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Perlentaucher Weihnachtsmärchen 2009

~ Jeden Tag ein OneShot über Twilight zum Fest der Sinne ~
von

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Bluot

Na, habt ihr schon gewartet? Pünktlich, wie jeden Tag, geht es auch heute weiter mit unseren Weihnachtsmärchen (okay, vielleicht ein paar Stunden spät wegen dem Uploaden). Heute zeigt uns Fansoits einen alten Brauch auf.

Kennt jemand Barbarazweige? ;)
 


 

Rating:P12

Genre: Romanze/Drama

Sonstiges: Gekürzte Fassung von »Bluot Flor«, erscheinend am 5. Januar. Dann sogar mit alternativem Ende für Jacobfans!
 

Falls ihr denkt, der Titel hätte einen Schreibfehler… keine Sorge, das ist nur eine andere Sprache ;)
 

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Lautlos schwebten die kleinen Flöckchen durch die Luft, fielen kraftlos dem Erdboden entgegen, auf das immergrün währende Gras.
 

Zwischen den einzelnen Halmen versuchten sie sich zu verstecken, zu flüchten um den für sie gefährlichen Sonnenstrahlen zu entkommen.
 

Endlich wurde das lästige Grün übermalt, verdeckt von einer weißen, flaumigen Schicht. Die ganze Umgebung erschien starr, unwirklich, als hielte sie ihren Atem an.
 

Doch ein plötzlich aufkommender, starker Wind vertrieb die dunklen, schweren Wolken und ließ spärliches Licht durch die entstehenden Lücken am Himmel hindurch scheinen, das sich auf die Jagd nach kleinen Schneeperlen machte.
 

Der Schnee knirschte unter meinen schweren Stiefeln, als ich die Verandatreppe hinabstieg und vorsichtig die Einfahrt entlang schlidderte, sorgsam darauf bedacht nicht auszurutschen.
 

Die Äste der Bäume und Sträucher waren mit Raureif überzogen, ein glitzerndes Geflecht aus Kristallen hatte sich an den hölzernen Riesen gebildet. Ich schlug den vereisten Waldweg neben dem Haus ein, es knisterte und raschelte bei jedem Schritt.
 

Am Ende des Weges war vor langer, langer Zeit eine kleine Lichtung gerodet worden. In einem Radius von wenigen Metern ragten kahle Baumstümpfe empor, wie dafür geschaffen um darauf zu sitzen oder etwas abzustellen.
 

Die ausladende Baumkrone umspannte die verschneite Lichtung wie eine Kuppel, die kahlen knorrigen Zweige waren so dicht beieinander gewachsen, dass sie noch immer trotzig seine Besucher vor dem launischen Wetter schützte.
 

Als ich den alten Baum erreichte, seufzte ich erleichtert auf. Es schien, als hätte ich eine unsichtbare Grenze überschritten. Zufrieden umschritt ich den Baum und stellte erfreut fest, dass dieser schon Knospen gebildet hatte.
 

Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und streckte meine Hand aus, um die feuchten Zweige berühren zu können und mit der anderen erfühlte ich die rissige Baumrinde unter meinen Fingerspitzen.
 

Es war ruhig um mich herum.

Endlich.
 

Ich ließ vom Baum ab, trat ein paar Schritte zur Seite und ließ meine Arme ausgestreckt. Entspannt atmete ich tief ein, bevor ich behutsam anfing mich zu drehen.
 

Erst langsam, dann immer schneller ließ ich die Welt um mich zu einem Schleier verwischen. Ich blinzelte, schloss die Augen für einen kurzen Moment, bevor ich sie wieder öffnete. Weiß, Grün, Braun...
 

Vor Anstrengung fühlte ich mein Herz immer schneller schlagen, fühlte wie es leidenschaftlich gegen mein Brustbein pochte. Der kalte Wind fuhr durch mein Haar und aus den Augenwinkeln konnte ich braune Fahnen sehen, wie sie in diesem Wirbel umher flackerten.
 

Gold –– Ich erschrak und fiel stolpernd aus meinem Rhythmus. Mit einem Japsen entwich die Luft aus meinen Lungen, ich wankte unkontrolliert weiter bis ich schließlich gegen etwas Hartes und Kaltes stieß. Automatisch umschloss ich mit meinen Armen den Baum, gegen den ich getorkelt war.
 

