Mürrische Youkai und nette Männer
Hallöchen,
ein wenig verspätet geht dieses Kapitel nun online. Gleichzeitig mit
dem neuen Kapitel von "Erwachen" als kleine Entschädigung und als
verspätetes Weihnachtspräsent.
Viel Spaß beim Lesen....
**************************************************************************
Mürrische Youkai und nette Männer
Der Haushofmeister führte sie durch lange Gänge, bis in den Gästetrakt. Vor
einer Schiebetür blieb er stehen. Er schob das Holz zur Seite und verneigte
sich, gleichzeitig zeigte er einladend mit dem linken Arm in den Raum.
"Eurer Raum, Hime."
Rin trat ein und klatschte freudig in die Hände. "Das ist wirklich hübsch", rief
sie aus.
"Eure Räume sind weiter hinten, Jaken-sama. Wenn Ihr mir bitte folgen würdet"
Jaken watschelte hinter dem Mann her und Keisuke und Rin bleiben zurück.
Keisuke legte die Reisetaschen ab und versuchte seinen Ärger zu verbergen. Nur
Rin und Jaken hatten ein eigenes Zimmer erhalten. Für den Haushofmeister war
es wohl selbstverständlich, das Keisuke, als Diener und Leibwächter bei dem
niederen Personal seinen Platz finden sollte.
Im letzten Moment erstickte er ein wütendes Knurren in seiner Kehle.
Rin war inzwischen an die gegenüberliegende Wand getreten, an der sich
ebenfalls eine Tür befand. Sie schob sie auf und man konnte einen kleinen
Balkon betreten, der sich vor ihrem Zimmer befand.
Der Blick war wundervoll.
Das Schloss mit den geschwungenen Dächern, dann die Stadt und dahinter die
weiten Wälder, Ebenen und in der Ferne der blaugraue Schatten der Bergketten.
Sie wandte sich um. "Wundervoll. Meint Ihr nicht auch?", fragte sie Keisuke.
Der Youkai gab nur ein undefinierbares Geräusch von sich und beugte sich über
die Packtaschen, als ob es dort etwas zu richten gab.
Er spürte, wie Rin an seine Seite trat. Ihre Hand legte sich auf seine. "Lasst
ruhig, ich packe schon selbst aus", sagte sie und zuckte zusammen, als Keisuke
mit einem heftigen Ruck seine Hand zurückzog.
Etwas verblüfft sah sie ihn an.
Keisuke wich automatisch mehrere Schritte zurück um mehr Abstand zwischen sich
und dieses Weib zu bringen.
Langsam begann Rin zu verstehen. Sein Verhalten der letzten Tage, seine
Bemerkungen, die sie bis eben völlig ignorierte hatte. Das Alles fügte sich
allmählich in ein bestimmtes Bild ein.
Mit einem leisen Bedauern musste sie nun feststellen, dass Keisuke keine
Menschen mochte.
Doch wie weit ging seine Verachtung?
Es musste unter diesen Umständen sehr hart für ihn sein, sie bewachen zu
müssen. Sie nickte. "Ich verstehe. Verzeiht", bat sie leise.
Keisuke schwieg. Seine Haltung war angespannt. Sie verstand? Das wagte er doch
sehr zu bezweifeln.
In diesem Moment erklang ein leises Räuspern und die Aufmerksamkeit lenkte
sich auf den Haushofmeister, zwischen dem Türrahmen erschienen war. "Ist alles
zu Eurer Zufriedenheit, Hime-sama?
Eine Dienerin wird sich bald bei Euch melden und Euch dann während eures
Aufenthalts zu eurer Verfügung stehen."
"Danke. Sehr aufmerksam. Doch ich hätte noch einen Wunsch", sagte Rin. Der
Gedanke war ihr spontan gekommen.
"Zögert nicht mir Eure Wünsche mitzuteilen, Hime", sagte der Mann ehrerbietig.
"Bitte richtet für Keisuke-san ebenfalls ein Zimmer ein. Wenn möglich neben
dem meinen, damit er seine Pflichten als mein Beschützer ohne weiteres nachkommen
kann", sagte Rin mit fester Stimme, die keinen Widerspruch duldete. Zum ersten
Mal fühlte sie, dass sie als Herrin für das Wohlergehen ihrer Diener
verantwortlich war.
Der Mann verbeugte sich tief. "Es wird sofort geschehen, Hime." Dann zog er
sich zurück und schloss die Tür hinter sich.
