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Septembermond

SethxOC
von

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Herzenswunsch

Herzenswunsch
 

Okay, mal wieder hatte ich mich geirrt. Und zwar gewaltig. Vielleicht hatten es keine zehn Pferde geschafft mich in das Haus der Cullens zu bekommen, aber ein einziger Werwolf hatte auch schon gereicht. In dem Moment, in dem mich Seth gepackt und über seine Schulter geworfen hatte, wusste ich, dass ich keine andere Wahl hatte. Mürrisch und so gar nicht begeistert war ich ihm hinterher getrottet. Und danach war alles so schnell gegangen, dass ich mich nicht mehr wirklich daran erinnern konnte. Wie ein vergessener Traum.

Und plötzlich fand ich mich auf der weißen Ledercouch wieder. Verwirrt ließ ich meinen Blick über die vielen unterschiedlichen Gesichter wandern, von denen mir nur wenige bekannt vorkamen. Der eine Junge war groß und hatte blonde Haare. Ein Schrank mit einem breiten Lächeln, dass wahrscheinlich freundlich sein sollte, jedoch auf mich eher wie eine Grimasse wirkte. Ich konnte mich an seinen Namen nicht erinnern, aber er war auch mal auf unserer Schule gewesen. Genauso wie seine Freundin, Rosalie, an die ich mich nur zu gut erinnern konnte. Unzählige Male hatte Gloria uns damit in den Ohren gelegen, dass sie gerne wäre wie diese blonde Schönheit, die jetzt mir gegenüber saß und mich herablassend musterte. Ungewollt rückte ich noch etwas näher an Seth heran.
 

Im Gegensatz zu ihm, kam mir der Rest des Zimmers vor wie ein Gefrierschrank. Ich wusste genau, was sie waren und dieser Gedanke machte mich noch nervöser. Ich kam mir vor wie ein Kaninchen in der Falle. Sie könnten sich jeden Moment auf mich stürzen und mich aussaugen. Bis zum letzten Tropfen. Hinter mir hörte ich ein Grunzen und drehte meinen Kopf leicht in die Richtung, aus der es kam.

Ach, die gesamte Familie Cullen – Swan war also auch anwesend. Das Schnauben (oder was auch immer es darstellen sollte) war anscheinend von Daddy Eddy gekommen, der schützend eine Arm um die genauso blasse Mommy Bella gelegt hatte. Diese hielt ein schlafendes, kleines Mädchen mit braunen Locken in den Armen. Ihr Kind? Ich legte meinen Kopf schief und schaute mir die Kleine genauer an. Wie alt mochte sie vielleicht sein? Drei? Bestimmt. Doch war das überhaupt möglich? Hatten Edward und Bella nicht erst letztes Jahr geheiratet?

Wahrscheinlich hatte sie das Kind schon vor der Hochzeit bekommen. Doch mitbekommen habe ich davon sowieso nicht. Genauso wenig wie ich kapiert hatte, dass die Cullens...na ja...keine Menschen waren. Nein, das stimmte irgendwie auch nicht. Immerhin konnten sie noch denken, reden, fühlen und mehr. Also was waren sie dann? Ich war verwirrt und wandte meine Aufmerksamkeit dann wieder Seth zu, der sich nach dieser kurzen Schweigeminute nun an Dr. Cullen richtete.

Der Arzt sah sehr jung aus für sein Alter. Genauso wie seine Frau. Beide wirkten alles andere als furchteinflößend, doch war mein Misstrauen ihnen gegenüber viel zu groß, als dass ich sie sympathisch finden konnte.
 

Seth hingegen schien sich trotz der Gefahr und der Kälte wirklich wohl in diesem Haus zu fühlen. Lässig lehnte er sich auf dem Sofa zurück und schilderte dem Oberhaupt der Cullens genau, was uns zu ihm gebracht hatte.

»Also, ich habe dir ja schon von Madison Shay erzählt«, meinte er und legte eine kurze Pause ein, damit Dr. Cullen mir freundlich zu nicken konnte.