»Mein Kopf!«, stöhnte ich, als ich den Schwindel bemerkte, wie er sich ausbreitete. Völlig außer Atem versuchte ich meine Augen zu öffnen, blinzelte, doch meine Sicht war benebelt. Der Wald drehte sich noch immer.
 

»Was hattest du vor?« Mit diesen ruhigen Worten legte der Baum einen kühlen Arm auf meinen Rücken. Ich erstarrte und wurde weiß. »Ist dir schlecht geworden, Bella?«, fragte der vermeintliche Baum besorgt und amüsiert zugleich.
 

Dann wurde ich rot. Die Hitze und das Pochen des zirkulierenden Blutes in meinen Wangen konnte ich förmlich fühlen. Verlegen presste ich mein Gesicht in Edwards duftendes Sweatshirt.
 

»Nein«, nuschelte ich gegen den weichen Stoff. »Ich wollte doch nur mal was ausprobieren..«
 

»Das hat man gesehen«, lächelte er und schlang beide Arme um mich. »Was suchst du hier eigentlich? Ich habe dich doch gebeten, nicht alleine in den Wald zu gehen.«
 

Mit diesen Worten hob er mich auf einen Baumstumpf, sodass ich mit ihm auf gleicher Höhe war. Seine Augen blickten wachsam in meine und doch waren seine Lippen zu einem warmen Lächeln verzogen.
 

Ich wusste ganz genau, wie besorgt er um mich war. Sorgen, die machte ich mir auch, denn mir war genau bewusst, wie tollpatschig ich war und wie schmackhaft ich für die Vampire unter uns roch.
 

»Ich bin nicht allein!«, motzte ich, während ich mich aus seiner Umarmung wand und den Baumstumpf hinuntersprang. »Du bist da, Alice ist da und Jacob ist auch da. Ihr alle passt auf mich auf, wie um Himmelswillen soll mir da bitteschön noch irgendetwas passieren?«
 

Mir schien, als würde er bei der Erwähnung von Jacob die Stirn runzeln, doch nach wenigen Augenblicken war diese wieder spiegelglatt.
 

»Liebes, bis jetzt hast du es ganz gut hinbekommen, dich in Schwierigkeiten zu bringen«, stellte er darauf trocken fest.
 

Erzürnt betrachtete ich Edwards gleichmäßige Gesichtszüge und seine goldenen Augen. Ich fragte mich heimlich, ob sie ihn schon damals, als sie noch wie Smaragde gestrahlt hatten, schöner als all die Anderen gemacht hatten.
 

Mir wurde wieder einmal schmerzlich bewusst, wie viel uns doch voneinander trennte und konnte den Blickkontakt nicht mehr aufrecht halten. Ich senkte den Blick.
 

»Es tut mir Leid, Edward. Das hätte ich nicht sagen dürfen«, flüsterte ich, bevor ich nach einigen stillen Sekunden wieder aufblickte. »Ich bin dankbar dafür, dass ihr alle für mich da seid. Dass ihr euch um mich kümmert ...«
 

Er hatte sich auf den Stumpf gesetzt und blickte mich von dort aus nachdenklich an.
 

»Bella.« Plötzlich war er neben mir. Sein betörender Geruch wehte ihm voraus, benebelte meine Sinne und stillte meine unbefriedigte Gier doch nur ein wenig.
 

Ich fühlte seine kalten, langen Finger, wie sie mein Handgelenk umfassten und meine Hände an seine Wangen hoben. Dann legte er sein Gesicht in sie.
 

»Deine Hände sind kalt«, stellte er ruhig fest.
 

»Deine ebenso«, konterte ich.
 

Er nickte stumm und doch war ich es, die gefangen in seinem intensiven Blick war. Er seufzte, bevor er meine Handflächen küsste.
 

»Wusstest du, dass dieses knorrige Gestrüpp ein Apfelbaum sein soll?«, fragte Edward, nachdem er eine Hand hob und einen Zweig abbrach. Geschmolzener Schnee tropfte hinunter und perlte von seinem bronzefarbenen Haar.
 

Nachdenklich biss ich auf meiner Unterlippe herum, bevor ich nickte. Natürlich wusste ich es, denn sonst wäre ich doch nicht hierher gekommen.
 

Ich konnte die Entscheidung nicht alleine fällen, genauso wie jemanden um Rat zu fragen, also musste ich mir etwas auszudenken, dass mich unparteiisch unterstützen würde: Barbarazweige.
 

