Zum Inhalt der Seite

Septembermond

SethxOC
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Liebe

Liebe
 

»Wir müssen reden.«

»Allerdings«, ich verschränkte meine Arme, »wie kommst du dazu ein unschuldiges Mädchen in den Wald zu verschleppen? Das hätte ich nie von dir gedacht!«

Eigentlich hatte ich lustig klingen wollen, doch Seth verzog keine Miene. Er stellte nur den Motor des Wagens aus und seufzte leise, als würde ihm überhaupt nicht gefallen, was er mir jetzt erzählen wollte.

Unruhig rutschte ich auf meinem Sitz hin und her und starrte auf den dunklen, matschigen Waldweg, in den er soeben eingebogen war. Wieso musste er solche Gespräche immer in einem Auto mit mir führen?

»Rück schon raus mit der Sprache. Was hat Carisle dir erzählt? Hab ich vielleicht eine unheilbare Krankheit? Oder bekommt mein Gehirn etwa nicht genug Sauerstoff? Vielleicht hab ich ja deswegen meine Mathearbeit verhauen...«

Ich verstummte augenblicklich als ich merkte wie sich seine Finger um das Lenkrad klammerten. Und auf einmal schämte ich mich in so ernsthaften Momenten immer noch blöde Witze zu reißen.

»Es tut mir Leid«, murmelte ich ohne ihn anzusehen.

»Schon gut«, erwischte sich ein paar Strähnen seines dunklen Haares aus dem Gesicht, »ich hätte nicht so geheimnisvoll tun soll. Ich hätte dir von Anfang an alles erzählen sollen.«

»Alles?« Mein Magen zog sich voller böser Vorahnung zusammen.
 

»Maddy, es...es ist wirklich viel komplizierter als du ahnst..ich...«, seine Stimme erstarb und er lehnte seine Stirn gegen das Lenkrad.

»Seth«, murmelte ich und legte ihm vorsichtig eine Hand auf die Schulter. Mir gefiel es nicht ihn so zu sehen. So verzweifelt. So hoffnungslos. Und das alles wegen mir. Es zerbrach mir das Herz. Ich kämpfte gegen das erneute Schwindelgefühl an und lehnte mich in dem Sitz zurück. Warum musste es gerade jetzt wieder kommen?

»Sag es einfach frei heraus. Ich werde es schon verkraften«, flüsterte ich, »was immer es auch ist.«

»Ich...wir...wir dürfen uns nicht mehr treffen«, sagte er so schnell, dass ich es fast nicht verstanden hätte.

»Wie bitte?«, verwirrt blinzelte ich. Ich glaubte mich trotzdem verhört zu haben.

»Es...es ist einfach besser für dich, wenn du nicht mehr mit mir im Kontakt bist. Ich...ich bin der Grund, warum es dir so schlecht geht. Oder eher gesagt eine Tradition unseres Stammes.«

»Aber Seth, ich verstehe nicht...«

Doch mittendrin schnitt er mir das Wort ab:

»Aber ich möchte das du es verstehst. Mir wäre es lieber, wenn du mich auf ewig hasst, als wenn ich weiter dein Leben ins Chaos stürzte«, murmelte er ohne mich anzusehen. Ich wollte protestieren. Ihm sagen, dass ich immer noch nicht verstand, worum es ging, dass mein Leben doch im Moment wieder den gewohnten Gang ging. So vieles, was ich hätte sagen können, doch kein Wort kam über meine Lippen.

Als Seth mir wieder ins Gesicht schaute waren seine Augen so voller Trauer und Schmerz, dass sich auch in meinen Augenwinkeln die Tränen ansammelten.
 

»Ich will dich nicht hassen«, endlich fand ich meine Sprache wieder, auch wenn es nur ein Krächzen war.