Keisuke stand wie erstarrt da. Damit hatte er nicht gerechnet.
Was mochte diese Frau dazu bewogen haben?
Er war nur eine einfache Palastwache. Ein niederer Diener. Er hätte nie
gedacht, dass ein Mensch, oder sogar eine Hime so etwas für einen einfachen
Bediensteten machen würde.
Rin merkte nichts von den Gedanken. Sie hatte begonnen die Packtaschen
auszupacken und einen der Schränke einzuräumen.
Sie merkte auch nicht die Blicke, mit denen Keisuke sie musterte. Er hatte
nicht erwartet, dass die Ziehtochter des Fürsten so war... so anders.
Doch sie blieb, egal, wie komisch sie sich verhielt, was sie war. Eine
jämmerliche, schwache Kreatur.
Ein leises Klopfen erklang und eine Dienerin trat ein, nachdem Rin "Herein!"
gerufen hatte.
Sie neigte ehrfürchtig den Kopf und Keisuke konnte die Angst riechen, die die
Frau hatte. Ihm entging auch nicht der furchtsame Blick, den sie ihm zuwarf.
"Das Zimmer nebenan steht nun zur Eurer Verfügung... mein Herr. Und ich soll
Euch ausrichten der Fürst ist nun bereit Euch zu empfangen."
"Sehr gut", sagte Rin.
In diesem Moment trat Jaken ins Zimmer. Er hatte die letzten Worte mitbekommen
und rückte schon seine Kleidung zurecht. "Bring uns zu deinem Herrn", sagte er
mit gewichtiger Miene.
Sie folgten der Dienerin durch die Gänge. Immer wieder trafen sie auf
Bedienstete oder Wachen.
Sie erreichten die Arbeitszimmer. In einem Vorraum standen drei Schreibpulte.
An ihnen saßen und arbeiteten drei Männer.
Sie sahen auf, als Rin, Jaken und Keisuke hineingeführt wurden. Der Mann, der
am nächsten zu der Tür saß, erhob sich. "Willkommen auf Schloss Nakazato.
Eure Ankunft wurde schon gemeldet. Mein Name ist Takumi. Ich bin der erste
Schreiber des Fürsten. Bitte folgt mir. Ihr werdet schon erwartet."
Er klopfte an der Tür, die sich auf der gegenüberliegenden Seite befand. Ein
"Herein!", erklang und er schob die Tür auf.
Sie traten ein.
Der Fürst erwartete sie, neben ihm saß sein Sohn. Der junge Mann hatte noch
nicht seine Rüstung abgelegt. Nur die Schwerter hingen nicht mehr an seiner
Hüfte. Der Fürst selbst war mit einem gemusterten Kimono gekleidet.
Das Haar trug er ungewöhnlich kurz. Er wandte den Kopf, als sie eintraten.
Doch seine Augen waren geschlossen.
"Die Dame Rin-sama, der persönliche Berater des Dämonenfürsten, Jaken-sama und
der Begleiter Keisuke", stellte der Takumi sie vor. Dann zog er sich diskret
in den hinteren Bereich des Raumes zurück.
"Willkommen", sagte der Fürst und neigte seinen Kopf. Rin verbeugte sich und
antwortete. "Nehmt unseren Dank für diesen freundlichen Empfang. Wir hoffen
die so lang ruhenden Friedensverträge zwischen unseren Häusern wieder neu
abschließen zu können. Mein Vater, Lord Sesshomaru, der jetzige Taishou,
übermittelt Euch seine Grüße."
"Danke", sagte Fürst Nakazato. Noch immer waren seine Augen geschlossen. Er
legte den Kopf leicht schief, als er sich an seinen Sohn wandte. "Du hast
nicht übertrieben, Hiroki. In ihrer Stimme ist Sanftmut und doch eine starke
innere Kraft. Sie muss eine wahre Schönheit sein."
Verblüfft sah Rin den Fürst an und eine zarte Röte legte sich auf ihre Wangen.
"Darf ich fragen, was das zu bedeuten hat?"
Der Fürst wendete ihr wieder den Kopf zu und öffnete nun aber die Augen. Rin
zuckte zusammen, als sie die Pupillen sah, die grau, wie dichter Nebel waren.
"Ihr seid ja blind", rief Jaken verblüfft aus.
Der Fürst schüttelte den Kopf und lächelte. "Das ist nicht ganz richtig. Ich
bin nicht blind, ich kann nur nichts sehen. Das ist ein Unterschied, verehrter
Jaken-sama."
