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Dreh die Zeit zurück

Lass mich bitte aus diesem Albtraum erwachen
von

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Veränderungen

„Bist du fertig? Ich möchte bitte weiter BWL lernen!“ Ich muss mir das Grinsen gerade stark verkneifen. Mein Vater hatte ja gesagt, er wolle mich wieder umorientieren. Blöd nur, dass sein Plan nicht aufgehen wird. Die junge Frau, die er geschickt hat, zieht sich gerade ihren Yukata wieder an und wirft mir immer wieder beleidigte Blicke zu. Sie ist wohl beleidigt, weil ich so auf sie reagiere. Sie meinte wohl, dass ich sie auf der Stelle bewusstlos vögel, wenn sie nackt vor mir steht, ein wenig mit ihrem überdimensionalen Busen rumwackelt und einen, vermeintlichen, erotischen Blick aufsetzt. Aber das einem Mann im besten Alter BWL wichtiger ist als eine nackte Frau... Ich denke, ihr Weltbild habe ich soeben zerstört.

Mein Vater denkt so wahrscheinlich auch: sobald ein Mann eine nackte Frau sieht, vergisst er alles und vögelt erstmal. Ich tu’s aber nicht. Ich würde es vielleicht tun, wenn ich hetero wäre. Denn dann würde ich sie vermutlich umwerfend finden. Aber ich bin nun mal nicht hetero. Und die einzige Person, die ich umwerfend finde, ist Uruha. Mein Engel.

Meine Schuldgefühle werden immer schlimmer. Mit jeder Minute. Ich habe Uruha so weh getan. Ich hoffe wirklich, dass er mir verzeihen kann. Ich muss meinem Vater doch klar machen können, dass ich an diesem ‚Job’ wirklich kein Interesse hab. Ich will es einfach nicht. Das Einzige, was ich will, ist zurück zu Uruha, ihn in meine Arme nehmen und ihn nie wieder loslassen.
 

Ich höre, wie die Tür zugeht. Endlich ist das Weibsbild weg. Als wenn ich jetzt noch weiter BWL mache. Ich fahre den PC herunter, sehe mich stattdessen in meinem Arbeitszimmer um. Es ist alles so übertrieben groß hier.

Mein Vater hat mir gleich einen ganzen Gebäudetrakt gegeben. Zwei Schlafzimmer mit riesigen, begehbaren Kleiderschränken, zwei Wohnzimmer, drei Badezimmer, ein Arbeitszimmer, ein Esszimmer (wobei man das Esszimmer schon als kleinen Speisesaal bezeichnen kann), sieben Tatamiräume und ein Konferenzraum. Wo zu ich den brauche, weiß ich immer noch nicht.

Und alles ist einfach riesig und protzig. Edle, antik aussehende Möbel, überall stehen Skulpturen von irgendwelchen Gottheiten, seien es asiatische, griechische oder römische. Bilder von berühmten Künstlern hängen in mit Gold verzierten und verschnörkelten Rahmen an den Wänden. Rote, breite Teppiche liegen in den Fluren. Es ist alles so übertrieben. Wer braucht so was? Ich will zurück in meine kleine, gemütliche Wohnung mit dem halb durchgesessenen Sofa, den praktischen, schlichten IKEA-Möbeln, den verschiedenen Kaffeetassen und dem nicht zusammenpassenden Besteck. Zurück zu meinem kuscheligen, weichen Bett, meinem kleinen, klapperigen Schreibtischstuhl und meinem Bass. Und vor allem zurück zu Uruha.
 

Ich verlasse mein Arbeitszimmer und gehe ins Schlafzimmer. Auf dem Weg treffe ich auf einige Bedienstete, natürlich alle weiblich. Sie verneigen sich immer fast bis zum Boden vor mir. Und immer kommt so etwas wie: ‚Sind sie wohl auf, Akira-sama?’, ‚Haben sie irgendwelche Wünsche, Akira-sama?’, ‚Kann ich ihnen irgendetwas bringen, Akira-sama?’. Ich warte noch darauf, dass die erste sagt: ‚Darf ich ihnen die Schuhe ablecken, Akira-sama?’ Das wär echt der Höhepunkt hier... Und es würde mich nicht mal wundern.
 