Zwei Stück. Sie würden mir schon einen Hinweis darauf geben, wie ich mit entscheiden sollte –– hoffentlich.
 

Edward drehte den Zweig zwischen seinen Fingern, bevor er ihn mir hinter mein Ohr steckte.
 

»Du bist wunderschön, Bella« Seine Worte klangen so aufrichtig, dass ich rot wurde und seine Berührung verursachte bei mir eine Gänsehaut. »Du wirst doch keine kalten Füße bekommen?«
 

»Nein!«, rief ich, entsetzt über diese Unterstellung. Zumindest hoffe ich es, setzte ich kleinlaut in Gedanken hinzu.
 

Bald würde ich heiraten und mein bester Freund Jacob wollte nicht mehr mit mir reden. So, wie es Seth geschildert hatte, schien er einfach so aus meinem Leben verschwinden zu wollen.
 

Meine felsenfeste Überzeugung, dass ich mit Edward den Rest meines Lebens verbringen wollte, geriet dadurch ins Wanken.
 

Was, wenn meine Entscheidung falsch war?, das musste ich mich jedes Mal unweigerlich fragen, wenn mein schlechtes Gewissen mich wieder einmal einholte.
 

Ich müsste für immer damit leben und hätte somit nicht nur mein Leben verwirkt, sondern auch noch die von Edward, Jacob, Charlie... Es würden einfach zu viele Schicksale beeinflusst werden. Das konnte ich doch nicht verantworten!
 


 

Die Sonne stand schon tief am Horizont, als Edward mit seinem silbernen Volvo vor meinem Haus parkte.
 

Der Innenraum des Wagens war gefüllt mit seinem lieblichen Duft und mir fiel es schwer mich zu konzentrieren, als ich mich verabschiedete.
 

Noch immer hatte ich Alice' und Emmetts fröhliches Lachen im Kopf, Jaspers Ruhe durchströmte mich noch immer und Esmes liebevolle Art hatte mir ein wohliges Gefühl verliehen.
 

»Hab viel Spaß mit Emmett beim Wandern«, wünschte ich ihm, während ich nach der kühlen Klinke griff. »Schnapp dir ein paar Pumas.«
 

Er kicherte, bevor er nach meiner rechten Hand griff und den Ring an meinem Finger betrachtete –– »Das werde ich.« –– Seinen Ring.
 

Mir wurde ganz flau im Magen.
 

»Pass auf dich auf«, bat er leise, bevor er vorsichtig einen Kuss auf das Symbol unserer Liebe hauchte. »Ich liebe dich, Bella.«
 

Verlegen senkte ich den Blick und wurde rot. Woher wusste er, dass gerade jetzt mich diese Bekenntnisse am Meisten verwirrten?
 

»Ja, –– ja. Ich dich auch«, stotterte ich, bevor ich die Klinke hinunter- und die Tür aufdrücke. »Bis dann.«
 

Mit etwas zu viel Schwung stieß ich die Tür zu und der Motor brummte erst auf, als ich die Veranda betreten und die Tür geöffnet hatte.
 

Der Flur war dunkel und die Schatten zeichneten drohende Silhouetten an die Wände. Beunruhigt tastete ich nach dem Lichtschalter, während ich über Edwards Worte nachdachte.
 

»Pass auf dich auf.«
 

Wie viel wusste er? Was wusste Alice und worüber hatte sie ihn informiert? Was würde alles an diesem Wochenende geschehen?
 

Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch schlich ich in die Küche. Die Deckenleuchte gab nur spärliches Licht von sich und die ganze Einrichtung wirkte dadurch plastisch und unnahbar.
 

Die Zweige, die bisher nur improvisatorisch in ein Wasserglas gestellt worden waren, nahm ich heraus und legte sie auf die Spüle, bevor ich das Glas ausspülte und es zurück ins Regal stellte.
 

Dann suchte ich nach Vasen, von denen ich wusste, dass Renée sie damals, vor achtzehn Jahren in ihrer Eile wegzukommen, stehen gelassen hatte.
 

Unter der Spüle fand ich sie schließlich, alt, staubig, und als Lappenbehältnis fungierend.
 

»Männer«, seufzte ich, bevor ich die Lappen herausnahm und die Vasen auf der Theke abstellte.
 

Nach einer schier endlosen Plagerei hatte ich die Gefäße soweit sauber, dass man sie guten Gewissens aufstellen konnte.
 

