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Blutrote Rosen

von

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Kapitel 5

Ich war gerannt, ohne zu wissen, welche Richtung ich hatte nehmen müssen.

Irrsinnigerweise war ich wieder an der Bahnhofsbrücke angekommen.
 

Meine Lungen brannten und ich hatte Seitenstechen.
 

Erschöpft lies ich mich in den kalten Schnee sinken und lehnte mich gegen das gefrorene Geländer.
 

Was hatte ich mir nur dabei gedacht, die beiden als Schwuchteln zu bezeichnen?
 

Ich bereute es, wie ich noch nie im Leben etwas bereut hatte. Sie konnten doch nichts dafür, dass sie anders waren, konnten doch nichts dafür, dass ich mir irgendeinen Mist auf Grund meiner Vorurteile zusammenphantasierte.
 

Immerhin schien es so, als würden sie sich lieben! War daran etwas falsch, nur weil sie beide Jungen waren? Nein!
 

Vielleicht lag es daran, dass ich so geschockt war, weil ich nicht damit gerechnet hatte… Fiddi, der Junkie von der Straße und Kalle, der Dealer, der mir trotz allem vernünftig erschien.
 

Ich hatte ein bisschen Angst mir einzugestehen, dass ich eifersüchtig war.
 

Ich hatte mir eingebildet, dass sowohl Kalle, als auch Fiddi mich verstehen könnten, da sie auch einsam waren… Aber in Wirklichkeit hatten sie sich!
 

Ich hingegen hatte niemanden… Ich war allein…
 

Langsam ließ ich mich in den Schnee sinken und rollte mich zu einer Kugel zusammen. Der Schnee schmolz unter der Wärme meines Körpers hinweg und durchweichte meine Kleidung. Ich fror entsetzlich. Manchmal kamen Passanten vorbei. Ich spürte, wie sie mir mitleidige Blicke zuwarfen. Eine junge Frau warf mir sogar einen Euro hin, bevor sie weiterging.
 

Mein Körper zitterte. Wenn ich jetzt sterben würde, es wäre mir egal. Ich hatte die einzigen Menschen, die mich nicht gleich verstoßen hatten durch Schimpfwörter verletzt und vertrieben. Schimpfwörter, die ich gar nicht so gemeint hatte und die dennoch so viel zerstören konnten.
 

Ich schloss die Augen; lauschte auf meinen Herzschlag.
 

Sterben… Ja, vielleicht war das das Beste… Die Augen schließen und sie nie wieder öffnen…
 

„Fabi? Was machst du denn da unten im Schnee?“
 

Ich kannte die Stimme, aber ich konnte sie nicht einordnen.
 

„Fabi? Nein bitte nicht!“
 

Irgendjemand rüttelte an meiner Schulter.

„FABIAN!!!“
 

Plötzlich fiel mir ein, woher ich diese Stimme kannte…
 

Schlagartig öffnete ich die Augen. Chris!
 

Er kniete neben mir. Bildete ich mir das nur ein, oder schimmerten in seinen Augen Tränen?
 

„Scheiße, Fabian!“, schniefte er „Ich dachte du wärst tot! Verdammt du musst aus dem Kalten raus!“
 

Er half mir aufzustehen. Ich spürte meinen Körper nur noch bedingt und musste mich auf ihn stützen um nicht umzuknicken.
 

Chris. Chris! CHRIS!
 

Er war da! Ich hatte ihn ganz vergessen… Ich war doch nicht allein!
 

„Fabi, verdammt, wo wohnst du? Ist es weit bis da?“
 

„Halbe Stunde!“, krächzte ich. „Wenn du über den Friedhof gehst zehn Minuten.“
 

Chris stöhnte auf, hievte mich hoch und begann vorwärts zu gehen. Ich versuchte, ihn nicht mit meinem ganzen Gewicht zu belasten, aber jeder Schritt schmerzte.
 

„Du musst mir den Weg sagen!“, japste er.
 

Ich klammerte mich an ihn und erklärte ihm, wie sie zu meinem Haus kam. Ich war lange nicht mehr hier auf dem Friedhof gewesen. Die vielen Toten machten mich trübsinnig.
 

Ich schloss die Augen und konzentrierte mich wieder auf meinen Herzschlag. Aber war das wirklich meiner? Oder war das der von Chris?
 

„Du darfst jetzt nicht die Augen zu machen!“, rief Chris an meinem Ohr. „Bleib wach!“
 

Ich öffnete müde die Augen und sah unser Haus vor mir.
 

„Da“, krächzte ich.
 

„Was?“
 

„Unser Haus! Der Schlüssel… Jackentasche“
 

Chris zog den Schlüssel aus meinem Anorak und beförderte mich ins Haus.
 

„Wo ist euer Bad? Habt ihr eine Badewanne? Verdammt, Fabi, BLEIB WACH!“
 

Der Drang, der wohltuenden Schwärze nachzugeben war groß, aber ich schaffte es trotzdem irgendwie, Chris ins Bad zu lotsen.
 

Er lies mich auf den Klodeckel sinken und ließ heißes Wasser in unsere Badewanne ein. Dann half er mir wieder beim Aufstehen.
 

„Halt dich an mir fest“, flüsterte er. Seine Stimme zitterte.
 

Ich schlang meine Arme um seinen Hals und legte meinen Kopf auf seine Schulter. Er war warm, so warm…
 

Ich konnte nicht mehr, meine Beine waren kurz davor wegzuknicken.
 

Chris schälte mich aus meinen kalten, nassen Klamotten und half mir, in die Badewanne zu steigen.
 

Das heiße Wasser war wie ein Schock für meinen Körper. Schlagartig verschwand die Müdigkeit. Ich spürte keine Wärme, spürte nur einen endlos großen Schmerz. Ich stöhnte auf, krümmte meinen Körper. Dann war der Schmerz vorbei. Ein Zittern durchlief mich und mit einem erneuten Stöhnen lies ich mich zurück sinken und schloss die Augen halb.
 

Sämtliche Gliedmaßen kribbelten unangenehm.
 

Ein Schluchzen drang an mein Ohr. Chris war vor der Badewanne auf die Knie gesunken, hatte den Kopf auf den Rand gelegt und weinte.
 

„Verdammt, Fabian!“, schniefte er. „So was kannst du doch nicht machen! Ich dachte du stirbst! Ich hatte solche Angst! Verdammt“
 

Tränen kullerten über seine Wangen, blieben an seiner Nasenspitze und am Kinn hängen um dann ins Wasser zu tropfen.
 

Mir wurde warm. Nicht wegen des Wassers… Es war eine andere Art von Wärme. Eine Wärme, die mein Herz erhellte.
 

Er weinte wegen mir. Hatte Angst um mich gehabt und hatte sich Sorgen gemacht.

Um mich! Um mich ganz alleine!
 

Er hatte mich auch damals schon am Selbstmord gehindert… Jetzt war ich irgendwie froh darüber. Und auf einmal kam mir meine ganze Trauer unbegründet vor. Ich wollte Leben!
 

Langsam streckte ich meine rechte Hand aus und strich Chris sanft über die weichen Haare, über seine Wange und die Lippen. Es war mir egal, dass er auch ein Junge war.
 

Er hob den Kopf und sah mich an.
 

Ich lächelte matt.
 

„Chris…“, flüsterte ich. „Ich glaube, du bist mein Schutzengel“



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