»Nachdem ich dir das erzählt habe, was ich versucht habe die ganze Zeit vor dir geheim zu halten, dann kannst du gar nicht anders«, wieder mal war er so stur wie ich es selbst auch war, »es geht dabei, um eine Tradition, die sich Prägen nennt.«

»Was ist das?«, wollte ich wissen. Er atmete tief durch, bevor er zu einer Erklärung ansetzte:

»Sobald sich ein Mann (Leah ist natürlich ein Mädchen, aber das ist eine andere Sache) in einen Werwolf verwandelt hat, gibt es für ihn die Möglichkeit sich auf einen Menschen zu prägen. Es ist wie Liebe auf den ersten Blick, doch viel, viel stärker. Der besagte Wolf würde alles für seine Geprägte tun und entwickelt einen ausgeprägten Beschützerinstinkt für diejenige.«

»Prägen«, wiederholte ich das Wort und blickte ihn immer noch fragend an, »und woran merkt die Auserwählte, dass sich ein Werwolf auf sie geprägt hat?«

»Meistens sofort«, er zögerte und warf mir einen seltsamen Blick zu, »normalerweise sieht sie dann diesen Mann als ihr ein und alles an. Sie sieht keinen anderen mehr außer ihn und bleibt ihr ganzes Leben mit ihm zusammen.«

»Wow«, murmelte ich beeindruckt. Das war natürlich eine schöne Vorstellung. Eine Person so zu lieben, dass man gar nicht mehr ohne sich konnte. Ich biss mir auf die Unterlippe und dachte daran, was ich vor kurzem gesehen hatte.
 

»Jacob«, merkte ich an, »ist er zufällig auf Renesmee geprägt?« Keine Ahnung woher dieser schräge Gedanke kam, aber der Blick mit den sie den jungen Mann in ihren Gedanken bedacht hatte war fast schon besitzergreifend gewesen.

»Ja«, meinte Seth und grinste, »Edward war nicht sehr begeistert, genauso wenig wie Bella, aber mittlerweile haben sie sich an den Gedanken gewöhnt. Und außerdem sind ihre Gefühle für einander noch sehr unschuldig. Nicht das du denkst er sei ein Kinderschänder.«

»Hätte ich nie behauptet«, murmelte ich, »trotzdem klingt das ganze ziemlich schräg. Wenn ich mir vorstelle, dass sie altersmäßig mindestens fünfzehn Jahre auseinander liegen...«

»Na ja, du musst bedenken, dass Renesmee aufgrund der Tatsache, dass sie halb Mensch und halb Vampir ist, doppelt so schnell altert, während Jacob das gar nicht tut.«

»Ihr werdet nicht älter?«, fragte ich erschrocken. Er schüttelte den Kopf.

Es musste beides schrecklich sein: schnell altern und gar nicht. Bei einem verging die Zeit viel zu schnell und bei dem anderen zu langsam.

»Und heißt das sie stirbt auch schneller?«

Seth lachte und ich bekam eine Gänsehaut. Er hatte ein so schönes Lachen. Meine Wangen röteten sich bei diesem Gedanken und ich schüttelte schnell meinen Kopf. Das war nicht der richtige Zeitpunkt um an so etwas banales zu denken.

»Nein, sie ist unsterblich.«

»Wie bitte? Das ist ja noch schlimmer«, stöhnte ich, »wann wird sie denn ausgewachsen sein?«

»Mit 17 ungefähr, soweit ich weiß. Aber das bedeutet auch, dass sie und Jacob so lange zusammen sein können bis er sich nicht mehr in einen Wolf verwandelt, denn dann würde er wieder normal altern.«

»Kein bis der Tod uns scheidet?«

»Kein bis das der Tod uns scheidet«, bestätigte er.
 

»Hm«, machte ich und grübelte weiter über diese Sache nach. Ich dachte wieder daran, was er mir sonst noch übers Prägen erklärt hatte und wollte endlich genau wissen, woran man das noch fest machen konnte.

