Kampf um Rin’s Leben
Hallo ihr Lieben,
Das nächste Kapitel geht online und die Geschichte nimmt erneut Fahrt auf.
Viel Spaß beim Lesen...
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Kampf um Rin’s Leben
Noch lag der Morgennebel in der Luft. Jaken atmete tief ein, als er aus seinem Raum
auf den kleinen Balkon trat. Man konnte den nahenden Herbst nicht nur sehen, sondern
auch spüren. Die Nächte wurden allmählich kühler.
Die Vögel ließen sich jedoch nicht davon abhalten ihr morgendliches Konzert zu geben.
Eine wahrhaft friedliche Stimmung lag über Schloss Inu no Taishou.
Jaken rieb sich die Hände. Heute Nachmittag würden Lord Sesshomaru und Lady Ayaka
zurückkehren. Sie waren in der Frühe mit dem Fürst Nakazato zu den menschlichen Dörfern
aufgebrochen. Lady Ayaka hatte den Vorschlag gemacht zu zeigen, wie die Menschen hier
lebten und was für Vorteile sich daraus für beiden Seiten ergaben.
Es hatte sich in der Tat die letzten Jahre viel verändert hier.
Vorbei waren die Zeiten des nomadenhaften Lebens, das er im Dienste seines Herrn
geführt hatte.
Vorbei war der unversöhnliche Hass, den sein Herr gegen die Menschen gehegt hatte. Zwar
war er noch immer unnahbar und auch kalt berechnend, doch er lebte mehr nach dem
Motto: Leben und leben lassen.
Die Herrin hatte viel zu diesem Sinneswandel beigetragen.
Mit einem Seufzen rückte Jaken seine Kleidung zurecht. Es wartete Arbeit auf ihn.
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Tief atmete Rin durch. Sie war froh, der angespannten Atmosphäre in dem Schloss
entkommen zu sein.
Der Antrag von Hiroki hatte sie im Grunde genommen nicht sehr überrascht. Und nun
eschäftigte der junge Mann ihre Gedanken Tag und Nacht.
Sie mochte ihn.
Er sah gut aus und war der Erbe eines menschlichen Fürstentums. Doch würde eine Heirat
auch bedeuten, dass sie ihre Eltern verlassen musste. Der Gedanke kam ihr irgendwie
unwirklich vor, dass sie jemals woanders leben würde, als hier bei ihrem Ziehvater und -Mutter.
Alles sprach für diese Verbindung, doch war da ein kleiner Teil ihres Herzens, der
damit nicht einverstanden war. Dabei wusste sie noch nicht einmal warum sie dieses
Gefühl nicht abschütteln konnte.
Gedankenverloren zupfte sie an den Zügeln ihres Pferdes und lenkte das Tier abseits der
Straße. Gehorsam folgte der Braune dem Befehl.
Rin vergaß für einen Moment ihre schweren Gedanken und wandte ihre Aufmerksamkeit ihrer
Umgebung zu. Das Laub färbte sich allmählich und leuchtete farbenfroh in der
morgendlichen Sonne auf.
Wie gut, dass ihre Eltern nicht da waren. Sie waren Früh aufgebrochen. Nur so war es
ihr gelungen sich in den Stall zu schleichen und sich ein Pferd zu satteln und damit zu
verschwinden.
Die beiden Wachen am Tor hatte sie durch ihre bestimmte Art überzeugt, sie passieren zu
lassen. Sie hatte sie einfach damit angelogen, dass sie ausreiten durfte. Und wer
wagte es sich der Prinzessin der westlichen Länder entgegen zu stellen?
Ihr schlechtes Gewissen regte sich, als sie daran dachte, dass es ihr verboten war alle
in auszureiten. Und sie dachte daran, dass die Wachen wahrscheinlich Ärger bekommen
würden, dass sie sie nicht aufgehalten hatten
Es wurde wirklich Zeit umzukehren. Dann kam sie noch zur rechten Zeit um das Frühstück
mit dem Fürstensohn einnehmen zu können.
