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Blood Deal

Even if saving you sends me to heaven
von

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Stärke

Antonin

Mit Argusaugen verfolgte er die Wandlung die sich da vor seinen Augen abspielte. Für eine Sekunde sah es so aus als würde Cole in sich zusammenfallen, wie ein Kartenhaus, gegen das man aus Versehen mit dem Finger gestoßen war. Doch der Augenblick verging so schnell wie er gekommen war und mit einem Mal war wieder das zu spüren, was Antonin schon im Krankenhaus bemerkt hatte. Eine Ausstrahlung, die so düster wie die Nacht finster war. Und ja, natürlich bereitete sie ihm Herzklopfen, denn immerhin war ja er derjenige der sich tagelang kaum rühren konnte und mit Sicherheit noch weit davon entfernt war körperlich wieder fit zu sein. Aber er bezweifelte das es in körperlicher Gewalt enden würde. Diese abwehrende Haltung... und hier stockten seine Gedanken. War das wirklich Abwehr? Sein Stirnrunzeln vertiefte sich und er sah wie Cole den Kopf schüttelte, hörte wie er ihm den Schlüssel entsagte. Beobachtete wie dieser Mann den Rückzug antrat und dann schnappte etwas in ihm entzwei. Etwas in ihm bäumte sich auf, schrie ihn an hier nicht so sinnlos in der Gegend herum zu stehen, sondern zuzusehen, dass er den Mann nicht so einfach gehen ließ. Er dürfte ihn nicht gehen lassen. Warum? Egal!

Er war in wenigen Schritten im Gang und griff nach dessen Oberarm, noch bevor der andere die Hand nach der Türklinge komplett ausstrecken konnte. Mit einer einzigen, wenn auch anstrengenden Bewegung hatte er den Mann herumgerissen und mit einer leicht wegstoßenden Bewegung an die Tür gedrückt. Antonins Augen funkelten vor lauter unterschiedlichen Emotionen. Waren stur auf die kühlen... ach was eiseskalten Augen von Cole gerichtet. Auch wenn etwas nicht ganz reinpasste.. Unsicherheit? Nein.. aber was? Doch das würde er auch noch rausbekommen. Genau wie vieles anderes.

"Feigling!", spieh er das erste Wort das ihm in den Sinn kam aus. "Warum bin ich nur von Feiglingen umgeben?!", donnerte er und merkte kaum wie er eine Hand gehoben hatte um sie ungefähr in der Mitte des Oberkörpers in dessen Hemd zu verkrallen. "Denkt ihr alle denn wirklich, ich lasse mich so leicht abspeisen? Denkt ihr denn tatsächlich, dass ich so stark auf den Kopf gefallen bin, dass mir die ganzen Kleinigkeiten, die euch verraten, nicht mehr auffallen? Du...", er hielt kurz inne, musste nach Luft schnappen. "Du bist schon einmal durch diese Tür gegangen, richtig? Und ich habe dich nicht aufgehalten, obwohl ich es hätte tun sollen. Aber ich bin lernfähig, offensichtlich." Er schluckte hart, lenkte seinen Blick jedoch nicht ab. Atmete tief ein, um mehr Luft in seine Lungen zu bekommen. Er wusste nicht, ob es an seiner plötzlichen Aufregung oder an seinem Kopf lag, aber irgendwie fühlte er sich ein wenig kurzatmig.

