Zum Inhalt der Seite

Septembermond

SethxOC
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Clearwater

Clearwater
 

»Moment mal, ganz von vorne«, erklärte Gloria und hob eine Hand, »was habt ihr mit diesem Typen zu tun? Ich meine, schaut ihn euch doch mal genau an: Er ist nicht von hier.«

»Woher willst du das wissen? Er hat doch einen Helm auf.«

»Warum flüsterst du denn, Mel?«, fragte Shirley spöttisch, »ich glaub nicht, dass er uns hören kann.«

Doch ich war mir da nicht so sicher, denn plötzlich stieg er von seinem Moped und zog sich den Helm vom Kopf.

»Ich glaub's nicht«, Emma fasste nach meinem Arm, »das ist doch einer aus dem Indianerreservat, oder?«
 

Ich nickte ohne den Blick von dem Jungen zu nehmen. Er war groß und hatte eine rötliche Haut. Seine Haaren waren dunkel und standen von dem Helm nun in alle Richtungen ab. Aber erst jetzt, wo ich ihn genauer musterte, stellte ich fest, dass er nur eine zerrissene, kurze Hose und ein schlacksiges, weißes T-Shirt trug. Noch hatte er uns nicht gesehen, denn er schien nach jemanden zu suchen.

Doch dann bemerkte er unsere neugierige Blicke und drehte sich mit einem Ruck zu uns um. Erst musterte er die anderen und blieb dann einen Augenblick an Emma kleben, um dann seinen Blick weiter wandern zu lassen. Zu mir!
 

Unsere Augen trafen sich und in dem Moment kam es mir so vor als hätte ich diese Augen schon mal gesehen. Sie waren braun und intensiv und trotzdem voller Wärme. Wir schauten uns nur gegenseitig an und ich merkte wie mir die Wärme langsam ins Gesicht kroch. Ein warmes Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

Schnell wandte ich den Blick auf den Boden. Er machte mir irgendwie Angst. Ich wollte gar nicht mehr wissen, was er von uns wollte. Diese Weise, auf die er mich angeschaut hatte, war nicht normal. Als hätte er in meinem Blick nach irgendwas gesucht und es gefunden. Als hätte das ihn glücklich gemacht.
 

»Ich glaub der steht auf dich«, kicherte Gloria. Ich warf ihr einen ärgerlichen Blick zu. Es war typisch, dass sie wieder so etwas dachte. Andererseits hatte ich Angst, dass sie womöglich Recht hatte. Die Wärme in meinem Gesicht war jetzt unerträglich.

Ich wollte nicht, dass er mich mochte. Er kam aus La Push, er war ein Indianer. Wie vielen anderen in Forks hielt es ich es für besser mich von den Leuten aus dem Reservat fern zu halten. Meine Mutter hätte e sicher auch nicht gerne gesehen, wenn ich mit einen von ihnen gesprochen hätte.

Sie lebten nicht umsonst so weit von uns entfernt. Sie waren anders. Sie hatten andere Bräuche.

Und man erzählte sich seltsame Geschichten über sie.
 

»Hui, er kommt auf uns zu«, quietschte Melanie ängstlich.

Mein Kopf schoss in die Höhe und ich bemerkte mit Entsetzten, dass sie Recht hatte. Er hatte sein Moped abgestellt und kam jetzt langsam auf uns zu. Die anderen Schüler um uns herum blieben stehen und starrten ihn einfach nur neugierig und auch etwas ängstlich an.

Sein Blick ruhte immer noch auf mir und das Lächeln war immer noch auf seinem Gesicht. Und etwas Nervöses?

»Was machen wir jetzt?«, fragte ich aus den Mundwinkeln.

»Na, einfach abwarten und sehen was er von uns will«, meinte Emma ohne mit der Wimper zu zucken.

Vor Schreck hätte ich mir fast auf die Unterlippe gebissen. Sie wollte wirklich mit ihm sprechen? Ich wusste, dass sie verrückt war, aber so?

»Aber ohne mich!«, fauchte ich.

Der Mopedfahrer war jetzt vielleicht nur noch fünf Schritte von uns entfernt und ich sah keinen anderen Ausweg. Ich musste weg!
 

Ohne die anderen zu warnen wirbelte ich herum und lief los. Ich lief ohne mich um zudrehen, dabei spürte ich die Blicke alle meiner Mitschüler im Rücken.

»Aber Maddy!«, rief Emma überrascht.

