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Amnesie

von

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Punchingball

Dean röchelte.

Mühsam rang er nach Luft, auch wenn er bereits bemerkt hatte, dass es eigentlich sinnlos war. Albert Woods schnürte ihn von dem lebensnotwendigen Sauerstoff ab und würde erst wieder loslassen, wenn Dean der Tod ereilt hätte.

Der Winchester hatte jedoch wenig Lust, frühzeitig in die ewigen Jagdgründe einzugehen. Von Woods an den Schaukasten gepinnt, tastete er mit den Händen nach irgendwas, das ihm nützlich hätte sein können. Doch er spürte nichts außer ein paar Scherben und eine dickbäuchige Vase, über die der Geist sich wahrscheinlich kaputtgelacht hätte.

Nichts in der näheren Umgebung vermochte ihm zu helfen.

Bis auf einen Schutzengel.

Dean begriff im ersten Moment gar nicht, warum sich der Druck um seinen Hals plötzlich verflüchtigte und Albert Woods sich in Luft auflöste. Stattdessen sank er bloß zu Boden und saugte so viel Luft ein, dass ihm davon schwindelig wurde. Nach und nach klärte sich seine Sicht wieder.

„Geht es dir gut?“, hörte er Castiels Stimme.

Dean blickte auf und entdeckte den Engel, der neben ihm stand. In seiner Hand die Eisenstange, mit der er Woods rechtzeitig außer Gefecht gesetzt hatte, bevor Dean Bekanntschaft mit dem Jenseits hatte machen können.

„Oh … Mann … Cas“, meinte er, immer noch etwas atemlos. „Danke … Vielen, vielen Dank.“

Castiel verzog seine Lippen ein wenig, was fast wie ein Lächeln wirkte. Dean währenddessen rappelte sich mühevoll auf, dabei interessiert von dem Engel beäugt, der es offenbar furchtbar faszinierend fand, wie eine gebeutelte Seele sich hochhievte. Hilfe bot er hingegen keine an.

Dean wollte ihm schon dafür schalten und ihm klarmachen, dass Menschen sich normalerweise des Öfteren unter die Arme griffen, doch er hielt sich zurück. Erstens hatte er noch nicht genügend Luft in den Lungen für eine längere Standpauke und zweitens war es über alle Maßen taktlos, sich bei jemanden zu beschweren, der einem gerade das Leben gerettet hatte.
 

„Das Blut …“, meinte er stattdessen.

Castiel warf einen Blick über seine Schulter. Einen Großteil des Parkettbodens hatte er bereits aufgerissen, allzu lange konnte es nicht mehr dauern.

„Mach weiter!“, ordnete Dean ihn an, während er sich von der Vitrine abstieß, sich auf sein Gewehr zubewegte und es vom Boden aufhob. Er fühlte sich gleich viel besser, als er das vertraute Gewicht spürte.

„Vielleicht sollte ich mich um den Geist kümmern“, schlug Castiel vor. Sein Blick war durchdringend, als er Dean musterte.

„Du hast dein Mojo nicht mehr“, erinnerte der Winchester ihn. „Du bist es nicht gewöhnt, auf menschliche Art und Weise zu kämpfen. Du wärst eher tot, als dir lieb wäre.“

„So einfach sterben Engel nicht.“

Dean schnaubte und schaute demonstrativ auf Castiel verwundete Hand, die immer noch übel blutete. „Mit deinen Heilungsfähigkeiten steht es nicht zum Besten, was? Wer weiß, wie es mit dem Rest aussieht.“

Castiel machte den Anschein, als wollte er etwas entgegnen, aber schließlich wandte er sich wieder um und machte sich zu der blutigen Stelle auf.

Dean brachte währenddessen seine Waffe auf Anschlag und scannte den ganzen Raum gründlich. Er hatte nicht vor, sich ein weiteres Mal von Albert Woods überlisten zu lassen. Das verbot ihm sein Jägerstolz.

