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Prayer for Peace

AG x DM
von

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September 1993

„Slytherin!“, verkündete der Sprechende Hut und für einen kurzen Moment blitzte so etwas wie Erleichterung in dem stoischen Antlitz des kleinen Mädchens auf. Dann aber legte sich wieder die undurchdringliche Maske auf das Gesicht und das Mädchen ging hocherhobenen Hauptes zu ihren neuen Hauskameraden. Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, wie ihre Schwester Daphne ihr zunickte.

Still setzte sich Astoria Greengrass an die lange Tafel, um nach außen hin aufmerksam die weitere Auswahlzeremonie zu verfolgen. Innerlich aber seufzte sie und hing ihren trüben Gedanken nach. Natürlich hatte sie es nach Slytherin geschafft. Alles andere wäre auch nicht tragbar gewesen. Zumindest in den Augen ihrer Familie, waren doch ihre Großeltern, ihre Eltern und auch ihre Schwester allesamt Slytherins. Sie wollte sich erst gar nicht ausmalen, wie ihr Vater seine Enttäuschung zum Ausdruck gebracht hätte, hätte der Sprechende Hut sie nach Hufflepuff geschickt, wie es sein erster Gedanke gewesen war. ‚Du würdest dort nicht allein sein’, hatte die seltsame Stimme des Hutes in ihrem Kopf gesagt, ‚dort würdest du jemanden finden, dem du dich anvertrauen kannst.’ Doch sie hatte mental gekämpft, gebettelt, gefleht und schließlich hatte der Hut ein Einsehen gehabt. All dies durften ihre Schwester und vor allem ihr Vater aber nie erfahren.

In diesem Moment eröffnete Professor Dumbledore das Festbankett und die Vielzahl an Speisen riss Astoria aus ihren Gedanken. Für einen winzigen Augenblick spielte sogar so etwas wie ein Lächeln um ihren Mund. Ja, sie war jetzt in Hogwarts und es würden Wochen und Monate vergehen, ehe sie wieder nach Hause musste. Und selbst dann würde ihr der Gedanke an eine Rückkehr hierher Hoffnung geben, die Kraft durchzuhalten. Hoffte sie.
 

Dezember 1996

Der Dunkle Lord war zurück. Was im letzten Jahr nur als geflüsterte Wahrheit und von offizieller Seite als lautstark dementierte Tatsache durch die Gänge der Schule für Hexerei und Zauberei gegeistert war, war nun allgemein akzeptiert. Es wurde nicht mehr geleugnet, nicht mehr totgeschwiegen. Es war nicht mehr geheim. Und auch Lord Voldemort agierte nicht mehr im Dunkel verborgen, sondern ließ sein Zeichen offen und bedrohlich über der Insel schweben. Menschen starben. Andere lebten.

Jeden Morgen, wenn sie beim Frühstück saß, hoffte Astoria, dass Professor Snape oder vielleicht auch Professor McGonagall zwischen den Reihen der an den Tischen sitzenden Schülern hindurch schreiten würde, um dann bei ihr oder Daphne stehen zu bleiben, die Schwester zu sich winkend, ein ernstes Gesicht machend, leise Worte an sie richtend, die schreckliche Wahrheit in sich tragen würden und doch Freiheit bedeuteten.

Unwillig warf sie ob dieser Gedanken das lange, blond gewellte Haar über die Schulter. Sicher, es war nicht verboten zu träumen, aber Träume waren Schäume und führten zu nichts außer zu enttäuschter Hoffnung. Sie war stärker! Sie war stärker als diese Träume, sie würde überleben.

„Ich freu mich schon auf Weihnachten. Paps hat mir einen Einkaufsgutschein für Twilfit & Tatting’s versprochen. Ich werde mir auf jeden Fall neue Festroben kaufen, die alten von vor zwei Jahren taugen beim besten Willen nicht mehr!“, tönte da die glockenhelle Stimme ihrer Schwester Daphne an ihr Ohr. Mit ihrem langen, nachtschwarzen Haar und der hochgewachsenen, schlanken Gestalt hätte man auf den ersten Blick kaum glauben mögen, dass Daphne und Astoria Schwestern waren. Nur die grünen Augen verrieten die Verwandtschaft. Astoria hatte sich oft gewünscht ihrer Schwester ähnlicher zu sehen, aber zu gut erinnerte sie sich noch an die Reaktion zu Hause, als sie ihre Haare schwarz gezaubert hatte. Und gegen ihre weiblichen Kurven, die, trotzdem sie zwei Jahre jünger war als Daphne, schon wesentlich stärker ausgeprägt waren als bei ihrer Schwester, konnte sie schon gar nichts machen.

„Ich hoffe ja, Paps nimmt uns dieses Jahr wieder zum Weihnachtsball des Ministeriums mit. Dann müsste ich ihm den Gutschein zwar schon eher abschwatzen, damit ich nicht gezwungen bin, in dem alten Fetzen auf den Ball zu gehen, aber das schaff ich schon.“ Während Daphnes Freundinnen ihr beifällig zustimmten und das Gespräch zu Frisuren und Make-up abdriftete, fühlte Astoria, wie ihr Magen rebellierte. Ihr Mund war staubtrocken, ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals und mit einem unterdrückten Würgen, ließ sie den angebissene Toast auf ihren Teller fallen, ehe sie fluchtartig die große Halle verließ. Doch statt den nächstgelegenen Waschraum aufzusuchen, eilte sie die Treppe hinauf, bis sie schließlich keuchend und mit Tränen in den Augen vor einer Tür mit der Aufschrift ‚Außer Betrieb’ ankam.

„Myrte, bist du da?“, fragte sie, das Schluchzen kaum unterdrückend. Sie wartete jedoch nicht auf Antwort von dem toten Ravenclaw-Mädchen, das in dieser Toilette spukte, sondern begann sofort sich ihren Kummer von der Seele zu reden. „Oh Myrte, ich will nicht, ich kann nicht mehr! Und in zwei Wochen sind Weihnachtsferien. Papa wird uns sicher auf den Ball mitnehmen und während Daphne sich irgendeine neue Robe dafür kaufen wird, wird er mich zwingen, etwas von meiner Mutter zu tragen. Alle werden wieder sagen, wie ähnlich ich doch meiner Mutter sehe und dann, und dann… oh Myrte, es wird wieder fürchterlich, wenn wir zu Hause sind und er zu mir kommt. Ich wünschte Voldemort würde ihn töten, dann wäre das endlich alles vorbei!“ Astoria sank auf den kalten Fliesenboden und ließ endlich den Tränen freien Lauf. So bemerkte sie weder, dass Myrte bei ihrem Eintreten sie noch versucht hatte, aufzuhalten noch wie sie jetzt versuchte, die zweite Person, die sich in dem Waschraum befand, dazu zu bringen, sich leise zu verhalten. Doch das war nicht wirklich nötig. Schockiert stand diese einfach nur da und sah aus eisgrauen Augen auf das Mädchen. Mitleid, Fassungslosigkeit und Wut spiegelten sich auf den aristokratischen Zügen wieder und verhinderten jedes Wort.

Als sie das erkannte, glitt Myrte lautlos zu Astoria. „Kopf hoch. Ich würde dir ja vorschlagen, dass du dich in meiner Toilette verstecken kannst, aber dann würden deine Lehrer dich bestimmt suchen. Und wenn sie dich hier fänden, würden sie misstrauisch werden. Dann könntest du nicht mehr jederzeit hierher kommen, wenn es draußen zu schlimm wird“, versuchte sie das weinende Mädchen zu beruhigen. Ihre sonst so verspielte Art ebenso wie ihr schnell beleidigtes Wesen waren in diesem Moment wie ausgelöscht. „Denk immer daran, die Ferien gehen vorüber und dann kannst du wieder hierher zurückkehren. Wie viele Tage sind es noch, bis zu deiner Volljährigkeit?“

„693 Tage“, kam es prompt zurück und das Schluchzen wurde von einem leisen Schluckauf verdrängt.

„Genau! Und jeder Tag bringt dich der Freiheit näher. Alles, was du dann brauchst, sind gute Noten“, fuhr Myrte aufmunternd fort.

Astoria seufzte. „Ich weiß… und für gute Noten sollte ich mich jetzt besser auf den Weg machen, damit ich nicht zu spät zum Unterricht komme.“ Kurz wusch sich das Mädchen das gerötete Gesicht, strich sich noch einmal über die Locken und verließ dann die Toilette.
 

Draco löste sich aus dem Schatten einer der Kabinen, wohin er sich rasch zurückgezogen hatte, als Astoria aufgestanden war. „Merlin!“, flüsterte er kaum hörbar. „Habe ich das eben richtig verstanden und ihr Vater…?“

Myrte wandte sich wieder um. „Ihr Vater liebt sie. Leider zu sehr und auf die falsche Art. Ja, das hast du richtig verstanden. Nach dem, was ich in den letzten Jahren erfahren habe, ist ihre Mutter gestorben als Astoria fünf Jahre alt war.“

„So lange schon?“ Dracos Gesicht hatte bei dieser Vorstellung eine leicht grünliche Schattierung angenommen.

Hastig schüttelte der Geist seinen Kopf. „Nein, nicht so lange. Aber dennoch zu lange. Astoria war zehn, als er das erste Mal zu ihr kam. Es war als Daphne nach Hogwarts ging. Davor waren Daphne und Astoria einfach seine beiden kleinen Mädchen, aber Daphne stand in dieser Beziehung ihrem Vater immer näher, sie war seine kleine Prinzessin. Und als Daphne dann nicht mehr zu Hause war, fühlte sich der Vater, der seine Frau innig geliebt hatte, verlassen. Bis er bemerkte, wie ähnlich Astoria seiner verstorbenen Frau sah.“ Myrte schwieg einen Moment, dann sagte sie: „Astoria hat mir einmal ein Foto von ihrer Mutter gezeigt und sie sieht ihr tatsächlich zum Verwechseln ähnlich. Mittlerweile noch mehr, jetzt, da ihre Figur fraulich geworden ist. Als sie nach Hogwarts kam, hatte sie gehofft, dass ihr Vater während ihrer Abwesenheit wieder zur Besinnung käme, aber dem war leider nicht so. Als sie nach den Weihnachtsferien wieder hierher zurück kam, war sie soweit, dass sie sich das Leben nehmen wollte. Zufällig war mir an dem Abend langweilig und ich hatte beschlossen zu schauen, ob ich nicht…“ Hier brach Myrte mit einem mädchenhaften Kichern ab und Draco verdrehte, trotz des ernsten Themas, die Augen. Er konnte sich schon denken, dass sie auf der Suche nach Potter gewesen war. „Jedenfalls kam ich zufällig am Astronomieturm vorbei und da war Astoria und überlegte ernsthaft zu springen.“

„Und du hast sie davon abgehalten.“ Es war keine Frage, denn mittlerweile kannte Draco Myrte gut genug, um zu wissen, dass hinter der Fassade des mauligen Mädchens auch eine tiefere Persönlichkeit steckte.