Ich antwortete nicht, sondern lief einfach weiter. Zurück ins Schulgebäude. Ich raste durch die Gänge und einige Schüler sprangen erschrocken zur Seite. Ich wusste nicht genau, wohin ich lief, aber es war als würde ich seinen Blick immer noch spüren. Es brannte wie Feuer. Ich widerstand der Versuchung mich um zudrehen, um zu prüfen, ob er mir vielleicht hinterher kam und lief einfach weiter. Wie von selbst trugen mich meine Füße zur Sporthalle.
 

Erst als ich vor der großen Holztür stehen blieb, wagte ich es mich um zuschauen. Außer einzelnen Lehrern und Schülern konnte ich niemanden erkennen, den ich kannte.

Mir war also niemand gefolgt. Diese Tatsache beruhigte mich etwas und ich begann wieder gleichmäßig zu atmen.

Zugegeben war es ziemlich albern weg zu rennen, aber ich hatte keinen anderen Ausweg gesehen. Mein Puls raste zwar immer noch, aber jetzt wo ich der „Gefahr“ entkommen war, konnte ich meine Gedanken wieder ordnen.

Ich hatte doch eigentlich gar keine Ahnung, was der Junge, der anscheinend aus dem Reservat stammte, von mir wollte. Vielleicht war es alles auch nur ein Zufall gewesen. Vielleicht spionierte er uns gar nicht hinterher, sondern suchte nach jemand anderem.

»Quatsch« flüsterte ich, »das kann alles kein Zufall sein.«
 

Ich brauchte irgendetwas, um auf andere Gedanken zu kommen. Um sein Gesicht zu vergessen. Die Augen, die mir so verdammt bekannt vor kamen.

Ich schielte noch einmal über meine Schulter und als ich sicher war, dass mich niemand beobachtete, öffnete ich vorsichtig die Tür zur Sporthalle.

Immer noch mit meinem Blick auf den Gang gerichtet schob ich mich vorsichtig durch die Tür und schloss sie leise hinter mir. Erst dann drehte ich mich um und bekam einen Zeiten Schock an diesem Tag.

»Das darf doch nicht wahr sein!«, schoss es mir durch den Kopf. Ich blieb wie angewurzelt stehen. Wagte es nicht mich zu bewegen, noch zu atmen.
 

Die Sporthalle war in drei Bereiche aufgeteilt. Ein Teil war für den normalen Sportunterricht gedacht. Also eine Fläche auf der man Fußball, Hockey, Basketball etc. spielen konnte. Eine andere Seite war mit großen Spiegeln eingekleidet worden. Hier fand unter anderem mein Tanzunterricht statt. Und im mittleren Drittel, also in dem ich mich jetzt befand, waren Netze gespannt, sodass man dort jegliche Sportarten wie Volleyball oder Federball ausüben konnte.

Genau mir gegenüber stand ein Junge im Sportoutfit und mit Tennisschläger in der Hand und konzentrierte sich ganz auf die Bälle, die aus einer Ballwurfmaschine auf ihn zu geflogen kamen.

Ich presste mich mit dem Rücken gegen die Holzverkleidung und betete, dass er mich nicht bemerkte.

Denn dieser Junge war niemand anderes als Daniel Chaines!
 

Mein Gesicht lief jetzt wieder knallrot an und ich konnte nichts anderes tun als ihn an zu starren.

Wer hätte gedacht, dass ich geradewegs den Jungen alleine treffen würde, in dem ich schon seit dem ersten Tag auf der High School verknallt war?

Genau, diese Chance stand eins zu einer Million. Wie viele Mädchen hätten sich diese Begegnung gewünscht und ausgerechnet ich war die eine, deren Möglichkeit sich bot ihn mal ohne seine Freunde zu erwischen.
 

»Hattest du vor noch länger da zu stehen?«

Seine Stimme riss mich aus meinen Gedanken und ich starrte ihn erschrocken.

Er hatte aufgehört die Bälle zu schlagen und schaute mich jetzt mit einem amüsierten Grinsen an. Meine Unterlippe begann zu zittern. Zu gerne hätte ich etwas erwidert, aber ich konnte einfach nicht. Wo war bloß meine verdammte Spontanität, wenn ich sie wirklich mal brauchte?

Meine Knie wurden weich und ich wäre wahrscheinlich gestürzt, wenn nicht die Wand hinter mir gewesen wäre. Ich machte mich absolut zum Idioten!
 