»Hallo Madison, schön dich kennen zu lernen.«

»Hallo«, erwiderte ich schwach und wurde etwas rot im Gesicht. Seth schien zu merken, wie unsicher ich war, denn sogleich spürte ich wie seine große Hand meine kleine umfasste. Dankbar lächelte ich ihn an, während er fortfuhr.

»Wir wollen ja nicht stören, Carisle. Aber ich halte dich für den einzigen fähigen Arzt in ganz Fork und deshalb würde ich Maddy niemanden anders anvertrauen. Kannst du uns eventuell weiter helfen?« Aufgeregt rutschte er hin und her. Beschämt senkte ich meinen Kopf. So wie Seth es erzählt hatte, klang es, als hätte ich ein großes Problem.

»Sehr gerne«, meinte Carisle Cullen, »aber dazu müsstest ihr mir erstmal erzählen, worum es eigentlich geht.«

»Äh ja, sorry, das hab ich voll vergessen«, lachte Seth.

»Wollen wir vielleicht in mein Büro gehen?«, schlug der Doktor vor.

»Was meinst du Maddy?« Überrascht hob ich den Kopf, als mich Seth doch tatsächlich nach meiner Meinung fragte. Auf einmal!

»Ähm, klar«, meinte ich schüchtern, weil mir sonst nichts sinnvolles einfiel.

»Na dann kommt mal mit«, erklärte Carisle und wirbelte in einer fließenden Bewegung herum, sodass mir für einen Moment der Atem stockte.

»Stimmt etwas nicht?«, besorgt sah mich Seth von der Seite an. Schnell schloss ich meinen Bewunderung geöffneten Mund und schüttelte den Kopf. Er lächelte und nahm meine Hand, um mich hinter ihm die Treppe hinauf zu ziehen. Das tat mir wirklich gut und ich wagte es sogar noch einen letzten Blick auf die Familie Cullen zu werfen.

Es gab sicher keine zweite Familie, die so harmonisch und doch gleichzeitig so würdevoll wirkte. So perfekt. Mir lief ein Schauer über den Rücken. Gut, dass ich nicht länger mit ihnen in einem Raum bleiben musste. Carisle schien mir doch ein wenig sympathischer zu sein als der Rest. Vielleicht lag es daran, dass er als Arzt mehr mit Menschen zu tun hatte, als die übrigen Cullens.
 

Sein Büro wirkte jedenfalls älter als er selbst. Die Wände waren holzvertäfelt und die Bücherregale reichten bis zur Decke. In der Mitte des Raumes befand sich ein gewaltiger Mahagoni – Schreibtisch und Ledersessel. Es erinnerte mich alles an das Büro eines beleibten Kommissars aus diesen alten Krimis. Jedoch war das Zimmer unerwartet hell, was durch die großen Fenster wohl auch unvermeidbar war.

Seth und ich setzten uns gegenüber von Carisle in die Ledersessel. Sie waren sehr bequem und da ich auch nicht mehr so vielen Blicken ausgesetzt war, fühlte ich mich auch gleich viel entspannter. Alle Anspannung fiel von mir ab. Seth musste das auch merken, aber trotzdem ließ er meine Hand nicht los. Ich war zu müde, um ihn darauf aufmerksam zu machen und außerdem gefiel mir diese Wärme, die von ihm ausging immer mehr. Schräg.
 

»Also, dann erzähl mir doch mal der Reihe nach, warum ihr gekommen seid, Madison?«, erklärte Carisle und faltete seine Hände mit einem aufmunternden Lächeln.

»Äh, ich hätte es lieber, wenn man mich Maddy nennt«, meinte ich leise. Er nickte mit dem Kopf:

»Ich denke, das ist kein Problem.«

Ich atmetet tief und berichtete ihm dann genau, was am Strand geschehen war. Wie ich plötzlich müde geworden war und sich die ganze Welt zu drehen begonnen hatte. Natürlich verschwieg ich ihm meinem seltsamen Traum. Als ich mich an nichts mehr erinnern konnte, übernahm Seth das Reden.

»Ich hatte natürlich keine Ahnung, was los war, deshalb wusste ich auch nicht, was ich tun sollte. Intuitiv habe ich versucht sie aufzuwecken. Sie war allerdings wie weggetreten. Irgendwie gruselig. Ich hatte wirklich Angst, dass sie nie wieder aufwacht. Schrecklich«, er wurde wirklich blass wie die Wand, als er das sagte.

