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Des Schmetterlings Kuss

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Des Schmetterlings Kuss
 

Er war schön. Der schönste Mann, den sie je gesehen hatte. Seine ebenmäßigen Züge und die hohen Wangenknochen, die geschwungenen Lippen und die feine Nase. Die großen dunklen Augen, die sie bei jedem Blick, den er ihr zuwarf, zu verschlingen schienen. Schwarze, gelockte Haarsträhnen umrahmten, als perfekter Kontrast zu der elfenbeinfarbenen Haut, sein Gesicht. Die langen Haare trug er zum Zopf gebunden. Seine Gestalt, schlank und zierlich, bewegte sich grazil und umsichtig. Jeder Schritt, den er tat, schien mit Bedacht gewählt, jeder Augenaufschlag zu einem Theaterstück zu gehören, in dem er allein die Hauptrolle spielte. Als Lilie zwischen all dem Unkraut, das sich immer enger um ihn wand, um ein Stück seiner Schönheit zu ergattern.

Ihr stockte schier der Atem, als sein Blick den ihren das erste Mal traf. Sie errötete und eilig wandte sie den Blick ab.

Der Tanz, der soeben eröffnet worden war, gab ihr das Gefühl, erst einmal vor ihm und ihren plötzlich aufflammenden Gefühlen, die sie gar nicht von sich kannte, in Sicherheit zu sein. Er war abgelenkt. Viele Frauen baten ihn um einen Tanz, er würde sich nicht mit ihr beschäftigen können, selbst wenn sie wollte...

„Herrin, Ihr solltet etwas trinken.“, hörte sie die alte Stimme ihres Lehrers. Sie seufzte. Er hatte den Zauber der Situation endgültig zerstört.

„Ich habe keinen Durst.“, murmelte sie, während sie die Augen nicht von dem Fremden abwenden konnte.

„Ihr seid ganz rot. Ein Ohnmachtsanfall würde sich nicht sonderlich geziemen.“ Seine Worte klangen so gehässig wie immer, wenn er sie darauf hinwies, dass sie die Rolle einer Frau noch nicht gut genug erfüllte. Sie versuchte, ihr Temperament zu zügeln, um ihm nicht weitere Gründe zu verstecktem Spott zu geben. Mit einigen Anstrengungen gelang es ihr, einen kühlen Kopf zu bekommen. Sie bedachte den Mann neben sich noch immer mit keinem Blick, als sie hoheitsvoll erwiderte: „Sorgt Euch nicht darum, Herr Lehrer, ich bin alt genug, um selbst zu entscheiden, wann etwas gut für mich ist.“ Schwungvoll drehte sie den Kopf, dass die langen blonden Locken durch die Luft flogen, so wie sie es bei ihrer Schwester gesehen hatte – einer jungen Frau, die bereits von vielen Männern wegen ihrer Schönheit und ihres Charmes begehrt wurde.

„Ich werde kurz hinaus gehen. Die Luft hier ist ein wenig zu stickig.“ Im gleichen Moment zog sie den Fächer und wollte ihn mit einer einzigen Handbewegung öffnen, doch es gelang ihr nicht ganz. Ein leichtes Grinsen umspielte die Mundwinkel des Lehrers.

Sie würdigte ihn keines weiteren Blickes und verließ schnellen Schrittes den Tanzsaal. Nicht die Luft war Grund ihrer Flucht gewesen. Die Anwesenheit dieses Fremden, der sie schon in den Bann gezogen hatte, als sie von weitem seine Stimme vernommen hatte – samten und melodisch – war ihr zu viel. Es war, als würde sie seinen Geruch bereits aus all den Gerüchen hervor gesucht haben. Nun lag er ihr in der Nase und ließ sich nicht vertreiben. Ein betörender Geruch, genauso betörend wie seine äußere Erscheinung.

Der kühle Gang, in dem sie sich nun befand, hatte etwas Beruhigendes an sich.

Sie setzte sich neben einen der Wandleuchter und fächelte sich die kühlende Luft ins erhitzte Gesicht. Sie sah wieder seine Augen, seinen eleganten Gang, seine geschwungenen Lippen vor sich. Entmutigt seufzte sie auf. Sie war nicht so hübsch wie ihre Schwester. Auch sah sie noch nicht wie eine Frau aus, die man begehren mochte. Es wurmte sie, dass sie mit ihren 17 Jahren noch immer ohne einen einzigen Verehrer geblieben war. Bei einem Mann wie dem Fremden würde sie niemals eine Chance haben. Sie lehnte sich an die kalte Steinwand und sah vor sich das Porträt eines Lords. Es musste ein Vorfahre des Lordes sein, dem dieses Schloss gehörte. Der Mann auf dem Gemälde sah unheimlich aus. Sie schloss die Augen und versuchte, an etwas anderes zu denken.