"Ich habe eine ziemlich schicke Wohnung, hatte ein ziemlich schickes Auto und laut onlinebanking auch ein ziemlich schickes Bankkonto. Warum also, warum also tut ihr Penner dann so, als wäre ich aus Zucker, huh? Du lügst mir ins Gesicht und ich weiß es! Ich kann es nicht beweisen, aber ich werde mich erinnern. Und wenn es das allerletzte ist, das ich auf dieser Welt tun werde, Cole. Und willst du... wollt ihr alle dann als die großen Feiglinge dastehen, die mir nichts gesagt haben? Was ist in meiner Vergangenheit passiert? WAS IST PASSIERT?!", schrie er schließlich und löste seine Hand abrupt... wurde weiß wie eine Wand und verengte die Augen kurz. "Ich habe dich geschlagen", stellte er dann fest. "Und selten hat mir etwas mehr leid getan. Willst du mich den Rest auch noch alleine herausfinden lassen? Willst du mich über eure ganzen schöngeredeten Tatsachen stolpern lassen, obwohl mir eure Hand genauso gut über diese Hindernisse helfen könnte, anstatt mich drauf zu schubsen?! Willst du mir weiterhin weismachen, das wir uns kaum kennen, obwohl deine Augen genau in diesem Moment etwas anderes erzählen?" Er merkte kaum noch was er sprach. Es waren zu Wort gewordene Emotionen, die jetzt raus mussten, und der Mann vor ihm war verantwortlich dafür. Er kannte ihn. Antonin war sich sicher, ihn gut zu kennen. Doch dann kam ihm ein ganz anderer Gedanke und er riss die Augen geschockt auf und trat automatisch einen Schritt zurück. "Außer natürlich.. das wäre die einfachste Art mich los zu werden. Ist es das?" Hatte er Cole deshalb nur an seinem Geburtstag gesehen? War Cole nur deshalb jetzt hier, weil Nicholas und Tayra ahnten, dass er jenen nicht einfach von der Polizei abführen lassen würde. Hatten sie ihn überreden müssen, her zu kommen?
 


 

Cole

Es funkelten Wut und Panik gleichermaßen in Coles Augen. "Nenn mich nicht Feigling", grollte er in einer ersten Reaktion und versuchte Antonin kraftlos wegzudrücken, was ihm nicht gelang, so dass er sich gegen die Tür gepresst wiederfand, die Hand des anderen auf seiner Brust spürend. Und diese Hand verwirrte ihn, denn sie war so ersehnt, so warm, so vertraut. Und sie ließ ihn erzittern. Und nun besaß er keine Kraft mehr das zu tun, was ihm sein Verstand vorgab zu machen: Antonin wegstoßen und gehen. Vielmehr war er gezwungen Antonin ins Gesicht zu sehen, diese grauen Augen zu sehen, die er so schön fand. Und er konnte nun auch nicht mehr seine Emotionen ganz zurückhalten. Und so konnte man in seinen grünen Augen lesen, wie er unsicher war, wie er erschrak, als Antonin sich an ihren letzten Streit hier erinnerte. Man konnte die Angst sehen, die er verspürte, als Antonin begann eins und eins zusammen zu zählen, wie er forderte endlich ein Recht auf die Wahrheit zu haben. Und hatte er das denn nicht eigentlich auch? Wer waren sie denn, dass sie entschieden, was gut und was schlecht war?

Und mit jedem gesprochenen Wort des anderen bröselte mal wieder alles von ihm ab, jede Mauer, jeder Schutzwall, einfach alles. Wie schaffte Antonin das immer wieder? Wieso ausgerechnet dieser Mann hier?

Sein Blick senkte sich leicht, als er hörte, wie Antonin ihn anschrie. Aber er blickte sofort wieder auf, als er merkte, wie sich diese Hand löste, so dass er leicht taumelte. Und dann sprach Antonin aus, was er gerade schon spürte, dass seine Augen eben nicht mehr lügen konnten. Er versuchte erneut dem bohrenden Blick des anderen zu entkommen, doch wieder musste er nun mit blankem Entsetzen in den Augen aufblicken und Antonin ansehen, als dieser ihm unterstellte, dass er ihn loswerden wollte. Sicher wollte er das, dachte er zumindest, aber nicht aus diesen Beweggründen.