»Also, wenn du willst kannst du ruhig weiter zu schauen. Oder wolltest du gerne trainieren?«

Er hob fragend eine Augenbraue. Automatisch bewegte sich mein Kopf hin und her. Das Kopfschütteln brachte mich wieder etwas zur Besinnung und ich schaffte es endlich krächzend zu antworten:

»N-nein, i-ich...«

Mehr brachte ich nicht heraus, aber es schien ihm zu reichen und er stellte sich wieder in Position.

»An deiner Stelle würde ich mich aber wo anders hinsetzten. So ein Tennisball kann ganz schön weh tun«, er grinste schief.

Ich nickte stumm und tastete mich dann an der Hallenwand entlang, um mich einige Meter entfernt vom Tennisfeld auf eine Kiste voller Bälle zu setzten.

Auf einmal schienen meine ganzen Sorgen verpufft zu sein und meine Augen verfolgten jeder seiner Bewegungen mit Faszination.

»Ich habe nächste Woche ein Match, weißt du«, während er redete drosch er weiter auf die Tennisbälle ein, »eigentlich dürfte ich nicht alleine in die Halle, aber mein Trainer hat ein gutes Wort für mich bei unserem Direktor eingelegt. Ich soll so viel wie möglich trainieren, denn mein Gegner soll ziemlich stark sein.«

Er erzählte noch viel mehr, aber ich hörte nicht mehr hin. Ich verfolgte nur noch wie er auf dem Feld hin und her schoss und einen Ball nach dem anderen abwehrte. Das Lächeln in seinem Gesicht sagte mir, dass es für ihn nichts schöneres auf der Welt gab. Fast hätte ich geseufzt, so wunderschön war dieser Moment. Obwohl er mich nicht mal ansah, kam es mir so vor als wären wir uns näher denn je.
 

Wir hatten noch nie groß miteinander gesprochen. In der Middle School hatten wir uns ganz gut verstanden, aber auf der High School wurde er plötzlich beliebt und ich hatte es nicht mal mehr versucht ihn anzusprechen.

Allein sein Aussehen hatte mich schon abgeschreckt. Natürlich hatte er eine sehr sportliche Figur. Seine Haare glänzten wie Gold und fielen ihm lässig ins Gesicht. Sie gaben seinem Aussehen etwas wildes, da sie teilweise in alle Richtungen ab standen. Jetzt wo er schwitzte, klebten sie ihm regelrecht an der Stirn, aber trotzdem sah er noch verboten gut aus.

Das beste an ihm waren natürlich seine Augen. Ich hätte stundenlang die Farben zählen können: limone, apfel, taupe, waldgrün, türkis...

Ich musste aufpassen, dass ich mich von diesen Tagträumen nicht hinreißen ließ, sondern trotzdem so tat als würde ich aufmerksam zu hören.

„Und was machst du in deiner Freizeit so?“

Ich zuckte zusammen, als er mich ansprach und fühlte mich irgendwie ertappt. Doch sein Blick war weder vorwurfsvoll noch ärgerlich, so wie ich es mir gedacht hätte. Sein Lächeln ließ sich einfach nicht weg wischen.

Ich schluckte einmal trocken und versuchte dann die Worte in meinem Kopf zu einem sinnvollen Satz zu formen.

»Tanzen. Ich tanze.«

Kurz, aber immerhin ein Anfang und er verstand, was ich gesagt hatte.

»Echt? Und was für einen Stil? Hip Hop? Jazz?«

Er klang ehrlich interessiert und das freute mich. Mein Herz machte gleich einen kleinen Sprung.

»Verschiedenes. Am liebsten Hip Hop, aber manchmal auch ein wenig Breakdance, Salsa oder Ballett. Je nach Laune eben.“

»Nicht schlecht“, er pfiff anerkennend durch die Zähne, „nimmst du denn auch an so etwas wie Wettbewerben teil?“
 

Ich schüttelte den Kopf:

»Ganz früher mal, aber jetzt geht es mir vor allem, um Showtanz. Ich möchte gerne mal in einem Musikvideo oder auf dem Broadway tanzen.«

»Ach so, als Berufstänzer. Verdient man denn da genug?«

Er setzte sich neben mich und blickte mich fragend an. Ich hatte bereits alle Scheu vergessen und seufzte bloß:

»Leider können sich Künstler dort gerade so über Wasser halten und meine Eltern wissen auch noch nicht von dieser Idee. Ich glaube mein Vater wird furchtbar enttäuscht von mir sein.«