»Mhm, sehr interessant«, murmelte Carisle und warf einen nachdenklichen Blick zur Tür. Leicht schielte ich über meine Schulter und stellte fest, dass niemand das Zimmer betreten hatte. Ich zuckte zusammen, als mich der Doktor direkt ansprach.

»Hast du solche Zusammenbrüche öfters? Oder vorher schon mal gehabt?«

Erst wollte ich mit dem Kopf schütteln, doch dann biss ich mir auf die Unterlippe.

»Na ja, nachdem meine Tanzlehrerin mir eröffnet hat, dass ich an einem wichtigen Casting in Seattle teilnehmen darf, bin ich kurz ohnmächtig geworden. Aber das lag wahrscheinlich nur an der Aufregung...«
 

»Ein Casting?«, Carisle horchte auf, »das musst du mir genauer erklären.«

Ich besah ihn mit einem verwirrten Blick. Was tat das denn jetzt zur Sache? Trotzdem räusperte ich mich und klärte ihn kurz auf:

»Meine größte Leidenschaft ist das Tanzen, wissen Sie? Und meine Tanzlehrerin, Miss Gellar, hat mich vor einigen Tagen gefragt, ob ich nicht Lust hatte an einem Casting für ein Musical teilzunehmen. Der Vorentscheid findet in Seattle statt und wer dort weiter kommt darf nicht nur mit dem Stück am Broadway auftreten. Doch das allerbeste ist, dass jeder Darsteller automatisch ein Stipendium für Academy for Dance and Art bekommt. Damit würde einer meiner größten Träume in Erfüllung gehen – nein sogar mein größter.«

Ich konnte meine Begeisterung nicht im Zaum halten. Meine Augen schienen regelrecht Funken zu sprühen. Einzig und allein eine ruckartige Bewegung neben mir, holte mich aus meinem Euphorietaumel zurück in die Realität.
 

Seth, der bis eben noch lässig in seinem Sessel gelümmelt hatte, wirkte jetzt verkrampft. Seine rechte Hand hatte sich zu einer Faust geballt, die er so fest drückte, dass seine Fingerknöchel hervortraten. Und ich verstand seine Reaktion überhaupt nicht.

Auch Carisle warf ihm einen besorgten Blick zu, dann nahm er mich wieder ins Visier.

»Wie lange tanzt du schon?«, immer noch war seine Stimme freundlich und ruhig, obwohl ich das nervöse Zucken seines Fußes bemerkte.

»Seit ich vier bin«, meinte ich zögerlich, denn ich konnte mir das plötzlich seltsame Verhalten der beiden Männer nicht erklären. Hatte ich etwas falsches gesagt?

»Gut«, meinte der Doktor, »dann würde ich gleich nochmal gerne mit Seth alleine sprechen. Esme, meine Frau, wird sich bestimmt solange, um dich kümmern.«

Verständnislos blickte ich zwischen den beiden hin und her. Gerade wollte ich den Mund auf machen, um zu fragen, was denn so beunruhigend war, da kam mir Seth zuvor. Er sah mir so intensiv in die Augen wie er es noch nie getan hatte.

»Bitte, Maddy. Tu was er sagt. Ich erkläre es dir später«, meinte er und seine Stimme war so sanft, dass ich gar nicht anders konnte als mit dem Kopf zu nicken.
 

Natürlich gefiel mir der Gedanke gar nicht alleine nach unten zu gehen und auf Seth zu warten. Zusammen mit den Blutsaugern. Misstrauisch warf ich Carisle einen Blick zu. Konnte ich ihn und Seth wirklich alleine lassen? Im selben Moment wie dieser Gedanke in meinem Kopf auftauchte, klopfte es leise an der Tür. Carisle hatte noch nicht mal etwas gesagt, da wurde sie auch schon geöffnet und Edward Cullen trat ins Zimmer. Alleine.

Irrte ich mich oder wirkte auch er irgendwie unruhig? Verdammt, was hatte ich getan!?

