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Shit Happens

Vampire haben's auch nicht leicht
von

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Die Qual der Wahl

Anmerkung: Chiyo
 

War das denn zu fassen?!

„Stirb nicht!! Bitte stirb nicht!!“

Verdammt! Verdammt! VERDAMMT!! Warum nur… WARUM musste das passieren? Ich meine, mein Gedächtnis war zwar leicht getrübt, seit ich meinen kleinen Zwischenfall mit Eleane hatte, aber blöd war ich noch lange nicht. Ich hab es gesehen – ich habe SIE gesehen, wie sie es getan hatte. Dieses Miststück hatte Hotaru gebissen; von ihren Schmerzensschreien entsetzt, bin ich schließlich wach geworden. Und dann habe ich Hikari angefallen – doch zu spät. Hotaru lag bereits am Boden und wand sich der Schmerzen wegen hin und her, bis sie letztendlich in einen süßen Schlaf fiel, aus dem sie wohl nicht mehr aufwachen würde. Hikari hingegen sah mich verwirrt an und verschwand. Auch wenn die Situation hoffnungslos war, konnte ich dennoch nicht tatenlos zusehen. In Windeseile habe ich Hotaru geschnappt und bin mit ihr geflohen und letztendlich sind wir hier gelandet; in einem alten Haus – UNSER altes Haus. Hier war ich zusammen mit meinem Bruder und meinem Vater aufgewachsen, doch natürlich stand es mittlerweile leer. Deshalb war es der ideale Ort, um hierher zu flüchten, hier konnte mir niemand in die Quere kommen. Rasch verdrängte ich meine Erinnerungen an diesen Ort, der nur allzu viele Geschichten barg. Ich musste mich schließlich beeilen und schnell schauen, ob ich noch etwas für die Kleine tun konnte.
 

Mit dem Fuß stieß ich eine alte, knarrende Tür auf. Behutsam legte ich Hotaru in das darin stehende Bett – mein altes Bett. Schon unheimlich. Sollte es hier etwa enden; mein Bett zu ihrer letzten Ruhestätte werden…?

Ich prüfte ihren Puls, doch er war sehr schwach. Mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde ihre Atmung langsamer und ich geriet zusehends in Panik. Argh, warum kam ich auch auf die Idee, hierher alleine zu gehen? So gut waren meine anatomischen Kenntnisse nun auch nicht. Verdammt.

„Warte kurz, ich bin gleich wieder da.“

Natürlich war es sinnlos mit einer Bewusstlosen zu sprechen, doch irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie mich dennoch hören konnte. Zumindest half es mir ein bisschen, wieder runterzukommen und die Nerven zu behalten. So schnell ich konnte, lief ich in Vaters alte Bibliothek. Im Laufe seines langen Lebens hatte er viele, viele Bücher angesammelt. Einige Exemplare waren sogar Unikate und sie standen alle hier. Mit dem Finger durchkämmte ich die Buchreihen und fand nach einigen Minuten das ersehnte Stück. In ihm würde ich hoffentlich finden, wonach ich suchte. Das Buch stammte noch aus dem Mittelalter und war dementsprechend in alter Schrift geschrieben. Doch Dank meiner Studien konnte ich es trotzdem problemlos lesen. In ihm lesend, ging ich mit dem Buch zurück zu der kleinen Hotaru. Natürlich fand ich sie unverändert vor, vielleicht ging es ihr sogar schlechter.

„Na komm schon…“

Wild blätterte ich die Seiten um und da stand es. Doch mit einem bitteren Nachgeschmack wurde meine Vermutung nur bestätigt.

„Nein… Bitte nicht…“

Ich kämpfte mit den aufkommenden Tränen. Einerseits wollte ich nicht weinen, ich musste doch stark sein, für Hotaru und auch für mich. Doch andererseits wollte ich mich meiner Trauer und dem süßen Schmerz hingeben. Der Schmerz, der mich vergessen lassen würde… All den Schmerz; Vaters Tod, die Trennung von meiner Liebsten, der Verrat meines Bruders... Erst Chibiusa und jetzt auch noch sie? Das Schicksal konnte manchmal wirklich grausam sein. Ich unterdrückte einen Schluchzer, doch dass ich auf die Knie sackte, konnte ich nicht verhindern. Auch nicht, dass mir das Unheil verkündende Buch aus den Händen fiel.

„Ich… Was soll ich denn nur machen...?“

Ich hatte mich noch nie so schwach gefühlt.