"Du willst also hören, was passiert ist? Du alter Sturkopf möchtest also wirklich alles wissen?", zischte er und seine eigene Panik verschaffte ihm die Kraft Antonin wieder anzusehen. "Du möchtest also wirklich alles hören, was dein Unterbewusstsein, dir eigentlich ersparen wollte? Zurecht ersparen wollte? " Cole schloss die Augen, bemerkend, dass er nun nicht mehr zurück konnte. Tief atmete er durch. Dann stieß er sich von der Tür ab, richtete sich auf. "Setz dich, du siehst aus, als würdest du gleich umkippen", knurrte er in einem Tonfall, der keine Widerworte zuließ. Wenn sie sich hier und jetzt anschrien, dann würden es nur die Nachbarn mitbekommen, und das war eigentlich nicht für ihre Ohren bestimmt. "Ich habe vorhin nicht gelogen. Ich habe lediglich Wahrheiten verschwiegen, denn dich anzulügen ist etwas, das mir mehr als schwer fällt, auch wenn du mir das jetzt wohl kaum noch glauben wirst." Er räusperte sich kurz. "Ich werde dir das erzählen, was ich hoffte, dir ersparen zu können. Und das habe ich nicht getan, um dich loszuwerden. Nein. Ich dachte ich könnte dich so schützen und dir endlich ein Leben jenseits der Gefahr und des Todes ermöglichen. Aber der Herr möchte es ja nicht anders, und wer wäre ich, wenn ich seinem Wunsch nicht nachkäme. Du hast letztlich ein Recht alles zu erfahren und du wirst es offensichtlich früher oder später ohnehin selbst raus finden." Einen Moment schwieg er. Er selbst würde sich nicht setzen können. Dafür war alles zu beängstigend. "Du bist ein Chemiker, ein sehr guter. So gut, dass du eine Super-Droge namens Blue Wonder kreiert hast. Darüber sind wir ins Geschäft gekommen. Doch dein Leben als Chemiker ist nur eine der vielen Fassaden, die dein Leben schmücken. Etwas, das länger davor liegt, ist die Tatsache, dass du ein ausgebildeter – von Nicholas ausgebildeter - Guard bist. Ich weiß nichts Genaues, aber so viel du mir verraten hast, bist du bei einem deiner ersten Einsätze nicht so weit gegangen, wie man es von dir verlangt hatte." Er schluckte. Sollte er das wirklich erzählen? Sollte er wirklich weitersprechen? Er hatte begonnen durch den Raum zu laufen, unruhig wie ein wildes Tier in einem Käfig. Nun blieb er am Fenster stehen und blickte hinaus. Mit leiser Stimme sprach er weiter. Leise deshalb, weil er Angst hatte, sie könnte brechen. "Und das bedeutete eine unendliche, qualvolle Folter, die als Ergebnis nicht nur die Narben bedeutete, sondern auch eine seelische Verletzung, die du eigentlich vor deinem Unfall überraschend gut zu verarbeiten schienst. Ich bete zu Gott, dass du jetzt nicht wieder deswegen von vorne anfangen musst." Er atmete tief durch und drehte sich wieder zu Antonin. "Du arbeitest offiziell für eine Firma, inoffiziell für mich. Du produzierst Drogen und dein Traum ist es, ein eigenes Labor zu finanzieren, um dich nur auf die Vervollkommnung deines Wunders zu spezialisieren." Das, was zwischen ihnen bestanden hatte, sprach Cole nicht an. Er ging davon aus, dass Antonin erst einmal genug zu schlucken hatte. Da wollte er nicht auch noch so etwas wie Gefühle auf ihm abladen. Gefühle, an die er sich nicht mehr erinnern konnte. Intime Situationen, die ihm jetzt wahrscheinlich völlig fremd erscheinen würden. Nein, damit würde er ihn im Moment nur überfordern. Und vielleicht erinnerte er sich ja irgendwann daran. "Durch deinen Job mit mir bist du in den letzten 3 Monaten, zweimal angeschossen worden, hast dich mindestens viermal in Lebensgefahr gebracht und auch sonst einiges mitmachen dürfen. Und mich hat es keine Sekunde gewundert, dass dein Unterbewusstsein beschlossen hatte, das alle zu streichen. Ich konnte es mehr als gut verstehen." Ruhig sprach er diese Worte endlich aus. Jetzt, da er endlich reinen Wein eingeschenkt hatte. "Ich kann dir nicht sagen, weshalb Nicholas und Tayra dir alles verschweigen, aber ich für meinen Teil dachte, es sei besser, wenn du dich nicht mehr an alles erinnerst, so wie es deine Psyche ja eigentlich auch vorgehabt hatte. Denn leider sind diese 8 Jahre nicht sehr rosig gewesen." Er strich sich die Haare aus dem Gesicht. "Ich weiß, dass ich kein Recht dazu hatte über deinen Kopf hinweg zu entscheiden, was gut und was schlecht für dich ist, aber für mich erschien es als richtig. Ich denke... ich gehe jetzt lieber. Ich..." Unschlüssig stand er da. "Ich sollte jetzt gehen." Doch irgendwie bewegte er sich nicht. Wollte er eine Antwort hören? Eine Verurteilung, damit es ihm leichter fiel zu gehen? Vielleicht...
 