„Ich habe allmählich das Gefühl, dass die beiden Todesopfer, die uns hierhergeführt haben, kein Zufall waren.“ Automatisch dachte er an den Historiker mit dem Herzanfall und die junge Praktikantin, der eine Kaffeemaschine auf den Kopf gefallen war. „Woods hatte da sicher seine Finger im Spiel.“

Barbara stahl nur das Gedächtnis, aber ihr Bruder schien deutlich weiter zu gehen. Da brauchte man nur Deans malträtierten Rücken und Castiels blutende Hand zu fragen.
 

Mehrere Minuten blieb es verdächtig ruhig, abgesehen von dem Geräusch des splitternden Holzes, das der Engel aufbrach. Offenbar war das Parkett ausgesprochen hartnäckig und ließ sich nicht ohne weiteres vom Boden entfernen.

Aber schließlich war es vollbracht.

Dean erlaubte sich ein erleichtertes Lächeln, während Castiel keine Miene verzog. Stattdessen öffnete er den Beutel Salz und streute den Inhalt über das alte Blut.

Etwas, das nun erneut Albert Woods hervorzulocken schien.

Diesmal bemerkte Dean ihn rechtzeitig und drückte ab, bevor Woods auch nur in die Nähe des Engels kam. Der Geist konnte aber noch im letzten Augenblick verschwinden, sodass Dean bloß eine griechische Vase traf, die daraufhin aus der Vitrine fiel und auf der Erde zerschellte.

Castiel währenddessen ließ sich davon nicht ablenken. Er holte das Feuerzeug hervor und musterte es derart, dass sich Dean unwillkürlich fragte, ob der Engel überhaupt eine Ahnung davon hatte, wie man das Ding benutzte.

Doch Zeit für eine Lehrstunde blieb nicht.

Dean spürte, wie ihn die unsichtbare Macht erneut packte. Dieses Mal aber wappnete er sich dagegen und ließ sich gar nicht erst gegen eine Wand schleudern. Mit all der Willensstärke, die er aufbringen konnte, schaffte er es irgendwie, sich aus dem Griff zu befreien, bevor er wieder irgendwo gegenknallte. Stattdessen schlitterte er gut zwei Meter über den Boden, ehe er zum Stillstand kam.

„Verfluchter Dreckskerl!“, zischte er, riss seine Waffe hoch und zielte direkt auf die Gestalt, die sich vor ihm materialisierte.
 

Aber auch dieses Mal war Albert Woods schneller. Er wich dem Steinsalz aus, wie es nur ein Geist konnte, ehe er Dean mit wutverzerrter Miene anfunkelte. Mit seiner Hand vollführte er daraufhin eine fast schon unscheinbare Bewegung.

Dean hatte augenblicklich das Gefühl, als würde etwas seinen Knöchel umklammern. Er versuchte zwar, sein Gleichgewicht zu bewahren, aber es gelang ihm nicht. Wie wild ruderte er mit den Armen, als er vornüberfiel und hart auf dem Parkett aufschlug. Eine Sekunde lang sah er sogar Sterne vor seinen Augen und befürchtete schon, das Bewusstsein zu verlieren.

Aber er schaffte es, sich zusammenzureißen, während er den Umstand verfluchte, dass Woods nicht wie die Dämonen und Castiel seine übernatürlichen Kräfte verloren hatte.

Mühsam versuchte Dean, sich wieder hochzuhieven, doch er merkte schnell, dass es beileibe nicht dermaßen einfach war. Stattdessen schien irgendein unsichtbares Gewicht auf seinen Rücken zu drücken und ihn hart auf den Boden zu pressen, sodass sein Brustkorb förmlich eingequetscht wurde. Seine Lunge protestierte vehement, während er zum zweiten Mal an diesem Tag nach Luft schnappte wie ein Fisch an Land.

Und von Sekunde zu Sekunde wurde es immer unerträglicher.

Bis er schließlich das Licht sah.
 

