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Blutrote Rosen

von

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Kapitel 10 ♥

Es war, als wenn mein Herz zerbrechen würde, immer wenn ich Chris in der Schule begegnete.

Anfangs war er noch auf mich zugekommen, wollte mit mir reden.
 

Aber ich hatte ihn ignoriert und jetzt ließ er mich in Ruhe.
 

Nur wir zwei wussten, was vorgefallen war. Wenn überhaupt. Vielleicht wusste nur ich die gesamte Wahrheit. Die Wahrheit, dass ich ihn nicht mit meinen Gefühlen enttäuschen wollte und deshalb nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte.
 

Ich hatte gedacht, es sei nicht so schlimm, Chris nicht mehr direkt in meiner Nähe zu haben, weil ich ja Tilo hatte. Aber ich hatte mich geirrt.
 

Ich bekam immer Magenschmerzen, wenn sich unsere Blicke zufällig trafen und er schnell zur Seite sah.
 

Er hatte sich zu ein paar Klassenkameraden gesellt und schien auch bestens mit ihnen klar zu kommen. Früher war ich einmal derjenige gewesen, der sich mit ihm verstand. Aber das war Vergangenheit. Ob er die Zeit wohl auch ein wenig vermisste? Ich sollte endlich damit abschließen.
 

Trotzdem erwischte ich mich immer wieder dabei, darüber nachzudenken, ob ich unter einem Vorwand zu ihm hingehen sollte. Nachricht an Kalle, oder Ähnliches…
 

Aber ich ließ es bleiben.
 

Ein halbes Jahr lang ging das gut…
 

Es war bereits wieder Sommer geworden. Trotzdem trug Chris immer nur langarmige Pullover.
 

Es wäre mir ja gar nicht aufgefallen, wenn es nicht 30°C im Schatten gewesen wären. Ich hatte gehört, wie er sich damit rausgeredet hatte, dass ihm kalt war, weil er die Ferien in Ägypten verbracht hatte und darum an die Temperaturen dort gewöhnt war.
 

Aber ich sah, wie ihm der Schweiß auf der Stirn glitzerte.
 

Gerade fragte ich mich, was ihn wohl dazu veranlassen mochte lügen zu erzählen, als es mir wie Schuppen von den Augen fiel.
 

Ich sprang auf.
 

„Fabi, was ist los?“ Tilo der neben mir im Gras lag, schirmte seine Augen mit der Hand ab und blinzelte mich irritiert an.
 

„Muss mal kurz was erledigen“, murmelte ich und steuerte auf die Gruppe, wie Hühner gackernder Mädchen zu, bei denen heute auch Chris dabei stand.
 

„Ey, Maurer, was willst du denn hier?“, Sophie, die Oberhenne, guckte mich böse an. Ich würdigte sie keines Blickes. „Chris“, flüsterte ich. „Kann ich kurz mit dir sprechen?“
 

Sophie schubste mich zu Seite, sodass ich fast das Gleichgewicht verlor.
 

„Lass die Scheiße, Maurer!“, zischte sie „Chris will nichts mehr mit dir zu tun haben!“
 

Eingebildete Schnepfe. Ich ließ mich trotzdem nicht abhalten. „Chris, bitte“
 

Chris nickte und sah mich traurig an. „Okay. Was willst du?“
 

Ich begann zu schwitzen. „Unter vier Augen, mein ich.“
 

Chris’ Miene blieb unverändert, aber er folgte mir in den alten Fahrradschuppen.
 

„Was willst du Fabian?“, zischte er, als wir unter uns waren.
 

Ich sagte nichts, sondern trat einen Schritt auf ihn zu und zog mit einer flinken Bewegung seinen rechten Ärmel nach oben. Wie ich erwartet hatte!
 

Chris keuchte und zog seinen Arm weg.
 

Aber ich hatte gesehen, was er um jeden Preis geheim halten wollte: Sein Arm war voller Wunden. Alte, aber auch Frische. Er hatte sich geritzt!
 

Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Ich wusste noch genau wie es sich anfühlte, von jemandem so schwer verletzt zu werden, dass man es in körperlichen Schmerz umwandeln musste, um es ertragen zu können. Was war ihm geschehen. Wer hatte ihm so wehgetan? War ich es gewesen?
 

Ich sagte nichts, sondern sah ihn einfach nur an. Was hätte ich auch sagen sollen? Es war schließlich meine Schuld gewesen… meine verdammte Schuld! Das wurde mir jetzt klar. Konnte ich denn nicht einmal was richtig machen?
 

„Was willst du von mir, verdammt?“, schluchzte er und Tränen schimmerten in seinen Augen.
 

„Es tut mir so Leid…“, flüsterte ich und auch meine Augen brannten verdächtig. Alle Gefühle, die ich bis jetzt versucht hatte zu verdrängen, kamen wieder hoch.
 