"Mein verehrter Herr Vater ist durchaus nicht benachteiligt. Wir sind seine
Augen", warf Hiroki ein.
Der Fürst drehte den Kopf noch ein wenig nach rechts, in die Richtung von
Keisuke. Obwohl seine Augen grau waren, schien es, als ob er den Youkai genau
ansah. "Unser dritter Gast hat bisher noch nichts gesagt. Keisuke-san, auch
Euch ein Willkommen auf meinem Schloss."
"Danke", sagte Keisuke knapp. Ihm war es relativ egal, ob er willkommen war,
oder nicht. Ihn interessierte nur, dass die Hime hier sicher war. Alles andere
kümmerte ihn nur wenig. Menschen waren merkwürdige Geschöpfe. In einem
Youkaiclan hätte man niemals einem solchen gehandikapten Mitglied erlaubt den
Clan anzuführen. Der Anführer war immer der Stärkste.
Fürst Nakazato runzelte leicht die Augenbrauen. Ein Wort nur, doch in diesem
lag für seine Ohren alles, was dieser Youkai fühlte. Und das war nicht gerade
positiv.
So viel Verachtung, soviel Zorn... wie konnte dieses Wesen nur so ruhig hier
sitzen, während in ihm offensichtlich eine Hölle tobte?
Während bei der jungen Frau alles anders war. Sie war sanftmütig, doch auch
von einer inneren Stärke erfüllt.
Sie schien sich ihr kindliches Gemüt erhalten zu haben. Obwohl sie offenbar
von Youkai aufgezogen worden war.
Noch nie hatte er davon gehört, dass diese Wesen Menschen in ihre Reihen
aufnahmen und großzogen.
Und dann dieser kleine Youkai.
Er musste ein Lächeln unterdrücken, als er an ihn dachte. Die Beschreibung
seines Äußeren stimmte mit der zugehören Stimme überein. Offensichtlich nahm
er sich fürchterlich wichtig. Doch er war sehr loyal zu seinem Herrn. Eine
Eigenschaft, die er schon immer an Dienern geschätzt hatte.
Die nächsten Tage würden eine interessante Abwechslung darstellen. Fürst
Nakazato war sich bewusst, wie wichtig sie sein würden.
"Einst waren unsere Häuser durch einen Friedensvertrag miteinander verbunden.
Der große Inu no Taishou schloss sie vor vielen Jahren mit meinen Vorfahren.
Seit gut 200 Jahren haben wir nichts mehr von dem Fürsten der westlichen
Länder gehört. Doch die Hoffnung, dass die Verträge wieder erneuert würden,
lebte in unserer Familie fort. Nun wird dieser Wunsch Wirklichkeit. Ich
begrüße Euch nochmals und hoffe dass alles zu einem glücklichen Abschluss
kommt.
Jaken-sama, wir haben in all der Zeit immer die damals vereinbarten Teile
zurückgelegt. Unsere Bücher dürften in einwandfreien Zustand sein.
Sicher benötigt Ihr einige Zeit um diese zu prüfen. Morgen wird euch mein
Verwalter Makoto die entsprechenden Unterlagen zeigen.
Rin-Hime, Ihr werdet bestimmt dem Berater des Fürsten behilflich sein. Solltet
Ihr irgendwelche Wünsche haben, dann zögert nicht sie uns mitzuteilen. Wir
werden bemüht sein sie euch zu erfüllen." Er wandte den Kopf in Richtung des
Inuyoukai. "Dasselbe gilt selbstverständlich auch für Euch, Keisuke-san."
"Wir danken euch für die Gastfreundschaft", antwortete Rin erfreut. Das lief
ja besser, als sie gedacht hatte. Sie würde mit Hilfe von Jaken die
Verhandlungen erfolgreich abschließen. Ihre Eltern würden stolz auf sie sein.
Jaken richtete sich auf, soweit es seine geringe Größe zuließ. "Im Namen von
dem Taishou bedanken wir uns. Wir werden uns nun zurückziehen und morgen
können wir anfangen."
Hiroki, der bisher fast ohne ein Wort zu sagen, neben seinem Vater gesessen
hatte, erhob sich mit einer geschmeidigen Bewegung. "Ich begleite euch noch."
Nach einer Verabschiedung verließen sie das Arbeitszimmer und kehrten in
Begleitung des Fürstensohns zu ihren Zimmern zurück.