»Sind noch mehr von euch geprägt?«

»Bisher nur Jared, Sam und... ähm...es passiert nicht jedem Wolf, weißt du...«, aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, dass da noch etwas war, dass er mir verschwieg. Ich konnte es in seinen Augen lesen.

»Ich versteh immer noch nicht ganz, worauf du hinaus willst«, gestand ich. Seth seufzte und fuhr sich mit seiner typischen Geste durch die Haare, sodass diese in alle Richtungen von seinem Kopf ab standen. Ich musste mich richtig zusammen reißen, um nicht meine Hand auszustrecken und sie wieder in Ordnung zu bringen.

»Nun ja, Carisle und Billy Black haben bei dir etwas beobachtet, was normalerweise nicht sein darf. Du bist ehrlich gesagt, dass erste Mädchen, dass sich gegen diese Prägung wehrt. Das ist der Grund, warum du ohnmächtig geworden bist.«

Sobald er das ausgesprochen hatte, begann sich in meinem Kopf wieder alles zu drehen. Vor erstaunen klappte mit der Unterkiefer hinunter. Ein paar undeutliche Laute entwichen aus meiner Kehle. Obwohl ich doch eine gewisse Vorahnung gehabt hatte, traf es mich wie ein Hammerschlag in die Magengrube und presste mir die Luft aus der Lunge. Keuchend atmete ich ein und aus und hielt mir den Bauch.

»Maddy!?«, sofort war Seth wieder in Alarmbereitschaft, er rüttelte mich leicht, aber ich reagierte nicht mehr. Seine Rufe verschwanden immer mehr in meinem Hinterkopf. Das letzte was ich dachte war:

Heißt das etwas Seth hat sich auf mich geprägt? Dann wurde alles wieder schwarz.
 

»Maddy? Kannst du mich hören?«, wie aus weiter Ferne drang Seth Stimme in mein Ohr. Immer noch drehten sich die Gedanken in meinem Kopf wie in einem Mixer. Nur halb konnte ich meine Augen öffnen und trotzdem blieb es dunkel. Der Wagen hatte sich keinen Millimeter von der Stelle bewegt. Wir waren immer noch im Wald. Wahrscheinlich verband er damit Sicherheit und Heimat, immerhin war es doch als Wolf sein natürlicher Lebensraum.

»Seth?«, sein Name kam mir über die Lippen, als würde eine andere Stimme tief aus mir heraus sprechen. Das war nicht meine eigene Stimme, sondern eine viel schwächere und müdere.

Ich spürte wie etwas warmes meine rechte Wange streifte und zuckte bei der sanften Berührung zusammen.
 

»Was ist passiert?«, diesmal sprach wieder meine eigene Stimme. Sie war verwirrt und wusste nicht recht, was sie mit den neuen Informationen anfangen sollte.

»Du hast wieder das Bewusstsein verloren und ich bin Schuld«, murmelte er und ich konnte regelrecht die Wut auf sich selbst hören.

»Nein«, mit einem Ruck setzte ich mich auf und schaute ihn grimmig an, »du bist an gar nichts Schuld, kapiert? Das einzige, was hier Schuld ist, sind die bescheuerten Traditionen eures Stammes!«

»Aber das einzige, was ich dir vorwerfe«, ich senkte meine Stimme und ließ meine Haare über mein Gesicht fallen, »ist, dass du mir verdammt nochmal nicht die Wahrheit gesagt hast. Wie lange weißt du es schon?«

»Maddy, ich....ich...es tut mir Leid«, das letzte Wort war nur noch ein Wispern.

»Ich meine, wenn du dich auf mich geprägt hast, dann heißt das doch, dass du mir vertraust«, erklärte ich und wunderte mich selbst über die sachliche Aussage. Eventuell der Schock.