Endlich in meinem Schlafzimmer angekommen, ziehe ich mir den Anzug aus. Das ist auch so etwas vollkommen Sinnloses. Den ganzen Tag muss ich in einem weißen Hemd und einem schwarzen Anzug rumlaufen. Eigentlich soll ich noch eine schwarze Krawatte tragen, aber das tu ich nicht. Und meine Haare darf ich auch nicht mehr stylen. Zumindest darf ich mir keinen Iro machen. Sogar wenn ich sie schon ein bisschen mit Haargel hochstelle, damit sie mir nicht platt ins Gesicht hängen, bekommt mein Vater einen Anfall. Eigentlich sollte ich mir meine Haare auch noch schwarz färben, aber das kann er vergessen!

Wenn es nach meinem Vater ginge, würde ich nachts auch noch Schlafanzüge tragen. Jeden Tag hängt ein frisch gewaschener und gebügelter Satin-Schlafanzug an meinem Bett. Geht’s noch übertriebener? Als wenn ich so was anziehe.

Ich schlafe wie immer nur in Boxershorts. Und so, nämlich nur mit Boxershorts, leg ich mich nun auch ins Bett. Das Bett ist einfach nur unbequem. Wenigstens ist die Decke schön warm.

Mit den Erinnerungen an die schöne Zeit mit Uruha, als ich noch glücklich war und mein Leben schlichtweg perfekt, schlafe ich dann irgendwann ein.
 

*****

Am nächsten Morgen pünktlich um 8 Uhr klingelt mein Wecker. Ich hasse es. Dieses Teil wird von irgendwo per Funk gesteuert. Nicht mal das Klingeln kann ich selber abstellen. Das wir ebenfalls per Funk gemacht. Am ersten Morgen, den ich hier von diesem Teil geweckt wurde, habe ich mich einfach in die Decke gekuschelt, um weiter zu schlafen. Allerdings stand zehn Minuten später einer der Bediensteten in meinem Zimmer und hat mich zum Frühstück abgeholt. Da gab’s richtig Theater mit meinem Vater, weil ich noch nicht fertig war.
 

Also quäle ich mich jetzt aus meinem Bett. Scheiße hab ich Rückenschmerzen. Ich will ein anderes Bett! Mein Vater ist so reich, mächtig und einflussreich, wie er immer wieder betont, da muss das doch machbar sein.
 

Nach der schweren Entscheidung, was ich denn heute anziehen soll (das weiße Hemd hier oder doch lieber eines der weißen Hemden, die hier im Schrank sind? Und soll ich diese Anzughose hier nehmen, oder doch eine der gleiche, die noch hier auf den Bügeln hängen? Und welche Anzugjacke soll ich nehmen? Hängen ja nur 100 gleiche hier im Schrank...), begebe ich mich ins angrenzende Badezimmer.
 

Und wie prophezeit, klopft es ein paar Minuten später an der Zimmertür. „Akira-sama? Sind sie so weit? Ihr Vater erwartet sie bereits!“ Wie ich es hasse... wie ich IHN hasse. „Ja, ich komme sofort“, rufe ich noch. Dann öffne ich auch schon meine Zimmertür. Die junge Frau, die vor mir steht, scheint wohl so was wie meine persönliche Bedienstete zu sein. Sie wuselt am häufigsten um mich herum. Sie weckt mich jeden Morgen, überbringt Nachrichten von meinem Vater an mich und bringt mir Unterlagen oder Sonstiges.

„Guten Morgen, Akira-sama“, begrüßt sie mich jetzt noch mal. Ich nicke ihr nur zu und folge ihr dann schweigend in Richtung Speisesaal. Sie öffnet mir die große Flügeltür und tritt dann zu Seite, um ich eintreten zu lassen. Dabei blickt sie die ganze Zeit zu Boden. Sie blickt mich sowieso nie an. Das macht keine der Bediensteten. Ob sie das gar nicht dürfen?
 

