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Komm und hilf mir

von

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Bo wusste, dass das, was er im Moment tat, vollkommen falsch war und dass sie richtig Ärger bekamen, wenn man sie entdeckte, aber Eik hatte ihm noch vor einer halben Stunde genervt versichert, kein zu großes Risiko einzugehen. Außerdem wollte Bo nicht als Feigling dastehen, also hatte er sich bereit erklärt mitzumachen, weshalb er zusammen mit den anderen die dunkle Straße entlanglief.

„Mann, ich brauch ne Kippe“, beschwerte sich Matze schon zum dritten Mal innerhalb von zehn Minuten und stieß Bo seinen Ellbogen in die Seite. „Gib mir eine!“

„Halt deine Klappe, du Idiot“, fauchte Stan ihn wütend an. „Wenn wir wegen deinem Rumgejammer auffliegen, mach ich dich fertig, kapiert?“

„Heul doch, Stany.“

„Haltet doch einfach alle mal euer Maul, dann haben wir ein Problem weniger.“ Trotz der Dunkelheit erkannte Bo, wie Eik das sinnlose Gerede fast an die Grenzen seiner Nerven brachte. Von Natur aus gehörte Eik wirklich nicht zur ruhigen Sorte Mensch, aber als selbsternannter Anführer ihrer kleinen Gruppe durfte er sich seiner Meinung nach nicht so verhalten wie die anderen, musste also seine aggressive Seite im Zaum halten.

Nach einer Viertelstunde erreichten sie ihr Ziel: Das Haus der Familie Winternagel, deren Sohn ein ehemaliger Klassenkamerad von Stan gewesen war. Pascal hatte jahrelang Stan systematisch vor den anderen lächerlich gemacht und das wollten sie ihm nun heimzahlen, indem sie seiner Familie das Haus leer räumten und die Sachen entweder für sich behielten oder im nahe gelegenen See versenken. So ganz einig darüber waren sie sich noch nicht.

„Matze, du bleibst draußen und passt auf“, beschloss Eik einfach, nachdem sie das Grundstück betreten hatten. „Und wehe, du quatschst jemanden, der hier vorbei kommt, wegen Kippen an oder warnst uns nicht rechtzeitig, wenn wer kommt.“ Eik hatte einen Hang dazu, Drohungen auszusprechen, aber die Konsequenz zu verschweigen. Nur wussten trotzdem alle genau, dass ihr Fehlverhalten auch wirklich Folgen haben konnte, besonders Matze kannte sich da aus. „Stan und Bo, ihr kommt mit mir mit.“

„Aber...“ Gestern Abend hatte Eik ihm noch versprochen, dass er Wache halten sollte und somit aus der Sache fast heraus blieb, ansonsten hätte Bo sich wirklich geweigert, hier teilzunehmen.

„Was ist? Kommst du mit oder gehst du? Aber wenn du gehst, brauchst du gar nicht mehr wieder kommen, okay?“

„Na gut, dann komm ich halt mit.“ Inzwischen wusste Eik nur zu gut, wie er ihn 'überreden' musste, um das zu erlangen, was er wollte.

Während Matze leise fluchend wegen der Kälte und seinen Entzugserscheinungen draußen am Pfeiler des Zauns gelehnt wartete, schlichen sich Eik, Stan und Bo um das Haus herum und suchten nach einem Weg, ins Innere des Gebäudes zu gelangen.

Angeblich sollte heute Abend die gesamte Familie Winternagel ausgeflogen sein, sodass sie in Ruhe ihren Plan durchführen konnten. Aber weil Eik aus Sicherheitsgründen – er wollte nicht noch eine Anzeige bei der Polizei haben – sich darauf nicht verließ, mussten sie so leise wie möglich sein, was Bo schon rein intuitiv getan hätte. Seinen restlichen Samstag Abend wollte er sich nicht ruinieren, indem er sich von seinen Eltern bei der Polizei hätte abholen lassen müssen.

„Schlagen wir einfach das Fenster ein“, meinte Stan lässig und machte sich schon bereit, herumliegende Steine aufzusammeln und damit das Glas zu zertrümmern.

„Bist du dumm im Kopf oder was? Wenn die eine Alarmanlage haben oder irgendein Nachbar von denen uns hört, sind wir am Arsch“, zischte Eik ihm zu und zwang ihm, die Steine aus der Hand zu legen.