Myrte nickte. Sie hatte damals sofort erkannt, dass, was auch immer das Mädchen zum Selbstmord trieb, sie selbst im Tod nicht loslassen würde. Die Folge dessen wäre, dass das Kind, wie sie, zum Geist würde, und auch wenn Myrte selbst sich mittlerweile mit diesem Schicksal abgefunden hatte und es manchmal sogar beinahe schon genoss, bezweifelte sie ganz stark, dass diese Schülerin ein ewiges Dasein als Gespenst fristen wollte. Das hatte sie Astoria in einem stundenlangen Gespräch, bei dem sie langsam und vorsichtig auch aus dem Mädchen herausgeholt hatte, was sie so bedrückte, klar gemacht. Am Ende hatte Myrte sie vor die Wahl gestellt. „Du hast zwei Möglichkeiten. Entweder du gehst zu deinem Hauslehrer oder dem Schulleiter und zeigst deinen Vater an, was vermutlich zur Folge hat, dass dein Vater für eine bestimmte Zeit ins Gefängnis muss und du und deine Schwester zu irgendwelchen Verwandten kommt. Oder du hältst durch, bist stärker als all das, und wartest bis du volljährig wirst, damit du dann deinen eigenen Weg gehen kannst und wirklich frei von ihm bist.“ Den Rest des Jahres hatten sie sich hin und wieder getroffen, manchmal auf dem Astronomieturm, meist aber in Myrtes Waschraum, und geredet. Darüber, was Freiheit war, dass Rache am Ende einem nur den Schatten der Genugtuung einbrachte, den man sich erhofft hatte, vor allem aber über Möglichkeiten, das Durchhalten leichter zu machen. Damals hatten sie auch die Idee entwickelt, dass Astorias Vater vielleicht aufhören würde, wenn er in Astoria nicht mehr die verstorbene Gemahlin sehen würde, und um das zu erreichen hatte Astoria ihre Haare schwarz gefärbt.

„Das war das erste und einzige Mal“, sagte Myrte jetzt zu Draco, „dass ihr Vater sie geschlagen hat.“

Draco schnaubte ungehalten. Als ob das so einen großen Unterschied machte. „Warum hat sie ihn nicht angezeigt?“, begehrte er auf. „Warum ist sie immer wieder zu ihm zurückgekehrt?“

Myrte schaute ihn nur mitleidig an. „Du wusstest, dass dein Vater ein Todesser ist. Du wusstest, dass Todesser Menschen umbringen. Du wusstest, dass dein Vater von dir erwarten würde, ebenfalls ein Todesser zu werden, auch wenn du keinen Menschen umbringen willst. Es mag dir in manchen Fällen egal sein, ob ein Mensch stirbt oder lebt, aber du wusstest immer von dir selbst, dass du nicht zum Mörder werden könntest. Trotzdem bist du zurückgekehrt, trotzdem bist du in die Dienste des Dunklen Lords getreten und hast diesen Auftrag angenommen.“

„Weil ich keine Wahl hatte!“, schrie Draco.

„Astoria hatte auch keine wirkliche Wahl“, entgegnete das Gespenst. „Sie wusste, dass ihr Vater es ihr nie verzeihen würde, wenn sie ihn ins Gefängnis gebracht hätte und seine Rache wäre schlimm geworden. Sie wusste, dass, wenn sie ihren Vater anzeigt, alles öffentlich wird, dass ihr auf ewig ein Stigma anhaften würde. Logisch betrachtet wird jeder Mensch wissen, dass ein zehnjähriges Kind nichts dafür kann, wenn der Vater es missbraucht. Aber Menschen sind nicht immer logisch. Sie würden Astoria die Schuld geben, wenn nicht für den Missbrauch, dann dafür, dass ihr Vater ins Gefängnis kam und im indirekten Umkehrschluss sogar behaupten, dass ein Kind, dass seinen eigenen Vater anzeigt, vielleicht sogar eine solche Behandlung durch den Vater verdient. Es ist bizarr, ich weiß, aber die Realität ist manchmal bizarrer als jeder Traum.“

Dem hatte Draco nichts entgegenzusetzen. Er wusste, wie schwer ein Leben mit einem solchen Stigma war. Von klein auf war er damit konfrontiert worden, wie es war, einen Vater zu haben, der zwar politischen Einfluss und auch Reichtum hatte, der aber auch ein freigesprochener, ehemaliger Todesser war. Das war wohl auch der Grund, weshalb er sich über die Stigmata anderer lustig gemacht hatte – Weasleys Armut, Grangers besserwisserisches Getue, Potters Ruhm, um nur seine drei liebsten Opfer zu nennen.

„Eines habt ihr nur bislang außer Acht gelassen: Astoria wird während ihres sechsten Schuljahres volljährig. Selbst wenn ihr Vater für dieses Jahr schon bezahlt hat, wie will sie die Schulgebühren für das siebte Jahr bezahlen? Und was will sie in den Sommerferien zwischen sechstem und siebtem Schuljahr machen? Die Greengrass’ sind zwar relativ wohlhabend, aber es gibt für die Kinder keine Treuhandfonds oder ähnliches.“ Gäbe es so etwas, hätte Daphne es sicher schon so häufig erwähnt, dass Draco davon wüsste.

„Deswegen sind ja die Noten so wichtig. Wenn sie sich zum Beispiel dafür entscheidet, nach der Schule eine Ausbildung zum Heiler zu machen, könnte sie Madam Pomfrey fragen, ob sie ihr nicht hilft, für den Sommer eine Praktikumsstelle zu finden. Und für das letzte Schuljahr wird sie sich für ein Stipendium bewerben müssen.“

Dass all dies aber nur in einer Welt funktionierte, die nicht von Voldemort dominiert wurde, erwähnte keiner von ihnen.
 

Mai 1998

Sie lebte. Sie hatte den Krieg überlebt und Voldemort war tot. Auf immer im Jenseits verschwunden. Gestorben. Genau wie ihre unsinnigen Träume, der grausame Dunkle Lord könnte vielleicht einmal eine gute Tat vollbringen und ihren Vater töten.

Astoria Greengrass saß still in einer dunklen Ecke der Großen Halle von Hogwarts. Die Tische, an denen die Schüler sonst aßen, waren beiseite geschoben worden, um Platz für die Toten zu schaffen. Zwei Tränen rannen ihr über die Wangen, doch sie weinte nicht um die Gefallenen. Sie weinte um die verlorene Hoffnung. Und vielleicht ein klein wenig um Professor Snape. Denn ihm hätte sie sich nächstes Jahr anvertrauen können. Er hätte sie verstanden, hätte verstanden, warum sie geschwiegen hatte und er hätte ihr geholfen, ein Stipendium zu kriegen. Vielleicht hätte sogar Professor Dumbledore sie verstanden. Aber Professor McGonagall, die nun aller Voraussicht nach Schulleiterin würde? Niemals! Slughorn, dieses alte Walross, stellte sowieso keine Option dar.

Sie sehnte sich danach, zu Myrte zu gehen, aber alle Schüler waren gebeten worden, bis auf weiteres in der Eingangshalle oder der Großen Halle zu bleiben, weil man erst die Statik des Schlosses prüfen musste, den Schutt wegräumen wollte, die schlimmsten Schäden beseitigen, ehe man die übrigen Bereiche der Schule wieder frei gab. Was das übrige Schuljahr betraf, nun, wo die Eltern nicht an der Schlacht beteiligt gewesen waren, würde man Eulen schicken und ihnen mitteilen, dass die Kinder am nächsten Tag mit dem Hogwartsexpress heimkämen. ZAG- und UTZ-Prüfungen würden für die betreffenden Jahrgänge im kommenden Monat im Ministerium angeboten.

Ein Geräusch, eine Mischung aus trockenem Schluchzen und verächtlichem Lachen, bahnte sich seinen Weg ihre Kehle empor. Wie bitte sollte sie sich auf ihre ZAG-Prüfungen vorbereiten, wenn sie zu Hause war, wo ihr Vater sie seit bald einem Jahr nur noch mit dem Namen ihrer toten Mutter – Moira – ansprach, wenn sie allein waren, und überhaupt von ihr erwartete, sich wie seine verstorbene Gattin zu benehmen? Da war es schon regelrecht bizarr, wie er mit geradezu erschreckender Klarsicht immer dafür sorgte, dass pünktlich alle dreißig Tage der Kontrazeptionstrank auf sie wartete und ihr somit wenigstens das Schicksal erspart blieb, von ihm schwanger zu werden.

Die Panik des Augenblicks drohte Astoria zu überwältigen. Da spürte sie mit einem Mal, wie jemand sie ansah. Nicht anstarrte, denn das wäre unangenehm gewesen, sondern sie mit einem Blick ansah, in dem Verstehen lag. Nur Verstehen. Und das sachte Flackern von Hoffnung.

Irritiert verfolgten ihre Augen den Blick zurück und entdeckten zu ihrer großen Überraschung Draco Malfoy. Dessen Vater Lucius war noch auf dem Schlachtfeld abgeführt worden, schließlich war dieser ein verurteilter und aus Askaban ausgebrochener Straftäter, Narzissa Malfoy dagegen und Draco hatte man in die große Halle geführt. Auch sie würden sich noch vor Gericht verantworten müssen, aber wie es schien hatte Harry Potter bei Shacklebolt zumindest für Narzissa ein gutes Wort eingelegt und was Draco betraf, so war er noch minderjährig gewesen, als er das Dunkle Mal empfangen hatte, was sich strafmildernd auswirken könnte.