»Ich...ich konnte es einfach nicht. Es liegt nicht daran, dass ich dir nicht vertraue. Das tue ich. Wirklich. Mehr als jedem anderen auf dieser Welt, aber...«

»Seit wann weißt du es?«, unterbrach ich ihn harsch. Ich musste es einfach wissen. Ich wollte Klarheit.
 

»Von dem Moment an, an dem ich dich das erste Mal gesehen habe. Damals im Wald...«, seine Stimme klang auf einmal, als wäre er mit seinen Gedanken ganz wo anders.

»Alles andere schien plötzlich völlig unwichtig zu sein. In meinen Gedanken, in meinem leben, in meinem Herzen...es gab nur noch dich. Und das ist immer noch so. Und als du dann so abweisend warst, da...da...da hab ich schon darüber nachgedacht...«, er wandte den Blick ab, »...aber so schnell sterben wir nicht.«

Bei diesen letzten Worten lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Mein Herz zog sich so krampfhaft zusammen, dass ich fast laut aufgeschrien hätte. Natürlich wusste ich, was er mir damit sagen wollte. Ich zog scharf die Luft ein und spürte wie mir jegliche Farbe aus dem Gesicht wich. Schnell atmete ich ein und aus und bekam kaum noch Luft. Ich war kurz vorm hyperventilieren und nur ein Gedanke beherrschte meinen Kopf: Seth, der sich um brachte, weil ich seine Gefühle nicht erwiderte.
 

»Maddy! Beruhige dich!«, er griff nach meinen Händen und sofort kroch mir die Wärme die Arme hinauf und mein Inneres wurde gleich etwas ruhiger. Auch, wenn ich die Schuldgefühle und die Vorstellung, dass er vielleicht den größten Fehler seines Lebens – einen, den er nie wieder hätte rückgängig machen können – begannen hätte.

»Ich konnte nicht«, fuhr er fort und ließ meine Hände immer noch nicht los, »ich hätte es nicht ertragen dich nie wieder sehen zu können. Ich musste dich doch weiter beschützen, egal ob du mich magst oder nicht. Dieses Gefühl war einfach viel stärker als alles andere und deshalb habe ich beschlossen nicht aufzugeben, dich wenigstens solange im Auge zu behalten wie ich konnte.

Natürlich haben meine Wolfsbrüder mitbekommen wie sehr ich litt. Es ist noch nie vorgekommen, dass sich eine Auserwählte die Gefühle nicht erwiderte. Bill, Sam, Carisle - alle die sich mit diesen Sagen und Legenden auskennen - haben sich die Köpfe darüber zerbrochen, woran es liegen könnte. Und bis heute konnte niemand sagen, woran es lag.«

Er legte eine kurze Pause ein und mein Gehirn begann wild zu arbeiten. Wieder griff das Monster namens Schuld nach meinem Herzen und hielt es in seinen Klauen gefangen. Es presste und zerrte und kratzte wie ein Raubtier. Wieso war mir nie aufgefallen, dass er mich ganz anders ansah als alle anderen Jungen. Anders als meine Mitschüler, anders als es Daniel Chaines es je getan hatte. Ich konnte es nicht in Worte fassen, doch mein Herz wurde noch schwerer, als ich daran dachte wie schlecht ich ihn immer behandelt hatte. Er war immer für mich da und hatte mich am Ende sogar vor diesem Vampir gerettet und ich hatte mich nicht besser bedanken können, als ihm sein Herz aus der Brust zu reißen und darauf herum zu trampeln. Ich war ein Idiot. Und eine schlechte Freundin.

»Seth, es -«, doch er schüttelte den Kopf und drückte mein Hand noch fester. Sein Blick war diesmal unergründlich.
 

»Du brauchst dich nicht bei mir zu entschuldigen. Zum einen, weil ich dir niemals böse sein könnte und zum anderen, weil du keinen Grund dazu hat. Niemand kann man Zwingen einen anderen zu lieben. Das wäre falsch. Es war einer der Gründe, warum ich es dir nicht sagen wollte.