Ich betrete also den Speisesaal und sehe schon meinen Vater am Tisch sitzen. „Da bist du ja, Akira! Hast du gut geschlafen?“ >Spar dir dein Gesülze! Du interessierst dich doch eh nur für mich, weil ich den Laden hier irgendwann übernehmen soll<, schnauze ich ihn gedanklich zusammen, lächel aber gezwungen und setzte mich an den Tisch. „Guten Morgen, Vater. Gut geschlafen hab ich nicht, da die Matratze ziemlich hart ist.“ Vielleicht versteht er diesen Wink mit dem Zaunpfahl ja... und tatsächlich. Er scheint kapiert zu haben. Er ruft nach Renji, der keine zehn Sekunden später neben ihm steht. „Was kann ich für sie tun, Suzuki-san?“ Er und Yosuke sind die Einzigen, die ihn mit –san ansprechen dürfen. „Veranlasse den Wechsel der Matratze in Akiras Schlafzimmer gegen eine Weichere“ Ich bin beeindruckt. Mein Vater hat doch so etwas wie Verstand! Warum versteht er dann nur nicht, dass ich das hier alles nicht will, sondern zu Uruha zurück will?
 

Als Renji an mir vorbeigeht, zischt er mir ein „Weichei“ zu, grinst dabei gehässig. Mein Vater bekommt von Renjis Aktion jedoch nichts mit, da er wieder hinter seiner Tageszeitung verschwunden ist. Ich sitze dort mit zusammengebissenen Zähnen. Am liebsten würde ich dem Kerl die Fresse polieren. Das würde mein Vater jedoch nicht so toll finden, zumal grade Renji eine Art bester Freund für meinen Vater ist. Die anderen kriechen ihm alle nur in den Arsch, weil er der mächtigste Yakuza-Boss Japans ist.
 

Nach dem Frühstück, bei dem wir uns angeschwiegen haben, ich Renji in Gedanken tausend Tode habe sterben lassen und mein Vater hinter der Tageszeitung verschwunden war, klopf es an der Tür zum Speisesaal. „Ja bitte?“, ruft mein Vater und Renji steckt den Kopf durch die Tür. „Ryo-sama ist jetzt eingetroffen. Soll ich ihn herbringen?“ Ryo? Oh nein, jetzt sehe ich auch noch meinen kleinen Bruder wieder. Mir bleibt aber auch gar nichts erspart. „Nein, wir kommen in den Konferenzraum. Er soll dort warten“ Damit erhebt sich mein Vater auch schon und bedeutet mir, ebenfalls aufzustehen.
 

Total unmotiviert erhebe ich mich. Ich will nicht. Warum kann mein Vater das nicht verstehen? Er muss doch merken, dass ich alles will, nur das hier alles nicht.

Ich folge meinem Vater in eines seiner Konferenzzimmer. Er hat fünf. Und wieder stellt sich mir die Frage, wie auch gestern Abend so oft: WOZU? Wozu verdammt noch mal braucht man das alles? Wozu braucht man fünf Konferenzzimmer, wenn eines vollkommen ausreichend ist?
 

Als wir vor dem Konferenzraum stehen, kommt ein junger Mann auf uns zu. Scheint einer der Bediensteten zu sein, denn er hält den Blick gesengt und öffnet uns die Tür. Wir treten also in den Raum ein. Ryo sitzt am anderen Ende eines riesigen Tisches, aber natürlich nicht vor Kopf, denn dort darf nur Vater sitzen. Als die Tür aufgeht, sieht er auf. Und als er mich dann sieht, weiten sich seine Augen. Er scheint gar nicht gewusst zu haben, dass ich hier bin.
 

„Ryo! Schön, dass du so kurzfristig kommen konntest.“, sagt mein Vater und setzt sich vor Kopf. Er bedeutet mir, mich neben ihn zu setzten. Ich folge seiner Aufforderung widerwillig. Ryo wirft mir die ganze Zeit Death-Glares zu, wie ich sie sonst nur von Ruki kenne, wenn er schlecht gelaunt ist und ihm dann jemand, meistens ich und Aoi, auf die Nerven geht. Aber es macht halt Spaß, das kleine Warumono zu ärgern. Nein, es hat Spaß gemacht. Die Betonung liegt auf der Vergangenheit. Ich kann mir ein niedergeschlagenes Seufzen nicht verkneifen. Mein Vater schaut mich einige Momente fragend an, doch ich schüttel nur den Kopf und er lässt mich wieder in Ruhe. Welch Wunder...
 