Die Tür, durch die sie eben aus dem Saal gegangen war, öffnete sich erneut und fiel dann wieder ins Schloss.

„Bitte verzeiht meine Kühnheit. Geht es Euch gut?“, hörte sie die Stimme, die sie zusammenfahren ließ. Erschrocken öffnete sie die Augen und stand auf.

Der Fremde lächelte entschuldigend, während er die Hände hob. „Nein, bitte bleibt. Ich wollte Euch nicht erschrecken.“

„I-Ihr habt mich nicht erschreckt, Herr.“, log sie höflich, „Ich war nur... überrascht.“

Der Fremde lächelte wieder. Er kam in langsamen, fast zaghaften, Schritten auf sie zu. „Ich hatte noch keine Gelegenheit, mich vorzustellen.“, sagte er, während er sich formvollendet verbeugte und die Hand des erstarrten Mädchens ergriff, das sein Glück nicht fassen konnte. „Mein Name ist Amaryll. Ich bin der Neffe des Lords.“

„Hyazinthe.“, stammelte das junge Mädchen nervös, bevor ihr auffiel, dass es unhöflich war, keine ganzen Sätze zu sprechen. „Mein Name ist Hyazinthe. Hyazinthe von Greifensee.“

„Hyazinthe. Ein bezaubernder Name. Doch Eure Erscheinung ist um einiges bezaubernder.“

„Wie- Wie könnt Ihr das sagen?“ Sie lief noch röter an, als sie ohnehin schon war. Verunsichert entzog sie dem Fremden ihre Hand und ging einen Schritt zurück. Er sah verwundert drein.

„Gefällt es Euch nicht?“

Sie schüttelte den Kopf, dass die blonden Locken durch die Luft flogen.

„Ihr macht Euch über mich lustig.“, sagte sie verletzt. Sie konnte nicht glauben, dass gerade ER einen Spaß darin zu finden schien, mit ihren Gefühlen zu spielen.

„Nein, es ist die Wahrheit.“, hörte sie seine Stimme sagen, während er sanft die Hände umfasste, die sie abwehrend von sich streckte, „Ihr seid wunderschön.“

Warme Lippen brannten sich auf einen ihrer Handrücken ein. Sie riss sich los. Ihr klopfte ihr eigenes Herz zu schnell, ihre Gedanken drehten sich wie in einem Karussell. Den Fächer, den sie zuvor verloren hatte, hob sie auf, während sie bereits ihr Kleid raffte. Dann rannte sie davon. Sie kannte sich in dem Schloss nicht sonderlich gut aus, aber sie wusste, dass es groß und verwinkelt war. Er würde sie nicht finden, wenn sie weit genug rannte. Und so stürzte sie Treppen hinauf und hinunter, eilte durch die langen Gänge, die nur schwach beleuchtet waren und fand sich schließlich vor einer großen Tür wieder, die schwer und wichtig aussah. Sie wandte sich um, doch es war niemand zu sehen. Nun, da sie ohnehin Ärger von ihrem Privatlehrer bekommen würde, weil sie einfach so von der Feier verschwunden war, konnte sie die Zeit auch nutzen. Beharrlich wischte sie die Gedanken an den Fremden mit dem hübschen Namen beiseite und drückte die schwere Klinke hinunter. Die Tür war aus schwerem Kirschholz, das sich nur mühsam von ihren dünnen Armen bewegen ließ.

Eine fremde Hand kam ihr zu Hilfe. „Darf ich?“

Erschrocken ließ sie los. Neben ihr stand der gutaussehende junge Mann, der nun allein mit der schweren Tür kämpfen musste. Er hielt sich wacker, schob die Tür weiter auf und stieß mit dem Fuß einen Keil in den unteren Spalt, um sie offen zu halten.

„Wollt Ihr hinein?“, fragte er sanft.

Zögernd sah Hyazinthe ihn an. Es war ihr nicht gelungen, ihm entfliehen können und im Moment war sie zu gebannt von seinem Geschick gewesen, als dass sie hätte verschwinden können. Er sah sie fragend durch die schwarzen Strähnen hindurch an. Seine langen Wimpern verdeckten die Hälfte seiner Pupillen. Ihr lief ein Schauer über den Rücken. Nun, da sie sich erneut von seiner bloßen Erscheinung hypnotisiert fand, nickte sie zögernd. Sie wusste nicht einmal, was dahinter lag.