Diese Aussicht ließ sie lächeln und sie drückte ihrem Pferd leicht die Fersen in die
Flanken und trieb es zu einem flotten Trab an.
Der Weg tauchte wieder vor ihr auf.
Doch in diesem Moment stoppte ihr Pferd so plötzlich, dass sie für einen kurzen
Augenblick fast die Balance verlor.
„Was ist los?“, fragte sie und strich dem Tier beruhigend über die rechte Halsseite.
Doch das Pferd tänzelte nur schnaubend zur Seite. Rin spürte, wie sich alle Muskeln
unter dem Sattel anspannten.
Sie drehte den Kopf und versucht herauszufinden, was dem Tier so viel Angst machte.
Doch der Wald verbarg es.
„Komm schon. Hier ist nichts“, versuchte Rin es erneut, doch der Braune wich mit einem
Wiehern nach hinten zurück. Sie drückte mit aller Kraft die Fersen in die Flanken, doch
das Tier wich immer weiter zurück.
Äste krachten, ein wildes Knurren schwang durch den Wald.
Das Pferd schrie auf, dass es fast menschlich klang.
Dann wurde es still…. Selbst die Vögel schwiegen.
Nur ein genüssliches Schmatzen und das Brechen von Knochen war leise zu hören...
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Jaken schob die Tür zu Rin’s Gemächern auf und tappte hinein. Eine Dienerin, die gerade
saubermachte, verbeugte sich tief vor ihm. Suchend glitt Jaken’s Blick durch den Raum.
„Wo ist die Hime?“, fragte er schließlich, als er Rin nirgends entdecken konnte.
Schon während seiner Frage kam ein wohlbekanntes ungutes Gefühl in ihm hoch.
„Ich weiß es nicht“, antwortete die Dienerin.
Das schlechte Gefühl verstärkte sich schlagartig. Genau DAS hatte eigentlich nicht
hören wollen.
Sofort machte er kehrt und ging in Richtung Hof. Kaum trat er ins Freie schlug er den
Weg zu den Stallungen ein. Ein Blick genügte um zu zeigen, dass Ah-Uhn der riesige
Reitdrache noch immer da war.
Er rief einen der Pfleger herbei. „War die Hime hier?“, insgeheim hoffte er auf eine
Verneinung, doch sank sein Herz in den Magen, als er das eifrige Nicken sah. „Gewiss,
Jaken-sama. Sie ließ sich ein Pferd satteln und ist ausgeritten.“
Der Dämon zuckte zusammen, als Jaken heftig anfing zu fluchen.
Irritiert sah er dem Krötendämon nach, wie er auf schnellen kurzen Beinen aus dem Stall
watschelte.
Seine schlimmsten Befürchtungen hatten sich bewahrheitet. Rin war mal wieder allein
unterwegs. Gerade jetzt. Die junge Frau ahnte nicht, in was für einer Gefahr sie
schwebte und gerade jetzt waren weder der Herr noch die Herrin zugegen. Sie waren mit
dem Fürsten Nakazato unterwegs in den Ländereien.
Jaken blieb inmitten des Hofs stehen. Feine Schweißtropfen bedeckten seine Stirn.
„Was soll ich bloß tun? Der Herr wird mich umbringen. Oh, ihr Götter.«
„Ihr scheint Sorgen zu haben Jaken-sama!?“
Die voll tönende Stimme riss Jaken hoch. Vor ihm stand mit einem breiten Lächeln Hiroki,
der Fürstensohn. „Ich wollte zwar gerade Rin-chan besuchen, doch natürlich würde ich
Euch gerne behilflich sein, wenn ich es kann.“
„Es geht um die Hime“, stieß Jaken erleichtert hervor.
Die Augenbrauen von Hiroki zogen sich zusammen. „Was ist mit ihr?“
„Offenbar ist sie ohne Begleitung ausgeritten. Und ausgerechnet jetzt, wo weder der
Herr noch die Herrin da sind.«
„Ich bin sicher ihr passiert nichts. Ich habe Rin-chan als eine durchaus fähige Frau
kennen gelernt. Die sich auch in schwierigen Situationen behaupten kann“, erwiderte
Hiroki zuversichtlich.