Im ersten Moment dachte er, der Strom würde wieder fließen. Dann aber realisierte er, dass es sich um Feuer handelte.

Castiel hatte es geschafft!

Dean merkte sofort, wie der Druck abnahm. Ihm gelang es noch, einen Blick über die Schulter zu werfen, um zu sehen, wie Albert Woods dem Feuer überantwortet wurde. Seine Augen weit aufgerissen, als er sich in seine Bestandteile auflöste.

Und noch etwas anderes entdeckte Dean: Barbara Woods.

Sie stand im Türrahmen. Vielleicht war sie die ganze Zeit schon dort gewesen und hatte das Szenario beobachtet. Darauf hoffend, dass ihre langjährige Gefangenschaft endlich ein Ende haben würde.

Nun lächelte sie und blickte Dean zum ersten Mal direkt in die Augen, ehe auch sie für immer verschwand.

Sie konnte nun in Frieden ruhen.
 

Dean genehmigte sich einige tiefe Atemzüge, bevor er sich schließlich hochrappelte. „Mann, das war vielleicht eine Show. Ohne Sam, der den Punchingball spielt, ist diese ganze Geisterjagd ja wirklich schmerzhaft.“

Er streckte sich und hörte, wie es in seinem Rücken knackte. Er würde eine kräftige Massage brauchen, um wieder in Form zu kommen. Vorzugsweise von einer drallen asiatischen Dame mit wenig Hemmungen.

Dean trat zu Castiel, der sich hingekniet hatte und die verbrannte Stelle ausgiebig musterte, als hätte er nie etwas Vergleichbares gesehen.

„Danke, Cas“, meinte Dean daraufhin und schlug dem Engel kameradschaftlich auf die Schulter, was dieser mit einem leicht skeptischen Blick quittierte. Offenbar war er sich nicht sicher, ob Dean sich tatsächlich bedankte oder ihn eher angriff.

„Ich hab ganz vergessen, dir den Brandbeschleuniger zu geben“, fuhr dieser fort und klopfte auf seine Jackentasche. „Ist mir eben eingefallen, als dieser verdammte Geist mich durch die Gegend geschleudert hat. Aber wie ich sehe, hast du es auch ohne hinbekommen.“

„Ich bin ein Engel“, sagte Castiel und das war Antwort genug.

Dean nickte, während sich seine Lippen zu einem Lächeln verzogen. Zwar mochte in Willcox noch das absolute Chaos herrschen, wie er nach einem kurzen Blick aus dem Fenster feststellte, aber wenigstens war ein Problem gelöst. Ein dringendes und sehr persönliches Problem.
 

„Sam wird sich wieder erinnern“, meinte Dean und merkte dabei, wie sehr er sich freute, mit Sam wieder auf einer erwachseneren Ebene kommunizieren zu können. Er gab es zwar ungern zu, aber er hatte selbst die Gespräche über Lilith, Ruby, Lucifer und die verfluchte Apokalypse irgendwie vermisst.

„Das wird er.“ Castiel nickte bestätigend, während er sich aufrichtete und langsam durch den Raum schritt. Dabei seine Aufmerksamkeit auf die Verwüstung gerichtet, die Woods angerichtet hatte. „Wahrscheinlich.“

Dean hob warnend den Finger. „Mal bloß nicht den Teufel an die Wand!“, drohte er.

Castiel runzelte verwirrt die Stirn. „Ich hatte nicht vor, etwas an eine Wand zu malen.“

Dean grinste. Manchmal war es schon irgendwie unterhaltsam, wenn Castiel die ganzen Anspielungen nicht verstand.

Der Engel musterte Dean noch einen Augenblick, ehe er sich wieder hinkniete. Mit den Fingerspitzen fuhr er über die Scherben der zerbrochenen Vasen und Gefäße. Schließlich hob er sogar eine goldene Kette auf und drehte sie im Licht der Taschenlampe.