 

Antonin

Cole versuchte ein paar Mal seinem Blick auszuweichen, aber als Antonin seine letzte Vermutung hervorgepresst hatte, sah er nichts anderes als Entsetzen in diesen Augen schwimmen. Und es fuhr seine Emotionen kurzfristig wieder herunter. Er hatte also doch recht behalten. Er hatte sich nicht getäuscht. Cole war wichtig. Noch war ihm nicht ganz klar, wie weitreichend dieses 'wichtig' war, aber offenbar war er in der Lage den anderen umzustimmen. Ebenso wie dieser es bei ihm ohne größere Probleme zu schaffen schien. Das war ein Anhaltspunkt. Ein weiterer auf seinem Weg. Einer mit dem er tatsächlich ein paar Emotionen verbinden konnte. Der Mann vor ihm hatte nichts mit einem Stummfilm gleich und das war gut. Das war sogar sehr gut. Deshalb tat er wie ihm geheißen wurde und ging zurück ins Wohnzimmer, um sich auf seine Couch zu setzen und Cole zu beobachten. Die Informationen, die jener ihm gab, weiter in sich aufsaugend. Und es waren nicht nur die Worte, die ihn über Dinge in Kenntnis setzten, sondern auch die ganzen Gesten. Gesten, die jener vorher nicht so deutlich gezeigt hatte, sie jetzt aber scheinbar freiwillig herausrückte und Antonins kleine Gehirnzellen damit langsam aber sicher ankurbelten. Doch je länger Cole sprach, desto schwieriger wurde es, sich auf beides zu konzentrieren. Antonin bezweifelte nicht, dass er gerade die Wahrheit auf einem Silbertablett serviert bekam. Aber in seinem Fall war die Wahrheit ein abgeschlagener Kopf.

Hin und wieder tauchten ein paar Fetzen vor seinen Augen auf. Weitere Standbilder, die dem aufgeregten Mann vor ihm Recht gaben. Bilder, die ihm Angst machten, aber auch nur noch sturer werden ließen. Er hatte davor damit leben können, er könnte es auch danach. Dessen war er sich sicher, selbst wenn ihn einiges von dem was er hörte, erblassen und zittrig nach seinem Wasserglas greifen ließ. Fast wäre es ihm aus der Hand geglitten, weshalb er die zweite auch noch dazu nahm. Doch er gab es bald auf, trinken zu wollen. Er konnte kaum seinen Mund erreichen. Aber warum, verflucht nochmal, zitterte er überhaupt so? Das meiste von dem Gehörten klang ein wenig unglaubwürdig. Nein.. es klang sogar sehr unglaubwürdig. Also, warum betrog ihn sein Körper gerade?

Langsam ließ er seinen Kopf sinken, schloss die Augen und hörte der leiser gewordenen Stimme zu. Und hey, er mochte diese Stimme. Ja, er mochte sie und sie machte es ihm leichter die Inhalte langsamer zu ihm durchdringen zu lassen. Er war gefoltert worden? Er stellte eine 'Wunderdroge' her? Er war innerhalb von 60 Tagen mindestens 4 Mal in Lebensgefahr? 2 Mal angeschossen? Ein Guard? Noch während Cole sprach hob er eine Hand, um mit ihr den Ärmel seines Pullovers hoch zu schieben. Es fiel ihm schwer die Augen wieder zu öffnen, doch er tat es. Und er musterte die Narbe, von der er sich schon häufiger gefragt hatte, woher sie kam. Gefoltert? Warum in Dreiteufelsnamen sollte er sich zu so einem Guard ausbilden lassen? Er wollte immer schon in die Forschung gehen. Dass er sich tatsächlich für die Chemie und nicht für Physik entschieden haben sollte, konnte er noch nachvollziehen. Aber das?