„Was machst du hier?“, fragt Ryo mich auch gleich, als Vater keine Anstalten macht, etwas zu sagen. „Seit wann interessierst du dich dafür, was ich mache?“, frage ich zurück. Ryo und ich konnten uns noch nie wirklich leiden. Vater schaut zwischen uns hin und her. Er weiß, dass unsere ‚Beziehung’ nicht grade rosig ist. Bevor mein herzallerliebster Bruder jedoch antworten kann, erhebt Vater das Wort. „Akira ist hier, um sich einarbeiten zu lassen. Schließlich will und auch wird er das Geschäft später übernehmen!“

Moment! Von ‚will’ kann hier keine Rede sein! Brutal dazu gezwungen trifft ’s wohl ehr!!

Ryo jedoch wird bei einem anderen Wort aufmerksam: ‚wird’. Deshalb guckt er jetzt auch entsetzt zu Vater. „Was? Aber ich dachte, dass ich...“

Mein Vater lacht auf. „Hattest du etwa gedacht, dass ich DIR das Geschäft überlasse?? Das DU alles erbst? Nein, Ryo, beim besten Willen nicht!!“

Der Kleine starrt Vater entsetzt an. Ich tue so, als ob es mich nicht interessieren würde. Aber innerlich lache ich Ryo grade aus. Er ist so naiv. Er dachte wahrscheinlich, dass er alles bekommt, weil er bei Vater geblieben ist und nicht wie ich ein normales Leben führen wollte.
 

Und wieder schweifen meine Gedanken zu Uruha. Er ist mein Leben. Ich weiß einfach nicht, wie ich das meinem Vater klar machen soll.

Während ich an Uruha denke, bemerke ich die hitzige Diskussion, die zwischen Vater und Ryo ausgebrochen ist, gar nicht. Erst als eine Tür laut zu geknallt wird, schrecke ich aus meinen Gedanken auf. Vater sitzt mit Zornesfalten auf der Stirn auf seinem Platz. Oha, gar nicht gut.

„Brauchst du mich noch, Vater? Oder darf ich gehen?“, frage ich vorsichtig und hoffe, ihn damit nicht noch weiter zu reizen. Er verneint Gott sei Dank und deutet mir an, den Raum zu verlassen. Mit einem Nicken, welches er nicht mal mitbekommt, verlasse ich den Raum dann auch.

Vor dem Konferenzraum wartet auch gleich wieder meine persönliche Bedienstete. Wenn ich sie genauer ansehe, stelle ich fest, dass sie etwa in meinem Alter ist. „Ich soll sie zu ihrem Zimmer bringen, Akira-sama“, sagt sie höflich und wartet darauf, dass ich ihr folge. Ich gehe auch brav hinterher, da ich mich hier alleine eh nur verlaufen würde.

Mich stört diese übertriebene Höflichkeit jedoch gewaltig. Ich bin schließlich nicht so alt. Schon gar nicht im Vergleich zu ihr. Ein Versuch kann nicht schaden. „Du brauchst mich nicht mit Akira-sama anzusprechen. Ich bin Reita!“, sage ich einfach zu ihr und halte ihr freundschaftlich die Hand hin, als wir an meinem Zimmer angekommen sind. Sie blickt mich immer noch nicht an. Dennoch kann ich sehen, wie sie leicht lächelt. „Vielen Dank, aber das darf ich nicht, Akira-sama“ Ich muss ein Seufzen unterdrücken. Ich will diese übertriebene Höflichkeit nicht, also Plan B! Ich fange an zu schmollen wie ein kleines Kind, das keine Süßigkeiten bekommt. „Och bitte. Auch nur, wenn keiner da ist. Du bist doch bestimmt so alt wie ich. Ich mag diese Anrede nun mal nicht und komme mir selber dann immer so fremd vor.“ Manchmal kann ich echt kindisch sein. Ich grinse in mich hinein, als sie erstmal nur leicht nickt. Dann guckt sie sich um, ob jemand in der Nähe ist. Als sie niemanden sieht, hebt sie ihren Blick.

Das erste Mal, dass ich ihr Gesicht richtig sehe. Sie lächelt mich schüchtern an. Schon niedlich. Also nicht, dass ich Uruha untreu werden würde. Sie ist niedlich im Sinne von ‚kleine Schwester’.