In meinem Kopf ließ ich das kurze Gespräch mit Mr. Cullen Senior nochmal Revue passieren, aber konnte nichts außergewöhnliches dabei entdecken, außer vielleicht meinen Ohnmachtsanfall.
 

»Esme hat einen Kuchen gebacken und dazu Tee gemacht. Sie wartet in der Küche.«

Es dauerte einen Moment bis ich realisierte, dass Edward mit mir sprach.

»Ähm...danke«, murmelte ich, etwas perplex, weil er wusste, dass ich mich nach unten begeben sollte. Weder Carisle oder Seth hatten ein Wort gesagt, nachdem er den Raum betreten hatte. Oder hatte er an der Tür gelauscht? Nein, dass konnte ich mir bei ihm nicht vorstellen.

»Warte Maddy, darf ich dir noch eine Frage stellen bevor du gehst?«, meldete sich Carisle nun doch nochmal zu Wort.

»Sicher«, ich zuckte mit den Achseln.

»Wie sehr wünscht du dir eine berühmte Tänzerin zu werden?«

Ich runzelte meine Stirn. Was sollte denn diese seltsame Frage? Doch ich beschloss nicht weiter danach zu fragen. Warum sollte ich ihm auch nicht antworten?

»Auf einer Skala von eins bis zehn? Dann würde ich sagen, dass dieser Wunsch mindestens eine Hundert ist, wenn nicht noch größer. Ja, fast unbeschreiblich groß. Es ist mein Herzenswunsch.«

Carisle nickte nur und ich sah das als Aufforderung endlich zu gehen.
 

»Dann bis gleich«, sagte ich noch zu Seth und ging dann hinaus. Ich spürte wie er mir traurig hinterher blickte und ich musste mich höllisch zusammen reißen ihn nicht am T – Shirt zu packen und aus diesem verfluchten Haus zu ziehen. Zurück an den Strand, wo immer noch meine Freundinnen ausgelassen feierten. Zu einem warmen Feuer.

Doch das ging nicht und als ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, lauschte ich kurz in die Stille. Es war kein Wort zu hören, was entweder daran lag, dass sie zu leise sprachen, die Tür irgendwie einen magischen Lauschschutz hatte oder sie sich einfach nur anstarrten, aus welchem Grund auch immer. Nach einigen Sekunden erfolglosen Horchen, atmete ich seufzend aus und machte mich auf den Weg in die Küche.
 

Außer Mrs. Cullen und Bella mit ihrer Tochter war niemand in der Küche. Von Emmet und Rosalie Hale fehlte jede Spur. Sollte mir auch Recht sein: Je weniger, desto besser. Als ich eintrat, hoben beide Frauen die Köpfe. Esme Cullen schenkte mir ein wundervolles Lächeln:

»Setz dich doch an den Tisch und iss etwas, Schätzchen. Du siehst ja ganz blass aus.«

Irgendwie klang sie genauso wie meine Mutter. Hm, wahrscheinlich waren sie überall gleich, ob sie nun lebendig waren oder halbtot. Ich schluckte bei dem letzten Gedanken und tat dann wie mir geheißen war. Doch wohl fühlte ich mich nicht als ich mit zitternden Händen nach der Teetasse griff und vorsichtig daran nippte.

»Keine Angst, es ist nicht vergiftet«, lachte die Frau und es klang, als würden Glöckchen klingeln.

Es jagte mir einen Schauer über den Rücken und faszinierte mich gleichermaßen. Ich nahm noch einen Schluck Tee und stellte fest, dass ich noch immer bei Bewusstsein war. Etwas mutiger griff ich nun auch nach einem Stück Schokoladenkuchen und biss genüsslich hinein. Es kam mir vor, als hätte ich seit Tagen nichts mehr gegessen und der Kuchen war wirklich hervorragend lecker.
 

»Schmeckt wirklich gut«, murmelte ich und wurde etwas rot um die Nasenspitze.

»Das freut mich«, ihre Augen glänzten, »allzu oft kommen meine Kochkünste ja nicht zum Einsatz. Vampire essen nämlich nichts. «

Ich verschluckte mich an meinem Kuchenstück und begann wie eine verrückte zu Husten. Es war das erste Mal, dass einer von ihnen direkt darauf anspielte.