Erst am Abend trafen sie sich wieder zum Essen, welches in entspannter
Atmosphäre genossen wurde. Keisuke hielt sich im Hintergrund und nahm auch
nichts zu sich. So weit kam es noch, dass er sich soweit herabließ menschliche
Nahrung in einem menschlichen Schloss zu sich zu nehmen.
Nach dem Essen erhob sich Hiroki und streckte Rin die Hand entgegen.
"Darf ich Euch noch den Garten zeigen. Er ist wundervoll zu dieser
Jahreszeit", sagte Hiroki und lachte leise. "Eigentlich ist er zu jeder
Jahreszeit wundervoll. Ich versuche nur noch ein wenig länger Eure Gesellschaft
genießen zu können." Er reichte Rin seinen Arm.
Rin lachte hell auf und nickte anschließend. "Das wäre wundervoll. Ich liebe
Blumen." Sie legte ihre Hand auf seinen Arm und gemeinsam schritten sie durch
die Tür.
"Geht nur. Ich werde mich zurückziehen. Wir sehen uns morgen", sagte der Fürst
und lächelte, als er seinen Sohn und Rin den Raum verlassen sah. Dann drehte
er den Kopf leicht. "Auch Euch Jaken-sama, wünsche ich eine gute Nacht." Mit
einer geschmeidigen Bewegung erhob sich der Fürst und verließ sicheren Schrittes
das Zimmer.
Jaken blieb zurück. Irgendwie kam er sich gerade fürchterlich überflüssig vor.
***********************************************************************
Keisuke folgte dem Fürstensohn und Rin wie ein Schatten. Gemeinsam gingen sie
langsam die Kies bestreute Wege entlang.
Hiroki zeigte ab und zu auf einige besondere Arrangements. Er war ein
angenehmer Gesellschafter. Schon bald drehten sich die Gespräche über Gedichte
und über Bücher. Rin dankte insgeheim ihren strengen Lehrern, dass sie auch
die menschliche Literatur unterrichtet hatten.
Indessen langweilte sich Keisuke schrecklich. So also verbrachten die hohen
Herren und Damen ihre Freizeit. Mit banalen Gesprächen.
Was sollte ein Krieger hier nur tun?
Er zog einen ordentlichen Kampf so einem seichten Geplänkel vor.
Ein Geräusch war an sein empfindlichen Ohren gedrungen und der hastige Atem
eines Diener, der offensichtlich zu ihnen wollte. Er wandte den Kopf nach
hinten, dann trat er einen Schritt näher auf Rin und Hiroki zu.
"Es kommt jemand", bemerkte er.
Augenblicklich blieben Hiroki und Rin stehen. In dem Augenblick kam auch
schon der Mann um die Ecke. Er erblickte die kleine Gruppe und blieb sofort
stehen.
"Verzeihung, mein Herr. Der Fürst wünscht Euch sofort zu sprechen", stieß er
atemlos hervor.
"Ich komme", Hiroki verbeugte sich vor Rin. "Leider muss ich euch zu meinem
Bedauern schon verlassen. Soll Euch mein Diener zu Euren Gemächern zurück
begleiten?"
Rin schüttelte den Kopf. "Nein. Wir werden schon zurückfinden, keine Sorge.
Wir sehen uns dann morgen?"
"Gewiss. Ich wünsche Euch eine ruhige und erholsame Nacht", erwiderte Hiroki
und folgte dem Diener. Rin sah Hiroki nach, wie er in Richtung Haupthaus
verschwand. Sekunden später befanden sich Rin und Keisuke alleine.
Für einen kurzen Moment zögerte sie. Sollte sie zurückgehen? Nein, entschied
sie sich schließlich.
Der Abend war wunderschön und sie war noch nicht müde. Es war alles so
aufregend. Es konnte nicht schaden, noch ein wenig spazieren zu gehen.
Sie wandte sich um und ging tiefer in den Garten. Der Kies knirschte leise
unter ihren Schritten.
Keisuke folgte ihr, wie ein Schatten. Sein Mund war missmutig verzogen. Er
hatte gehofft, diesen unnützen Spaziergang zu beenden, als, der Fürstensohn
sich zurückzog, doch offensichtlich hatte dieses Weib andere Pläne.
Leider war er durch seine Pflicht gezwungen sie weiterhin zu begleiten.
Rin merkte nichts von der schlechten Laune ihres Begleiters. Sie genoss die
frische Luft. Ein kleiner künstlich angelegter Bachlauf legte sich ihnen in
den Weg. Er wurde von einer zierlichen Holzbrücke überspannt.