Es kostete ihn noch mehr Kraft den Kopf wieder weit genug zu heben, um zu Cole zu sehen. Noch immer schienen sein Körper und sein Verstand zwei verschiedene Wege zu beschreiten, aber damit musste er jetzt wohl erst einmal klar kommen. Im Grunde war es nicht einmal so schlecht, denn wenn man davon absah, dass er hier den Zitterfritzen spielte, ging es ihm nicht schlechter als zu dem Zeitpunkt, zu dem er im Krankenhaus aufgewacht war. Er konnte klar denken und er konnte sehen, dass Cole momentan fertig mit Gott und der Welt war. Und damit galt seine Sorge nicht mehr seinem spinnendem Organismus, sondern dem Mann, der ehrlich zu ihm war. Dem Mann, der sich offensichtlich Gedanken darum gemacht hatte. Gedanken um ihn gemacht hatte. Und damit ließ er ein weiteres Mal zu, dass er seinem Instinkt vertraute. Welcher ihm gerade sehr eindeutige Signale gab. So ballte er seine Hand ein paar Mal zur Faust und tatsächlich schien sich der Arm zu beruhigen und wieder mehr unter Kontrolle zu kommen. Zumindest soweit, als dass er ihn heben und seine Hand nach Cole ausstrecken konnte. "Solltest du?", fragte er sanft. Seine Stimme war nicht lauter als die von Cole, von seiner eben noch gezeigten Hitzigkeit war nichts mehr zu spüren. "Ich denke du solltest her kommen. Hierher, zu mir", fuhr er fort und Antonin ahnte, dass sein Blick eine einzige große Bitte war, aber das war es ja schließlich auch. Und er wusste abermals nicht woher das Bedürfnis kam, den anderen zu umarmen und ihm dafür zu danken, dass jener für ihn stark sein wollte, aber es war vorhanden und wenn Cole ihn lassen würde, dann würde er diesem beweisen, dass er standhielt. Dass es nicht nötig war so stark zu sein. Aber das er trotzdem unendlich viel Dankbarkeit dafür in sich fand.
 


 

Cole

Ein flüchtiger Seitenblick, während er gesprochen hatte, sorgte dafür, dass er es kaum schaffte, Antonin noch einmal anzusehen. Jener schien am ganzen Körper zu zittern. Hätte er ihm doch nichts sagen sollen? Hätte er langsamer mit der Wahrheit herausrücken sollen? Aber jener hatte ihn so gereizt, ihn angeschrien, dass er endlich die Wahrheit sagen solle...

Dennoch fühlte er sich ein Stück weit schuldig, dass er Antonin nun so sehen musste, so komplett fertig. Antonin war doch noch krank, kraftlos. Und nun musste er hier so vieles ertragen. Warum hatte er sich nicht gedulden können? Wieso hatte er jetzt sofort die Wahrheit wissen wollen? Doch Cole kannte die Antwort. Er kannte sie in dem Moment, als er sich überlegte, wie er wohl an Antonins Stelle reagiert hätte. Was wäre gewesen, wenn er sich nur noch an Fetzen aus seinem Leben erinnern könnte? Er hätte auch die Wahrheit wissen wollen.

Dennoch würde er jetzt besser gehen. Sicher würde Antonin ihn für alle Zeit verfluchen, weil er ihm anfangs nur Halbwahrheiten erzählt hatte oder wichtige Details verschwiegen hatte. Sicher würde er ihn in Zukunft meiden. Und letztlich war das ja auch das, was er wollte, oder? Er wollte, dass Antonin in Zukunft seine Welt mied. Er sollte ein anderes, besseres Leben führen.