»Ist alles in Ordnung?«, fragte sie besorgt und klopfte mir mit ihrer kalten Hand leicht auf den Rücken. Ich nickte und mein Gesicht machte einer Tomate Konkurrenz.

»Geht schon«, krächzte ich und nahm einen großzügigen Schluck Tee.

»Hör zu, wir wissen, dass du über uns Bescheid weißt, also warum sollten wir vor dir noch ein Geheimnis daraus machen?«, meinte sie mit sanfter Stimme und sah mich ernst an.

»Woher?«, flüsterte ich.

»Edward«, war die prägnante Antwort, doch sie kam nicht von Esme, sondern von Bella Cullen. Bis eben hatte ich sie nicht weiter beachtet, doch jetzt warf ich ihr einen fragenden Blick zu.

Sie grinste kurz und wiegte dann das kleine Mädchen hin und her. Den Blick, den sie ihr zuwarf, war so voller Wärme und Liebe, sowie ich es nie von einem Vampir erwartet hätte.
 

»Er kann Gedanken lesen.«

»Was?« Die Information riss mich regelrecht vom Hocker. Ich plumpste auf mein Hinterteil und ein höllischer Schmerz erfasste mein Steißbein, doch ich kümmerte mich nicht darum. Mit weit geöffneten Augen starrte ich sie an und zog mich ganz nebensächlich wieder an der Tischkante hoch.

Nun kicherte auch Bella über mein absolut dämliches Verhalten:

»Seltsam und Edward meinte du seist ziemlich helle da oben«, sie tippte sich demonstrativ gegen den Kopf, »eigentlich dürfte dich doch gar nichts mehr überraschen. Jedenfalls ging es mit so, als ich von diesen ganzen übermenschlichen Dingen erfahren hatte.«

Da hatte sie eigentlich Recht und trotzdem konnte ich nur fassungslos mit dem Kopf schütteln und vor mich hinmurmeln. Plötzlich stoppte ich und starrte die beiden mit entsetzten Augen an.

»Oh mein Gott«, hauchte ich und lief knallrot. Sofort waren die beiden in Alarmbereitschaft.

»Was ist denn, Schätzen?«, mütterlich blickte Esme sich an. Ich sah zwischen den beiden hin und her.

»Oh mein Gott«, wiederholte ich mit fiepender Stimme, »Edward kennt jetzt alle meine geheimsten und peinlichsten Gedanken!« Für einen Moment sahen mich Esme und Bella an als sei ich nicht mehr ganz dich, doch dann brachen sie plötzlich in Gelächter aus. Na ja, „Gelächter“ war schon irgendwie kein Begriff für ihr helles und klares Lachen und doch verletztes es mich.

»Schätzchen, du brauchst dir wirklich keine Sorgen darum machen. Edward hat noch nie etwas weiter erzählt, was er gehört hat«, beruhigte mich Esme. Ich rümpfte bloß die Nase. Ich könnte mir schon denken, dass dieser miese Vampir ein Zweitjob als Erpresser hatte. Vielleicht war ich auch einfach nur zu voreingenommen und die Cullens waren doch ganz in Ordnung.

Einen Pluspunkt hatten sie schon mal: Keiner von ihnen hatte Anstalten gemacht mich umzubringen.
 

»Habt ihr anderen denn auch solche Fähigkeiten?«, wollte ich wissen und hatte gleichzeitig Angst davor zu erfahren, was mir noch alles entgangen war.

Bella und Esme wechselten einen schnellen Blick, ehe die „ältere“ das Reden übernahm:

»Nun ja, Rosalie, Emmet, Carisle und ich sind damit eher weniger gesegnet. Doch du kennst doch sicher auch Alice und Jasper, oder?«

»Flüchtig.«

»Unserer lieben Alice ist es möglich Dinge zu sehen, die in der Zukunft noch geschehen werden.«

»Aber diese Vorhersagen können sich immer noch enden und sind nicht endgültig«, fügte Bella hinzu.