Astoria wollte eben den Blick abwenden, um nicht unhöflich zu sein, als eine Bewegung seiner Hände sie innehalten ließ. Für jeden anderen hätte es so ausgesehen, als streiche Draco etwas Staub von dem Slytherinwappen seiner mitgenommen aussehenden Robe, nur um im Anschluss seine Hände gesittet zu falten, sich den Anschein von wohlerzogener Geduld gebend. Astoria aber verstand die geheime Slytherinzeichensprache nur zu gut. Was er ihr soeben mitgeteilt hatte, bedeutete nichts anderes, als dass Slytherin zusammenhielt. Es implizierte, dass er zumindest ahnte, dass die Verzweiflung, die ihr ins Gesicht geschrieben stehen musste mit ihrem Zuhause zu tun hatte, und stumm versprach, ihr irgendwie zu helfen. Ein wenig zögerlich hob Astoria eine Hand und begann mit einer der blonden Locken zu spielen, spreizte nach einander den kleinen Finger, dann noch den Ringfinger und schließlich den Mittelfinger ab, um so zu fragen, wann sie mit Hilfe rechnen konnte. Sie war über sich selbst überrascht, dass sie Draco vertraute, aber das mochte daran liegen, dass er ein Slytherin und wie sie ein Überlebenskünstler war. Überlebenskünstler kannten die Realität, ließen ihr Urteilsvermögen nicht von naiven Wunschvorstellungen trüben. Sie akzeptierten eine Situation und versuchten für sich den größtmöglichen Vorteil herauszuholen. Astoria wusste, dass aller Voraussicht nach Dracos Hilfe nicht aus Nächstenliebe geschah, sondern mit einem Preis kam, aber wie hoch konnte der schon sein, im Vergleich zu dem, was sie zu Hause erwartete? Ob dieser Gedanken hätte sie beinahe Dracos Antwort verpasst, wo er ihr mitteilte, dass er es noch nicht wisse, aber wenn es nach ihm ginge, so bald wie möglich.
 

„Moira, Liebes, soeben ist ein Brief für dich und Daphne aus Malfoy Manor angekommen“, begrüßte Astorias Vater sie etwa fünf Tage später, als er die Küche betrat, wo seine Tochter gerade das Frühstück machte. Es war Astoria ein Rätsel, wie er es fertig brachte, in ihr Moira zu sehen, wenn jeder Brief für sie an Astoria Greengrass adressiert war. Dann aber stählte sie sich innerlich für das, was als nächste kommen würde, nämlich der wenig väterliche Guten-Morgen-Kuss. Erst danach konnte sie darauf hoffen, den Brief lesen zu können.

Ihre Finger zitterten ein wenig, als sie das grünsilberne Wachssiegel aufbrach. Enthielt der Brief die versprochene Hilfe? Noch immer konnte sie den Blick nicht vergessen, den Draco ihr in der Großen Halle zugeworfen hatte.

„Nun, was steht in dem Brief, mein Liebling?“, wollte ihr Vater wissen und strich ihr zärtlich über das Haar.

„Guten Morgen!“

Wie schon so oft war Astoria dankbar, dass sich ihre ältere Schwester genau diesen Augenblick aussuchte, um ebenfalls die Küche zu betreten.

„Der Brief ist von Mrs. Malfoy. Sie schreibt, dass sie Malfoy Manor für die Slytherin-Fünft- und Siebtklässler zur Verfügung stellt, damit diese sich gebührend auf die Prüfungen im nächsten Monat vorbereiten können. Sie hat für Draco einen Tutor engagiert und dieser ist bereit, auch die übrigen Slytherinschüler in ihren Studien zu unterstützen. Aus diesem Grund lädt sie uns ein, bis zu den Prüfungen bei ihnen zu wohnen.“ Astoria ließ den Brief sinken.

„Malfoy Manor!“, rief Daphne begeistert. „Ich habe mir schon immer gewünscht, einmal Malfoy Manor besuchen zu dürfen.“

„Hm“, erwiderte der Vater nachdenklich, „hat Mrs. Malfoy auch geschrieben, was wir dafür zahlen müssten?“ Er war Realist genug zu wissen, dass niemand in dieser Welt etwas umsonst tat.

„Nein, hat sie nicht. Aber sie erwähnte, dass das Slytherinhaus es sich schuldig sei, einen guten Eindruck zu machen.“

In diesem Moment flog eine Eule zum Fenster herein und überbrachte die aktuelle Ausgabe des Tagespropheten. Wie auch in den vergangenen Tagen war die Titelseite mit den Folgen des Krieges gefüllt, darunter ein Artikel, dass die Todessergerichtsverhandlungen voraussichtlich erst Ende Juni beginnen würden und dass, sofern bei den Verdächtigen nicht akute Fluchtgefahr bestand, die Betreffenden lediglich unter Hausarrest standen.

„Ah, jetzt ergibt das Ganze einen Sinn“, meinte Mr. Greengrass, nachdem er die Titelseite überflogen hatte. „Die Malfoys stehen unter Hausarrest und Mrs. Malfoy versucht durch diese Aktion ein paar Pluspunkte zu sammeln.“

Astoria widersprach nicht, war dies doch eine nicht unglaubwürdige Annahme. Allerdings wäre es in dem Fall ausreichend gewesen, hätte Mrs. Malfoy das Angebot nur den Siebtklässlern gemacht, waren diese doch Dracos direkte Mitschüler. Astoria vermutete ganz stark, dass Draco wegen ihr seiner Mutter vorgeschlagen hatte, auch die Fünftklässler einzuladen. Das wortlose Gespräch in der Großen Halle war ihr noch zu gut in Erinnerung, um einen anderen Schluss zuzulassen. Jetzt blieb nur zu hoffen, dass ihr Vater sie auch gehen ließ.

„Nun, da wir uns im Krieg neutral verhalten haben, würde unsere Anwesenheit in Malfoy Manor in den Augen des Ministeriums den dunklen Ruf der Malfoys sicher aufhellen“, sagte Daphne und gab sich den Anschein, als müsse sie über das Angebot nachdenken. Allerdings hatten ihre Augen nach wie vor jenen verräterischen Glanz, der deutlich zeigte, dass für sie jetzt schon feststand, dass sie Mrs. Malfoys Angebot annehmen würde. „Oh Paps, sag ja, sag, dass du uns gehen lässt.“

„Euch…?“ Für einen Moment blinzelte Mr. Greengrass verwirrt, als wäre ihm gerade erst aufgegangen, dass die Einladung tatsächlich sowohl Daphne als auch Astoria gegolten hatte.

„Natürlich uns. Oder glaubst du, ich kann allein zu den Malfoys gehen? Es wäre höchst seltsam, würde ich ihre Einladung annehmen und Astoria bliebe zu Hause“, erklärte Daphne prompt.

„Dabei hatte mich so darüber gefreut, euch endlich wieder bei mir zu haben“, murmelte der Vater, obgleich sein Blick dabei unverwandt auf Astoria gerichtet war. „Aber du hast natürlich recht, meine Prinzessin.“

„Wer weiß“, fügte Daphne hinzu, „falls Draco freigesprochen wird, könnte es mir sogar gelingen, die zukünftige Mrs. Draco Malfoy zu werden.“

An dieser Stelle zog es Astoria hastig vor, sich um die Frühstückseier zu kümmern. Der Gedanke, dass ihre oberflächliche Schwester Draco Malfoys Gemahlin würde, tat irgendwie weh. Sicher, es war nur ein Hirngespinst ihrer Schwester, aber Draco war nun mal der erste, der ihr geholfen hatte, und instinktiv wünschte Astoria ihm eine bessere Zukunft als die, die ihn an der Seite von Daphne erwartete. Aber was, wenn Daphnes hochtrabende Pläne tatsächlich Wirklichkeit würden? Eine eiskalte Hand legte sich um ihr Herz. In dem Moment, wo ihre Schwester das Elternhaus verließ, blieb ihr nur ein Leben als Moira. Andererseits, wie häufig wurden Daphnes Fantastereien schon Wirklichkeit? Dieser Gedanke ließ Astoria sogar wieder ein klein wenig lächeln.
 

Draco verdrehte innerlich die Augen. Es hatten tatsächlich alle Angeschriebenen die Einladung angenommen. Aber er hätte nie erwartet, dass seine Slytherinkameraden so offensichtlich in ihren Motiven sein würden. Gut, im Fall von Greg oder von Blaise hatte er schon im Vorfeld gewusst, dass sie annehmen würden und weshalb. Greg konnte jede Hilfe gebrauchen, die er kriegen konnte, um überhaupt auch nur einen lausigen UTZ zu schaffen. Und seine Eltern konnten sich keinen Privatlehrer leisten, zumal Goyle senior ebenfalls unter Hausarrest stand und die Zukunft der Familie somit im Ungewissen lag. Blaise hingegen hatte ihn noch vor der großen Schlacht um Hogwarts wissen lassen, wie wenig ihm daran gelegen war, sich in die Liebesquerelen seiner Mutter und ihrem derzeitigen Noch-Ehemann verwickeln zu lassen. Und Pansy folgte ihm bereits seit ihrem ersten Jahr in Hogwarts wie ein kleines Hündchen, fest entschlossen eines Tages Mrs. Draco Malfoy zu werden. Manchmal waren ihre Bemühungen sogar richtig amüsant, weshalb Draco stets darauf achtete, sie nicht zu genau merken zu lassen, dass sie keine Chancen hatte, diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Denn entweder würde er eines Tages jemanden heiraten, dessen Familie Einfluss und Reichtum mit in die Beziehung brachte, oder jemanden, der ernsthaft an ihm, der Person Draco und nicht dem Gringotts-Verlies auf den Namen Malfoy interessiert war. Außerdem musste die betreffende Kandidatin repräsentieren können, schließlich hatten die Malfoys in der Öffentlichkeit eine gewisse Stellung zu wahren. Von den oben genannten Punkten erfüllte Pansy bestenfalls einen halben, nämlich das Interesse an seiner Person. Merlin, wenn er nur daran dachte, was sie in ihrer Freizeit als modische Kleidung erachtete, wollte er am liebsten die Textilindustrie verklagen. Pansy hatte diesbezüglich einfach null Geschmack.