„Vielleicht, doch hat sich die Situation in unsere Abwesenheit geändert. Es gab
Übergriffe von einem Bärenyoukai auf verschiedene Dörfer. Dabei gab es auch Tote.
Der Herr wollte in den nächsten Tagen sich auf die Suche machen und den Youkai
ausschalten, der das verursacht hat.
Rin weiß nichts davon und es kann sein, dass sie unwissentlich genau diesem Untier in
die Fänge stolpert“, sagte Jaken und ein Beben erfasste seine Körper. „Ich darf gar
nicht daran denken, was er dann mit ihr macht.“
Hiroki starrte Jaken ungläubig an. „Rin ist in Gefahr? Wir müssen etwas unternehmen.
Ich werde sofort aufbrechen und sie suchen, Jaken-sama…. Sorgt Ihr bitte dafür, dass
sich Keisuke-san hier bei mir einfindet. Er ist bestimmt am Besten geeignet Rin zu
finden und ich hätte ihn gern als Begleiter.“
Jaken’s Gesicht klärte sich auf. „Das ist die Idee. Gewiss. Ich eile... wartet hier.“ Und
schon watschelte er in Windeseile davon.
Hiroki ließ sich in der Zwischenzeit sein Pferd satteln. Kaum führte er es aus dem
Stall, sah er schon, wie Keisuke in Begleitung von Jaken herbeikam.
Das Gesicht des Inuyoukai war eine einzige grimmige Miene. „Beeilen wir uns“, sagte er
nur und die Worte wurden von einem leichten Knurren begleitet.
„Kein Pferd?“, fragte Hiroki und schwang sich in den Sattel.
„Ich bin schneller, als so ein Vieh“, sagte Keisuke und wandte sich schon in Richtung
Schlosstor.
„Wie du meinst“, murmelte Hiroki und stieß mit den Fersen leicht in die Flanken des
Pferdes. Mit einem tiefen Schnauben setzte sich das Tier in Bewegung und folgte dem
Inuyoukai durch das Tor nach draußen.
Kaum hatten sie das schwere Tor passiert, verfiel Keisuke in einen schnellen Lauf. Er
wollte so bald wie möglich aus der Nähe des Schlosses kommen, um leichter Rin’s Spur
aufnehmen zu können.
Er sah sich nicht um, doch er hörte deutlich, wie der Fürstensohn ihm folgte.
Nach kurzer Zeit stoppte der Youkai und blieb stehen.
Augenblicklich zog Hiroki die Zügel an und stoppte ebenfalls. Schnaubend tänzelte das
Pferd auf der Stelle. Schweigend, um Keisuke nicht zu stören, sah er zu seinem Begleiter.
Der Inuyoukai hatte die Augen geschlossen und den Kopf leicht in den Nacken gelegt. Die
Nasenflügel weiteten sich, als er den Wind prüfte. Keisuke bot ein Bild der vollständigen
Konzentration, nichts verriet, wie aufgewühlt er im Inneren war.
Die Sorge brannte heiß in ihm und was der Wind ihm zutrug vergrößerte sie sogar.
Blut...und die Witterung von Rin.
Aus derselben Richtung.
Hiroki zuckte zusammen, als Keisuke schlagartig die Augen wieder öffnete.
„Hast du...?“, fing Hiroki an.
„Dort entlang«, sagt Keisuke und zeigte in die entsprechende Richtung. Er warf einen
schnellen Blick zu dem Fürstensohn. „Und beeilt Euch. Ansonsten finden wir nur noch
ihre Leiche.“
Kaum hatte er es ausgesprochen, da rannte er schon los. Hiroki riss sein Pferd herum
und gab ihm die Sporen.
Die Worte des Youkai hatten seinen Herzschlag in die Höhe getrieben. Hatte Keisuke
übertrieben oder befand sich Rin wirklich in tödlicher Gefahr?