Schwarz schaute der Raum zu ihr hinaus. Geistesgegenwärtig griff Amaryll eine Kerze, die in einem der Wandleuchter hin, und ging hinein. Sie folgte ihm und während er die Kerzen im Raum anzündete, erkannte sie, wo sie war.

Es war eine riesige Bibliothek. Die Decke war so hoch, dass sie den Kopf in den Nacken legen musste, um sie zu sehen. An den Wänden standen Regale, in denen sich die Bücher aneinander reihten. Bücher über Bücher. Es roch nach Papier und obwohl der Raum kühl war, war sie zu gebannt, um zu frösteln. Sie hatte noch niemals so viele Bücher auf einem Haufen gesehen.

Als sie ein leises, fast mädchenhaftes, Kichern hörte, schreckte sie auf.

Amaryll beobachtete sie. Ihm war die Faszination und Neugier in ihren Augen sicher nicht entgangen. Die Art, wie er jetzt den Kopf neigte und mit einer Hand sein Grinsen zu verstecken suchte, ließ sie jedoch die alten Folianten vergessen.

Sie schluckte, um nicht räuspern zu müssen. Seine Anwesenheit ließ ihre Kehle austrocknen.

„Wem gehören all diese Bücher?“, fragte sie, um etwas zu sagen.

„Meinem Onkel.“ Er hielt die Kerze ein wenig höher, die noch immer in seinen Händen war, und lief ehrfürchtig auf eins der Regale zu. „Er meint, es sei wichtig, über viele Dinge informiert zu sein. Man muss gebildet sein, um etwas bewegen zu können.“ Der Schöne drehte sich elegant auf dem Absatz um und sah ihr ins Gesicht. „Er hat Recht.“

Hyazinthe blinzelte. Sie wollte den Blick von seinen schwarzen Augen abwenden, doch es gelang ihr nicht recht. Er schien sie regelrecht zu verschlingen. Noch mehr denn je, hatte sie jetzt das Gefühl, er zöge sie magisch an. Sie fiel.. in seine unendliche Tiefe, eine Tiefe viel größer, als sie es jemals bei irgendjemandem gesehen hatte. Sie verlor sich in seinen Augen und fand nicht mehr hinaus. Erst, als seine Finger ihre Wangen berührten, kam sie wieder zu sich. Er musste auf sie zugekommen sein, ohne dass sie es bemerkt hatte. Nun stand er vor ihr, von Angesicht zu Angesicht. Er war ein wenig größer und beugte sich leicht zu ihr vor.

Zögernd senkte sie den Blick, doch seine Hand wanderte unter ihr Kinn und führte es nach oben. Sie musste ihn wieder ansehen, ihr eigenes Verlangen danach war zu groß.

Hauchzart streiften seine Lippen die ihren. Sie fuhr erschrocken zusammen. Das Blut schoss ihr in den Kopf. Es harmonierte mit dem hellen Blau ihrer Augen und dem Goldblond ihrer Haare.

„Wieso tut Ihr das?“, hauchte sie, in einem Anflug von Verzweiflung. Sie war sich sicher, dass sie ihn nicht verdient hatte.

„Gefällt es Euch nicht?“, raunte er sanft.

„Doch.. leider.“, erwiderte sie bitter, „Aber ich fürchte um mein Herz. Ihr werdet mich zerbrechen.“

Die freie Hand legte sich in ihren Nacken. „Was lässt Euch so sicher sein, meine Schöne?“

„Schaut Euch an.“, flüsterte sie wehmütig, „Ihr seid perfekt. Jede Frau hier begehrt Euch und jede Dame, die Euch den Hof macht, hat mehr Chancen, als ich. Selbst die Männer liegen Euch zu Füßen.“

„Ihr seid immerhin die Tochter eines Grafen,...“

„...Und dennoch längst keine Konkurrenz.“

„Wer auch immer versucht, Euch das einzureden: Schenkt Ihm nicht Euer Gehör, meine Liebe. Schenkt es lieber mir. Ich traf Euch vor einigen Stunden und seitdem scheint es mir, als wäre außer Euch und mir niemand hier.“

Er machte eine wegwerfende Geste und fuhr fort: „Lasst die Menschen reden. Lasst sie spotten, es ist ein Zeichen ihres Neids. Neid ist das schönste Kompliment, das man Euch machen kann, kleiner Schmetterling. Zeigt es doch, dass Ihr die anderen so sehr in den Schatten stellt, dass sie nicht umhin können, sich immerzu mit Euch zu beschäftigen.“

Von seinen Worten besänftigt und bezaubert, konnte sie seinen Lippen eine erneut Berührung mit den ihren nicht verwehren.