»Cool, sie ist also eine Wahrsagerin.«

»So etwas in der Art«, meinte Esme, »aber der Begriff wird ihr sicher nicht gefallen.«

Jetzt war ich wirklich begeistert. Tausend Ideen, was man Alice fragen konnte, falls ich ihr jemals begegnen würde, erschienen in meinem Kopf. Es war doch egal, ob sie wahr werden würden oder nicht.
 

»Was ist mit Jasper?«, hakte ich weiter nach und blickte die beiden gespannt an.

»Mm, das ist ein wenig schwieriger zu erklären«, Esme runzelte die Stirn, »er kann gewissermaßen Gefühle manipulieren.«

Bella nickte zur Bestätigung:

»Vielleicht mal ein Beispiel dafür: Er spürt, wenn du dir völlig unsicher bist und verzweifelt. Durch seine Fähigkeit schafft er es, dass du dich plötzlich besser fühlst und ruhiger wirst. Allerdings funktioniert das nur, wenn du im selben Raum bist. Wenn er aufhört deine Gefühle zu beeinflussen, dann prasseln deine alten Emotionen auf dich ein, dass du dich noch mieser fühlst als vorher.«

»Das klingt ja schrecklich«, murmelte ich.

»Mir hat es oft geholfen, weißt du«, erklärte Bella und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf das kleine Mädchen in ihren Armen, das gerade aufgewacht war.

Ich legte nachdenklich die Stirn in Falten und versuchte zu verstehen, was ich gerade erfahren hatte. Vampire waren also nicht nur kalt, schnell und angsteinflößend, sondern besaßen zudem noch andere übernatürliche Kräfte. Manche von ihnen. Ich fragte mich, ob das bei den Werwölfen auch so war. Außer seiner übermenschlichen Körpertemperatur, der übernatürlichen Größe und Stärke sowie einer Wolfsgestalt war mir noch nichts ungewöhnliches an Seth aufgefallen.
 

Da merkte ich plötzlich, dass ich aufmerksam beobachtet wurde. Und das waren sicher nicht Bellas oder Esmes Augen, sondern die der Kleinen, die sich jetzt aufgesetzt hatte und sich am Pullover ihrer Mutter festhielt. Sie legte den Kopf schief und musterte mich mit kindlichen Interesse. Sie war weder schüchtern noch verängstigt, wie es wohl bei den meisten Kinder war, wenn sie Fremde trafen, sondern einfach nur neugierig.

Ihre braunen Augen waren dunkler und tiefer, als ich es jemals gesehen hatte und ihre bronzefarbenen Locken (eindeutig nach ihrem Vater) rahmten ihr blasses, perfektes Gesicht ein. Mit einem Wort: Sie war entzückend. So ein schönes Kleinkind war mir wirklich noch nie begegnet.

»Wer ist das?« Ich zuckte zusammen, als sie fragend zu ihrer Mutter hoch sah und die Worte sprach. Ihre Stimme war glockenhell und ohne der Satz ohne jegliche Fehler, weder in Aussprache, noch Grammatik. Bella lächelte und schob ihr liebevoll eine Locke aus dem Gesicht.

»Das ist Maddy. Sie ist eine Freundin von Seth und auch Jacob.«

Die Kleine horchte auf, überlegte einen Moment und schaute mich dann nachdenklich an:

»Stimmt das?«

Ich nickte und dann schenkte mir ein so strahlendes Lächeln, dass ich dahinschmolz. Auf der Stelle mochte ich sie.

»Wenn Jacob mit dir befreundet ist, dann bist du sicher nett«, fällte sie ihr Urteil über mich. Im ersten Moment war ich überrascht doch dann erwiderte ich das Lächeln vorsichtig. Sie schien ja wirklich an Jacob zu hängen. Die Art wie sie seinen Namen aussprach war irgendwie seltsam, dabei konnte ich nicht sagen warum.

»Ich bin Renesmee«, erklärte sie dann mit einem gesunden Selbstbewusstsein, »aber Jacob nennt mich auch manchmal nur Nessie. Wenn du willst kannst du das auch tun.«

Sie streckte ihre kleine Hand nach mir aus und winkte mich zu sich. In ihrem Ausdruck lag so viel Ernsthaftigkeit, dass ich keinen Moment zögerte und mich intuitiv vor sie und Bella kniete.
 