Auf jeden Fall musste er sein Pferd ganz schön antreiben, um mit dem Youkai Schritt
halten zu können. Er dankte den Göttern dafür, dass sein Tier die letzten Tage Zeit
gehabt hatte sich zu erholen. Ansonsten hätte er seinen Führer schon nach kurzer Zeit
sicher verloren.
Keisuke zitterte innerlich. Der Geruch, der ihn wie einen roten Faden durch den Wald
führte wurde intensiver und damit wurde auch seine Sorge größer.
Blut... es grauste ihm bei den Gedanken, was sie womöglich an ihrem Ziel angekommen
finden würden.
Der Weg machte vor ihnen eine Biegung und kaum hatten sie sie erreicht, stoppte Keisuke
scharf. Hinter sich hörte er wie schnaubend das Pferd zum Stillstand kam.
„Was...?“, begann Hiroki und verstummt im Angesicht dessen, was er dort sah. Inmitten
auf dem Weg befand sich eine große Blutlache. „Ihr Götter, wie sind zu spät“, murmelte er
erschüttert.
Keisuke hatte sich inzwischen niedergekniet und untersuchte das Blut. Wie er es schon
wahrgenommen hatte, handelte es sich dabei um das Blut von einem Pferd.
Nicht von Rin.
Der Wind blies warm über die beiden Männer hinweg und wehte ein Stück Stoff genau vor
Keisuke’s Finger. Instinktiv griff er zu und zuckte zusammen, als gleichzeitig der
Geruch von Wildblumen seine Nase streifte.
Bei dem Stoff handelte es sich um das Stück aus einem seidenen Haori und er wusste nur
zu genau, wem er gehörte.
~ Rin ~, unwillkürlich presste er das Stück Stoff an seine Nase und atmete tief ein.
Ja das war Rin und ... ihr Blut.
Er hielt den Fetzten ein wenig vom Gesicht ab und sah genau hin. Dort am Rand befanden
sich nur Stecknadelkopf große Blutspritzer. Aber es war eindeutig Rin’s Blut.
Sie war also doch nicht unverletzt aus diesem Überfall hinausgekommen. Doch wo war sie jetzt?
Er hob den Kopf und ließ den Blick über der näheren Umgebung streifen. Von der
Blutlache führte eine breite Schleifspur seitlich in den Wald. Der Youkai musste das
tote Tier und Rin mitgenommen haben. Denn auch die Spur von Rin’s Geruch wies in
dieselbe Richtung.
Keisuke erhob sich. Seine Hand ballte sich so fest um das Stück Stoff, dass seine Fingerknöchel
weiß hervortraten.
„Rin lebt noch“, er musste fest daran glauben, ansonsten war sein Leben wertlos.
„Wir folgen der Spur, bis wir sie finden.“
Hiroki war erleichtert, das zu hören. Das Blut hatte ihn das Schlimmste befürchten
lassen. Er stieg ab und nahm den Braunen an die Zügel. „Dann los. Geh vor!“
Keisuke nickte nur und machte sich daran der Spur zu folgen. Sie führte seitlich
zwischen die Bäume, folgte keinen bestimmten Pfad, wich mal nach rechts oder mal nach
links ab. Doch immer in nördliche Richtung.
Das Gelände wurde uneben. Leichte Erhebungen zogen sich durch den Wald und trieben
Hiroki den Schweiß auf die Stirn, während sie sie erklommen. Dem Youkai sah man
keinerlei Anstrengungen an. Stetig hielt er sein Tempo und suchte geschickt seinen Weg.
Mit einem Mal blieb er stehen. „Wir haben sie gefunden“, sagte er leise.
Hiroki lief ein Schauder über den Rücken, als er neben seinen Gefährten trat. Doch
außer Bäume konnte er nichts erkennen. Enttäuschung durchfuhr ihn.
„Wo ist sie?“, fragte er.
Der Youkai hob den Arm und zeigte vorwärts. „Wir kommen gleich in eine Senke und dort
befindet sich auch ein Hügel mit einer Höhle darin. Dorthin führt die Spur.“ Er wandte
den Kopf und sah den Fürstensohn an. „Wir werden in diese Höhle gehen und Rin dort
herausholen.