„Ist ein ganz schöner Schweinestall hier“, kommentierte Dean. „Deswegen sollten wir schnell abhauen, ehe die Verantwortlichen auftauchen. Die werden sicherlich ganz und gar nicht erfreut sein. Am Ende zwingen die uns noch, Entschädigung zu zahlen. Und ich hab mal im Fernsehen gehört, dass so alter Plunder unbezahlbar ist.“

Dean klopfte vorsichtig ein paar Glassplitter von seiner Jacke, während er gedanklich schon bei seinem Bruder war.

Sam würde wieder der Alte sein! Der gleiche ernste, nachdenkliche, recherchefixierte und manchmal etwas hitzköpfige Sammy, den Dean mehr vermisste, als er je gedacht hätte.

Jetzt würde alles wieder gut werden.
 

* * * * *
 

Bereits zum zwanzigsten Mal versuchte Bobby, Dean ans Handy zu bekommen, aber stets teilte ihm eine Frauenstimme mit, dass die Nummer nicht zu erreichen war.

Fluchend steckte er sein Telefon weg. Offenbar hatte es etwas mit der Geisteraktivität zu tun, dass er nicht zu Dean durchdringen konnte. Zumindest die anderen Telefonverbindungen in Willcox funktionierten noch. Zwar knisterte es des Öfteren, aber bisher war noch nichts zusammengebrochen.

Bobby hatte nach dem Gespräch mit Dean sofort Miles angerufen, um ihn über Albert Woods Junior auszuquetschen. Dieser hingegen war wenig begeistert gewesen, dass Bobby ihn in einer solch heiklen Lage wegen so einer Banalität ausfragen wollte. Bobby aber hatte nicht lockergelassen und seine Stimme absichtlich etwas drohend klingen lassen, um Miles zu überzeugen. Dieser hatte dann auch schließlich nachgegeben, ihm jedoch bloß Dinge erzählen können, die Bobby bereits wusste. Keine neuen Erkenntnisse waren zutage gekommen.

„Geht es Dean gut?“, fragte Sam nach. Er hockte auf dem Boden und starrte schon die ganze Zeit das Familienfoto der Woods‘ an, als könnte es ihm irgendeine Antwort geben.

Bobby seufzte. „Ich hoffe schon.“

Sam aber lächelte daraufhin zuversichtlich. „Ihm geht’s gut. Er hat doch einen Engel dabei.“

Ein Engel ohne Kräfte, der im Moment vermutlich nicht sehr viel nützlicher war als Sam. Doch Bobby behielt seine Gedanken für sich und nickte stattdessen. Es brachte niemanden etwas, wenn er den Jungen beunruhigte.
 

Stimmengewirr vor der Zimmertür ließ ihn plötzlich aufhorchen. Argwöhnisch setzte er sich in Bewegung und öffnete die Tür, mühsam darauf bedacht, die Salzlinie nicht zu durchbrechen.

Draußen unter der überdachten Veranda hatten sich mehrere Gäste und der Motelbesitzer versammelt. Sie redeten wild durcheinander, während die Lichter ihrer Taschenlampen durch die Gegend tanzten.

„Das ist völlig verrückt“, sagte eine Frau gerade.

„Sehr viel verrückter als Schnee im Hochsommer und finstere Nacht um zwölf Uhr mittags?“, hakte ein anderer bissig nach.

„Ich mein‘ doch nur … es ist …“

Neugierig trat Bobby einige Schritte nach draußen, nachdem er sich erkundigt hatte, dass Sam brav an Ort und Stelle saß und keine Anstalten machte, einen Spaziergang zu unternehmen.

„Was ist los?“, fragte er die versammelte Schar.

Alle wandten sich zu ihm. Einige von ihnen hatten wütend ihre Gesichter verzogen, anderen wiederum wirkten regelrecht panisch. Was auch immer das Gesprächsthema war, es wühlte sie unsagbar auf.