»Sie scheinen nicht viel vom Tanzen zu halten, oder?«

»Sie finden es in Ordnung, als Freizeitbeschäftigung. Aber als Job...da brauch ich gar nicht erst mit anfangen...«

»Sind sie so streng?«

»Mein Dad überhaupt nicht und meine Mom...na ja...die ist eben nur übervorsichtig.«

»Einzelkind?«

»Japp!«
 

»Ich auch, aber ich habe keine Mom mehr. Ich lebe alleine mit meinem Vater.«

»Oh!«, betroffen sah ich ihn an, „darf ich fragen, was mit ihr ist?“

Er senkte seinen Blick und schien innerlich mit etwas zu kämpfen, dann lächelte er mich plötzlich traurig an:

»Sie hat vor wenigen Jahren Selbstmord begannen. Hat sich vor einen Zug geworfen, soweit ich weiß.«

Ich schluckte hart. Das hatte ich gar nicht gewusst, obwohl man in Forks fast jedermann Lebensgeschichte kannte.

»Das tut mir Leid!«

»Das brauch es nicht. Immerhin hast du sie nicht getötet, oder?«

Sein Grinsen wirkte gequält. Ich wich seinem Blick aus. Ich wollte nicht, dass er sah, dass ich Mitleid mit ihm hatte. Immerhin hatte er das bestimmt von genug Leuten gehört.

Doch er hatte meine Unsicherheit sofort bemerkt.

»Macht dir keinen Kopf darum, Maddy. Das ist Vergangenheit und du brauchst mich nicht anders zu behandeln als alle anderen.«

»Das hatte ich nicht vor«, gab ich ehrlich zurück, »so...dein Vater...was ist er von Beruf?«
 

Natürlich wusste ich das, aber ich musste unbedingt das Thema wechseln. Er schien sehr erleichtert darüber zu sein und das alte, begeisterte Lächeln kam zurück in sein Gesicht:

»Er ist Förster. Also ich finde, dass ist eines der spannendsten Berufe der Welt. Manchmal gehe ich mit ihm in den Wald und er zeigt mir Plätze, die andere Menschen nie zu Gesicht bekommen. Er kennt die Wälder wie seine Westentasche. Wenn du Lust hast kannst du ja mal mitkommen.«

Ich erwiderte sein Lächeln und nickte. Plötzlich meldete sich eine Stimme in meinem Hinterkopf, die völlig gegen meinen Willen war. Sie erinnerte mich an etwas, dass ich dachte schon längst wieder verdrängt zu haben. Die Frage kam wie von selbst über meine Lippen:

»Und hat er schon einmal ungewöhnliche Tiere dort gesehen?«

»Sicher. Man würde es nicht für möglich halten, aber hier in der Gegend gibt es sehr seltene Tierarten.«

»Nein, ich meine nicht im Sinne von selten. Sondern eher groß. Also insbesondere große Wölfe.«

Er starrte mich überrascht an und ich biss mir wütend auf die Unterlippe.
 

Mist! Kaum hatten wir uns mal verstanden, da machte ich schon wider alles zu Nichte, indem ich ihm so seltsame Fragen stellte.

Doch anstatt sich über mich lustig zu machen, begann sein Blick plötzlich zu Glühen. Als würde ihn dieses Thema auch sehr beschäftigen. Er nickte heftig mit dem Kopf, sodass seine Haare in alle Richtungen flogen. Wäre ich nicht so gespannt auf seine Antwort gewesen, wäre mein Herz sicher aus meiner Brust gesprungen.

»Da gab es ein Paar solcher Zwischenfälle. Sicher hast du davon gehört. Touristen und Wanderer die behaupteten riesige Wölfe gesehen zu haben, die in unseren Wäldern jagen. Aber lass dich davon nicht beeindrucken. Mein Vater meinte immer, dass es sich bestimmt nur um Bären handelt.«

»Also glaubst du das auch nicht?«, hakte ich nach und konnte die Enttäuschung in meiner Stimme nicht unterdrücken.

»Hm, also solange nicht bewiesen wurde, dass es wirklich Bären sind, bin ich der festen Überzeugung, dass es keine Sinnestäuschungen waren.«

Er holte tief Luft und blickte mir dann fest in die Augen. Als er meinem Gesicht immer näher kam und sein Atem leicht über mein Gesicht strich, glaubte ich gleich ohnmächtig zu werden. Oh dieser Blick!