Wenn wir Glück haben, ist der Youkai nicht da. Doch meistens verlassen sie ihren Bau
nicht so bald, nachdem sie gefressen haben. Vor allen Dingen hat er ja auch noch Rin
und wird nicht riskieren wollen, dass sie flieht, wenn er nicht mehr da ist.
Also wird er höchstwahrscheinlich da sein.
Sobald wir dort sind, werdet Ihr Rin nehmen und von dort fliehen. Bringt sie zurück
zum Schloss.“
„Und was ist mit dir?“, fragte Hiroki zurück, während er das Schwert in der Scheide lockerte.
„Ich werde den Youkai aufhalten.“
„Dabei kann ich dir helfen. Sobald ich Rin aus der Höhle gebracht habe“, antwortete
Hiroki leicht irritiert.
„Pah", stieß Keisuke verächtlich aus. „Vielleicht glaubt Ihr zu wissen, was uns dort
erwartet, nur weil ich sagte es ist ein Bärenyoukai, doch glaubt mir Hiroki-sama, so
etwas habt Ihr noch nie in Eurem Leben gesehen und wollt es auch nie wieder sehen. Das
ist kein normaler Bär, das ist eine reißende Bestie und wir wollen ihr ihre Beute
streitig machen. Das ist, als ob wir direkt in den Schlund der Hölle spazieren.“
„Hört sich ja echt nett an“, murmelte der Fürstensohn. „Doch uns bleibt ja wohl kaum
eine andere Wahl.“
Keisuke mustere sein Gegenüber. Man konnte über Menschen sagen was man wollte, doch dieser
Mann hier war kein Schwächling oder gar Feigling. Er würde Rin ein guter Gefährte sein.
Der Gedanke war so plötzlich gekommen und hinterließ einen Schmerz, auf den Keisuke
nicht vorbereitet gewesen war.
Doch war es eine Tatsache. Es hatte sich schon herumgesprochen, dass Sesshomaru-sama
entschieden hatte, die Verbindung zu dem menschlichen Fürsten durch eine Heirat zu
vertiefen.
Im Grunde war er von Anfang an chancenlos gewesen. Er war ein rangniederer Youkai, ein
Mitglied der Palastwache. Niemals, selbst wenn Sesshomaru von seinen Gefühlen gewusst
hätte, hätte er dieser Verbindung zugestimmt.
Zumal Rin in der letzten Zeit mehr als abweisend gewesen war.
Mit leichter Trauer erinnerte er sich an ihre Zusammenkunft auf dem Übungsplatz der
Fürstenfamilie, die die Fürstin Ayaka arrangiert hatte. Nichts war so gelaufen, wie er
es sich vorgestellt hatte. Jetzt hatte er wenigstens die Möglichkeit der Hime einen
letzten Dienst zu erweisen indem er sie vor den grausigen Tod unter den Krallen des
Youkai rettete. Es war durchaus möglich, dass er diesen Kampf nicht überlebte. Und wenn
doch, dann würde er ohnehin das Schloss verlassen.
Doch das lag alles in einer ungewissen Zukunft. Jetzt hieß es Rin zu retten. Dabei
hoffte er dass die junge Frau wirklich noch lebte. Hiroki band sein Pferd an einen
tiefhängenden Ast fest und folgt Keisuke. Leise auf jedes Geräusch achtend, schlichen
sie sich näher. Die Bäume wichen zur Seite und eine kleine freie Fläche tauchte vor
ihnen auf. So wie es Keisuke gesagt hatte, befand sich unmittelbar auf der ihnen
gegenüberliegenden Seite eine steile Steinwand in deren Mitte ein dunkles Loch gähnte.
„Dort ist es“, sagte Keisuke leise und starrte mit brennenden Augen auf den dunklen
Höhleneingang.
Hiroki stand direkt neben ihm. Er sah ebenfalls die blutige Spur, die bis dorthin
führte. Sein Herz war voller Sorge um Rin.
Ob sie sie finden würden? Und wenn, war sie dann überhaupt noch am Leben?