„Du weißt, was du jetzt machen musst. Es gibt schließlich nur diese zwei Möglichkeiten. Und die eine wird wohl für dich nicht in Betracht kommen, oder?“

Ohne zu ihm aufzusehen, antwortete ich ihm.

„Verschwinde.“

„Na, na. So begrüßt eine feine Dame aber nicht ihren großen Bruder, oder?“

Ich spürte eine riesige Wut in mir aufkommen und als er mir seine eiskalte Hand auf die Schulter legte, war es um mich geschehen. Blitzschnell sprang ich auf und wollte ihm mit meinen Krallen die Kehle aufschlitzen. Doch natürlich verfehlte ich ihn. Spielend leicht wich er mir aus und ich knurrte ihm zur Antwort entgegen.

„Hör auf damit, Chiyo. Das wird ihr auch nicht helfen.“

Mit einer kaum angedeuteten Kopfbewegung nickte er in Hotarus Richtung. So schnell wie die Kampfeslust gekommen war, so rasch war sie auch wieder verflogen. Meine Augen nahmen wieder ihre normale Farbe an und mein Körper entspannte sich etwas. Ich lief zu der Kleinen. Mit zwei Fingern strich ich ihr einige Haarsträhnen aus der Stirn. Ihr Atem war nun kaum mehr als ein Hauchen. Mit dem Rücken zu Nariaki gewandt sprach ich ihn an.

„Warum…? Warum musste das so kommen?“

„Weil es ihr Schicksal ist.“

Ich schnaubte.

„Schicksal…“

Ich drehte mich zu ihm um und bemerkte, dass seine Augen hinter einem silbergrauen Schleier verborgen waren. Irgendwie war mir jedoch bewusst, dass sein Hass nicht mir, sondern viel mehr dem Haus galt. Nariaki hasste diesen Ort. Und das rief doch auch gleich die nächste Frage auf den Plan.

„Warum bist du hier?“

Ich legte meine Hand gänzlich auf die Stirn der Kleinen und setzte mich auf die Bettkante.

„Ist das denn wichtig?“

„Wohl kaum. Ich schätze nicht, dass du mal zufällig in der Nähe warst und hallo sagen wolltest.“

„Nicht wirklich, nein.“

Ich hatte keine Lust auf seine Psychospielchen, nicht heute. Wenn er mir nicht antworten wollte, dann sollte es eben so sein. Ich hatte andere Gedanken.

„Also, Chiyo“, setzte er an und kam mit langsamen Schritten auf mich zu. „Was wirst du tun?“

Ich vermied seinen Blick.

„Sag du es mir… Du bist schließlich mein Bruder!“

Und da war sie wieder - die grenzenlose Wut auf ihn. Wieso zum TEUFEL hatte er sich nur so verändert? Er war mein großer Bruder, verdammt! Er sollte auf mich aufpassen und mir mit seinen mehr oder weniger weisen Ratschlägen zur Seite stehen. Aber so groß mein Ärger auf ihn auch war… Ich konnte ihn einfach nicht hassen. Schmerzlich wurde mir bewusst, dass ich ihn trotz allem immer noch liebte. Mir war durchaus klar, dass er zu unseren Feinden gehörte und was er uns – und mir - alles angetan hatte. Und dass er gut möglich unser Obermotz war. Aber dennoch… Ich konnte nicht gegen ihn kämpfen und wenn es zum Äußersten kam, würde ich nicht wissen, was ich zu tun hatte, was meine Rolle in diesem schlechten Theaterstück war. Ich geriet immer mehr in Zweifel.

„Ach, Schwester.“

Ich hatte nicht bemerkt, dass er vor mir stehen geblieben war. Doch was danach geschah, verwirrte mich nur noch mehr. Er umarmte mich. Nariaki hatte mich zu sich hochgezogen und seine Arme um mich geschlungen. Nun konnte ich meine Tränen nicht länger verbergen.

„Ich will nicht gegen dich kämpfen…“

Wütend hämmerte ich mit meinen Fäusten gegen seine Brust und er wehrte sich nicht.

„Das wirst du aber tun müssen.“

„WARUM???“, schrie ich ihn an und erhielt als Antwort nur ein Kopfschütteln.

„Das ist weder der richtige Ort, noch die richtige Zeit. Du musst dich entscheiden. Jetzt.“

Mit vernebeltem Blick sah ich zu Hotaru hinüber.