Rin blieb mitten darauf stehen und lehnte sich an das Geländer. Verträumt sah
sie in die Dunkelheit. Der Schein der Fackeln reichte nicht sehr weit und
dahinter wuchsen die dunklen Schatten der Bäume und Sträucher in die Höhe.
Sie seufzte leise auf und drehte sich um. "Ist das nicht schön hier, fast
vergleichbar mit dem Garten zu Hause" sagte sie.
Keisuke zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Wenn Ihr meint", sagte er mit
ausdruckloser Stimme.
Rin legte leicht den Kopf schief und musterte ihn. Er erschien ihr nicht
gerade glücklich. Das ganze schien sich noch verschlimmert zu haben, seit si
auf dem Schloss angekommen waren.
"Was bedrückt Euch, Keisuke-san?", fragte sie.
Der Youkai konnte ein abfälliges Schnauben nicht gänzlich unterdrücken.
"Es ist nichts, ... Herrin." Fast verknotete er sich die Zunge, als er das
Wort hervorstieß. Rin starrte ihn weiter an. Keisuke wurde es schon ein wenig
unheimlich. Sie war vielleicht nur ein Mensch, doch war sie auch die Tochter
des Fürsten der westlichen Länder. Wenn er schon diesen Auftrag und sie hasste
wie die Pest. Sein eigenes Leben war ihm doch zu kostbar, als das er es wegen einem Menschen aufs Spiel setzte. Also neigte er den Kopf und wiederholte. "Es ist nichts, Herrin."
"Ich kenne diesen Gesichtsausdruck zu genau", antwortete Rin und dachte an das
erste Mal, an dem sie ihrem Vater gesehen hatte. "Ihr könnt mich nicht leiden,
habe ich recht? Warum?", fragte sie und sah den Dämon direkt an.
Kalt erwiderte er den Blick. "Ihr seid ein Mensch." Rutschte ihm die Antwort
hervor, bevor er es nur im Ansatz verhindern konnte.
Rin nickte."Schön, doch das ist keine Antwort auf meine Frage."
Keisuke schüttelte den Kopf. "Doch. Genau das ist die Antwort auf Eure Frage,
Hime. Ihr seid ein Mensch und die Menschen sind schwächliche Geschöpfe, die
nicht lange leben und keine Ehre haben. Sie verraten alles und jeden, wenn es
für sie nützlich ist."
"Ihr habt keine sehr hohe Meinung von uns, Keisuke-san", erwiderte Rin nach
einer kurzen Pause.
Sie wusste nichts über ihren Leibwächter, den ihr Ziehvater ihr zugeteilt
hatte. Doch irgendwie schien seine Meinung über die Menschen aus mehr, als nur
der normalen dämonischen Überheblichkeit zu bestehen.
"Die Erfahrung lehrte mich auf die harte Tour, dass es so ist", er zögerte
kurz und fuhr dann fort. "Doch seid unbesorgt. Es wird mich nicht davon
abhalten meine Pflicht zu tun. Die Befehle des Fürsten sind verbindlich."
Rin schwieg, nur ihre Augen ließen ihn keine Sekunde aus dem Blick. "Es tut
mir leid, dass Ihr so über uns Menschen denkt. Ich weiß nicht, was Euch
widerfahren ist, doch nicht alle Menschen sind verachtenswerte Geschöpfe. Ich
werde mich bemühen, Euch Eure Aufgabe so leicht zu machen, wie es möglich ist.
Lasst uns nun zurückkehren. Morgen wartet Arbeit auf uns."
Sie wandte sich um und ging die langen kiesbestreuten Wege langsam zurück zum
Haupthaus. Keisuke folgte ihr ohne ein weiteres Wort.
************************************************************************
Die nächsten Tage verliefen immer nach demselben Schema. Rin stand schon früh
auf. Nach einem gemeinsamen Frühstück mit der Fürstenfamilie, zog sie sich mit
Jaken in die Arbeitszimmer der Schreiber und des Verwalters Makoto zurück.
Jaken hatte es sich zur Aufgabe gemacht die Bücher zu überprüfen. Dabei legte
er einen solchen Eifer an den Tag, dass es Rin erschauderte.
Denn nicht nur, das er selbst den ganzen Tag lang nur noch Zahlen und Tabellen
rezitierte, er gab ihr auch noch einen großen Anteil davon ab.