„Wenn wir reingehen, dann werde ich mich um den Youkai kümmern und Ihr werdet Rin in
Sicherheit bringen“, Keisuke sah den Fürstensohn eindringlich an. „Ihr werdet sie
unverzüglich zum Schloss zurückbringen. Ihr werdet nicht zurücksehen oder auf mich
warten.“ Wiederholte er nochmals eindringlich seine Worte.
Hiroki nickte wortlos.
„Also los!“, sagte Keisuke und zog sein Schwert. Hiroki folge ihm unverzüglich und
zog ebenfalls sein Schwert, obwohl ernsthaft bezweifelte, damit einem angreifenden
Bärenyoukai gewachsen zu sein. Er musste gewaltig sein, wenn er ein großes Pferd und
auch noch eine Frau mit sich schleifen konnte und auch noch über eine solche Strecke.
Mit langsamen, wachsamen Schritten überquerten sie den freien Platz vor der Höhle.
„Ist er überhaupt drin?“, fragte Hiroki leise. Keisuke nickte. „Ja, ich kann ihn
deutlich spüren und wittern.“ Sie erreichten den Höhleneingang ohne Zwischenfälle.
Der dunkle Höhleneingang schluckte sie. Es war ein seltsames Gefühl in diese Dunkelheiteinzutauchen.
„Wir hätten Fackeln mitnehmen sollen“, flüsterte Hiroki leise. Er hatte unwillkürlich
die Stimme gesenkt.
„Es wird dort vorne besser. Es scheint, als ob ein Stück der Höhlendecke eingestürzt ist“, antwortete Keisuke.
Sie umschritten eine Biegung und blieben stehen. Vor ihnen öffnete sich ein kleiner
Platz. Fahles Tageslicht fiel von einem Durchbruch in der Decke zu Boden und schuf eine
Insel der Helligkeit in der Schwärze.
Der Gang schien sich nach rechts fort zu setzten. Auf der freien Fläche lag der
blutige Körper des Pferdes, oder zumindest, was davon übrig geblieben war.
Und auf der linken Seite nahe der Wand, ein regloser Körper.
Blutbeschmiert und mit zerrissenen Kleidern.
„Rin...sie ist tot“, stöhnte Hiroki.
„Nein... sie lebt ... noch“, eine tiefe grollende Antwort kam aus dem Gang vor ihnen.
Hiroki zuckte zusammen. Nur der Inuyoukai stand regungslos da. Er hatte gewusst, dass
sie nicht allein waren.
Die Dunkelheit schien in Bewegung zu geraten. Ein riesiger massiver Schatten kam näher.
Er füllte fast die gesamte Gangbreite und -höhe aus. Er hatte die Lichterinsel
erreicht und das, was sich da aus der Dunkelheit schälte, ließ Hiroki vor Schrecken
starr werden.
Es handelte sich um einen riesigen Bären. Den größten, den er jemals zu Gesicht
bekommen hatte.
Seine Schulterhöhe musste schon während er auf vier Beinen ging an die zwei Meter
betragen. Gewaltige Muskelberge bewegten sich unter struppigem schwarzbraunem Fell. Die
Blut verschmierte Schnauze hob sich witternd. Kleine schwarze Augen musterten sie
heimtückisch.
„Ein Inuyoukai und ein Mensch“, grollte es ihnen entgegen. „Verschwindet von hier. Es
sei denn, ihr wollt meinen Speiseplan erweitern.“
„Wir werden gehen“, antwortete Keisuke ruhig. Er hatte geahnt, was für ein Gegner hier
auf ihn wartete. Er selbst war ein guter Kämpfer und er war sehr stark. Doch gegen
diesen Muskelberg von roher dämonischer Gewalt würde er es sehr schwer haben.
Vielleicht würde sein Können diesmal nicht ausreichen.
Er verbot sich eisern nur einen einzigen Blick in die Richtung von Rin zu werfen. Die
Sorge um die junge Frau brannte tief in ihm. Alles in ihm schrie ihm zu, zu ihr zu
gehen und sich zu vergewissern, dass sie lebte, dass es ihr gut ging. Doch er war ihre
einzige Chance lebend hier herauszukommen.