„Was schlägst du dann vor? Warten, bis wir schwarz sind oder es hell wird? Klingeln und fragen, ob wir ihnen die Kohle klauen dürfen? Ist doch mindestens genauso bescheuert“, konterte Stan und wich Eik aus, der ihm eine Schlag in die Seite verpassen wollte. Bo stand daneben und wünschte sich weit weg. Er wollte dort nicht einbrechen, er wollte nur zuhause in sein Bett und einfach nur schlafen.

„Wir sehen nach, ob es eine andere Möglichkeit gibt, da rein zu kommen.“ Eik hatte sich schon in Bewegung gesetzt und umrundete mit kritischem Blick das Haus.

„Ach, Alter, und selbst wenn die Alarmanlage angeht, dann haben wir denen wenigstens ein paar Fenster eingeschlagen, ist doch auch geil.“

„Dann mach halt, aber wenn sie uns schnappe, zahlst du dann den Schaden.“

„Wie denn? Ich bin pleite“, seufzte Stand genervt, packte einen Gartenstuhl, der in seiner Nähe stand, und donnerte ihn mit aller Kraft so lange gegen die Glasscheibe über ihren Köpfen, bis von dieser nicht mehr viel übrig war und er auf ein paar Scherben trat.

Vor Anspannung hatte Bo den Atem angehalten, doch da weder lautes Geschrei aus dem Haus drang, die Polizei vor ihnen stand noch ein schrecklich neugieriger Nachbar seinen Kopf aus einem Fenster streckte und glotzte, beruhigte er sich langsam. Hoffentlich übertrieben Stan und Eik es nicht mit ihrer Racheaktion an Pascal, noch mehr Vorstrafen sollten sie die beiden nicht sammeln.

„Kommt, bewegt euren Arsch“, hetzte Stan, der schon halb in der Öffnung des kaputten Fensters verschwunden war.

„Sagt genau der richtige, du kommst doch kaum rein, so fett wie du bist.“ Jeder normale Mensch hätte für diesen Kommentar von Stan einen Tritt in den Bauch erhalten, nur bei Eik machte er eine Ausnahme, da dieser im Gegenzug ihn dann trat. Und zwar nicht nur einmal.

Mit einem schlechten Gewissen kletterte Bo als letzter ins Innere des Hauses, wobei er höllisch aufpassen musste, um sich nicht die Handflächen an den Glasscherben überall aufzuschneiden.

„Scheiße, ist das groß hier“, flüsterte Stan überrascht, als er sich an die Dunkelheit gewöhnt und sich ausgiebig umgesehen hatten.

„Wenn man in einem Loch wie du wohnst, ist sogar eine Besenkammer groß.“

„Seid doch mal leise.“ So wie Bo die beiden kannte, steigerten sie sich in ihre Beleidigungen so weit hinein, dass sie alles um sich herum vergaßen. Und in diesem Fall wäre das mehr als ungünstig.

„Warum? Ist doch keiner zuhause“, tat Stan seine Bedenken ab, ging zu einem Spiegel, der an der Wand hing, nahm ihn von seinem Haken und warf ihn auf den Boden.

Erschrocken zuckte Bo zusammen, aber Stan lachte nur leise und Eik zuckte nicht einmal mit dem kleinen Finger. Sie hatten solche Dinge schon viele Male getan und für sie war das hier fast schon reine Routine, während Bo beinahe wahnsinnig wurde.

Sie befanden sich in einer Art Flur, der mehrere Zimmer miteinander verband, die Eik und Stan sofort zu ergründen begannen. Erst leise, um herauszufinden, ob sich darin niemand aufhielt und schließlich folgte deutliches Gepolter, wenn sie sich an der Einrichtung vergriffen.

Regungslos stand Bo weiterhin zwischen den Scherben der Glasscheibe und des Spiegels und hoffte, dass Eik ihn nicht dazu brachte, sich an der Zerstörung zu beteiligen. Er hatte nichts mit Pascal zu tun, er kannte ihn nicht einmal, also was sollte er hier eigentlich? Warum verließ er das Haus nicht einfach auf demselben Weg, auf dem er es betreten hatte? Niemand hielt ihn davon ab; Eik und Stan randalierten in den zwei Zimmern – Stan in einer Art Speisekammer und Eik in der Küche – und Matze ging sich draußen am Tor selbst auf den Geist und brauchte Stoff.

Trotzdem blieb Bo dort, wo er war, sah von seinem Standpunkt aus, wie Stan Gläser mit eingelegten Gurken, Mandarinen und Wasserflaschen an der Wand zerschlug, während Eik kurzerhand Teller, Tassen und Besteck aus dem nun ebenfalls kaputten Küchenfenster auf die Wiese darunter beförderte.