Ich gucke nochmal, ob grad niemand im Flur ist, dann öffne ich meine Zimmertür und ziehe sie mit hinein. Überrascht quiekt sie kurz auf, fasst sich aber auch schnell wieder.

Ich biete ihr einen Sessel an. Sie setzt sich und ich nehme ihr gegenüber Platz. Dann fangen wir an zu reden. Erst nur distanziert, doch unser Gespräch wird danach immer lockerer. Dann erfahre ich auch ihren Namen: Aya. Und sie ist wirklich genau so alt wie ich.

Wir reden eine Weile, bis sie wieder an die Arbeit muss. Schade eigentlich. Es tat richtig gut, sich mal wieder mehr oder weniger normal mit jemandem zu unterhalten. Wir sind ziemlich schnell zum ‚du’ übergegangen. Natürlich nur, wenn niemand da ist. Ansonsten würde das für sie wahrscheinlich den Tod bedeuten, und das vermutlich nicht nur im übertragenen Sinne.
 

*****

Am nächsten Morgen werde ich wie immer von Aya zum Frühstück abgeholt. Diesmal kein steifes, gen Boden gesagtes ‚Guten Morgen, Akira-sama’, sonder ein gelächeltes „Morgen Reita“ mit der Frage, ob ich gut geschlafen habe. Sofort bessert sich meine Laune. Na das nenn ich Veränderung! Leise schwatzen wir ein wenig auf dem Weg zum Esszimmer. Immer, wenn wir jemandem begegnen, ist sie wieder die einfache Angestellte und ich der Junior, der an nichts und niemandem Interesse hat. Es scheint niemand zu merken, dass wir uns in unbeobachteten Momenten nicht ‚normal’ verhalten. Glück für uns.
 

Im Speisesaal sitzt mein Vater wie immer hinter seiner Zeitung. Wie jeden Morgen frühstücken wir schweigend, bis mein Vater mich plötzlich etwas fragt. „Sag mal, Akira... Wie war nochmal der Name deines Ex-Freundes??“

Ich starre ihn an, bzw. die Zeitung, hinter der sein Gesicht versteckt ist. Warum bitte fragt er das? Zudem tut es mir in der Seele weh, das Wort ‚Ex-Freund’ zu hören. Dennoch antworte ich. „Takashima Kouyou, warum??“ Anstatt mir eine Antwort zu geben, reicht er mir die Zeitung. Verwirrt sehe ich auf die Seite. Todesanzeigen??! Aber was...?
 

Dann sehe ich es. Mein Denken setzt aus. Mein Kopf ist wie leergefegt. Die ersten Tränen laufen schon über meine Wangen, während ich auf die kleine Anzeige starre
 

Du hast uns verlassen, weil er dich verlassen hat, hast das Leid einfach nicht ertragen.

Du bist von uns gegangen und wir sind zurück geblieben, konnten dir nicht mehr helfen.

Du wirst jedoch immer ein Teil von uns sein und in unseren Herzen weiterleben,

und du wirst immer ein Teil von ‚the GazettE’ bleiben.

Takashima Kouyou, wir werden dich nie vergessen!

Kai, Aoi und Ruki
 

Die Zeitung segelt zu Boden. „Nein, das kann nicht wahr sein...“ Ohne mein zutun verlassen die Worte meinen Mund. „Bitte, bitte nicht...“ Immer mehr Tränen laufen über meine Wangen. „NEEEEEEEEEEIN!“ Ohne, dass ich es steuere, springe ich auf und meine Füße tragen mich von alleine in mein Zimmer, vorbei an den verwirrten Bediensteten. Ich schließe nicht mal mehr die Tür. Nein, ich renne einfach gradewegs aufs Bett, schmeiße mich in die Kissen und heule vor mich hin.

„Ruha... Warum?“, schluchze ich tränenerstickt in das Kissen. Warum hat er sein Leben beendet? Ich hätte bestimmt einen Weg hier raus gefunden, und dann wäre ich zu ihm zurück gekehrt.
 

Eine ganze Weile liege ich noch hier und frage mich, warum Uruha das getan hat. Tränen habe ich keine mehr, kein Wunder, bei dem klatschnassen Kissen vor mir.