„Wir werden gehen“, wiederholte er mit fester Stimme ruhig und hob das Schwert in
Richtung des Bärenyoukai. „Doch wir werden die junge Frau mitnehmen.“
Der schwere Schädel des Bären bewegte sich verneinend von links nach rechts. „Nein... Sie
ist meine Beute. Ich teile nicht. Jagd dir was eigenes, Hund“
Der massive Körper bewegte sich vorwärts in Richtung Rin. Keisuke machte zwei schnelle
Schritte und stellte sich mit erhobenem Schwert zwischen den reglosen Körper und den
Youkai.
„Verschwinde!“, grollte der Bär drohend.
Ohne seinen Blick von seinem Gegner zu nehmen, rief Keisuke dem noch immer erstarrten
Fürstensohn zu. „Hiroki... nimm Rin und verschwinde!“
Der dringliche Ruf durchbrach endlich Hiroki’s Erstarrung. Er steckte das Schwert weg
und rannte zu Rin. Rasch hob er ihren reglosen Körper auf seine Arme und wandte sich
zum Ausgang.
„Keisuke?«
„Lauft... Lauft und schaut nicht zurück“, schrie der Inuyoukai. Denn in diesem Moment
kam Bewegung in den Bären. Mit einem infernalischen Brüllen stürzte er vorwärts auf Keisuke zu.
Hiroki warf sich herum und rannte los, als wären sämtliche Teufel der Hölle
höchstpersönlich hinter ihm her. In Rekordzeit erreichte er den Ausgang.
Ein leises Stöhnen ließ ihn kurz zögern.
Er warf einen Blick auf Rin hinunter. Die junge Frau erwachte gerade aus ihrer Bewusstlosigkeit.
Im ersten Moment wusste Rin nicht wo sie war. Sie spürte nur ein Schaukeln und die
Erinnerungen übermannten sie.
Mit einem lauten Schrei öffnete sie die Augen.
„Ganz ruhig, Rin-chan, du bist in Sicherheit!“, versuchte Hiroki sie zu beruhigen. Er
musste stehen bleiben, denn sie begann unkontrolliert zu strampeln.
Ungläubig hielt Rin inne, als sie den jungen Mann erkannt.
„Hiroki...", flüsterte sie ergriffen. Tränen kam hoch und rannen über ihre verschmutzen Wangen.
Ohne groß zu überlegen, warf sie ihm die Arme um den Hals und presste sich fest an ihn.
„Bei allen Göttern, was bin ich froh“, sie hob den Kopf. „Wie habt Ihr mich gefunden?“
Hiroki lief wieder los. „Dein Leibwächter hat deine Spur gefunden und wir haben dich aus der Höhle geholt.“
„Keisuke... wo ist er?“
In diesem Moment erreichte sie ein ohrenbetäubendes Brüllen und das Brechen von Felsen. Rin wurde bleich.
Sie wusste mit einem Schlag, wo sich der Inuyoukai befand.
Hiroki erreichte in diesem Moment das Pferd, das sie zurückgelassen hatten. Es tänzelte
nervös hin und her.
Die Zügel mit denen er es angebunden hatte, spannten sich bis zum Zerreißen.
Mit Schwung beförderte er Rin in den Sattel, löste die Zügel und sprang hinter ihr auf.
Die rechte Hand schlang er um ihren Körper, um sie vor dem Runterfallen zu bewahren.
Rin krampfte ihre Hände unwillkürlich in die lange Mähne des Braunen.
„Wir müssen ihm helfen!“, schrie sie.
Hiroki rammte dem Pferd die Fersen in die Flanken und mit einem gewaltigen Satz sprang es vorwärts.
„Nein... Er sagte, ich soll dich in Sicherheit bringen. Wir sollten seinen letzten
Wunsch respektieren“, schrie er gegen den Wind an, der ihnen durch den rasenden Galoppn entgegenpeitschte.
Verzweifelt klammerte sich Rin fest.
~Keisuke~, durchzuckte es sie schmerzhaft. So wie es schien hatte sich der Youkai geopfert um ihr Entkommen zu ermöglichen.