Sein Flüstern strich mir wie Sandpapier über die Haut:

»Nachts geschehen im Wald Dinge über die nicht mal mein Vater alles weiß. Dinge, die menschlichen Augen verborgen bleiben. Es ist nicht immer alles so friedlich wie man meint. Ich habe zwar nie einen dieser Wesen gesehen, aber ich bin fest davon überzeugt, dass es sie gibt.«

Vor Aufregung musste ich meine Lippen befeuchten. Ich flüsterte jetzt auch:

»Was für Wesen?«

Ein geheimnisvolles Grinsen legte sich auf seine Lippen.

»Vampire, Werwölfe, Geister und andere Monster.«

Mir verschlug es vor Schreck die Sprache. Mit großen Augen blickte ich ihn an und wusste nicht, ob ich Lachen oder Angst haben sollte.

Es klang lächerlich. Doch seine Miene zeigte mir, dass er es völlig ernst meinte.
 

Wir zuckten beide zusammen, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde.

»Oh, wir stören wohl!«

Das Kichern hätte ich überall wieder erkannt. Als hätte ich mich verbrannt sprang ich plötzlich auf und entfernte mich so weit wie möglich von Daniel.

»Da bist du ja, Mad! Wir haben dich überall gesucht.«

Emmas Stimme klang vorwurfsvoll. Shirley blickte neugierig zwischen Daniel und mir hin und her, während Glorias Grinsen eindeutig Spott signalisierte. Melanie hielt sich wie immer im Hintergrund.

»Ja...ich...äh...ich brauchte einfach mal meine Ruhe und dann habe ich Daniel getroffen...«, stammelte ich unbeholfen:

»Ja, ja, ganz zufällig«, spottete Gloria. Der Junge räusperte sich:

»Ich denke ich geh dann mal. Mein Dad wartet sicher schon auf mich«, damit sammelte er seine Tennissachen zusammen und schob die Ballwurfmaschine zurück an ihren Platz.

Ich schaute ihm nur stumm dabei zu, während ich den misstrauischen Blicken meiner Freundinnen auswich.

»Na, wir sehen uns dann ja morgen. War cool mit dir zu reden«, er zwinkerte mir noch einmal zu und verließ dann die Halle.
 

Nachdem er gegangen war, herrschte ein peinliches Schweigen. Gloria war die erste, die sich auf mich stürzte.

»So ist das also, Schätzchen. Schön zu wissen.«

Sie schnalzte mit der Zunge und grinste noch breiter.

»Ich weiß gar nicht, was du meinst«, schnappte ich und versuchte so überheblich wie möglich drein zu blicken.

»Komm schon. Wir wissen doch alle, dass du in ihn verknallt bist«, Shirley verdrehte die Augen und legte einen Arm um mich. Wütend schüttelte ich ihn ab und schaute eine nach der anderen ärgerlich an.

»Glaubt was ihr wollt, aber wir haben uns wirklich zufällig getroffen, als ich auf der Flucht...«

Da stockte ich. Flucht? War es wirklich so gewesen? Ich wusste es nicht mehr. Ich wusste gar nichts mehr.

»Genau.Und darüber müssen wir auch nochmal reden«, meine beste Freundin, die bis da hin gar nichts mehr gesagt hatte, baute sich nun vor mir auf.

»Was fällt dir eigentlich ein uns einfach so hängen zu lassen und die Biege zu machen?«

Ich zog etwas den Kopf ein. Als sie mein schuldbewusstes Gesicht sah, entspannten sich ihre Züge wieder. Sie seufzte tief:

»Ich meine so feige bist du doch sonst nicht. Du lässt dich doch sonst nicht einfach so unterkriegen.«

»Na ja«, begann ich, »hast du denn nicht gesehen wie er aussah?«

»Natürlich hab ich das«, schnaubte sie, »er schien nun mal nicht die neusten Klamotten zu haben. Aber das hat dich doch sonst nicht bei anderen Leuten gestört. Bisher war es dir doch immer Schnuppe, ob sie reich oder arm, hässlich oder hübsch, krank oder gesund waren.«

»Bisher war es auch nie einer aus dem Reservat gewesen«, konterte ich.

Sie schaute mich einen Moment einfach nur an. Die Enttäuschung über mein Verhalten war ihr deutlich anzusehen.
 