„Fragen Sie ihn!“, meinte die Frau von vorhin und deutete auf den Motelbesitzer.

Dessen Name war Larry. Er machte den Eindruck eines schmierigen Kleinkriminellen, aber tief in seinem Inneren war er eine gute Seele. Das hatte Bobby schon bei ihrer ersten Begegnung gemerkt. Larry war darüber hinaus bestens über die aktuellen Ereignisse in Willcox informiert. Offenbar hatte er eine gute Freundin bei der hiesigen Radiostation, die stets die neusten Berichte erhielt und diese sofort an Larry weiterleitete.

„Nun ja, …“, druckste dieser herum. „Es scheint, als würden … die Toten aus ihren Gräbern auferstehen.“
 

Mit so etwas hatte Bobby nun wirklich nicht gerechnet. „Wirklich?“, fragte er erstaunt nach.

„Von überall kommen Berichte“, fuhr Larry fort, nachdem er erkannte, dass Bobby bei weitem nicht so abgeneigt und feindlich reagierte wie manch andere. „Tote wandeln umher. Und sie sind nicht … sehr freundlich.“

Wenn es sich wirklich um Zombies handelte, war das auch nicht weiter verwunderlich.

Bobby musste zugeben, dass ihn diese Information bei weitem nicht so sehr entsetzte wie der unerwartete Schnee oder die Dunkelheit. Vielmehr war er auf groteske Art sogar irgendwie beruhigt. Lebende Tote … damit kannte er sich aus. Das war sein Metier.

„Wurden schon Menschen getötet?“, hakte er nach und ignorierte die zum Teil verständnislosen Blicke der anderen Motelgäste.

„Mehrere“, bestätigte Larry nickend. „Aber nicht nur … von den Toten. Offenbar … passieren seit heute Morgen viele … Unfälle.“

„Bei so einer ungewöhnlichen Situation auch nicht großartig überraschend“, meinte ein Mann schnaubend.

„Ach ja?“, entgegnete Larry, eindeutig etwas gereizt. „Was hat denn der Schnee damit zu tun, wenn jemand in seinem Waschbecken ertrinkt? Oder vom Deckenventilator buchstäblich geköpft wird, obwohl wir eigentlich keinen Strom mehr haben?“

Bobby blickte auf. „Das ist alles passiert?“

„Das … und noch viel mehr.“

Bobby wusste darauf nichts mehr zu sagen. Willcox schien völlig Kopf zu stehen, nichts ergab mehr einen Sinn. Und wo Chaos und Verwirrung herrschten, war der Tod meistens nicht weit.
 

Nachdem er sich von Larry jede Einzelheit erklären gelassen hatte, kehrte er in sein Zimmer zurück und bemerkte, dass Sam inzwischen aufgestanden war. Unruhig lief er hin und her, offenbar über alle Maßen irritiert.

„Sie haben den Geist besiegt“, meinte er plötzlich aus heiterem Himmel.

„Den Geist …?“ Im ersten Moment verstand Bobby überhaupt nicht, worauf sein Gegenüber hinauswollte, aber dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. „Du meinst … Woods?“

Bobby atmete erleichtert aus. Zur Abwechslung endlich mal gute Nachrichten.

„Das heißt, du erinnerst dich wieder an alles?“, erkundigte er sich. „Dein Gedächtnis ist zurück?“

Sam aber schüttelte den Kopf. „Nein.“

Bobbys Lächeln schwand auf der Stelle. „Nein?“

„Es ist immer alles noch so dunkel wie zuvor.“

Bobby spürte, wie ihm das Herz schwer wurde. Eigentlich hatte er angenommen, dass nach dem Verschwinden von Barbara Woods alles wieder normal sein würde. Im Grunde hatte er fest damit gerechnet.

Aber nun?

Nun war Barbara Woods fort und sie waren trotzdem keinen Schritt weitergekommen. Sie hatten bloß ein Museum, zu dem im Augenblick sowieso kein Mensch Zutritt hatte, von zwei Geistern befreit.