Dann stellte ich Edwards Zweig vorsichtig in die dazugehörige Vase. Kraftlos fiel dieser einfach zur Seite und drehte sich. Es schien, als wollte er sich aus seinem Gefängnis bohren.
 

Zärtlich hob ich diesen an, zwirbelte ihn zwischen Zeigefinger und Daumen, bevor ich ihn so platzierte, dass man die schöne Seite auf Anhieb sah.
 

Doch –– scheinbar wollte er nicht so, wie ich wollte. Wie in Zeitlupe umlief der Zweig den Rand, tänzelte förmlich auf der dünnen Kante, bevor er schwankend zum Stillstand kam.
 

»Das ist nicht fair«, murmelte ich und drehte ihn noch einmal herum. Beharrlich schraubte er sich wieder zurück in seine gewünschte Lage. »Verdammt! Bist du blöd?«
 

Irgendwie erinnerte mich die Situation an meine Auseinandersetzung mit den Kühlschrankmagneten.
 

Mir kam der Verdacht auf, dass die Vase negativ geladen war und die prachtvolle Hälfte des Zweigs ebenso.
 

Das Ergebnis: Sie stießen sich ab.
 

Sie passten nicht zusammen. Als versuchte man, ein Puzzleteil gewaltsam irgendwo hineinzudrücken.
 

Frustriert gab ich auf. Was hatte das für einen Sinn? –– Sollte dies eine Warnung sein, ein Omen, dass Edward und ich nicht zusammenpassen würden?
 

~
 

Es war jetzt genau ein Tag und sechs Stunden vergangen. Heute war der Abend des fünften Dezembers und langsam begann ich begreifen, wie sich die Ewigkeit anfühlen musste.
 

Langweilig.
 

Warten auf nichts.
 

Warten auf etwas, was sich bis zum Ende der Welt hinauszögern konnte, wenn es nur wollte.
 

Vorsichtig lugte ich über die Tischkante um sicherzustellen, dass den beiden Vasen nichts passiert war und da standen sie nun: unberührt von dem Geschehen um sie herum, ragten die Zweige stolz aus dem Behältnis.
 

Für Jacob hatte ich mich für die Vase entschieden, die eher matt und in gedeckten Tönen gehalten war. Der Hals war schmal und eine Holzmaserung zierte ihn.
 

Sie war geschwungen, voluminös und trotzdem elegant. Nicht schwerfällig, wie die meisten Vasen in diesen Ausmaßen wirkten.
 

Und wie ich auf sie schaute, erinnerte sie mich an den Anfang unserer Freundschaft, genau so, wie sie vor mir stand. Dünn und zerbrechlich. In das, was einst so zwanglos, geradezu schüchtern begann, hatten wir uns so hineingesteigert, dass es an Intensität zugenommen hatte.
 

Das Feuer loderte nicht mehr, es war ausgebrochen und fraß sich satt an dem, was es niemals hätte berühren dürfen.
 

Wir befanden uns kurz vor der Implosion.
 

Edwards Vase dagegen war schmal, dünn und wie ein kristallenes Röhrchen gefertigt. Rosenranken waren auf das feine Glas graviert worden und die Schnörkel liefen kreuz und quer über die gesamte Oberfläche.
 

Ein Zusammenspiel aus Licht und Schatten, Feuer und Eis in einer einsamen, stummen Schönheit vereint. Es zeigte zusammen, was nicht zusammen gehört. Das nicht vereint, weil ein Löwe sich nicht in das einsame Lamm verlieben darf.
 

Vorsichtig strich ich mit meinen Fingerspitzen über das kalte Glas der Edward-Vase, bevor ich auch die Maserung des braunen Gefäßes erfühlte. Dies erschien sich lebendig an, so warm, als ob unter dem Keramik ein wildes Herz pochen würde.
 

Doch mein Blick klebte an dem Gestrüpp, an meiner letzten Hoffnung, mein Leben wieder in den Griff zu bekommen.
 

»Du schließt die Tür ja immer noch nicht ab«, ertönte plötzlich eine vergnügte Stimme hinter mir. Vor Schreck blieb mir die Luft weg, als ich mich langsam umdrehte.
 

»Jacob«, quietschte ich empört. »Du sollst mich auch nicht erschrecken!« Dieser jedoch gluckste nur, bevor er mit wenigen Schritten zu mir aufschloss und mich in seine Arme nahm.
 