Womit Draco aber nicht gerechnet hatte, war, dass seine übrigen weiblichen Slytherinkameraden ähnliche Pläne verfolgten wie Pansy. Man hätte glatt meinen können, die Malfoys hätten im vergangenen Krieg nicht auf der falschen Seite gestanden, sondern gehörten immer noch zu den ersten Kreisen der Gesellschaft und er wäre der Fang schlechthin auf dem Heiratsmarkt. Sogar die Fünftklässlerinnen versuchten ihn bei jeder Gelegenheit zu bezirzen.

Ein Schatten huschte am anderen Ende des Ganges entlang und strebte der Treppe zum Dachboden zu. Die Bewegung ließ Draco in seiner Wanderschaft durch sein Elternhaus, auf der Flucht vor den Aspirantinnen um seine Hand, innehalten. Während er der Gestalt nachblickte, korrigierte er seine Gedanken. Denn es gab eine Fünftklässlerin, die ihn nicht umschwärmte: Astoria Greengrass. Bei ihr allerdings wusste er auch, dass ihre Gedanken von etwas anderem beherrscht wurden.

Plötzlich keuchte Draco erschrocken auf. Der Dachboden! Astoria war unterwegs zum Dachboden! Himmel, er musste sie einholen, ehe sie die falsche Tür öffnete. Nicht auszudenken, was passierte, wenn sie die Kammer mit den Familienerbstücken betrat. Weniger, dass er befürchtete, sie könnte etwas stehlen oder zerbrechen, vielmehr waren viele der alten Stücke dergestalt verzaubert, dass nur jene mit Malfoyblut sie unbesorgt berühren konnten. Jeder andere würde schreckliche Verletzungen oder gar den Tod davontragen.

„Greengrass!“, rief er, während er losrannte, bekam aber keine Antwort. „Astoria, verdammt, warte!“

Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, polterte er die Treppe hinauf. Er wusste, dass es oben zwei Türen gab, die eine führte augenscheinlich lediglich in die winzige Kammer, wo die Hauselfen hausten, die andere, so würde jeder Fremde vermuten, musste also zum eigentlichen Dachboden führen. Nur, dass die Hauselfenkammer ein Durchgangszimmer war, an dessen gegenüberliegender Wand sich die eigentliche Tür zum Dachboden befand.

Schwer atmend und wider besseren Wissens hoffte er, die Tür zur Hauselfenkammer geöffnet vorzufinden. Doch natürlich war es die andere Tür, die weit offen stand. Halb im Raum, halb auf dem Treppenabsatz, lag die zusammengesunkene Gestalt Astorias, um ihren Hals ein Kaschmirschal.

„Shit!“, entfuhr es Draco. Er kannte den Schal und seine Bewandtnis. Das Tuch hatte einst seiner Großtante Ignatia gehört und versuchte jeden zu erwürgen, der kein Malfoy war. Seine Großtante hatte den Schal benutzt, die Geliebten seines Großonkels, der es mit der ehelichen Treue nicht gerade ernst genommen hatte, zu beseitigen. Draco stürzte zu Astoria und versuchte instinktiv den Schal von ihrem Hals zu lösen, aber obgleich es ihm gelang, seine Finger unter das Gewebe zu schieben, ließ der Schal nicht locker. „Denk nach!“, schalt er sich selbst. Astoria war keine Malfoy, das verfluchte Tuch würde also nicht nachgeben, ehe Astoria nicht tot war.

Aber wie war der Schal überhaupt mit dem Mädchen in Berührung gekommen, um zu spüren, dass sie keine Malfoy war? Im gleichen Moment, da er sich diese Frage stellte, erinnerte sich Draco wie sein Vater vor fast einem Jahr, als der Dunkle Lord den Malfoys mitgeteilt hatte, er habe ihr Anwesen als Operationsbasis auserkoren, bei einem der letzten Abendessen im trauten Familienkreis erklärt habe, er hätte die Kammer mit den Familienerbstücken extra gesichert. Das hämische Grinsen hatte Draco damals nur am Rande wahrgenommen, schließlich würden ihre ‚Gäste’ Todesser sein, und wenn diese ihre Nasen in Angelegenheiten steckten, die sie nichts angingen, geschah es ihnen nur Recht, wenn sie in die eigens für sie aufgestellten Fallen tappten. Und gerade bei seiner Tante Bellatrix konnte man sich nie sicher sein, wie lange sie sich an die Anweisung, bestimmte Privaträume in diesem Haus nicht zu betreten, halten würde.

Offenbar hatte eine der Fallen seines Vaters darin bestanden, den Kaschmirschal um die innere Klinke zu wickeln, so dass er immer dann in Bewegung geriet, wenn die Tür geöffnet wurde. Und dummerweise hatten sie vergessen, den Raum wieder in seinen ursprünglichen, fallenfreien Zustand zu versetzen und weder seine Mutter noch er selbst hatten daran gedacht, dass Schüler ähnlich neugierig wie Todesser waren und deshalb keine Warnung bezüglich des Dachbodens ausgesprochen. Draco hätte sich selbst für diese Unachtsamkeit verfluchen können. Denn wenn ihm nicht bald etwas einfiel, hatten sie eine tote Slytherinschülerin auf dem Dachboden, und das wäre mehr als unpraktisch, besonders in Hinblick auf die noch anstehenden Gerichtsverhandlungen vor dem Zaubergamot.

Seine Finger zwischen Astorias Hals und dem Schal hatten zwar verhindert, dass er sich all zu rasch noch enger zu zog, trotzdem hatte das Gesicht des Mädchens bereits eine ungesunde, bläuliche Hautfarbe angenommen. Es war also Eile geboten. Doch das einzige, was Draco einfiel, war etwas, das zu tun er nicht bereit war. Oder doch? Ein kleines, fieses Lächeln flirtete mit seinem Mund. Es würde zumindest die Lösung seiner derzeitigen Probleme darstellen, und was die Zukunft betraf, würde man sich gewiss arrangieren können. Wenn er es genauer betrachtete, könnte es durchaus schlimmer kommen. Und so rief er achselzuckend: „Accio Großvaters Ritualdolch!“
 

„War es wirklich nötig, Draco?“ Obwohl die Stimme durch die gepolsterte Tür nur leise in den kleinen Salon drang, war sie deutlich zu verstehen.

„Glaube mir, Mutter, eine andere Lösung wäre mir auch lieber gewesen, aber du weißt genauso gut wie ich, dass Großtante Ignatia sehr gewissenhaft war, als sie den Fluch in die Fäden gewirkt hat. Oder hättest du lieber dem Ministerium erklärt, weshalb wir ein totes Mädchen auf dem Dachboden haben?“

„Aber heiraten… vielleicht stirbt sie ja doch noch…“

In diesem Moment bemerkte der Hauself, der geduldig in der Nähe der Tür zur Halle gestanden hatte, dass Astoria nicht länger bewusstlos war.

„Mistress Malfoy ist endlich aufgewacht“, quietschte er aufgeregt. „Scuttles wird sofort Master Draco informieren, dass die junge Mistress Malfoy aufgewacht ist.“

Die junge Mistress Malfoy? Astoria schwirrte der Kopf. Die eben mit angehörte Unterhaltung, die Worte des Hauselfen… und war sie nicht eben noch oben auf dem Dachboden gewesen? So überhastet setzte sie sich auf, dass sie beinahe von dem eleganten Sofa, auf welchem sie lag, fiel. Ihr blieb kaum Zeit, sich von der Überraschung zu erholen, als Draco und Mrs. Malfoy auch schon eintraten. Narzissa Malfoy strahlte eisige Höflichkeit aus und auch Draco schien eine undurchdringliche Maske zu tragen. Astoria musste all ihre Kraft zusammennehmen, um nicht zurückzuschrecken. Aber schließlich war auch sie eine Slytherin, hatte sich in den vergangenen fünf Jahren die Wesensarten dieses Hauses zu eigen gemacht, und trug seit vielen Jahren eine Maske.

„Ich nehme an, ich sollte Sie in der Familie willkommenheißen“, sagte Narzissa Malfoy schließlich leicht unterkühlt, und fügte kaum hörbar ein „und Ihnen zu Ihrem wirklich cleveren Schachzug gratulieren“ hinzu.

Astoria war zutiefst beschämt, jedoch wusste sie immer noch nicht, was genau vorgefallen war. Die Höflichkeit selbst erwiderte sie: „Ich danke, obwohl ich nicht recht verstehe, was ich mit Ihrer Familiensituation zu tun habe.“ Innerlich aber zitterte sie am ganzen Körper, ein Gefühl nicht ganz unähnlich dem, das sie empfand, wenn sie sonst aus dem Hogwarts-Express stieg und wusste, dass ihr Vater sie auf dem Bahnsteig begrüßen würde.

Mrs. Malfoy schien gerade dazu ansetzen zu wollen, etwas wenig Liebenswürdiges zu sagen, aber Draco kam ihr zuvor. Er wusste, dass Astoria nie Hintergedanken bezüglich seiner Person verfolgt hatte.

„An was erinnerst du dich?“, fragte er, und um seine Gattin, denn das war sie ja nun wohl oder übel, nicht vollkommen einzuschüchtern, setzte er sich auf einen der Stühle.

Astoria wandte ihm ihren Blick zu. „Die Tür zum Dachboden und etwas, das mich am Hals packte“, sagte sie schließlich ehrlich, aber noch immer verwirrt, worauf Draco hinauswollte.

„Ist Ihnen nie in den Sinn gekommen, dass es unhöflich ist, in den Häusern fremder Leute einfach Türen zu öffnen?“, mischte sich nun Mrs. Malfoy wieder ein.

