwie macht nichts Sinn gerade.

Was passiert mit mir?

Meine Sicht ist so unscharf irgendwie und irgendwie auch nicht?

Reita hält mir den Abfalleimer hin und zeigt drauf.

Ich habe doch gar keinen Abfall?

Er zeigt auf seinen Mund und dann auf den Eimer.

Jetzt verstehe ich es endlich!

Ich schüttele den Kopf ein wenig und nehme das Tuch von meinem Nacken und schmeiße es in den Eimer.

Und Reita schlägt sich volle Kanne die Hand ins Gesicht und geht den Abfalleimer wieder wegstellen.

Ganz wacklig auf den Beinen stehe ich auf und gehe aus der Kabine. Und erschrecke mich ziemlich als mich Jun plötzlich hochhebt. Ich schlinge meine Arme um ihn und schließe die Augen.

Und schlafe einfach ein.
 

Als ich wieder aufwache gucke ich in das besorgte Gesicht von Aiko.

Alles hier ist weiß und so schrecklich hell.

Ich strecke meine Hand nach ihr aus und erkenne direkt einen Zugang.

Scheinbar bin ich wohl im Krankenhaus?

„Ist alles wieder okay?“, fragt sie mich.

Zaghaft nimmt sie meine Hand und streicht immer wieder über diese.

Scheinbar habe ich einen von diesen Krankenhausschlafanzügen an?

„Muss ich hier bleiben?“, erwidere ich schlaftrunken.

„Das entscheidet der Arzt gleich. Scheinbar hattest du ein wenig zu heftig auf das Medikament reagiert und da du nicht mehr wach zu bekommen warst wurde der Krankenwagen gerufen. Was machst du bitte für Sachen, Ru-chan?“, will sie von mir wissen.

Ich zucke nur mit den Schultern und setze mich hin.

Offensichtlich bin ich sogar immer noch in einem der Räume der Notaufnahme. Das ist doch ein gutes Zeichen, oder?

„Hab ich was dummes angestellt?“, frage ich sie.

Die Liege ist total unbequem, weshalb ich auch aufstehe und ein bisschen im Raum herumgehe.

„Erinnerst du dich an etwas Dummes?“, erwidert sie.

„Ich erinnere mich daran, dass ich zu den Toiletten gebracht wurde und nicht verstanden habe was Reita von mir will. Und dann wurde ich von Jun getragen und das ist meine letzte Erinnerung. Ich hoffe einfach einmal, dass ich die Lehrerin nicht zu sehr erschreckt habe“, antworte ich.

„Der Arzt hier hatte mir ungefähr das gleiche gesagt. Die Lehrerin war richtig besorgt und sie hatte mich eben auch angerufen und wollte wissen warum du kaum noch reagiert hast. Und ich glaub den größten Schrecken überhaupt hast du Reita eingejagt. Ich bin wirklich froh darüber, dass es dir anscheinend wieder gut geht“, teilt sie mir mit.

Ich nicke nur und gucke meine Arme an.

Auch wenn es total ungewohnt ist außerhalb des Hauses ohne Stulpen oder ähnliches herumzulaufen ist es ein gutes Gefühl. Daran könnte ich mich glatt gewöhnen und das ist doch ein gutes Zeichen, oder?
 

Als jemand die Tür aufmacht erschrecke ich mich ziemlich.

Leise lachend kommt der Arzt auf mich zu und tätschelt meine Schulter ehe er meint: „Ich glaub da kann es einer nicht erwarten heimzugehen. Es freut mich wirklich, dass du wieder so munter ist.“

Es dauert nicht lange ehe mir der Zugang entfernt wird und ich die Schuluniform wieder anziehen darf.

Der Arzt redet noch etwas mit Aiko und ich muss noch einige Tests über mich ergehen lassen ehe wir zwei gehen dürfen.
 

Später liege ich frisch geduscht im Bademantel und Boxershorts auf der Schlafcoach und helfe Reita bei den Hausaufgaben.

Dieser ist natürlich gar nicht erfreut, dass ich selbst in dem Zustand noch um einiges leichter die Hausaufgaben erledigen kann als er. Immer wieder muss er leise lachend, da mir wegen der Medikamente manche Worte nicht einfallen wollen und meine Umschreibungen sind wohl alles andere als hilfreich.

Ich bin wirklich froh darüber, dass ich nicht im Krankenhaus bleiben musste.

Hier zu Hause ist es wirklich noch am schönsten und es ist immer wieder lustig mit Reita Hausaufgaben zu machen. Es ist einfach schön mit ihm befreundet zu sein!

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Vor 10 Jahren hatte ich das erste Kapitel der FF "Gefangen in der Dunkelheit" veröffentlicht. Anfangs wollte ich einfach nur einen Weg finden um mit etwas klar zu kommen, was ich wirklich niemanden wünsche. Nie habe ich damit gerechnet, dass ich noch 10 Jahre später daran schreiben werde. Und heute bin ich einfach froh darum, dass ich es nie aufgehört habe zu schreiben. Mittlerweile sind es über 120.00 Wörter und wenn ich die Zahl so sehe, dann wird mir erst bewusst wie lang diese Fanfic schon ist.

Vielen Dank an jeden, der diese Geschichte liest :) Ich hoffe euch sind die Charaktere genauso ans Herz gewachsen wie mir. Und man merkt hoffentlich, dass Ruki jetzt nicht mehr nur ein hilfloser traumatisierter Junge ist.

Das nächste Kapitel ist übrigens schon nahezu fertig geschrieben.



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