Jake und die anderen haben auf mich eingeredet und mich dazu gedrängt, doch ich konnte dir das nicht antun. Ich kannte dich gut genug um zu wissen, dass du dich dazu verpflichtet gefühlt hättest meine Gefühle zu erwidern. Und das wollte ich nicht. Ich will nicht, dass du mich magst, weil ich zufällig auf dich geprägt worden bin.«

Er biss die Zähne zusammen und sein ganzes Gesicht verzog sich zu einer schmerzhaften Grimasse. Er litt und ich konnte nichts anderes tun, als ihn mitleidig anzublicken. Mein Inneres wollte ihn beruhigen, ihm sagen, dass er falsch lag, dass ich alt genug war mit so etwas um zu gehen, doch ein anderer Teil von mir wusste, dass er Recht hatte. Doch ich sagte nichts. Ich ließ ihn weiter reden.

»Wir haben uns deswegen einige Male in die Haare bekommen, besonders Jake und ich. Der einzige der auf meiner Seite waren, waren Carisle und Edward.«

Ich zuckte zusammen als er die beiden Cullens erwähnte. Es war für mich keine schöne Vorstellung, dass bereits alle eingeweiht waren außer ich selbst und dann auch noch Leute mit denen ich absolut nichts am Hut hatte.

»Was haben die beiden überhaupt damit zu tun?«, fragte ich misstrauisch.
 

Seth stieß einen tiefen Seufzer aus. Es schien ihm sichtlich schwer über dieses ungewöhnliche Thema zu reden, genauso wenig wie es mir schwer fiel ihm in die Augen zu schauen, seitdem ich von seiner Prägung auf mich wusste.

»Also, wie bereits gesagt sind die Cullens ganz gut mit uns befreundet. Jedenfalls mit Jakes Rudel. Eben wegen Renesmee und weil wir uns schon einige Male gegenseitig aus der Patsche geholfen haben, zudem kennt sich Dr. Cullen sehr gut mit diesen übermenschlichen Dingen aus. So war er es zum Beispiel der uns darüber aufgeklärt hat, dass wir in Wirklichkeit Gestaltenwandler sind und nicht reine Werwölfe. Und Edward...«

Er schüttelte den Kopf und blickte auf einmal sehr schuldbewusst aus der Wäsche:

»Im Nachhinein ist es mir sehr peinlich, dass ich so etwas von ihm verlangt habe, aber...ich war einfach so neugierig. Ich wollte wissen, warum du mich nicht ausstehen kannst. Es war blöd ihn zu fragen, ob er deine Gedanken lesen würde...«

Ich zog scharf die Luft ein.

»Ja, das war wirklich eine blöde Idee«, meinte ich beleidigt und dachte dann an Edward, den Erpresser, »gibt es nicht irgendeine Vampirregel, dass er bestimmte Gedanken für sich behalten muss? Immerhin ist das ein Einbruch in die Privatsphäre...«

Seth zuckte mit den Schultern und blickte mich ziemlich kleinlaut an.

»Jacob hat mir auch sehr deutlich gezeigt wie bescheuert das wäre, deshalb hat Edward das auch nie gemacht. Jedenfalls bis vor kurzem...«

Ich wusste, worauf er anspielte und rutschte unruhig in meinem Sitz herum. Jedenfalls wusste ich worüber sich Jake und er in Renesmees Erinnerung gestritten hatten. Es war um mich gegangen. Und sie hatte sich damals gefragt, warum Seth so wütend und traurig war. Ich schluckte und fuhr mir mit meiner Handfläche über meine Augen. Sie waren feucht. Schnell zählte ich leise bis zehn und versuchte dann meinen Kopf von den ganzen Schuldgefühlen zu befreien. Immerhin hatte er mir immer noch nicht erzählt, was in Carisles Büro besprochen worden war.
 