Die bissige Antwort, die Astoria auf der Zunge lag, schluckte sie hinunter. Es stimmte, es war unhöflich, einfach so durch Malfoy Manor zu wandern und ohne Erlaubnis in den Dachboden einzudringen. Andererseits hatte man ihnen bei ihrer Ankunft gesagt, dass die meisten Gärten mit Ausnahme des für den Kräuterkundeunterrichts bestimmten Gewächshauses tabu waren und die Räume, die sie im Haus nutzten, boten keinerlei Privatsphäre. Man teilte sich zu zweit ein Gästezimmer, die Bibliothek war zum Schulzimmer umfunktioniert worden und im Esszimmer oder den Salons war man auch nie allein. Sogar in Hogwarts fand man immer eine Ecke, einen ungenutzten Klassenraum, wo man für ein paar Stunden allein sein konnte, wenn man wollte. Folglich war es mindestens so unhöflich den Gästen keine Rückzugsmöglichkeit zu bieten. Aber das behielt Astoria für sich, obgleich ihre stoische Miene und das gleichbleibende Lächeln jedem der Anwesenden deutlich machten, dass sie nicht bereit war, alle Schuld auf sich zu nehmen. Als jedoch deutlich wurde, dass Narzissa auf einer Antwort beharrte und Draco nicht Partei ergreifen würde, sagte sie schließlich: „Verzeihen Sie, aber ist es nicht ebenso unhöflich Räume, die Gefahren für Gäste bergen, unverschlossen zu lassen und die Gäste nicht darauf hinzuweisen? Es hätte genauso gut sein können, dass einer von uns sich verirrt, oder sein entlaufenes Haustier wieder einzufangen versucht, ehe es Schaden anrichtet.“ Offizielle Gründe, die zwar weit von Astorias Beweggründen entfernt waren, aber in Slytherin hatten äußerer Anschein und Wahrheit noch nie übereinstimmen müssen. Und der Slytherinstolz verbot es, die Wahrheit durchscheinen zu lassen, wenn diese in einer Schwäche resultierte, die andere zu ihrem Vorteil nutzen konnten. Diesbezüglich konnte es Astoria mit den Besten aufnehmen, trotzdem fühlte sie sich, als würde sie bei ihrer Antwort auf einem Drahtseil balancieren und Narzissa Malfoy stünde unter dem Seil, bereit ihren Fall mit einem Fluch noch zu fördern.

Es war Draco, der die Spannung zwischen ihnen mit seinem leisen Lachen brach. „Bravo!“, sagte er, dann wandte er sich an seine Mutter. „Du musst zugeben, Mama, dass ihre Haltung nichts zu wünschen übrig lässt. Zumindest in diesem Punkt dürften deine Befürchtungen hinsichtlich meiner Gattin widerlegt sein.“ Auf Astorias nun bohrend fragenden Blick, antwortete er: „Ganz recht, du und ich haben das zweifelhafte Vergnügen seit knapp einer halben Stunde vermählt zu sein. Aber anders war es mir nicht möglich, deinen Tod zu verhindern.“

Der Ausdruck in Astorias Augen schwankte zwischen ‚Das soll wohl ein Scherz sein’ und grenzenloser Verwirrung, während ihre übrigen Gesichtszüge wie eingefroren waren.

„Dir ist sicher bekannt, dass gerade bei so alten Familien, wie die Malfoys es sind, manche Familienerbstücke eine dunkle Vergangenheit haben. Dieser Schal“, und Draco nahm das Kaschmirtuch von einem der kleinen Beistelltische, „ist ein solches Erbstück. Es ist mit einem sehr starken Fluch belegt, so dass jeder, der kein Malfoy-Blut in sich trägt, von dem Schal erwürgt wird. Das, meine Liebe, hat dich gepackt, als du so unvorsichtig jene Dachbodentür geöffnet hast. Da uns allerdings eine tote Mitschülerin auf dem Dachboden höchst ungelegen gekommen wäre, gab es nur eine Möglichkeit: Ich musste dich zu einer Malfoy machen und der einzige Weg, dies zu erreichen, war dich mittels einer alten Blutzeremonie zu heiraten.“

In diesem Moment wünschte sich Astoria nichts sehnlicher als wieder in eine alles verdrängende Ohnmacht zu sinken. Aber wie so häufig war das Leben nicht so gnädig, ihr diese zu gewähren, nicht dass sie sonderlich darauf vertraut hätte. Schließlich hatte ihr Leben schon häufiger eine böse Überraschung für sie bereit gehalten und ihr den einfachen Ausweg verwehrt.

„Ich nehme an, du bist nun glücklich, mit dem was du erreicht hast, Schwiegertochter?“ Das letzte Wort hatte Narzissa mit solch eisiger Schärfe gesprochen, dass selbst ein Eiswichtel vor Kälte gezittert hätte. „Denn ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass das Verfahren gegen meinen Sohn eingestellt wird, und da mein Mann vorausschauend genug war, wenigstens die Hälfte des Familienvermögens auf Draco zu überschreiben, ist seine, und nun auch deine Zukunft gesichert.“

Nun konnte Astoria nicht länger still sein. „Anders als viele der anderen Mädchen hier, habe ich nie den Wunsch gehegt, mir Draco als Ehemann zu sichern. Ich kenne ihn kaum, weiß so gut wie nichts über ihn, weshalb sollte ich es also darauf anlegen, mich in eine Situation zu bringen, die sich eventuell als unglücklicher erweist als meine bisherige? Alles, wovon ich geträumt habe, war Freiheit, eine Freiheit, die nur noch wenige Monate entfernt lag. Ich habe gewiss nicht davon geträumt, mich an einen jungen Mann zu binden, von dem ich nur seine Fassade kenne!“ Es war schließlich durchaus möglich, dass sie vom Regen in die Traufe geraten war. Denn… Bei Merlin! Er würde einen Erben erwarten. Und ein Kind entstand auch in der magischen Welt nun mal nur, wenn… Hastig sprang Astoria auf, die Hand vor den Mund gepresst und stürzte aus dem Zimmer. Auf keinen Fall wollte sie sich vor den Malfoys übergeben, egal wie übel ihr bei dem Gedanken wurde, dass sie eines Tages mit Draco würde das Bett teilen müssen.
 

„Du Biest!“ Mit einer Haarbürste bewaffnet, ging Daphne auf Astoria los.

Da es unausweichlich gewesen war, dass die Öffentlichkeit von der Eheschließung zwischen Draco Malfoy und Astoria Greengrass erfuhr – immerhin erfolgten die üblichen Eintragungen in der Abteilung für Familienangelegenheiten des Ministeriums für Zauberei magisch und automatisch und diese Register waren öffentlich zugänglich –, hatten Mutter und Sohn beschlossen, den versammelten Slytherins noch am selben Abend von der Heirat zu erzählen. Bereits zuvor hatte es einiges Gemurmel gegeben, als Draco, entgegen seiner üblichen Gewohnheit, nicht seine Mutter zu Tisch geführt, sondern stattdessen Astoria den Arm gereicht hatte. Denn auch wenn Malfoy Manor derzeit mehr einem Aushilfsinternat glich, achtete Narzissa darauf, dass wenigstens ein paar der gehobenen sozialen Gepflogenheiten beibehalten wurden. Und Tischetikette gehörte zu diesen Dingen. Als Mrs. Malfoy nun ihr Glas hob, um auf das junge Paar zu trinken, war Astoria nur froh, dass auch in der magischen Welt Blicke von Menschen nicht töten konnten. Denn andernfalls hätte sie leicht einen siebenfachen Tod erlitten.

Nach dem Abendessen war sie direkt auf ihr Zimmer gegangen, sie hatte kein Bedürfnis, sich den Fragen oder Vorwürfen der anderen zu stellen und mit ihrem frischgebackenen Ehemann wollte sie auch nicht zusammen sein. Dummerweise aber teilte sie ihr Zimmer mit ihrer Schwester und so bald es der Anstand erlaubte, hatte auch diese sich unten entschuldigt und war Astoria gefolgt.

„Du wusstest genau, dass es mein Traum war, einmal Herrin dieses Hauses und Dracos Frau zu werden. Und dann gehst du hinterhältiges Miststück einfach her und schnappst ihn mir vor der Nase weg!“ Es war ein Glück, dass Daphne in ihrer Wut vergessen zu haben schien, dass sie eine Hexe war und ein Zauberstab weit effektiver sein konnte als die Haarbürste, die sie gerade in Händen hielt.

Astoria, die sich in diesem Moment eher wie eine Maus denn wie eine Schlange, dem Wappentier von Slyhterin, fühlte und sich selbst für diese Schwäche hasste, wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Da aber wurde die Tür geöffnet und ein Hauself erschien. „Scuttles ist gekommen, um zu sagen, dass die Zimmer für die junge Mistress Malfoy jetzt bereit sind. Master Draco hat Scuttles beauftragt, die junge Mistress Malfoy in ihre neuen Gemächer zu bringen.“ Dabei zupfte der Elf nervös an dem Kissenbezug, der ihm als Kleidung diente.

„Oho! Die junge Mrs. Malfoy ist sich wohl zu fein auch nur eine Nacht noch das Zimmer mit ihrer Schwester zu teilen!“, ätzte Daphne, das Gesicht unschön von Wut verzerrt, und machte Anstalten nun endgültig die Haarbürste nach Astoria zu werfen.

Doch der Hauself war schneller. „Scuttles wird nicht zulassen, dass die junge Mistress Malfoy mit einer Bürste beworfen wird.“ Mit diesen Worten schnippte er die Haarbürste aus der Luft und platzierte sie auf der Kommode. „Wenn Mistress mir bitte folgen würde“, wandte er sich an Astoria.

Ein wenig unsicher, aber sich zugleich bewusst, dass ihr im Grunde kaum eine andere Wahl blieb, erhob sich Astoria von ihrem Bett, hüllte sich in ihren Morgenmantel und schlüpfte in die Pantoffeln. Dann nickte sie dem Hauselfen zu, gewiss, dass die übrigen Elfen sich um ihre Habseligkeiten kümmern würden. Sofern Daphne ihnen nicht zuvor kam und ihre Wut an den Kleidern und anderen Gegenständen ausließ.

Stumm folgte Astoria dem Elf durch die Korridore in den Flügel des Hauses, der die Familiengemächer beherbergte. Ein wenig ängstlich fragte sie sich, ob sie dort wohl noch einmal mit Draco und seiner Mutter zusammentreffen würde, schalt sich aber im gleichen Moment eine dumme Gans, schließlich war es noch verhältnismäßig früh am Abend und als gute Gastgeber würden die Malfoys sicher unten bleiben, bis auch die übrigen Schüler ins Bett gingen. Die Malfoys… Es fiel ihr immer noch schwer, sich selbst als eine solche zu sehen.