Ich zucke heftig zusammen, als ich plötzlich eine Hand an meiner Schulter spüre. „Ich bin es“, höre ich Ayas Stimme sagen. Sie streicht mir zaghaft über den Rücken und diese kleine Geste beruhigt mich ungemein, auch wenn man es mir nicht direkt ansieht. „Ich hab Tee mitgebracht. Meine Großmutter hat immer gesagt, Tee hilft immer. Ich weiß zwar nicht, was passiert ist, aber ich hoffe, dass der Tee auch hierbei hilft.“ Langsam setzte ich mich auf und schaue sie an. „Danke“, sage ich matt, ehe ich die von ihr hingehaltene Teetasse entgegen nehme und einen Schluck Tee trinke.
 

Nachdem die Tasse leer ist und die Tasse auf einem Tablett steht, erzähle ich ihr, was ich eben aus der Zeitung erfahren musste. Dabei kommen mir schon wieder die Tränen und ich schluchze immer wieder auf. Aya streicht mir beruhigend über den Rücken. Als ich sie schließlich mit einem hilflosen Blick ansehe, runzelt sie nur nachdenklich die Stirn. „Ich glaube nicht, dass dein Uruha sich das Leben genommen hat“, sagt sie schließlich. Ich lächel traurig. „Ich würde es auch gerne glauben, aber es stand in der Zeitung und die anderen werden diese Anzeige sicher nicht aus Spaß in die Zeitung gesetzt haben“ „Das stimmt wohl, aber was ist, wenn diese Anzeige gar nicht deine Freunde geschrieben haben?“

Ich sehe sie verwirrt an. Wie meint sie das denn?? Als könne sie Gedanken lesen, beantwortet sie meine Frage. „Mensch Reita, denk doch mal nach: Wir sind hier in Kanagawa und deine Freunde sind in Tokyo“ Sie sieht mich abwartend an, doch ich verstehe einfach nicht, was sie mir damit sagen will. Sie seufzt schließlich. „Glaubst du etwa, wenn in Tokyo jemand stirbt, steht die Todesanzeige dafür in der Tageszeitung von Kanagawa? Ist das nicht ein bisschen seltsam?“
 

Jetzt wo sie es sagt... Das stimmt. Hier in Kanagawa werden wohl kaum die Todesanzeigen von Tokyo drin stehen. Aber wer...? Plötzlich steigt eine unglaubliche Wut in mir hoch. Wer außer meinem herzallerliebsten Vater könnte so etwas machen?! Das ist unglaublich. Ich nehme meine Meinung, dass er ein Monster ist, zurück! Er ist der Teufel persönlich!! „Weißt du jetzt, was ich meine?“, fragt Aya mich und ich nicke. „Dieser Mistkerl!... Aber warum tut er so was? Wenn er will, dass ich den Laden hier übernehme, sollte er nichts machen, was mich dazu bringt, nur noch zu heulen. Das ist kontraproduktiv.“ Aya scheint da anderer Meinung zu sein, denn sie schüttelt den Kopf. „Er denkt vielleicht, dass du jetzt ein paar Tage rumheulst aber dann anfängst, dich vernünftig einarbeiten zu lassen, weil du nun keinen Grund mehr hast, nach Tokyo zurück zu gehen. Ich würde es ihm zutrauen.“

Wenn ich recht drüber nachdenke, könnte sie sogar recht haben. Aber mein Alter glaubt doch nicht wirklich, dass ich jetzt...
 

Jetzt weiß ich, wie ich ihm das alles heimzahlen kann! Ich wusste gar nicht, dass ich so böse sein kann. Ich kann sogar ein leises, aber böses Lachen nicht unterdrücken. Aya guckt mich ein wenig schräg an. „Alles okay, Reita?“, fragt sie zögerlich und ich grinse ihr entgegen. „Ich hab da so 'ne Idee. Ich lasse mich wirklich von ihm einarbeiten und werde den Laden hier übernehmen!“ Dann muss ich lachen. Ayas Gesichtsausdruck ist einfach zum schießen. Total ungläubig starrt sie mich an, ihre Kinnlade hängt ein paar Etagen tiefer als normal. „Aber wieso auf einmal??“, fragt sie vollkommen ungläubig. Jetzt grinse ich wieder diabolisch. Muss in den Genen liegen. „Ich hoffe, dass der Alte mir den Laden schnell übergibt. Du weißt, der Boss hat das Sagen über Bestehen und Nicht-Bestehen seines Clans. Wenn ich der Chef bin, werde ich den Clan einfach auflösen. Niemand wird etwas dagegen tun können. Alles, was er sich aufgebaut hat, werde ich vor seinen Augen zerstören. Es wird eine Weile dauern, aber dann kann ich zu Uruha zurück“
 