»'tschuldige«, hauchte er und drückte mich an seine nackte Brust. Er hob mich an und meine Füße baumelten haltlos in der Luft, als er mich herumwirbelte. Entsetzt keuchte ich auf und versuchte mich loszustrampeln.
 

»Keine Luft«, keuchte ich angestrengt. In meinem Kopf drehte sich wieder alles.
 

»Ach, hör doch auf. Das war doch toll«, grinste er, bevor er mich absetzte. Mir entging nicht, dass er die Nase rümpfte.
 

»Stinke ich schon wieder?«, fragte ich mit gespieltem Entsetzen.
 

»Es war schon schlimmer«, scherzte er, doch ich konnte seinen wachsamen Blick auf mir spüren. »Habt ihr euch gestritten? Das letzte Mal, als du fast wieder nach dir selbst gerochen hast, war als dieser Blutsauger ––«
 

»Edward«, fiel ich ihm tadelnd ins Wort.
 

»–– Blutsauger«, sagte er mit Nachdruck, »mit dir Schluss gemacht hat.«
 

Mir wurde schlecht. Erinnerungen kamen in mir hoch, die ich niemals wieder hätte sehen wollen.
 

Bilder von meinem Geburtstag. Von dem Tag, als er mir sagte, dass er mich nicht mehr bräuchte. Die Leere und Kälte in den darauf folgenden Monaten.
 

–– Jacob.
 

»Jacob«, flüsterte ich. Es zog und zerrte wieder in meiner Brust. Ich fühlte den kalten Schweiß auf der Stirn, als ich orientierungslos und nach Halt suchend meine Hand ausstreckte.
 

Plötzlich war ich nicht mehr in meiner Küche, sondern in Jacobs Werkstatt. Es roch nach Öl, Benzin und ihm. Meinem Jacob.
 

»Bella? Hey, hörst du mir überhaupt zu?« Ich blinzelte.
 

»Was?« Jacob hatte sich zu mir heruntergebeugt und blickte mich mit seinen braunen Augen besorgt an.
 

»Du warst weggetreten«, beschwerte er sich. »Ich fragte, ob du nun mitkommen willst, zu dem Lagerfeuer. Letzte Woche warst du dir ja nicht so sicher…«
 

»Ja«, murmelte ich gedankenverloren. Nervös huschte mein Blick zu den Vasen, die hinter mir auf dem Tisch standen und wurde rot.
 

Es war so peinlich, mich von diesen Zweigen abhängig zu machen. Ich fühlte mich wie ein kleines Kind, dass vor Furcht, sie könnten verschwinden, sie nicht mehr aus den Augen lassen wollte.
 

»Was ist das denn?«, fragte er belustigt und zog dabei seinen Zweig aus der bauchigen Vase. Eine Knospe brach ab, als Jacob ihn inspizierte.
 

»Lass es«, rief ich befangen, als ich ihm den Zweig aus der Hand riss und ihn zurück in die Vase stellte. Mit meinen Fingerspitzen befühlte ich betroffen die Bruchstelle und der Pflanzensaft klebte auf meiner Haut. »Du hast es kaputt gemacht.«
 

»Nein! Nein, Schatz. Das ist doch nur ein Ast!« Er beugte sich über meine Schulter und nahm behutsam meine Hände in seine. »Ich bring dir neue mit«, versprach er.
 

Als Antwort schüttelte ich stumm den Kopf. Er seufzte, während ich versuchte die Tränen zurückzuhalten.
 

~
 

Die Stelle war gut abgeheilt. Dort, wo einst die kleine Knospe gewesen war, hatte der Pflanzensaft die Wunde verschlossen.
 

Ich war mir nicht ganz sicher, doch schienen mir die Knospen größer geworden zu sein und waren bereit zu zerplatzen.
 

Bald würden sie blühen.
 

Ein mulmiges Gefühl beschlich mich. Würde ich mich mit dem Ergebnis zufrieden geben?
 

Was wäre, wenn wirklich Jacobs Zweig blühen würde? –– Nicht Edwards?
 

Wie sollte ich ihm das erklären? »Edward, wir können nicht heiraten. Ich habe es gesehen – Jacob ist mein wahrer Seelenverwandter.« –– Etwa so?
 

Oh, bitte nicht!
 

Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen und lehnte meine Ellenbogen auf die Tischkante. Versuchte mich zu beruhigen, indem ich mehrmals tief ein und aus atmete.
 