Wieder zuckte ich zusammen als ihre blasse, weiche Handfläche meine Stirn berührte. Mir rauschten Bilder wie ein Stimmfilm durch den Kopf, die sicher nicht meine eigenen Erinnerungen waren.

Seth und Jacob wie sie mit Renesmee herum alberten. Mit ihr fangen spielten. Seth wie er sie auf den Arm nahm und sein typisches Grinsen im Gesicht hatte. Er und Jacob wie sie sich gegenseitig in Wolfsform jagten. Einige andere der Wölfe, unter ihnen Wayne, der sich allerdings immer im Hintergrund hielt. Und immer wieder Jacobs Gesicht, der die Kleine mit solcher Fürsorge bedachte, dass es schon nicht mehr normal war. Ich fragte mich, ob Renesmee vielleicht so etwas wie einen großen Bruder in ihm war, immerhin war er mit ihrer Mutter befreundet.

Als letztes spielte sich eine Szene vor meinen Augen ab, die bei weitem nicht so vergnügt war. Dabei schienen Seth und Jacob in einen heftigen Streit verwickelt zu sein. Und mir schoss ein Gedanke durch den Kopf, der ebenso wenig mein eigener war wie die Bilder.

Wieso streiten sie sich? Warum ist Seth so traurig und wütend? Jacob will doch nur, dass er auch glücklich wird.
 

Dann rissen die Bilder ab und ich war wieder alleine mit meinen Gedanken.

»Was war das?«, keuchte ich und ließ mich zurück auf den Stuhl fallen, noch immer völlig überwältigt.

»Renesmee hat meine Gabe geerbt, allerdings umgekehrt«, ich drehte mich zur Tür, durch die gerade Edward mit seinem Vater und Seth kam. Ich war erleichtert, dass meinem Freund nichts geschehen war, allerdings wirkte er immer noch ein wenig zerknirscht. Als sei etwas wirklich schreckliches geschehen.

»Ach so, du kannst Gedanken lesen und Renesmee ihre eigenen übertragen«, schlussfolgerte ich. Edward nickte und ging wieder zu seiner Frau hinüber.

»Waren meine Gedanken denn wenigstens interessant?« , fauchte ich. Der Vampir grinste nur dreckig. Oh, wie ich ihn hasste!

»Maddy«, meinte Seth und kam auf mich zu, »ich sollte dich jetzt nach Hause bringen.«

»Schon?«, ich runzelte die Stirn, »was ist mit meinem seltsamen Anfall. Ich weiß immer noch nicht-«

»Ich erkläre es dir auf den Weg nach Hause. Es ist nichts schlimmes und ganz einfach zu lösen«, meinte er, doch etwas wie Unsicherheit und Traurigkeit lag in seiner Stimme. Verwirrt blickte ich zwischen ihm, Edward und Carisle hin und her.

»Im Auto«, brachte der Gestaltenwandler nur zwischen zusammengebissen Zähnen hervor.

Ich seufzte:

»Okay, also nochmal vielen Dank für die Gastfreundschaft und den Kuchen.«

»Jederzeit wieder, Liebes«, lächelte Esme und zog mich in eine Umarmung. Obwohl sie so kalt und hart war, hatte ich nichts dagegen. Seltsam wie sehr ein Schokoladenkuchen und ein kleines Mädchen die Meinung über einen Menschen ändern konnte. Die Cullens schienen wirklich halb so schlimm zu sein, wie ich es mir dachte.

»Mach's gut, Maddy«, Renesmee winkte mir, Carisle schüttelte mir die Hand und Bella schenkte mir ein freundliches Lächeln.

»Und siehst du: Wir haben dir doch nicht das Blut bis zum letzten Tropfen ausgesaugt.«

Verdammt! Ich wurde rot bis unter den Haaransatz und die anderen schienen das auch noch witzig zu finden.

»Raus aus meinem Kopf, Cullen!«



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  jennalynn
2011-08-04T13:25:45+00:00 04.08.2011 15:25
OH wirklich tolles Kapitel.
Schön endlich mal was von den Cullen´s zu hören.
LG jennalynn


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