Als er Worte hörte, blickte er auf, sah Antonin an, der die Hand aussteckte und ihm sagte, er solle zu ihm kommen. Verwirrt blickte er auf die Hand, die so verlockend, so einladend aussah. Und er blickte in das müde Gesicht des anderen. Selbst wenn er jetzt gehen sollte... Konnte er überhaupt gehen? Musste er nicht vielmehr hier bleiben, den anderen nicht mit der Wahrheit allein lassen? Er konnte doch schlecht erst ihm so viele grausame Dinge sagen, und nun einfach verschwinden, oder?

Cole zögerte, dann trat er einen Schritt auf Antonin zu. Nur nicht berühren, lieber nicht anfassen. Schon vorhin an der Tür, als Antonin ihm so nahe gewesen war, hatte er das dringende Bedürfnis gehabt, ihn an sich zu ziehen, ihn zu umarmen und zu küssen. Das durfte er nicht noch einmal riskieren.

"Ich denke", murmelte er und ergriff die Hand nicht, auch wenn er in ihrer Reichweite stand, "ich bleibe noch so lange, bis du eingeschlafen bist." Er lächelte müde. "Komm, ich bring dich ins Bett. Das war heute alles ein wenig viel, du solltest dich ausruhen und schlafen. Ich bring dich rüber und warte, bis du eingeschlafen bist." Ja, das war doch ein guter Plan. Er würde wissen, dass es Antonin gut ging, und Antonin konnte den ersten Schock einmal überschlafen. Später würde er zwar Zeit für sich brauchen, um alles einmal auch für sich selbst zu klären. Noch war es in Ordnung, dass alles heute Abend so anders gelaufen war, als geplant. Aber welche neuen Aspekte dieser Abend ihm vor Augen geführt hatte, darüber konnte er später immer noch nachdenken. Und so ergriff er schließlich doch noch die Hand, um Antonin aufzuhelfen. "Lass uns rüber ins Schlafzimmer gehen."
 


 

Antonin

Er sah dabei zu wie Cole tatsächlich einen Schritt näher kam. Aber anstatt die Hand zu ergreifen fing er wieder an zu sprechen. Und je länger Antonin dem anderen zuhörte, desto deutlicher wurde das Gefühl, dass dieser zu viel dachte. Viele Sätze von jenem hatten mit diesen Worten begonnen und gerade die davor hatte er nicht umgesetzt. Er war noch nicht sofort gegangen, ganz so als ob er ausgesprochen hätte, was dessen Meinung nach das Richtige zu tun gewesen wäre, aber nicht mehr in der Lage war es umzusetzen. Antonin seufzte leise und ließ sich dann, als Cole seine Hand doch ergriff hochziehen. Die Bewegung für sich ausnutzend fand er tatsächlich noch genügend Koordination in seinem Körper, um den anderen doch noch zu umarmen. Gerade lange genug, um endlich das aussprechen zu können, was er nicht ohne Körperkontakt tun wollte. "Cole", fing er mit ruhiger Stimme an. Viel ruhiger als er sich momentan eigentlich fühlen sollte. Aber er war noch nie ein Mensch gewesen, der das tat, was andere von ihm erwarteten. "Du kannst damit aufhören. Ich sehe die Stärke, die du für mich aufbringst und ich bin dankbar dafür, wirklich. Aber dieser Grad an Stärke ist nicht nötig. Ich weigere mich wegen Dingen zusammen zu brechen, die ich bereits hinter mir habe. Aber ich möchte sie wieder wissen. Die Vergangenheit ist das, was einen Menschen formt und ausmacht und ich möchte wissen, woraus ich geformt bin. Und das kann ich nur, wenn ich nicht komplett abgeschirmt werde", meinte er leise und löste sich dann von dem anderen Mann. Sah ihm kurz in die Augen und brachte sogar ein Lächeln zustande. "Ich nehme das von vorher zurück, ich denke mein Schlüssel ist bei dir gut aufgehoben", versicherte er und trat dann beiseite und an Cole vorbei. Woher er die Kraftreserven dafür noch nahm, wusste er nicht, aber Cole sollte sich keine Sorgen mehr um ihn machen. Antonin würde mit den Dingen klarkommen. Vielleicht nicht alleine und ja, vielleicht bräuchte er die helfenden Hände, die er vorher erwähnt hatte wirklich, aber er war nicht bereit, vor sich selbst davon zu laufen. Er wollte wissen was er für ein Mensch war. Warum er Drogen herstellte. Warum er sein Leben für andere riskierte. Warum er Cole nicht geglaubt hatte, als jener versuchte ihn mit Halbwahrheiten abzuspeisen. Und noch so viele andere Dinge mit welchen er sich noch geraume Zeit beschäftigen könnte.