„Aber … wenn nicht …“ Bobby konnte bloß den Kopf schütteln.

Also handelte es sich bei Sams Zustand nicht um eine übernatürliche Amnesie, die im Zusammenhang mit einem Geist stand. Vielmehr hatte ihn Barbara Woods wohl wirklich angesteckt. Mit einer richtigen Amnesie!

Eine Amnesie, die vielleicht nach ein paar Wochen abklang oder aber ein Leben lang anhielt.
 

„Das ist … furchtbar.“

„Wirklich?“ Sam musterte ihn argwöhnisch. „Ist es tatsächlich so schrecklich? Mein altes Ich hat sich doch in letzter Zeit nicht besonders toll verhalten, oder?“

Bobby sah darüber hinweg, bestätigend zu nicken. Sie hatten Sam natürlich vieles von seiner Vergangenheit erzählt, die weniger erbaulichen Passagen jedoch eher nur gestreift und bloß oberflächlich erörtert. Nichtsdestotrotz war Sam nicht entgangen, dass weit mehr hinter den Geschichten steckte.

„Du warst in letzter Zeit wirklich etwas … neben der Spur“, formulierte Bobby es vorsichtig. „Aber dennoch ist das noch kein Grund, dich abzuhaken. Jeder macht mal schwierige Phasen durch.“

„Du vermisst den alten Sam.“

Es war eine Feststellung, keine Frage.

Bobby wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Hätte er zugestimmt, hätte sich der jetzige Sam bestimmt auf verquere Art und Weise verletzt gefühlt. Im Grunde war es albern, das war Bobby nur allzu bewusst, aber der momentane Sam war fast wie eine völlig andere Person.

„Hör zu …“

„Ich muss jetzt gehen“, sagte Sam unvermittelt.

Bobby horchte alarmiert auf. „Was?“, hakte er überrumpelt nach. „Hör zu, ich wollte dich wirklich nicht beleidigen, glaub mir das. Wir finden eine Lösung, ganz gleich, was passiert. Selbst wenn du für alle Zeiten in diesem Zustand bleiben solltest, wäre das in Ordnung …“

Sam aber lächelte. „Du hast mich nicht beleidigt, Bobby. Ich muss einfach nur gehen.“

„Und wohin?“

„Man ruft mich“, sagte er daraufhin bloß.
 

Bobby runzelte die Stirn. „Man … ruft dich?“ Offenbar hatte Sams Verstand nun völlig ausgesetzt. „Und wer?“

„Keine Ahnung. Ich muss jetzt gehen.“

Er machte tatsächlich Anstalten, sich zur Tür zu bewegen, doch Bobby stellte sich ihm in den Weg. Demonstrativ verschränkte er die Arme vor der Brust.

„Du gehst nirgendwohin, Bursche, hast du verstanden? Mir ist vollkommen egal, was für ominöse Stimmen du zu hören glaubst. Aber dort draußen lauern Dämonen, Zombies und wer weiß noch alles. Dean wird mich umbringen, wenn ich dich gehen lasse.“

„Du musst aber.“

„Ich muss gar nichts!“ Er schnaubte. „Wirklich, Junge, du bist echt übergeschnappt.“ Er drehte sich zur Tür und ließ das Schloss einrasten. „Und wenn ich dich fesseln und knebeln muss, dein Arsch bleibt hier an Ort und Stelle. Da draußen ist es viel zu –“

Weiter kam er nicht.

Er spürte bloß den Schmerz, als ihn etwas Hartes am Hinterkopf traf. Aus den Augenwinkeln bemerkte er Sam, der ein Gewehr in der Hand hielt und Bobby entschuldigend anschaute. Bobby konnte darauf jedoch nicht reagieren, sondern sank stattdessen bloß betäubt zu Boden, während er gleichzeitig mühevoll versuchte, bei Bewusstsein zu bleiben.