Er blies die Kerze aus, die er noch immer in der einen Hand hielt. Achtlos legte er sie auf den Boden. Dann trat er einige Schritte zurück und nahm den Keil aus seiner Verankerung. Langsam glitt die Tür ins Schloss. Im Raum blieben sie beide. Inmitten von Kerzenschein und dem Geruch allwissender Bücher.

Erneut lief er auf sie zu. Seine Hände umschlangen ihre Hüfte. Sein zarter Kuss schmeckte süß, nach gutem Rotwein. Sie wollte mehr davon, doch sie wagte es nicht, als Unwissende einen nächsten Schritt zu tun. Deshalb ließ sie ihn gewähren. Genoss das Gefühl seiner Lippen auf ihrem Hals, umschlang seinen Hals und ließ sich von seinen schlanken Fingern den Nacken kraulen. Ihr liefen wohlige Schauer über den Rücken.

Als seine Finger begannen, an ihren Knöpfen zu nesteln und den blanken Rücken freizulegen, tat sie es ihm nach. Mit zittrigen Fingern strich sie sein Jacket entlang und versuchte, den Stoff beiseite zu schieben. Weiche Seide, die unter ihren Fingern entwich. Doch gerade als sie seinen Bauch entlang streichen wollte, versteifte er sich und sie hielt inne. Stumm umfasste er eine ihrer Hände und führte sie unter seinem Hemd vom Bauch hinauf. Er legte ihre Hand auf seiner Brust ab. Sie spürte, dass da etwas seltsam war. Es war keine breite Brust und sie war weder muskulös, noch auffällig weich. Bandagen schlangen sich darum.

Hyazinthe blieb die Luft weg.

„Seid Ihr etwa verletzt?“, fragte sie mit erstickter Stimme. So viele Bandagen.. so dick, dass sie schon Huckel bildeten. Er lachte leise in ihr Ohr.

„Nein.“, flüsterte er. Und dann noch einmal nachdenklicher: „Nein.“

Er nahm seine Arme von ihrem Rücken, griff hinter sich und schien etwas zu lösen, das bis eben verknotet gewesen sein musste. Die Bandagen lösten sich unter den Fingern des jungen Mädchens, doch die Huckel blieben. Perplex riss sie die Augen auf.

„Das “, flüsterte Amaryll leise und zwinkerte, „bleibt unser kleines Geheimnis.“
 

The End



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von: abgemeldet
2010-05-12T18:39:24+00:00 12.05.2010 20:39
oO *noch zu erstaunt ist um was zu sagen*
*nohcmal les*
whoaa tolll.... x)
Einfach super geschrieben, du hast einen tollen Zeichenstil und einfach nur herlich die story....
*seufz*
sowas wie in der hätte ich auch gern mal erlebt... *nochmehr seufz* x]
mach weiter so ^^
*in die favo liste schmeiß* ^^
Von:  Sharanna
2010-05-11T17:26:46+00:00 11.05.2010 19:26
Oh mein Gott!
Ich glaub das ist kein richtiger Ausdruck von dem, was ich bei dieser Geschichte denke.
Es ist mehr - es ist richtig schön diese Geschichte zu Lesen - von Anfang bis Ende!
Aber: Es haut mir einen Hammer aufm Kopf, dass das das Ende sein soll. T.T Es wär so schön alles weiter zu spinnen, vor allem weil dein Schreibstil richtig gut zu diesem Mittelalterlichen passt! Es herrscht sozusagen eine Harmonie zwischen Zeit, in der die Geschichte spielt und deiner Wortwahl - auf eine Weise, die den Leser direkt neben die beiden Personen transportiert, die einem Bilder anstelle von Worten vor Augen erscheinen lässt!

Kurzum: Ich liebe deinen Schreibstil, aber ich will MEHR! *lacht*

Lieben Gruß,
Sha
Von:  yukio-kun
2010-04-23T09:19:44+00:00 23.04.2010 11:19
wie geil ist denn das? X3
einfach toll geschrieben, und geiles ende...
mir gefällts echt gut

see ya, yu-kun
Von: Swanlady
2010-04-20T14:07:13+00:00 20.04.2010 16:07
Ich war wie hypnotisiert von dieser Geschichte! :) Wirklich sehr schön beschrieben, ich mag deinen Schreibstil. Besonders die Dialoge fand ich sehr passend.
Hat Spaß gemacht zu lesen! Und jetzt stell ich mir den Rest vor... :D
Von:  HarukalovesMichi
2010-04-20T07:59:56+00:00 20.04.2010 09:59
hihi cool^^

ja man kann sich jetzt alles denken xDDD
Von:  CruelEve
2010-04-17T16:38:42+00:00 17.04.2010 18:38
Und den rest kann man sich denken^^

echt schön, gut geschrieben, i love it^^

Bones


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