Überfordert mit dieser verdrehten Situation blinzelte ich angestrengt, bevor ich wieder auf zu den Vasen schaute.
 

Mir stockte der Atem und ich betete, dass dies nur ein fieser Traum war, als ich erneut blinzelte, wegsah, hinsah.
 

Die durchsichtige Vase war umgestoßen worden. Der Zweig war rausgerutscht und sie rollte langsam zu dem mir gegenüberliegenden Ende des Tisches.
 

»Nein!«
 

Gehetzt blickte ich zu dem blühenden Zweig, der aus der großen, matten Vase blickte. Er schien mich höhnisch auszulachen, als das gläserne Röhrchen stumm über die Kante rollte.
 

»Bella?«, fragte mich eine weiche Stimme. Sie war mir vertraut, nicht zu tief, nicht zu hoch. Sie war genau richtig –– für mich. Sie strahlte Wärme aus, Vertrauen, Liebe.
 

Langsam drehte ich mich um. Ich konnte den Schmerz in meinem Knie spüren, der von dem Sturz beim Lagerfeuer herrührte, als ich auf der Stelle trat.
 

Ich war mir sicher, dass mir die Panik im Gesicht geschrieben stand, als ich wie hypnotisiert in Jacobs Augen starrte, die mich liebevoll betrachteten.
 

»Unsere Gäste warten schon, Schatz.« Erst jetzt fiel mir der elegante Smoking auf, den er trug …
 

»Nein!« Mit einem Ruck fuhr ich hoch. Es war dunkel um mich herum, nur das Licht, das sich durch die Gardinen hindurchmogelte, erhellte mein Zimmer minimal.
 

Meine Decke lag schwer auf meinen Beinen, drückte meinen Oberkörper bestimmend wieder zurück in die Matratze, als ich tief Luft holen wollte.
 

Es war nur ein Traum, dachte ich schockiert. Nur ein blöder Traum.
 

Aber was sollte mir mein Unterbewusstsein damit sagen? Dass ich bereuen würde, falls Jacobs Zweig blühen würde?
 

Eine leichte Bewegung neben mir riss mich aus meinen Gedanken. Hektisch drehte ich meinen Kopf und hörte meinen Nacken protestierend knacken.
 

»Du hast unruhig geschlafen«, flüsterte Edward, bevor er ein Buch auf dem Boden ablegte. Vorsichtig rutschte er an mich heran, bevor er beide Arme um mich legte. »Was hast du geträumt?«
 

Bei diesen Worten explodierte mein Herz förmlich. Es beschleunigte seinen Herzschlag und mir wurde unangenehm heiß.
 

Ja, was hatte ich nur geträumt?
 

»Nichts«, murmelte ich erschöpft. »Das Übliche…« Er seufzte und zog mich enger an sich heran. Bei seinem süßen Duft wurde ich schläfrig und schloss die Augen, bevor ich schließlich wegdämmerte.
 

»Möchtest du frühstücken?«, fragte er nach einer Weile beiläufig. Erschrocken zuckte ich aus meinem Halbschlaf auf. »Entschuldige, Liebes.«
 

»Ja. Macht nichts«, murmelte ich niedergeschlagen. Was würde sich mir in der Küche offenbaren? Welcher von den beiden Zweigen würde blühen?
 

Edwards oder Jacobs? –– Am besten keiner von Beiden.
 

Langsam trottete ich die Treppe hinunter, in die Küche. Mein Verlobter folgte mir wie ein Schatten, als müsse er mich auffangen, falls ich rücklings stolpern würde.
 

Seine bloße Anwesenheit versetzte mich in Alarmbereitschaft. Die Kälte, die von seinem Korpus ausging, besetzte sein Umfeld wie eine tödliche Aura.
 

Er sagte kein Wort, als wir die Küche betraten. Ich lauschte nur seinem Atem, als er sich an den Tisch setzte und die Vasen von sich schob. Die Gefäße rutschten beinahe lautlos über die harte Oberfläche.
 

Benommen nahm ich mir eine Schüssel aus dem Regal, füllte diese mit Müsli bevor ich mir einen kalten Löffel aus der Schublade nahm und mich neben Edward setzte.
 

Ich schaute nicht auf, als ich einen Löffeln nach dem anderen in mich hineinstopfte.
 

»Möchtest du gar nicht nachsehen?«, fragte Edward leise. Kaum merklich schüttelte ich den Kopf und wagte es gar nicht mich zu fragen, woher er dies wusste.
 