»Seth...«

»Ich weiß, ich weiß«, unterbrach er mich und grinste schief, »ich kenne dich bereits gut genug um zu wissen, dass du endlich die Wahrheit erfahren willst, also warum ich Schuld an deiner Ohnmacht bin.«

Ich nickte stumm.

Der Indianderjunge fuhr mit seinen Händen über das Lenkrad. Wir standen jetzt schon ziemlich lange her und ich wunderte mich wie spät es wohl war und ob sich meine Mutter wohl schon Sorgen machte. Wie immer. Jedenfalls hatte sie noch nicht angerufen.

»Nun ja«, seine Stimme riss mich aus meinen Gedanken, »durch Edwards und Carisles Hilfe weiß ich jetzt, dass nicht meine Persönlichkeit oder mein Auftreten der Grund für deine Abweisung war. Jedenfalls nicht hauptsächlich. Wir haben mehrere Theorie aufgestellt und sind zu zwei Antworten gekommen: Zum einen hängst du sehr an deinen Eltern. Du würdest alles tun damit sie glücklich sind und sie sich nicht um dich sorgen. Und sie haben dir ja immerhin verboten mich zu sehen, deshalb warst du hin und her gerissen. Diese Zerrissenheit hat sich psychisch auf dich ausgewirkt und du hast angefangen deine Gefühle für mich in den Hintergrund zu schieben. Dir versucht einzureden, dass es schlecht wäre mit mir zusammen zu sein.

Zum andren gibt es danach das Tanzen. Es hat bis jetzt immer die Hauptrolle in deinem Leben gespielt. Und wie du Carisle ja unkenntlich klar gemacht hast, ist es dein größter Wunsch...«

»Ja, aber ich versteh immer noch nicht, warum....«

»Vorhin beim Lagerfeuer, da hast du so etwas starkes für mich empfunden, das du das erste Mal große Schwierigkeiten hattest diese Gefühle zurück zu halten. Du hast einen innerlichen Kampf geführt. Sieh mal, wenn du mich in dein Leben lassen würdest, dann hättest du etwas, dass dich an Forks sozusagen bindet und das würde deiner Tanzkarriere wirklich schaden...«, erklärte er und ich konnte eine Spur von Traurigkeit in seiner Stimme erkennen.
 

Ich war wie vom Donner gerührt. Mein Gehirn begann wieder wild zu arbeiten und ich versuchte mir einzubilden, dass er unrecht hatte, dass mein Egoismus nicht der Grund für sein und mein Leiden sein konnte. Allerdings musste ich am Ende einsehen, dass seine Erläuterung verdammt einleuchtend klang.

»Oh nein!«, stieß ich aus und ließ meinen Kopf nach vorne sinken.

»Was ist?«, fragte er besorgt und berührte leicht meine Schulter. Wieder schoss mir die Wärme durch den Körper.

»Als ich ohnmächtig war, da...«, ich zögerte kurz, entschied mich dann aber doch dazu von meinem seltsamen Traum zu erzählen, »...da habe ich geträumt wie ich tanze. Es war unbeschreiblich schon, doch dann bist d-du aufgetaucht und d-dann...«, es fiel mir jetzt unheimlich schwer mich zusammen zu reißen, meine Stimme war nur noch ein Schluchzen, »d-dann hast du mi-mich so seltsam angesehen u-und...«, ich biss mir auf die Unterlippe und spürte die Tränen auf meinen Wangen, »dann warst du weg.« Der letzte Satz war nur noch ein Flüstern gewesen, ehe ich wirklich in Tränen ausbrach. Ich konnte nicht mal genau sagen, warum ich weinte. Es war alles so viel und ich war so müde. So verdammt müde.

Ich spürte wie Seth mich in seine starken Arme zog, obwohl das sehr unbequem. Trotzdem presste ich mich an ihn, als ginge es um mein Leben und weinte erbarmungslos.