Er winkte Cole mit sich in den Gang, in der Annahme jener würde ihm schon folgen. "Ich glaube nicht, dass ich einschlafen kann, wenn sich jemand im Zimmer befindet, der nichts anderes zu tun hat, als mich zu beobachten. Aber ich danke dir für das Angebot. Genauso wie für das andere. Vielleicht komme ich darauf zurück." Er wartete bis Cole nahe genug heran war und öffnete seine Wohnungstür. Er wollte den anderen nicht wirklich rauswerfen und irgendwie wollte er auch nicht alleine sein, aber er erkannte einen erschöpften Menschen, wenn er einen sah, und Cole war gerade das Paradebeispiel eines eben solchen Menschens. Ruhig sah er ihn an, immer noch an diesem Gefühl festhaltend, in dem Wissen, dass es bald wieder vorüberziehen würde und was dann noch übrig bleiben würde... nun damit wollte er sich lieber alleine auseinandersetzen. Er war eigentlich nicht der Typ dafür, um vor anderen zusammenzubrechen. "Danke für alles, Cole."
 


 

Cole

Cole war überrumpelt, als er sich plötzlich in der Umarmung des anderen wiederfand. Er erstarrte leicht, als er den Körper spürte, der gegen ihn drückte, als er die Wärme spürte, die dieser ausstrahlte, als er den Herzschlag glaubte wahrnehmen zu können. Er schluckte schwer, lauschte dann der Stimme des anderen, unfähig die Umarmung zu erwidern. Stärke? Er fühlte sich momentan eher wie ein Häuflein Elend. Die restlichen Worte bestätigten ihm nur noch seine Gedanken, dass Antonin ein Recht auf die Wahrheit hatte. Nur durfte er jetzt nicht sich dem Gefühl ergeben, den anderen zu umarmen und ihn an die letzte Wahrheit noch zu erinnern. Aber letztlich war es ja doch auch nichts gewesen, woran man sich großartig erinnern musste, oder? Es war halt einfach nur guter Sex gewesen... oder?

Dann war es auch schon überstanden. Noch den Blick überstehen, der ihm gewidmet wurde... Nicht wegschauen... Cole schloss einen Moment die Augen, als Antonin endlich an ihm vorbeitrat. Dann drehte er sich um und folgte Antonin in den Gang, doch anstatt ins Schlafzimmer zu gehen, ging Antonin zur Tür. Und die Erklärung dafür folgte auch prompt. Antonin ließ ihn gehen. Cole sollte sich eigentlich freuen. Antonin hatte nun seine Chance zu tun, was er für richtig hielt, sei es nun ein Neuanfang oder nicht. Und er würde sein Leben nicht mehr so negativ beeinflussen.

Cole hörte die Worte des anderen, ohne sie richtig wahrzunehmen. Dann ging er an Antonin vorbei und blickte ihn noch einmal an. "Du musst dich nicht bedanken", erklärte er ruhig. "Erhol dich gut. Und wenn du etwas brauchst, dann melde dich. Habe keine Skrupel." Er lächelte leicht, dann ging er ohne sich noch einmal umzudrehen die Treppe hinunter.

Das war‘s dann wohl. Nun hatte er zu Ende gebracht, wovor er sich am meisten gefürchtet hatte. Er hatte seine Pflicht getan und Antonin würde nun selbst entscheiden, was er mit seinem Leben anfangen würde. Mehr wollte er nicht.



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