Um so überraschter war sie, als sie ihr neues Schlafzimmer betrat und Draco am Fenster, den Blick nach draußen gerichtet, stehen sah. Augenblicklich verkrampfte sich in ihr alles, als ihr klar wurde, weshalb er sie an diesem Abend in ihrem Schlafzimmer aufgesucht hatte, wieso sie nicht einfach weiterhin das Zimmer mit Daphne hatte teilen können. Undenkbar, dass er… dass sie… Astoria brachte es nicht einmal fertig, die Gedanken an den Vollzug der Ehe in ihrem Kopf auszuformulieren. Zitternd und leichenblass lehnte sie an der Tür, die Scuttles geschlossen hatte, nachdem sie hindurchgetreten war.

Das Klicken des Türschlosses hatte Draco von ihrer Anwesenheit informiert und so drehte er sich jetzt langsam um. Als er sah, wie blass Astoria war, konnte er nicht anders und fragte: „Wie geht es dir?“

Wie sollte es ihr schon gehen? Ungläubig sah Astoria ihn an. Und dennoch hatte so etwas wie Anteilnahme in seiner Stimme gelegen. „Den Umständen entsprechend“, sagte sie schließlich, noch immer unsicher, aber sie spürte, wie ihre alte Maske zurückkehrte, jene Maske, die sie am meisten hasste. Die Maske, die sie trug, wenn sie auf ihren Vater wartete. Was aber erwartete ihr Ehemann von ihr? Würde er den ersten Schritt tun oder erwartete er von ihr, dass sie irgendwie die Initiative ergriff, vielleicht indem sie sich ihres Morgenmantels entledigte. Instinktiv aber schlang sie die Arme um sich, wickelte sich enger in den Stoff.

In diesem Moment sprach Draco erneut. „Ich bin froh, dass es dir soweit gut geht. Denn manchmal kommt es vor, dass der Körper der Braut das fremde Blut nicht annimmt und die Magie versucht es abzustoßen. Obgleich nicht tödlich, ist es doch ein recht schmerzhafter Prozess. Meist kommt es nur dann dazu, wenn die Braut ihrem Gatten kein Vertrauen entgegenbringt, aus welchen Gründen auch immer. Und da du und ich uns kaum kennen und du obendrein bewusstlos warst, weshalb ich gezwungen war, die Zeremonie ohne dein Einverständnis durchzuführen, hätte es durchaus sein können, dass…“

Astoria war verwirrt. Wollte er damit andeuten, dass sie ihm unterbewusst, auf eine Weise, die sie nicht einmal erahnen konnte, vertraute? „Woher willst du wissen, dass mein Körper dein Blut nicht doch noch abstößt?“, fragte sie, konnte sie doch nicht so recht glauben, dass sie Draco, den sie eigentlich nur vom Sehen her kannte, so sehr vertrauen sollte, dass sie bereit war, mit ihm verheiratet zu bleiben.

Ein überlegenes Lächeln legte sich auf Dracos Gesicht. „Weil es in dem Fall innerhalb der ersten fünf Stunden der Ehe passiert wäre. Und inzwischen sind wir bereits sieben Stunden verheiratet.“

„Oh!“ Dann kam Astoria ein neuer Gedanke. „Aber... ich bin doch noch gar nicht volljährig. Wie kann das Ritual also gültig sein?“

„Mrs. Malfoy...“ Ein leichter Spott lag in Dracos Stimme. „Anscheinend haben es Ihre Eltern nicht allzu genau genommen in ihrer Pflicht, ihre reinblütigen Kinder in die Traditionen unserer Gesellschaft einzuweisen. Und eine dieser Traditionen besagt, dass junge Hexen und Zauberer bereits im Alter von 13 Jahren heiraten dürfen, solange das Einverständnis der Eltern vorliegt. Es kommt heutzutage bei uns zwar nur selten vor, dass Minderjährige den Ehebund schließen, aber ich glaube kaum, dass dein Vater uns sein Einverständnis verwehren wird.“

„Mein Vater würde mich nie so ohne weiteres gehen lassen“, murmelte Astoria zweifelnd. „Dazu liebt er mich zu sehr.“

Draco grinste finster. „Oh, ich denke nicht, dass er möchte, dass herauskommt, wie sehr er dich liebt.“

Entsetzt keuchte Astoria bei diesen Worten auf und sah ihren Gatten an. Was er da sagte, vor allem aber die Betonung, ließen keinen Zweifel darüber, dass Draco von ihrer befleckten Vergangenheit wusste. „Du weißt... Wie...? Woher...?“, stammelte sie.

„Sagen wir so, du bist nicht die einzige, die erkannt hat, dass Myrte eine tolle Zuhörerin ist.“

„Aber Myrte würde nie jemandem etwas davon erzählen!“, begehrte Astoria erbost auf. Ihre beste Freundin in Hogwarts würde nicht auf diese Weise ihr Vertrauen missbrauchen. Denn hätte nicht andernfalls sie, Astoria, im Umkehrschluss von dem mauligen Geist erfahren müssen, was Draco ihr anvertraute? Denn dass auch er mit Myrte seine schlimmsten Geheimnisse geteilt hatte, hatte dieser ja gerade mit seiner Antwort impliziert.

„Myrte hat mir davon auch erst erzählt, nachdem du es mir quasi selbst verraten hattest“, erwiderte Draco gelassen. „Du bist einmal in den Toilettenraum geplatzt und hast einfach drauf los geredet, ohne dich zu vergewissern, ob du auch wirklich mit Myrte allein warst. Aber weil ich dich mit meiner Anwesenheit nicht bloßstellen wollte, habe ich mich in einer der Kabinen versteckt und geschwiegen.“ Dass er das nicht bloß aus reiner Nächstenliebe getan hatte, sondern auch, um dem Mädchen nicht erklären zu müssen, was er selbst in diesem Moment in Myrtes Toilette getrieben hatte, verschwieg er.

Astoria musterte ihren frischangetrauten Gatten ein wenig skeptisch, akzeptierte diese Erklärung aber, auch wenn sie wusste, dass er als Slytherin einen Teil der ganzen Geschichte für sich behalten hatte. Eine Sache aber überraschte sie dennoch. „Trotzdem, obwohl du es wusstest, schienst du vorhin nicht sonderlich enttäuscht zu sein, dass mein Körper dein Blut nicht abgestoßen hat. Dabei sollte man doch annehmen, dass du jemand so Beflecktes wie mich am liebsten wieder würdest loswerden wollen. Wieso also scheinst du mit dieser Situation so zufrieden zu sein?“

Draco zuckte mit den Schultern. „Wir haben alle eine Vergangenheit. Und wir können uns die weniger angenehmen Dinge in den meisten Fällen nicht aussuchen. Meine Vergangenheit enthält auch viel Unschönes, womit wir also schon zu zweit wären. Deine Vergangenheit ist also nichts, was dich in meinen Augen als Ehefrau disqualifiziert.“

„Aber du wirst einen Erben haben wollen.“ Dieser Einwand Astorias war kaum mehr als ein Flüstern, da der Gedanke daran ihr immer noch unaussprechlich schien. Es war, als hätten sich ihre Gedanken, seit sie erfahren hatte, dass sie mit Draco durch ein Ritual verheiratet war, immer nur um diese eine Sache gedreht, sie nicht losgelassen.

Plötzlich verstand Draco. „Ah, deswegen ist dir heute Nachmittag schlecht geworden. Ich dachte schon, es wäre eine Reaktion auf mein Blut. Dabei ist es eher, dass du den Gedanken nicht ertragen konntest, dass eine Ehe auch eine körperliche Beziehung bedeutet.“

Astoria konnte nicht viel mehr tun, als schwach zu nicken. Sie verachtete sich selbst dafür, dass ihre Beweggründe so offensichtlich für Draco waren, aber da dieser nun mal um die Sache mit ihrem Vater wusste, hatte sie in diesem Moment nicht mehr die Kraft, ihre Maske der Stärke und Unnahbarkeit aufrechtzuerhalten. Bedrückt sah sie zu Boden.

Da trat Draco auf sie zu. Die Tür im Rücken, war es ihr unmöglich zurückzuweichen, aber er rührte sie nicht an, sondern blieb etwa einen Schritt von ihr entfernt stehen. „Astoria, sieh mich an.“

Seine Stimme war dabei so ruhig, sachlich und kühl, dass sie unwillkürlich gehorchte.

„Ich würde lügen, würde ich behaupten, dass ich keinen Erben will. Ich bin ein Malfoy, und ich möchte den Fortbestand der Linie sichern. Aber nicht heute, nicht morgen und auch nicht übermorgen. Abgesehen davon wäre ich im Moment noch überhaupt nicht bereit, Vater zu werden. Wir haben Zeit. Uns bleiben Jahrzehnte zu entscheiden, wann wir ein Kind wollen. Und wenn es dann soweit ist, gibt es Tränke, die dafür sorgen können, dass es auf Anhieb klappt.“ Natürlich hoffte Draco, dass wenn der Zeitpunkt kam, Astoria dem Ganzen nicht voller Abscheu gegenüberstand, aber er würde es verstehen, wenn dem doch so wäre. Genauso wie er sicher war, dass sie es verstehen würde, wenn er sich außerehelich amüsierte. Selbstverständlich diskret und ohne Folgen. Doch das würde die Zeit zeigen. Schließlich hatte Astoria zurecht am Nachmittag gesagt, dass sie einander kaum kannten. „Aber bis dahin und auch dann, werde ich dich nie gegen deinen Willen anfassen. Ich mag vieles sein – arrogant, manipulativ, egoistisch, kurz: ein Malfoy. Aber ich vergehe mich nicht an einer Frau und ich schlage auch keine Frau, erst recht nicht meine Ehefrau. Alles, was ich von dir verlange, ist, dass du deine Rolle als Malfoy ernst nimmst, denn wir Malfoys stehen immer, wenn wir uns außerhalb des Familienkreises bewegen, im Licht der Öffentlichkeit. Das gilt sogar dann, wenn wir Verwandte und Freunde hier zu Besuch haben. Allerdings“, hier warf er Astoria einen durchaus anerkennenden Blick zu, „weiß ich, wie gut du darin bist, in so ziemlich jeder Lebenslage Haltung zu bewahren.“
 

zwei Monate später

Draco saß im Arbeitszimmer seines Vaters und fluchte leise vor sich hin.