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Unruhig wanderte Jaken im Hof vor dem schweren Tor hin und her. Gelegentlich blieb er
stehen und starrte mit zusammengekniffen Augen den Weg hinaus um die Ankunft seines
Herrn nicht zu verpassen. Doch auch jetzt war nichts zu erkennen. Wieder nahm er seine
Wanderung auf.
~Warum nur?~, dachte er. ~Was habe ich denn getan, dass es immer ich sein muss, die
solche schlechte Nachrichten zu überbringen hat?~
„JAKEN-SAMA!“ der Ruf riss ihn fast von den Füßen. Er blieb stehen und sah hoch in
Richtung der Mauerwehr, wo Inuyoukai von der Palastwache ihren Dienst schoben. Einer
stand an der Brüstung und steckte den Arm aus. „Seht… sie kommen!“
Jaken sah augenblicklich zum Tor hinaus. Dort in der Ferne konnte er Reiter sehen. Das
waren der Fürst Nakazato und seine Wachen.
Und dort... daneben konnte er die Gestalten von Sesshomaru und Ayaka ausmachen. Die
beiden Dämonen hatten sich nicht dazu herabgelassen auf Pferden zu reiten.
Die Zeit, die der Trupp benötigte um endlich durch das Tor auf den Hof zu reiten,
währte in Jaken's Augen eine halbe Ewigkeit.
„Sesshomaru-sama!“, rief er aus und warf sich der Länge nach auf den Boden, kaum war
der Fürst vor ihn getreten. Die goldenen Augen von Sesshomaru verengten sich zu Schlitzen.
Hier war etwas nicht in Ordnung. Er kannte diese demütige Geste nur zu genau.
„Was ist passiert?“, fragte er leise und mit kühler Stimme.
Ayaka trat an seine Seite. Ihr Blick wurde besorgt, als sie Jaken im Staub liegen sah.
„Mein Herr… ich konnte es nicht verhindern«, stieß Jaken hervor.
„Und was konntest du nicht verhindern?“, frage Sesshomaru nach, der spürte, wie seine
Geduld sich langsam dem Ende näherte.
Jaken wagte nicht den Kopf zu heben. „Die Hime ist ausgeritten. Sie wusste nichts von
dem Verbot sich nicht vom Schloss zu entfernen..."
„Der Bärenyoukai... Sesshomaru-sama", rief Ayaka erschrocken aus und ihre Hand griff
Halt suchend nach dem Arm ihres Gefährten.
„Was ist passiert?“, kam die Frage von Nakazato. Er hatte aus den Stimmen und den Worten
herausgehört, dass es keine guten Nachrichten gab.
Noch immer den Kopf auf dem Boden sagte Jaken. „Euer Sohn und Keisuke sind losgezogen
um die Hime zu finden.“
„Ist mein Sohn in Gefahr?“, fragte Nakazato und seine Finger umklammerten die Zügel so
fest, dass die Knöchel durch die Haut schimmerten.
Ohne ein Wort drehte sich Sesshomaru um und ging auf das Tor zu.
„Wir werden sie finden und alle unversehrt zurück bringen“, sagte Ayaka und warf sich
herum um ihren Gefährten zu folgen.
Jaken wagte es den Kopf zu heben. Er sah noch, wie der Fürst und seine Gefährtin wie
der Blitz verschwanden. Hörbar atmete er auf und stemmt sich auf die Beine.
Er spürte neben sich eine Bewegung und als er sich umdrehte, sah der den menschlichen
Fürsten vor sich. „Jaken-sama ich erwarte eine ausführliche Erklärung.“
Soviel zu der Vorstellung: Die Beichte wäre vorbei.
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Ende Kapitel 14
Rin ist für’s erste auf den Weg in Sicherheit. Doch was ist mit Keisuke? Hat der
Inuyoukai die Rettung von Rin mit seinem eigenen Leben bezahlt?
Die „Liebe eines Youkai“ kann vielleicht Wunder geschehen lassen.
Bald geht es weiter.
Liebe Grüße
chaska