„Warum soll ich-!“

„Weil du ihre Zukunft in den Händen hältst.“

Ich schluckte.

„Du musst wählen. Entweder du tötest sie jetzt, damit sie keine Schmerzen mehr hat oder aber du machst sie zu Unseresgleichen und schenkst ihr die ewige Kindheit. Die Wahl liegt bei dir, ich werde mich nicht einmischen. Ich bin nur hier, um den Ausgang zu erfahren.“

So ganz nahm ich ihm das nicht ab, denn irgendwie hatte ich das Gefühl, dass mein großer Bruder gekommen war, um mir Trost zu spenden, ein letztes Mal, so wie in alten Zeiten. Es war seine Art sich von mir zu verabschieden. Doch ich sprach ihn nicht darauf an. Zitternd beugte ich mich über die kleine Hotaru und hauchte: „Es tut mir leid.“

Und dann biss ich zu, um ihre Verwandlung in Gang zu setzen. Plötzlich bäumte sich ihr Körper auf. Wild schlug sie um sich, die Schmerzen waren wohl zu groß für den kleinen Körper. Ihre Schreie waren herzzerreißend und ich war kurz davor abzubrechen. Sie war doch noch ein Kind, verdammt! Und ich sorgte gerade dafür, dass sie niemals über dieses Stadium hinauskommen würde; dass sie niemals auf den Geschmack des Erwachsenen-Alltags kommen würde.

„Hör auf!! Das tut weh!!“

Erschrocken von ihrem zarten Stimmchen, welches mich gerade angeschrieen hatte, zog ich meine Reißzähne zurück und starrte sie mit Bluttränen verschmiertem Gesicht an. Scheiße, ein Anfängerfehler. Natürlich war es sehr viel schwerer Kinder in Vampire zu verwandeln, aber mir hätte dieser Fehler dennoch nicht passieren dürfen. Jetzt würde ich doch nie wieder an sie rankommen. Verzweifelt sah ich zu meinem Bruder.

„Ich... Ich…“

„Ist schon gut.“

Er sah mich aufmunternd an und beugte sich dann selbst über Hotaru. Wieder schrie sie auf, doch Nariakis Macht ließ sie schon bald in tiefe Bewusstlosigkeit gleiten. Als er fertig war, setzte er ab und blickte zu mir hinüber. Eine dünne Linie von Hotarus Blut lief seitlich seines Mundes hinab und er wischte sie sich mit seinem Ärmel hinfort.

„Sie braucht jetzt Ruhe, wird aber bald erwachen. Ich gehe jetzt.“

Ich schluckte schwer. Erst jetzt wurde mir bewusst, was wir da gerade getan hatten. Mein Bruder und ich gehörten zu den ältesten Vampiren der Welt. Und in diesem schwarzhaarigen Mädchen floss nun die Kraft von uns beiden. Dieses Kind würde eines Tages ungeheuer mächtig werden. Ich wusste nicht, ob ich sie beneiden oder aber bemitleiden sollte. Beides erschien mir angebracht.

„Nariaki!“

Hastig sprang ich auf und er drehte den Kopf zu mir um. Die Farbe seiner Augen hatte sich immer noch nicht geändert.

„Ich… Also.. Ähm… Danke für alles.“

Er würde wohl wissen, was ich meinte. Ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen.

„Du solltest mich hassen.“

„Ja, ja.. Ich weiß, das sagst du immer, aber-!“

„Ich meins ernst.“

Ich ahmte ihn nach. Warum nur musste er immer so dramatisch sein? Doch vielleicht hätte ich lieber auf ihn hören sollen, schließlich haben große Brüder immer recht mit ihren Ratschlägen.

„Dann nenn mir doch mal einen guten Grund!“

Er seufzte.

„Ich habe Hikari hypnotisiert, da ich wusste, dass ihre Persönlichkeit instabil ist. Und dann habe ich sie benutzt, damit sie statt meiner das Mädchen beißt und verwandelt, was allerdings nicht wirklich funktioniert hat – letztendlich musste ich doch selbst eingreifen.“

Ich starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.

„Du hast was…?“, flüsterte ich.

„Leb wohl, kleine Chiyo-chan.“

Dann verschwand mein Bruder und ließ mich zurück. Mit einem Schlag waren alle negativen Erinnerungen an Nariaki wieder in meinem Gedächtnis und fluteten in Windeseile meinen Kopf. Wohlig geriet ich in eine immer tiefer werdende Schwärze und sackte leblos zu Boden.



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