Die ZAG- und UTZ-Prüfungen lagen hinter ihnen und die anderen Schüler waren wieder zu ihren Eltern heimgekehrt. Auch die Gerichtsverhandlungen vor dem Zaubergamot wegen Zugehörigkeit zu einer illegalen Organisation mit dem Ziel die herrschende Gesellschaftsordnung abzuschaffen, waren für die Malfoys vorüber. Die Urteile selbst waren wenig überraschend ausgefallen. Aufgrund der Tatsache, dass er minderjährig gewesen war, als er das Dunkle Mal erhalten hatte, waren die Anklagepunkte gegen Draco tatsächlich fallen gelassen worden. Narzissa war, dank der Fürsprache von Harry Potter, mit einer Geldstrafe und Bewährung davon gekommen. Lediglich Lucius musste eine fünfjährige Haftstrafe in Askaban verbüßen, was aber überwiegend darauf zurückzuführen war, dass er bereits vor dem Krieg rechtskräftig verurteilt worden war. Sein Ausbruch aus dem Gefängnis wurde ihm jedoch nicht weiter zur Last gelegt, ebenso wenig die Taten, die er nach seinem Ausbruch und vor dem endgültigen Fall des Dunklen Lords auf dessen Befehl hin begangen hatte. Ob es daran gelegen hatte, dass die Ratsmitglieder geneigt gewesen waren, der Erklärung Glauben zu schenken, er sei ausgebrochen, weil er gehört habe, dass sein Sohn in die Fänge Voldemorts geraten sei und ihn vor weiteren Befehlen des Dunklen Lords habe beschützen wollen, oder weil man gewillt war, den Fürspruch für Narzissa auch auf Lucius zu übertragen, sei dahin gestellt.

Astoria war bei den Verhandlungen nicht in Erscheinung getreten. Zwar hatte sie es ihrer neuen Familie angeboten, doch Mutter und Sohn mit ihrem angeborenen Sinn für öffentliches Auftreten gespürt, dass die Anwesenheit von Dracos junger Gemahlin zu leicht als zu plakativ gewertet werden konnte. Stattdessen hatte Narzissa einen Einkaufsbummel unter Frauen vorgeschlagen, um Astoria der Zaubererwelt das erste Mal offiziell als Mrs. Draco Malfoy zu präsentieren. Harmlos, alltäglich und doch stilvoll. Und genau diese geplante Einkaufstour in die Winkelgasse war der Grund, weshalb Draco gerade hinter dem alten, wuchtigen Ungetüm von Schreibtisch schier verzweifelte. Dabei sollte er vermutlich seiner Mutter dankbar sein, dass sie überhaupt daran gedacht hatte, dass mit den Verhandlungen und der Geldstrafe ihre Mittel eingeschränkt sein könnten und sie somit abwägen musste, ob die geplante Einkaufstour eine ganze Garderobe einschließlich Schmuck für beide Damen umfassen würde, oder ob man sich auf ein paar Kleinigkeiten beschränken würde. Kleinigkeiten im Sinne von nur einem Dutzend neuer Roben und fünf Paar Schuhen. Kein Schmuck.

Dummerweise aber hatten die Bücher seit der Verhaftung des Familienoberhauptes vor gut zwei Jahren brach gelegen. Zwar hatten die einzelnen Geschäftszweige pünktlich ihre Berichte abgegeben, aber niemand hatte sie in die Bücher eingetragen, geschweige denn überprüft, ob die Bezoar-Ziegenfarm in Griechenland tatsächlich die Zahlen erwirtschaftet hatte, wie angegeben, oder ob die handgeschriebenen Bücher aus dem Kloster in Frankreich auch wirklich zu einem angemessenen Betrag versteigert worden waren. Dann waren da noch die Berichte über den Club in London, den Antiquitätenhandel in Kopenhagen und so weiter. In Dracos Augen schien sich diese Liste schier endlos fortzusetzen. Es war nun schon bestimmt das dritte Mal, dass er die Pergamente von links nach rechts sortierte und doch war er der Ordnung keinen Schritt näher.

„Ach hier steckst du“, sagte da eine Stimme von der Tür her. Als Draco aufblickte, erkannte er seine Frau. Er nickte und versuchte sich wieder auf das Chaos vor sich zu konzentrieren.

„Also eines müssen wir unseren Kindern unbedingt beibringen: Sich mit einem Dunklen Lord einzulassen ist ganz schlecht für die Finanzen.“

Astoria lächelte schwach. Seit Draco ihr eines Abends ein Pergament mit der von ihrem Vater unterschriebenen Einverständniserklärung gezeigt hatte, hatte er immer wieder Scherze über ihre zukünftigen Kinder gemacht, erst recht, nachdem die Anklage gegen ihn fallen gelassen worden war. „Jetzt steht unserer Familienplanung ja nichts mehr im Wege“, hatte er an jenem Tag zu ihr gemeint und ihr grinsend ein paar Babyschuhe überreicht. Zuerst war Astoria jedes Mal noch leichenblass geworden und hatte am ganzen Körper gezittert, aber da derlei spielerische Andeutungen bald alltäglich waren, Draco sie aber nie diesbezüglich bedrängte, hatte sie sich daran gewöhnt. Zwar war sie noch weit davon entfernt, ihm mit ähnlicher Art zu antworten, aber immerhin hatte sie nicht länger das überwältigende Bedürfnis, bei derartigen Worten die Flucht ergreifen zu wollen. Man ließ seine Vergangenheit eben nicht von heute auf morgen hinter sich, die Wunden brauchten Zeit zu heilen, soweit Heilung eben möglich war. So aber trat sie wortlos zu ihm an den Schreibtisch und besah sich aufmerksam das Chaos.

„Hast du schon einmal die Bücher geführt oder wenigstens überprüft?“, fragte sie schließlich mit einem nachsichtigen Kopfschütteln.

Draco verneinte. „Vater hatte geplant, mir bei Erreichen der Volljährigkeit die Kontrolle über einen Geschäftszweig zu übergeben und mich damit schrittweise in die ganzen Vorgänge einzuweisen, aber wie du weißt sind uns die nationalpolitischen Verwicklungen dazwischen gekommen.“ Dabei grinste er schief ob dieses Euphemismus’.

Astoria schnaubte unwillig, setzte sich dann in einen der Besucherstühle vor dem Schreibtisch und zog das Hauptbuch zu sich herüber. „Also gut“, meinte sie nach kurzem Blättern. „Wenn ich das richtig sehe, müsste es fünf Unterbücher geben: Eines für Kapitalgeschäfte, eines für Zaubertrankgeschäfte, eines für Sammlergeschäfte, eines für Immobilien und eines für sonstige Geschäfte. Bevor du das Hauptbuch in Angriff nimmst, musst du erst einmal die Unterbücher auf den aktuellen Stand bringen. Immobilien sollten da das einfachste sein, denn die Zahlen waren in den letzten Jahren immer konstant, also dürfte es sich um Mieteinnahmen handeln. Lass uns damit anfangen.“

Sprachlos starrte Draco seine Gemahlin an.

„Was ist?“, fragte diese überrascht, erkannte dann aber die unausgesprochene Frage in Dracos Blick. Sie gab ein kleines, trauriges Lachen von sich. „Glaub mir, ein solches Finanzimperium wie eures ist zwar größer als eine normale Haushaltsbuchführung, aber die Grundprinzipien sind, wenn ich das richtig sehe, die gleichen. Und als ‚Moira’ musste ich lernen, wie man ein solches Haushaltsbuch führt. Man hat verschiedene Rubriken, Lebensmittel, Kleidung oder hier eben Immobilien und Kapitalerträge, die man aufaddieren und gegen die Grundwerte aufrechnen muss und dann mit den tatsächlichen Rechnungen beziehungsweise Berichten vergleicht. Die Bücher sehen bis zu dem politischen Bruch sauber geführt aus, also sollte es kein größeres Problem darstellen, außer natürlich einer eurer Geschäftsführer hat versucht, die Lage zu seinen persönlichen Gunsten auszunutzen.“

Draco nickte verstehend und den Rest des Nachmittags arbeiteten sie sich, Seite an Seite, durch die Bücher. Es überraschte ihn, wie leicht es ihm fiel, Astoria als Partnerin in Geschäftsdingen anzuerkennen. Sein Vater wäre nie auf die Idee gekommen, seine Mutter an den Büchern teilhaben zu lassen. Andererseits aber hatte seine Mutter auch nie Interesse daran bekundet, zu erfahren, woher das Geld kam, das ihren Lebensstandard sicherte. Und Draco stellte für sich fest, dass er sich in dieser Hinsicht eigentlich gerne von seinen Eltern unterschied. Er und Astoria bildeten ein gutes Team, wieso also sollte er daran etwas ändern wollen?

„Nun fehlen nur noch die Zahlen von den Prozessen und wir sind fertig“, sagte Astoria schließlich.

Jetzt war es an Draco schmal und unbehaglich zu lächeln. Er wusste, dass er Glück gehabt hatte und mehr als glimpflich davon gekommen war, aber der Gedanke, dass seine Frau so natürlich damit umging, war einerseits unangenehm, andererseits erfüllte es ihn mit Stolz, verhielt sie sich doch wie eine Malfoy. Sie bewahrte Haltung und ließ sich nichts anmerken.