Aber er schüttelte bloß den Kopf. „Das kannst du nicht machen, verdammt. Du kannst doch jetzt nicht so einfach zurückkommen und erwarten dass ich dir verzeihe, oder? Die ganze Scheiße… die ganze Scheiße, nur wegen DIR! Erst lässt du mich im Unklaren und dann im Stich!“
 

„Ich weiß, aber…“
 

„Ich denke, es lässt sich nicht verzeihen, was du mit mir gemacht hast!“ Eine Träne rann aus seinem Augenwinkel und tropfte von seinem Kinn auf den Pulli. „Weißt du, ich hab keine Ahnung, was los war! Ob du mich wirklich hasst oder was ich überhaupt gemacht habe! Weißt du wie weh das getan hat? Wie verdammt weh?“ Er machte eine kurze Pause und wischte sich mit seinem Ärmel über die Augen. Ich starrte betreten auf den Boden.
 

„Und jetzt“ Chris schluchzte. „Jetzt kommst du an und willst dich bei mir entschuldigen. Jetzt wo ich gerade gelernt habe, wie es ist, ohne dich zu Leben. Wo ich gerade gedacht hatte, ich würde es aushalten können! Weißt du, ich glaube einfach, dass es besser ist, wenn ich dir nicht verzeihe! Es würde eh nicht wieder so werden wie es war!“
 

Mein Herz zerbrach. Es zerbrach in tausend kleine Stücke. Und die letzte Hoffnung die ich gehabt hatte – dass ich vielleicht wenigstens wieder mit Chris befreundet sein könnte – gleich mit.
 

Jetzt war alles egal. Es machte keinen Unterschied mehr, ob Chris wusste was ich fühle oder nicht. Ob ich lebte oder tot war.
 

Chris sah mich noch ein letztes Mal an, bevor er sich umdrehte. Sein hübsches Gesicht war von Tränen überströmt. „Es tut mir Leid“, flüsterte er mit bebender Stimme. „Aber ich möchte dich nicht mit der Tatsache belasten, dass ich doch schwul bin.“
 

Mein Atem stockte. Ich musste mich verhört haben. „Was?“, fragte ich trotzdem fassungslos.
 

„Nichts, ist doch jetzt eh egal“
 

„Nein ist es nicht, sag das bitte noch mal!“
 

Bitte, bitte sag es noch einmal. Sag dass ich mich verhört hab. Das kann nicht sein.
 

„NEIN!“, schrie Chris und wollte raus stürmen, doch ich hielt ihn fest, zog ihn zurück und presste ihn gegen die Wellblechwand des Fahrradunterstandes. Er gab ein überraschtes Quietschen von sich.
 

„Sag es noch mal!“, wiederholte ich meine Aufforderung.
 

„ICH SAGTE NEIN!“, schrie er und versuchte sich zu befreien, aber ohne Erfolg, ich lockerte meinen Griff nicht.
 

„DOCH!“, schrie ich zurück.
 

Chris wandte sich und weinte, aber irgendwann gab er auf.
 

„Sag es!“, flüsterte ich.
 

Chris schluchzte auf. „Ich bin wie Kalle, okay? Ich bin schwul, verdammt!“
 

Also doch. Ich hatte mich doch nicht verhört. Ich lies ihn los und taumelte einen Schritt zurück. Die Welt verschwamm vor meinen Augen. Ich hatte mich nicht entschuldigt, weil er gesagt hatte, dass er nicht schwul war und ich dachte, es würde sich dadurch alles an unserer Freundschaft verändern. Und jetzt stand er einfach da und sagte mir, dass er doch schwul sei? Das durfte nicht sein!
 

„Es tut mir Leid, Fabi!“
 

Wieso entschuldigte er sich. Ich war doch derjenige, der die Fehler gemacht hatte. Wieso entschuldigte er sich bei mir?
 

„Wie lange weißt du das schon?“, flüsterte ich und wich noch einen Schritt zurück.
 

Chris zuckte hilflos mit den Schultern. „Ich weiß es nicht“, gab er kleinlaut zu. „Aber ich glaube, so richtig klar geworden ist es mir erst, als ich gemerkt habe, dass ich mich in dich verliebt hatte.“
 

Mein Herz machte einen Hüpfer der so groß war, dass es fast schon wehtat.
 

„Du hast WAS?“
 

„Es tut mir Leid. Ich weiß doch, dass du das niemals erwidern kannst. Deswegen wollte ich ja auch nie, dass du was davon erfährst. Aber ich kann mir eben nicht aussuchen wen ich liebe! Tut mir Leid, dass ich dich da mit hinein gezogen habe!“
 

Was in mir vorging, konnte ich nicht beschreiben. Da war so eine Wärme in mir. Ich hatte das noch nie so gespürt. Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Ich muss grauenvoll ausgesehen haben in dem Moment - meinen Mund verzogen als wäre ich die Grinsekatze höchstpersönlich, während mir die Tränen in Strömen über die Wangen liefen.
 

„Du Idiot“, flüsterte ich und trat auf Chris zu. Erstaunt hob er den Kopf.
 

Ich konnte nicht anders. Ich musste ihn einfach umarmen.
 

Sein Herzschlag beschleunigte sich, ich konnte das spüren. „Fabian, was…?“
 

„Warum hast du denn nichts gesagt“, flüsterte ich leise und vergrub mein Gesicht in seinen Haaren. „Ich liebe dich doch auch“
 

Chris versteifte sich kurz, dann schluchzte er und schlang seine schlanken Arme um mich. „Ich will dich wieder haben Fabi“, heulte er.
 

„Ja, ich dich auch!“, flüsterte ich und beugte mich zu ihm hinunter um ihn zu küssen.



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