»Wieso nicht?« Wieder schüttelte ich den Kopf.
 

»Hast du Angst?« Darauf wusste ich keine Antwort und verharrte regungslos, blickte nicht auf.
 

»Du musst keine Angst haben«, fuhr er nach wenigen Sekunden fort. »Egal wie du dich entscheidest, es wird das Richtige für dich sein.«
 

Plötzlich waren die Müsliflocken furchtbar interessant. Sie bildeten aufregende Muster auf der Milch!
 

»Hörst du, Bella? Wenn du Zweifel hast, ich lasse dir alle Zeit der Welt.«
 

Alle Zeit der Welt … Himmel, wie ich alle Zeit der Welt mit ihm verbringen wollte!
 

Vor meinem geistigen Auge lief mein ganzes Leben vorbei. Mir schien, als würde ich in einem Zug sitzen und die Landschaft rotieren.
 

Ich sah Renée und mich, als ich noch ganz klein war, im Park wie wir gemeinsam Barbarazweige holten. –– Charlie, wie er mit mir zum Haus von Billy Black in La Push fuhr. –– Ich, wie ich größer wurde, meine Zahnspange endlich loswurde. Ich, einsam an der Highschool in Phoenix. –– Meine ersten Tage in diesem verregneten Forks.
 

Der Film lief weiter. Ich würde älter, die Leute um mich herum gingen immer gebückter. Jacob blieb jung, strahlend. Edward auch. –– Und ich?
 

Ich war gefangen in diesem Chaos, unfähig mich zu bewegen, während ich zusehen musste, wie erst Jacob und dann mein Verlobter sich langsam, aber stetig entfernten.
 

Edward winkte sogar zum Abschied. »Ich werde dich immer lieben…«
 

»Nein.« Ich war mir nicht ganz sicher, ob dies nun eine Antwort auf seine Frage gewesen sein sollte oder doch ein Protest gegen der mir bevorstehenden Zukunft. Der Löffel jedoch landete geräuschvoll in meinem aufgeweichten Frühstück.
 

»Ich brauche keine Zeit mehr, Edward«, sagte ich bestimmend, bevor ich meinen Kopf hob und ihn fest anblickte. »Ich habe mich entschieden.« –– Hatte ich?
 

Mein Magen rebellierte, während mein Gehirn die geringen Chancen ausrechnete, dass ich mich in den folgenden Sekunden nicht falsch entscheiden würde.
 

Edwards goldene Augen blitzten im aufgehenden Licht der Sonne, als er den Blick auf mich richtete. Doch am Grund dieses glänzenden Karamells brannte es.
 

Verzweiflung, Liebe, unendliche Geduld –– dies alles erreichte mich innerhalb eines Augenblicks, stürzte über mich hinein.
 

»Ich ––« Ich stockte. Verwirrt schielte ich zu den Zweigen, bevor ich bemerkte, dass sich keiner verändert zu haben schien.
 

Dann erblickte ich einzelne Knospen, die um die Vasen herum verteilt lagen. Und zwischen den beiden Konkurrenten: Eine hellrosa Blüte.
 

Fragend blickte ich zu Edward, doch dieser zuckte mit den Schultern. »Du hast vergessen, das Wasser zu wechseln.«
 

»Nachhelfen konntest du auch nicht, oder?«, fragte ich spitz, als ich die Blüte vorsichtig aufhob und auf meiner Handfläche platzierte.
 

Plötzlich war meine Unsicherheit verschwunden. Mir schien, als sei mir ein zentnerschwerer Stein vom Herzen gefallen, als ich zu Edward blickte und sein aufmerksamen Blick auf mir ruhte.
 

Er lag auf der Hand, unschuldig und rein: Der Grund, wieso ich mich dem letzten Monat so verrückt gemacht hatte. Eine kleine Blüte, die mir den richtigen Weg hätte zeigen sollen.
 

Niemals hätte sie so eine Verantwortung tragen können, schloss ich.
 

Die Blüte fiel mir aus der Hand, als ich diese hervorstreckte und dem gottgleichen Geschöpf vor mir hinhielt. Die steinernen Züge in seinem Gesicht wurden ganz weich, als er diese entgegennahm und sie zu seinem Mund führte.
 

Die Berührung seiner Lippen auf meinem Handrücken war ganz zart. Es kitzelte leicht, als würde ein Marienkäfer darüber hinwegklettern.



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