Aber als seine Sicht bereits verschwamm und schließlich immer dunkler wurde, wusste Bobby, dass er verloren hatte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2010-03-21T14:35:59+00:00 21.03.2010 15:35
Also, ich muss mich jetzt auch mal zu Worte melden. Lese schon eine Weile Deine beiden Supernatural-FF´s mit und bin wirklich davon begeistert. Du schreibst sehr flüssig und gut verständlich und hast die Charaktere super getroffen. Die Winchester-Brüder sind so, wie man sie von den ersten drei Staffeln kennt und liebt. Die kleinen Kabbeleien, die Sorge um den jeweils anderen und dieses wunderbare geschwisterliche Verhältnis, das einen immer wieder berührt. Über Cas könnte ich mich jedes Mal kugeln vor Lachen, wie er doch stets versucht, die Menschen zu verstehen und sich ihnen anzupassen. Und Bobby ist einfach Bobby, liebt die Jungs wie seine eigenen und maßregelt sie des öfteren auch, als wären es seine Söhne.
Aber nun zur Story: Allein die Ideen, die Du miteingebracht hast, hab ich so noch nirgends gelesen. Anfangs dachte man ja tatsächlich, dass es einzig und allein an dem Geist liegt, der in dem Museum umgeht, aber Du hast uns ja perfekt auf eine falsche Fährte geführt.
Amüsant finde ich die Tatsache, dass die beiden Dämonen, welche hinter Sammy her sind, ihre Kräfte verloren haben, genau wie Cas.
Doch nun scheint ja in dem Ort alles herumzuspinnen - Tote verlassen ihre Gräber und bringen Menschen um? Au weia, wie vertrackt kann die Situation denn noch werden?
Scheinbar noch um einige Nuancen - Sam hört Stimmen und haut Bobby k.o.? Und keiner ist da, um ihn aufzuhalten. Hoffentlich nimmt das kein böses Ende.
Freue mich schon auf weitere interessante Ideen von Dir ^^

LG
Tasha

Von:  DoctorMcCoy
2010-03-20T14:29:31+00:00 20.03.2010 15:29
Also hat es wirklich nichts mit dem Geist zu tun. Mensch, ich bin so gut. Ich wusste es doch von Anfang an.
Aber irgendwie bist du auch wieder total gemein. Da war schon wieder dieses goldene Amulett. Du magst es, mich zu ärgern. Langsam frage ich mich wirklich, ob es irgend etwas zu bedeuten hat, oder ob es einfach nur eine alte Kette ist.

Dean als Punchingball war wirklich lustig. Und du hattest Recht, so sehr wurde er ja gar nicht durch die Gegend geschleudert. Trotzdem auch das bisschen, war sehr amüsant.
Ich wusste, dass Cas Dean doch zu Hilfe eilt. Hat ihm bestimmt Spaß gemacht, den Geist anzugreifen. Und wie er dann einfach nur neben Dean stand und ihm interessiert dabei zugesehen hat, wie er sich wieder hochrappelt. Einfach zu köstlich. Vielleicht sollte man Cas wirklich mal ein paar Stunden Nachhilfe geben. So nach dem Motto: "How to be human.."

Und Bobby scheint ja ganz froh zu sein über ein paar Zombies. Naja, zumindest etwas, was er verprügeln kann, nicht?
Sam war auch geil. Ich direkt so, woher weiß er denn, dass sie die Geister besiegt haben, wenn er sein Gedächtnis nicht wieder hat. Hätte Bobby eigentlich auch direkt auffallen müssen. Und dann einfach so, ich muss jetzt gehen.
Boah, der Junge kriegt bestimmt noch was zu hören, wenn er wieder auf Bobby trifft. Man schlägt den doch nicht so einfach KO. Das macht man doch nicht. Böser Sammy.

Aber jetzt bin ich nur noch viel gespannter, wie es weitergeht. Das wird hier alles so verwirrend.
Bis dahin also.
LG Lady_Sharif


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