»Pst!«, murmelte er, »das ist ein Alptraum gewesen. Wenn du es nicht willst, dann wer ich dich nie verlassen. Nie. Nie. Nie. Verstanden?«

Ich nickte, doch ich konnte nur daran denken wie unrecht ich ihm doch am Anfang getan hatte. Und das es unfair war, dass sich ein so toller Mensch wie er, gerade auf so ein egoistisches, weinerliches und verträumtes Mädchen wie ich es war hatte prägen müssen. Und der Gedanke, dass er wegen mir seine Gefühle verdrängen wollte, waren einfach zu schrecklich.

Doch da war noch etwas anderes. Etwas, was in meinem Inneren noch nicht geklärt war. Natürlich, hatten Seth und Carisle und Edward und alle anderen Recht mit dem was sie sagten. Ich hatte mein ganzes Leben darauf hingearbeitet, dass ich Tänzerin werden wollte. Und doch war mir dieser Traum in den letzten Tagen immer unwichtiger geworden. Ich konnte Forks nicht einfach den Rücken zu drehen und meine Freunde, meine Familie, das alles hinter mich lassen. Und gerade jetzt, wo sich so viel veränderte.

Meine Mom brauchte mich. Ich konnte sie jetzt, nachdem Dad weg war, nicht einfach alleine lassen. Emma brauchte mich genauso sehr wie ich sie und Mel, Shirley und sogar Gloria, die intrigante Kuh, konnte ich nicht einfach im Stich lassen.
 

Und dann war da Seth...natürlich wusste ich immer noch nicht, was ich mit diesem ganzen Prägen und übernatürlichen Krams anfangen sollte, doch eines wusste ich ganz genau: Ich mochte ihn.

Egal, ob als Freund, Bruder oder sonst was. Er gehörte jetzt einfach zu meinem Leben und ich konnte es keinem von uns beiden antun, dass er einfach sang und klanglos daraus verschwand. Er war immer für mich da, tröstete mich, beschütze mich. Vielleicht lag es an meiner Müdigkeit oder an der ganzen Situation, aber als ich mich immer noch schluchzend aus seinen Armen befreite und in seine herzlichen, offenen, liebevollen, braunen Augen sah, da wusste ich, dass ich zu ihm gehörte. Egal wie.

»Ich sollte dich lieber nach Hause bringen«, sagte er leise. Ich nickte und lehnte meinen Kopf an die kühle Fensterscheibe. Meine Tränen trockneten langsam. Das dröhnende Geräusch des Automotors durchschnitt die friedliche Stille und plötzlich war ich wieder zurück in der Realität.

»Seth?«, flüsterte ich, als der Wagen den Waldweg entlang hoppelte.

»Ja?« Ich wandte meinen Kopf nicht um.

»Egal wie wir uns entscheiden, egal was noch auf uns zu kommt«, ich machte eine kleine Pause, » wir schaffen das.«

Eine Zeit lang antwortete er nicht, doch dann konnte ich sein strahlendes Lächeln geradezu hören.

»Ja, wir schaffen das«, murmelte er.

Ich lächelte glücklich und schloss dann meine Augen. Meine Gedanken drehten sich nur noch halb so schnell. Im Hintergrund dudelte leise das Radio und der Motor summte ein Schlaflied. Doch am lautesten konnte ich Seth Herzschlag hören. Er schien im gleichen Takt wie mein eigener zu sein, jedenfalls konnte ich nicht mal eine minimale Abweichung erkennen. Und ich wusste, dass hier, in dem alten Truck, der sicherste Ort der Welt war.
 


 

Nächstes Kapitel: Schicksal



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  jennalynn
2011-08-04T13:46:49+00:00 04.08.2011 15:46
OH MAN das ist ja schon alles scheiße.
Also entweder Tanzen oder Seth.
MMMHH also Maddy ich würde dir raten nehm Tanzen, ich kümmer mich um SETH *grns*


Zurück