Sie mussten wirklich ziemliche Aggressionen auf diesen Pascal haben, wenn sogar Eik sich nicht mehr um Vorsicht scherte.

„Was ist denn hier los?“

Erschrocken fuhr Bo herum und musterte entsetzt den verschlafen aussehenden Jungen, der ihm plötzlich gegenüber stand. So viel zum Thema, dass niemand zuhause war.

„Eik“, krächzte Bo überfordert, weil er nicht wusste, was zu tun war. „Eik, hier ist wer!“

„Hä?“ Stan ließ von den Regalen mit Lebensmitteln ab und gesellte sich zu Bo. „Oh, geil, hi Passi, na, wie geht’s dir denn so?“

„Was machst du hier?“ Augenblicklich verschwand die Müdigkeit aus Pascals Stimme und Blick und er machte unwillkürlich einen Schritt nach hinten.

„Siehst du doch, oder? Ich hack dir deine Scheißbude kurz und klein, hab ich dir doch versprochen.“ Stans Grinsen ging Bo durch Mark und Bein, so angriffslustig hatte er ihn bis jetzt nur ganz selten erlebt. „Ich dachte, ihr seid heute nicht da? Habt ihr es euch anders überlegt? Los, mach den Schnabel auf. Sind deine Alten auch zuhause?“

Pascal schüttelte automatisch den Kopf, bis ihm auffiel, dass dies seine Lage nur noch verschlechterte.

„Wie praktisch.“ Stans Gesichtsausdruck wurde noch eine Spur unheimlicher. „Dann ist ja keiner da, der dir helfen kann.“

„Doch, meine...“ Pascal versuchte sich zu bremsten, um sich nicht um Kopf und kragen zu reden und sich weiter ins Unglück zu stürzen. Je mehr Details er Stan offenlegte, desto weniger Chancen hatte er, heil aus der Sache herauszukommen.

„Schwester? Weil die dich auch so gut beschützen kann. Wie alt ist die jetzt? Zehn, elf? Mann, bist du ein Loser, früher hast du wenigstens noch versucht, cool zu sein.“ Stan war in seinem Element, endlich fühlte er sich Pascal überlegen. Auf diesen Moment hatte er schon seit Jahren gewartet. „Bo, halt ihn fest.“

„Wieso?“ Pascal hatte bis jetzt keinen Versuch unternommen, vor ihnen wegzulaufen. Entweder stand er so unter Schock wegen ihrem plötzlichen Auftauchen oder er ahnte, dass es zwecklos wäre.

„Mach einfach und frag nicht so dumm“, fuhr Stan ihn an und schubste ihn nach vorne.

Widerwillig trat Bo hinter Pascal, der die ganze Situation noch nicht ganz zu realisieren schien, und packte ihn an den Schultern. Falls er sich wirklich wehrte, müsste er sich anstrengen, ihn nicht loszulassen. Trotz seiner Größe war Bo nicht besonders stark, worüber sich Matze schon einige Male lustig gemacht hatte.

Doch Pascal reagierte gar nicht auf Bo, denn sein Blick klebte auf etwas, das ihm deutlich mehr Angst machte: Stan hatte ein Messer aus der Hosentasche gezogen und kam damit bedrohlich langsam auf ihn zu.

„He, Stan, bring ihn nicht um“, rief Eik ihnen zu, der am Türrahmen der Küchentür lehnte und die Szene ziemlich gleichgültig beobachtete. „Ich hab keinen Bock, wegen Mord in den Knast zu kommen.“

„Heul nicht, Eik, so blöd bin ich nicht.“ Grinsend stand Stan keinen halben Meter von Pascal entfernt, schnappte sich dessen Handgelenk und drückte die Klinge des Messers dagegen.

Ängstlich begann Pascal in Bos Griff zu zappeln, was diesen zwang, ihn mit beiden Armen zu umklammern. Er wusste, dass er sich dadurch erst recht strafbar machte, aber er verdrängte diese Tatsache sofort wieder, sonst machte ihm sein schlechtes Gewissen die Hölle heiß.

„Lasst mich.“ Verzweifelt probierte Pascal Stan von sich wegzustoßen, kassierte dafür allerdings nur eine Ohrfeige und einen Schnitt in den Unterarm, weshalb er vor Schmerzen aufschrie.

