# Prolog
Noch in der Dämmerwelt liegend, die Schlaf vom Wachsein trennt, spürte ich einen stechenden Schmerz in meiner Stirn. Es war, als würden sich mehrere hundert Nadeln in meinen Kopf bohren, raus und wieder rein. Und ich hatte Angst, Angst, meine Augen zu öffnen, um der Tatsache ins Auge zu blicken.
Ich wusste nicht mehr, wer ich bin. Ich konnte mich an nichts erinnern. Was ich noch wusste waren Dinge wie Mathe, Grammatik, Fremdsprachen, Schulkram… aber ich wusste nichts mehr Wesentliches über mich selbst, über die Menschen, die ich kannte. Und genauso wenig wusste ich, wo ich denn überhaupt war.
Noch waren meine Augen geschlossen, ich kämpfte gegen den Schmerz an, als ich eine tiefe Stimme hörte. Eine männliche, kraftvolle, aber auch freundliche und vertrauensvolle Stimme, die mir zuflüsterte, dass ich aufwachen solle. Es sei schon mitten am Tag und es wäre Zeit, endlich die Äuglein zu öffnen. Und an diesem Tag öffnete ich meine Augen. Noch blinzelnd, da mich eine weiße Decke anstrahlte, die durch das grelle Sonnenlicht erhellt wurde. Und dann sah ich da noch das Gesicht. Ein junger Mann in einem weißen Kittel, der mich anlächelte, mir durch mein pechschwarzes Haar strich und erleichtert aufatmete, als wäre er mein Vater. Ich wusste nicht, ob er mein Vater war. Es wäre allerdings peinlich, wenn dem so wäre…
„Puh, Glück gehabt. Ein Wanderer hat dich gefunden und konnte dich herbringen. Du warst mehrere Tage bewusstlos, Junge.“
Und trotz dieser ‚Schreckensnachricht’ lächelte er. Vielleicht war der Mann ja nicht nur Arzt, sondern auch Psychologe. Und er wusste, dass, wenn er mich so anstrahlt, ich nicht halb so ängstlich bin, wie ich eigentlich war.
„Wie geht es dir?“
Auf seine Frage hin fand ich keine konkrete Antwort. Mein Kopf hämmerte wie verrückt, meine Augen gewöhnten sich erst an das helle Licht und ich starrte weiterhin die Decke an. Ich hypnotisierte sie förmlich, als könne sie mir sagen, wer ich bin.
„Schlecht“, schoss es aus mir heraus. Ganz unbewusst. Eigentlich wollte ich lügen, aber das Wort hatte sich wohl schon durchgekämpft.
„Kein Wunder. Wir haben festgestellt, dass du unter starkem Gedächtnisverlust leidest.“
Nur Schade, dass ich nicht wusste, warum.
„Wo bin ich hier?“, lenkte ich ab, drehte mich auf die Seite, dem Arzt meinen Rücken zukehrend. Er sollte merken, dass ich sauer war und er sollte verzweifeln, denn es gab überhaupt keinen Grund des Grolls.
„Du bist im Hells Pass Hosptital in South Park, Colorado.“
Das erklärte natürlich so einiges. Ich hatte viel darüber gehört… nein. Ich bin hier geboren, bin hier aufgewachsen. Ich habe hier gut und gerne mein ganzes Leben verbracht. South Park also.
„Wissen Sie, wo ich wohne?“
„Nein, du hast nichts mit dir geführt, was uns irgendwie einen Hinweis gibt. Und Menschen die dich kennen könnten, sind meines Wissens nach auch nicht vorbeigekommen.“
Ich ließ den Arzt einen verzweifelten Seufzer aufhören. Es klang fast so, als hätte ich aufgegeben.
„Wenn es dir besser geht, entlasse ich dich. Dann kannst du nach deinem Weg suchen, wenn du verstehst, was ich meine.“
Und mit diesen Worten tätschelte er mir noch einmal den Kopf, sein seichtes Lächeln wurde zu einem strahlenden Grinsen und er schloss die Tür hinter sich.
Jetzt gab es nur noch mich, das Bett, die Decke und haufenweise Kram, die zum Krankenhaus gehörten. Wenn ich meine Erinnerung nicht wiederbekommen würde, hieße das ein Leben ohne Nichts. Ein Leben ohne Sinn. Es würde bedeuteten, dass mich sowohl Familie als auch Freunde eiskalt verraten hätten. Aber vielleicht würde mir noch ein Licht den Weg weisen… Tja, vielleicht auch nicht.