Einmal am Tag trafen sich der Fürst, Jaken und auch Rin um mit den
Verhandlungen über das Abkommen zu beginnen. Keisuke war immer wie ein
lautloser Schatten dabei.
Rin dachte nach diesen ersten zwei Tagen, dass es vielleicht einfacher sei
Jaken kurzerhand zwischen seine heißgeliebten Bücher zu klemmen und einfach
abzuhauen. Ihr Blick streifte manchmal sehnsüchtig das offene Fenster. Sie
sehnte sich danach auf Ah-Uhn’s Rücken dieser staubtrockenen Arbeit zu
entfliehen und sich den Wind um die Nase wehen zu lassen.
Die Rettung kam von einer Seite, von der sie sie nicht erwartet hatte.
Der Vormittag war schon fast rum, als sich die Tür öffnete. Rin registrierte
die eilige Verbeugung des Verwalters Makoto, der sich gerade in diesem Moment
bei ihnen befand. Sie wandte den Kopf und sah sich unvermittelt dem
Fürstensohn gegenüber.
Mit einem leichten Kopfschütteln betrachtete er das Chaos der Unterlagen, in
dem sie saßen. "Rin-sama, ich sehe, das ich gerade noch zur rechten Zeit
gekommen bin", sagte er und mit einem weiteren Blick auf die Papiere.
"Jaken-sama", er deutete eine leichte Verbeugung vor dem kleinen grünen Youkai
an. Keisuke, der auf seinem üblichen Platz an der Wand lehnte, verzog das
Gesicht.
Hiroki fuhr fort. "Jaken-sama, ich möchte der Hime ein wenig unsere Stadt und
die Umgebung zeigen. Es wäre sicher von Vorteil, wenn sie auch diese kennen
lernt, um zu sehen, wie unsere Leute leben."
Jaken strich sich geschmeichelt über den Bauch. "Das ist ein sehr guter
Vorschlag."
Rin konnte es kaum glauben, dass sie wirklich so einfach entkommen konnte.
Eilig, bevor es sich der Youkai noch mal anders überlegen konnte, stand sie
auf.
"Danke, Jaken-sama."
Hiroki lächelte, als sie schon mit glänzenden Augen vor ihm stand.
"Lasst uns gehen. Schnell...", fügte sie leise hinzu. Sie fürchtete, dass es
sich Jaken doch noch in letzter Sekunde anders überlegen könnte.
Keisuke folgte ihr augenblicklich.
Ihm behagte es vielleicht nicht, dieses Menschenweib dauernd vor nicht
vorhandenen Gefahren beschützen zu müssen, doch die Aussicht dieses Schloss
und damit den Geruch dieser vielen Menschen entkommen zu können, war mehr als
verlockend. Auch wenn es nur für ein paar Stunden sein würde.
Draußen auf den Gang wandte sich Hiroki kurz zu dem Inuyoukai um."Ihr
braucht nicht mitzukommen. Die Hime wird unter meiner Obhut völlig sicher sein."
Keisuke schüttelte nur den Kopf. "Niemand entbindet mich von meiner Pflicht.
Das kann nur der Fürst der westlichen Länder."
Hiroki nickte. "Gut. Dann folgt uns."
"Was sehen wir uns als erstes an?", fragte Rin neugierig und folgte Hiroki.
Dieser lächelte nur geheimnisvoll. "Lasst Euch überraschen. Ihr werdet nicht
enttäuscht sein."
***********************************************************************
Ende Kapitel 4
Hiroki hat nicht gerade die Besichtigungstour geplant, wie er es Jaken erzählt
hat. Nein, der junge Mann hat eigentlich etwas anders vor.
Doch verläuft sein Vorhaben nicht ganz so wie geplant.
Denn „Ein Picknick mit unangemeldeten Gästen“ endet beinahe in einer
Katastrophe.
Mit diesem Kapitel verabschiede ich mich für das Jahr 2009 von euch.
Ich möchte mich bei allen bedanken, die hier meine Geschichten lesen und vor allen
bei denjenigen, die Kommis hinterlassen. Ihr seid mir immer ein toller
Ansporn weiter zu schreiben.
Fühlt euch alle ganz fest geknuddelt.
Ich hoffe, wir "lesen" uns auch nächstes Jahr wieder.
Bis dahin wünsche ich euch von Herzen einen guten Rutsch nach 2010 und eine
tolle Sylvesterfeier.
Liebe Grüße
chaska