Aya sieht mich nachdenklich an. „Bist du sicher, dass das klappen wird?“, fragt sie nach einer kurzen Weile. Ich schüttel den Kopf. „Ich weiß es nicht. Aber wenn ich es nicht versuche, werde ich es nie herausfinden. Ich weiß einfach nicht mehr, was ich machen soll, Aya. Und das ist die einzige Möglichkeit, die mir im Moment einfällt...“ Sie nickt darauf hin und scheint zu überlegen. „Reita, meinst du dass es möglich ist... Nein, ich fange anders an: du sagtest doch, dass Uruha sehr feminin ist, oder?“ Ich nicke. Aber warum das jetzt wieder? „Naja... er würde hier nicht als Mann erkannt werden.“ Ich bin schon wieder verwirrt. Frauen sind gruselig! Was meint die damit jetzt schon wieder? Also mal ganz doof nachfragen: „Äh... was??“ Sie seufzt erstmal. „Man merkt, dass du ein Mann bist. Du bist unkreativ.“ „Na vielen Dank auch“, schmolle ich zurück und sie lacht darauf hin. Dann wird sie aber wieder ernst. „Was ich meinte: Können wir ihn nicht als Bedienstete hier einschleusen?“

Ungläubig starre ich Aya an. Meint sie das ernst? Ich weiß einfach nicht, was ich davon halten soll. Ob ich die Idee jetzt gut finden soll, oder lächerlich! Denn das ist ebenso abwegig wie genial.

Oh man, jetzt bekomm ich auch noch Kopfschmerzen vom nachdenken. Arrrgh! Der Tag ist so jung und es ist schon so viel passiert. Ich werde hier sicher irgendwann noch mal verrückt. Ein Seufzen verlässt meine Lippen. Aya sieht mich kurz an, dann senkt die ihren Kopf und entschuldigt sich. „Tschuldige, Reita. Vergiss, was ich gesagt hab. War ne doofe Idee.“ „Ach, Aya, du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Mir wird nur grade alles zu viel.“

Ruhe wär jetzt wahrscheinlich am besten. Da hab ich Zeit zum nachdenken, auch wenn es nur noch mehr Kopfschmerzen bringen wird. Ich will ihr gerade sagen, dass ich ein wenig Ruhe brauche, als sie plötzlich leise aufschreit. „Oh nein! Ich muss ja eigentlich grade die ganze Zeit arbeiten! Tut mir Leid Reita, ich muss los, sonst bekomm ich noch richtig Ärger!“ Sie nimmt das Tablett mit dem leeren Teebecher und steht schon an der Tür. „Soll ich dir gleich noch einen Tee vorbei bringen?“ Tee klingt nicht schlecht, also stimme ich zu. Mit einem ‚Lass den Kopf nicht hängen’ verlässt sie schließlich mein Zimmer und lässt mich mit meinen verwirrten Gedanken zurück.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Asmodina
2010-03-23T15:07:25+00:00 23.03.2010 16:07
Super Idee, zeige es dem Alten..und Reita hat eine Verbündete. Schreib schnell weiter
Von:  LadyKisu
2010-03-23T12:14:57+00:00 23.03.2010 13:14
ich bin voll für die idee uruha da einzuschleusen ^^
nach dem kapi hab ich wieder so eine wut auf reitas vater >.<
warum kann er ihn nicht einfach in ruhe lassen und reitas
bruder nehmen?
ein glück, das reita aya hat. so kann er mit jemandem reden und muss
nicht alles in sich hineinfressen
reitas plan könnte jahren dauern...
aber wenigstens schöpft er so hoffnung uruha wieder zu sehen ^^
das kapitel ist sehr toll ^^
war sehr angenehm zum lesen und ich konnte gar nicht aufhören bis ich fertig war xD
bin gespannt wie es weiter gehen wird


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