„Stan, hör auf“, bat Bo ihn, doch auf ihn hörte wie immer keiner. Eik betrachtete weiter das Schauspiel und sparte nicht mit überflüssigen Kommentaren, Stan setzte seinen Plan, seinen ehemaligen Klassenkameraden zu quälen, weiter in die Tat um und Pascal hatte solche Angst, dass Bo ihn eher stützen als festhalten musste, denn Stan hatte ihm gedroht, auch seine Schwester zu verletzen, falls er sich ihm widersetzte, was ihm einen zusätzlichen mentalen Schlag verpasst hatte.

„Komm, Stany, hör auf, ich will nach hause“, erklärte Eik nach einer gefühlten Ewigkeit. Er stieß sich von dem Holzpfeiler hinter sich ab und zerrte Stan, der gerade richtig in Fahrt gekommen war und kurz davor stand, Pascal nicht nur die Arme, sondern auch das Gesicht zu ritzen, nach hinten. „Außerdem hast du jetzt deine Rache. Matze wird uns sowieso schon auf den Geist gehen, weil wir so lang gebraucht haben.“

„Dann sagen wir, dass was dazwischen gekommen ist, das mussten wir noch regeln. Ist ja auch die Wahrheit.“ Noch etwas aufgewühlt steckte Stan das Messer zurück in seine Hosentasche. „Und du hast uns nicht erkannte, verstanden?“, zischte er Pascal zu, bevor er sich zu Eik um drehte. „Dann gehen wir halt, wenn der kleine Eik ins Bett muss.

„Halt einfach die Fresse und beweg deinen Arsch nach draußen“, knurrte Eik genervt und ging auf das Einstiegsfenster zu. „Bo, wir gehen.“

„Gleich.“ Er konnte Pascal in diesem erbärmlichen Zustand nicht einfach hier auf dem Boden liegen lassen, der Junge war so fertig mit den Nerven, dass er sicher nicht einmal mehr aufstehen konnte. „Geht schon mal vor.“

„Mach hinne, wir haben besseres zu tun als draußen auf dich zu warten.“ Eik trommelte auffordernd auf dem Fensterbrett herum und wartete, dass Stan ihm den Weg freigab.

Vorsichtig transportierte Bo Pascal in das angrenzende Wohnzimmer, legte ihn auf das Sofa ab und betrachtete ihn niedergeschlagen. Stan hatte ganze Arbeit geleistet, Pascal sah fürchterlich aus, als wäre er in einem Berg spitzer Dornen oder in einen eingeschalteten Reißwolf gefallen. Sogar das T-Shirt, das er trotz der niedrigen Temperaturen zum Schlafen getragen hatte, hatte Stan an manchen Stellen zerschnitten und dabei auch die Haut darunter verletzt.

„Was hast du Stan getan?“ So gewalttätig war dieser noch nie geworden, aber keiner hatte ihn eingeweiht, was damals vorgefallen war, sodass Stan so sehr die Kontrolle verloren hatte.

Doch Pascal schüttelte nur schwach den Kopf und presste die Lippen zusammen, er wollte nicht mit Bo reden, was dieser nachvollziehen konnte. Besonders vertrauenserweckend hatte er selbst sich schließlich nicht benommen.

„Es tut mir leid, was Stan getan hat.“ Mehr konnte er für Pascal in diesem Augenblick nicht tun.

„Warum hast du ihn dann nicht aufgehalten?“ Das vorwurfsvolle Flüstern tat mindestens so weh wie der Blick, den Pascal ihm schenkte. „Du bist doch sein Kumpel und auf die hört er doch wenigstens, oder?“

Auf Eik vielleicht, auf Matze in ganze seltenen Fällen, aber das, was Bo sagte, interessierte sie meistens wenig, zumindest wenn er sie von irgendwelchen krummen Aktionen abbringen wollte.

Draußen hörte er jemanden gedämpft husten, was ihn daran erinnerte, dass dort drei Leute auf ihn warteten und sich nicht scheuten, ihn wenn nötig mit Gewalt hier hinauszubefördern.

Eilig verließ Bo den Raum, nicht ohne Pascal noch einen letzten Blick zuzuwerfen, was er sofort bereute, kletterte in den Garten und huschte zu den drei anderen, die schon draußen am Tor auf ihn warteten.

Schnell und ohne zurückzusehen machten sie sich auf den Weg nach Hause.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Inan
2010-03-06T23:45:55+00:00 07.03.2010 00:45
Tja, sowas passiert, wenn man sich die falschen Freunde sucht
is halt scheiße für Pascal, den armen Kerl, aber wer weiß, was für schlimme sachen der angestellt hat
Bo ist hier eindeutig der einzige mit einem Gewissen xD


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