»Madison«, es war selten, dass sie mich mit meinem vollen Namen ansprach, »soll das etwa bedeuten, dass du dem Glauben schenkst, was deine Eltern dir über die Leute aus La Push erzählen?«

Sie schien ernsthaft schockiert zu sein, Plötzlich wurde ich trotzig. Sie hatte nicht das Recht an den Worten meiner Eltern zu zweifeln.

»Aber sie haben doch Recht. Es sind Indianer. Die haben eine andere Hautfarbe. Die sind nicht wie wir. Die sind anders.«

»Ach ja?«, sie zog herausfordernd eine Augenbraue hoch, »ich habe auch eine andere Hautfarbe als du. Bin ich deswegen auch anders?«

»Nein«, widersprach ich und suchte verzweifelt nach den richtigen Worten, »du bist meine Freundin. Du und deine Familie ihr lebt mit uns zusammen. Und die Quilleute leben abgeschieden. Das muss doch einen Grund haben.«

»Und ob das einen Grund hat«, ihre Stimme wurde auf einmal um eine Spur lauter, „hast du schon mal daran Gedacht, dass sie mit solchen kleinkarierten Leuten wie dir nichts zu tun haben wollen!“

Den letzten Satz schrie sie mir regelrecht entgegen. Ich konnte sehen wie Melanie sich halb hinter Shirley verbarg. Sie konnte es nicht ausstehen, wenn man stritt. Und besonders nicht wir.
 

Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Ich traf mich tief, dass sie mich wirklich für so oberflächlich hielt. Dabei war es nicht nur das Aussehen des Jungen, sondern seine ganze Aura gewesen, die mich nervös gemacht hatte. Doch es hatte keinen Sinn ihr das zu erklären., wenn sie so wütend auf mich war.

»Und ich frage mich wirklich, warum er sich so brennend für dich interessiert hat. Der Arme kann einen wirklich Leid tun, wenn er dich auch noch sympathisch findet«, sie schüttelte bloß den Kopf und wandte sich dann zum Gehen.

»Was hat er gesagt?«, meine Stimme war leise, aber fest.

Sie blieb wie angewurzelt stehen und schien darüber nachzudenken, ob sie mir antworten sollte.Mir blieb nichts anderes übrig als noch einen Schritt weiter zu gehen:
 

»Hör zu, Em. Es tut mir wirklich Leid, dass ich vorhin abgehauen bin, aber ich wusste einfach nicht wie ich reagieren sollte. Und das ich so eine Abneigung gegen Quileute habe, liegt vielleicht daran, dass ich noch nie mit einen von ihnen gesprochen habe.

Meine Eltern haben mir von klein auf beigebracht, dass es schlechte Menschen sind, aber ich weiß, dass sie nicht Recht haben.«

Ich zögerte einen Moment und als mich niemand unterbrach, sprach ich weiter:

»Fremde Sachen machen uns halt manchmal Angst. Das wisst ihr doch alle. Als du damals auf unsere Schule gekommen bist, Shirley, da hattest du doch auch Angst, weil du nicht wusstest wie wir Amerikaner so ticken.

Und du, Mel, als du damals dein Gedicht der ganzen Klasse vorstellten solltest, da bist du vor Angst doch fast gestorben. Es war eine völlig neue Erfahrung. Du hast dich sogar erst geweigert und hätte Miss Burne dich nicht dazu überredet, hättest du nie erfahren wie begeistert wir alle auf deine Verse reagieren.

Vielleicht brauche ich ja auch nochmal einen Anstoß in die richtige Richtung. Vielleicht sind die Quileute ja gar nicht so übel, wie mir immer alle weiß machen wollten. Vielleicht...sollte ich einfach mal über den Tellerrand hinaus blicken.«

Zugegeben, diese „Rede“ war schon etwas kitschig und zu lang geraten, aber es war nicht das erste Mal, dass die Worte einfach so über mich kamen und immerhin war ich für meine Spontanität bekannt.

»Clearwater.«

»Wie bitte?« , ich verstand nicht, was Emma von mir wollte. Sie stand immer noch mit dem Rücken zu mir.

»Der Junge hieß mit Nachnamen Clearwater.«
 

Nächstes Kapitel: Zukunftsträume



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  jennalynn
2011-08-03T19:15:57+00:00 03.08.2011 21:15
Was für eine REDE. Wem hat sie gerade versucht zu überzeugen ihre Freunde oder sich selber *grins*
Schönes Kapitel, jetzt wird es spannend.
LG jennalynn


Zurück