Als Draco aber einen Blick auf die Endsummen in allen Büchern warf, wurde das Lächeln zu einem breiten Grinsen. „Ich denke, Mutter wird sich freuen zu erfahren, dass sie Twilfit & Tatting’s weiterhin treu bleiben kann, ohne sich auf eine bestimmte Anzahl Roben beschränken zu müssen. Auch für dich dürfte es angenehmer sein, deinen ersten Einkauf mit meiner Mutter in einem Geschäft zu tätigen, wo du bereits Kundin bist und man deine Wünsche kennt.“

„Twilfit & Tatting’s? Aber da bin ich nicht Kundin“, erwiderte Astoria ein wenig verwirrt. „Daphne ist…“ Dann dämmerte es ihr. „Du hast mich dort wohl mit meiner Schwester gesehen und angenommen, wir wären beide dort Kundinnen, oder? In Wirklichkeit hat nur Daphne dort gekauft.“

„Aber deine Roben, ich meine die Festumhänge, die du zum Beispiel bei den Ministeriumsbällen getragen hast – niemand anderer hatte solche Roben, weshalb ich annahm, es handle sich um Sonderanfertigungen von Twilfit & Tatting’s.“

„Oh Draco.“ Astoria wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. „Frag deine Mutter. Die Roben, die ich bei diesen Gelegenheiten getragen habe, waren keine neuen Kreationen nach meinen Vorstellungen sondern lediglich hoffnungslos altmodisch. Jede Frau im Saal hat das erkannt, aber mein…“ Sie schluckte. „Mein Vater hat jedes Mal darauf bestanden, dass ich eine alte Festrobe meiner Mutter trug.“

„Ich bitte um Verzeihung, Madame“, sagte Draco knapp, aber innerlich war er zutiefst beschämt. Wie hatte ihm nur entfallen können, dass dieser abscheuliche Mann seine Tochter immer gezwungen hatte, die Sachen ihrer Mutter zu tragen? Sie hatte es doch selbst gesagt, an dem Tag in seinem sechsten Schuljahr, als er auf der Toilette von ihrem schrecklichen Geheimnis erfahren hatte. Und jetzt hatte er sie einmal mehr daran erinnert.

Astoria nickte nur und Draco konnte nicht anders, als sie für ihre Stärke zu bewundern. „Nun, in dem Fall wird der Einkauf etwas länger dauern, denn ich bezweifle, dass meine Mutter sich mit weniger als fünf neuen Festtagsroben für dich zufrieden geben wird.
 

Februar 2000

Der alljährliche Benefizball zugunsten des St. Mungos Krankenhauses war eines der wichtigsten Ereignisse in den gehobeneren Kreisen der magischen Gesellschaft. In diesem Jahr aber fiel der Termin für den Ball mit dem Besuch des französischen Ministers für Zauberei zusammen, so dass das Fest noch glanzvoller zu werden versprach. Jeder, der Rang und Namen hatte, stand auf der Gästeliste, und jeder der weder Rang noch Namen hatte, versuchte über Beziehungen oder andere Wege, es ebenfalls auf die Liste zu schaffen. In der Tat würde es ein überaus denkwürdiger Abend werden, wie der Tagesprophet den weniger Glücklichen am nächsten Tag mit zahlreichen Bildern belegte. Schließlich war auch es der Abend, an dem Harry Potter Ginevra Weasley einen Heiratsantrag machen würde – im Hintergrund des Fotos konnte man sehen, wie der beste Freund des Frischverlobten sich mit dem Ellbogen abstützen wollte und leider den Tisch zugunsten der Punschschüssel verfehlte, was wiederum von seiner Begleitung und besten Freundin Harry Potters mit einem Augenrollen bedacht wurde.

Für Astoria Malfoy, geborene Greengrass, war es der Abend, an dem sie das erste Mal seit ihrer Eheschließung ihren Vater wiedersah.

Obwohl sie noch für etwa vier Monate Schülerin in Hogwarts war, hatte Draco einmal mehr bei der Direktorin eine Ausnahmegenehmigung erwirkt, um mit seiner Frau an diesem gesellschaftlichen Ereignis teilzunehmen. Als er das erste Mal bei Professor McGonagall deswegen vorgesprochen hatte – es war wegen der Amtseinführung von Minister Shacklebolt gewesen –, war Astoria überrascht gewesen, dass die strenge Schulleiterin ohne weiteres zugestimmt hatte. Draco hatte ihr dann aber erklärt, dass es früher nicht unüblich gewesen war, dass gerade bei reinblütigen Familien die Mädchen heirateten, noch ehe sie die Schule beendet hatten, und dass es damals Gang und Gebe gewesen war, den betreffenden Schülerinnen frei zu geben, wenn sie anderweitige gesellschaftliche Pflichten hatten. Und an der Seite des Gatten bei wichtigen Ereignissen die Familie zu repräsentieren gehörte dazu. Zuerst hatte sich Astoria seltsam deswegen gefühlt, aber aus dem ‚seltsam’ war im Laufe der Zeit ‚besonders’ geworden, in einem positiven Sinn. Sie hatte, abgesehen von Myrte, nie viele Freunde gehabt und die Tatsache, dass sie ihren Hauskameradinnen den ungekrönten Prinzen weggeschnappt hatte – Blaise Zabini hatte sich erst kürzlich als schwul geoutet und seine Beziehung mit Theodore Nott öffentlich gemacht, weshalb Ersatzslytherinprinzen derzeit nicht verfügbar waren –, hatte ihr Leben im Vergleich zu früher nicht einfacher gemacht. Und doch gab es einen entscheidenden Unterschied, denn in dem Maße wie die Wochen und Monate vergingen, fühlte sich Astoria in Dracos Gegenwart sicherer. Sie vertraute ihm, wie man einem guten Freund vertraute, ja, er war vielleicht sogar ihr bester Freund.

„Moira, Liebes, du siehst fabelhaft aus! Und diese Robe!“

Schon bei den ersten ekelerregend zuckersüßen Worten war Astoria innerlich zusammengezuckt und alles in ihr wurde eiskalt. Als sie dann aber auch noch eine Hand über ihre Schulter und ihren Arm streichen spürte, so bekannt und so verhasst, musste sie all ihre Kraft aufbieten, sich nicht augenblicklich loszureißen und davonzulaufen. Ein Verhalten, das für eine Malfoy undenkbar war. Und sie war eine Malfoy. Sie war frei von ihm! Das war sie doch, oder? Warum hatte er ausgerechnet den Augenblick wählen müssen, wo Draco für sie und Narzissa Getränke organisierte?

Die Musik setzte ein und Mr. Greengrass verbeugte sich vor seiner Tochter. „Moira, mein Herz, darf ich bitten?“

Verstört sah Astoria zu ihrem Vater. Ihn abzulehnen wäre unhöflich gewesen, zumal er ihr Vater war. Es hätte unnötiges Gerede und Spekulationen heraufbeschworen. Aber mit ihm tanzen? Sich wissentlich und willentlich, und sei es auch nur für ein paar Minuten, in seine Hände zu begeben? Schon wollte ihr Vater ihren Arm ergreifen, als eine kühle, kultivierte Stimme nonchalant neben ihnen sagte: „Ich glaube, Sie hatten mir den ersten Tanz versprochen, Mrs. Malfoy? Sie entschuldigen doch, oder, Mr. Greengrass?“, wandte sich die Person an Astorias Vater.

Astoria warf einen Blick auf den Mann neben sich, um sich zu vergewissern, dass sie sich in der Stimme nicht getäuscht und die Hoffnung ihr etwas vorgegaukelt hatte, und ein Lächeln der Erleichterung huschte über ihr Gesicht. „Gewiss, wie konnte mir das entfallen, Mr. Malfoy?“ Damit ließ sie sich von ihrem Gatten auf die Tanzfläche geleiten.

Obwohl Draco und Astoria in den vergangenen knapp zwei Jahren bereits mehrfach miteinander getanzt hatten, war an diesem Abend etwas anders. Die meisten der anwesenden Gäste hätten keinen Unterschied feststellen können, beide hielten sich gerade, die Schultern waagerecht, den Kopf hocherhoben und stolz. Wer aber Näheres über dieses Paar wusste, sah kleine Details, die an diesem Abend den Unterschied zwischen einem fehlerfreien Tanz und einem Tanz, der die Menschen brachte, hinzusehen und die Augen nicht wieder abzuwenden, ausmachte. Vielleicht war es die beschützende Art, mit der Draco seine Hand auf Astorias Schulterblatt gelegt hatte. Oder vielleicht war es die Bereitwilligkeit, mit der sich Astoria in diese sichere Umarmung lehnte. Vielleicht war es auch das Widerstreben der Fingerspitzen, als die Tanzfigur forderte, dass die beiden sich trennten. Oder die Tatsache, dass die Körper der beiden Tänzer ein klein wenig enger beieinander waren als sonst.

Narzissa Malfoy gehörte zu den Menschen, die diese kleinen Details bei ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter wahrnahmen. Sie wusste, dass diese beiden jungen Menschen noch weit davon entfernt waren, auch nur annähernd eine so harmonische, private Beziehung zu führen, wie Lucius und sie – sie wusste sehr wohl, dass die Öffentlichkeit diesbezüglich ein anderes Bild hatte, aber Öffentlichkeit und Privatleben musste man eben zu trennen wissen –, schließlich war die Ehe zwischen Draco und Astoria der Not entsprungen. Aber dieses Bild, besonders das leichte Lächeln auf dem Gesicht ihrer Schwiegertochter, so anders als die steinerne Miene, die diese zur Schau getragen hatte, als ihr Vater sich genähert hatte, gab ihr Hoffnung. Narzissa war froh, dass sie die Körpersprache Astorias richtig gedeutet hatte, als sie sich vorhin unbemerkt entfernt hatte, um Draco zu benachrichtigen. Sie wusste zwar nicht genau weshalb, konnte lediglich ein paar wohlfundierte Mutmaßungen über die Gründe anstellen, aber ihr Sohn hatte ihr kurz nach der Eheschließung mit sehr eindringlichem Ton gesagt, dass er nicht wünsche, seinen Schwiegervater bei seiner Gemahlin zu sehen. Und nach Astorias Haltung zu urteilen, war es auch ihr Wunsch, obwohl Narzissa stolz war, dass ihre Schwiegertochter keine Sekunde lang die Haltung verloren hatte. So sehr die ältere Mrs. Malfoy am Anfang auch dagegen gewesen sein mochte, als sie erfuhr, dass ihr Sohn das Greengrass-Mädchen hatte heiraten müssen, um schlimmeres zu verhindern, heute brachte sie Astoria aufrichtige Hochachtung entgegen, denn sie machte dem Familienname Malfoy alle Ehre.
 

Juni 2003

Draco sah auf die Uhr und dann zur Tür des Arbeitszimmers. Es sah Astoria gar nicht ähnlich, ihre gemeinsame Geschäftsstunde zu vergessen.

Seit jenem ersten Nachmittag, wo sie zusammen Ordnung in das Finanzchaos gebracht hatten, hatten sie regelmäßig zusammen die Bücher durchgesehen und seit Astoria mit der Schule fertig war, war daraus eine tägliche Institution geworden. Manchmal war es Geschäftskorrespondenz, die sie gemeinsam bearbeiteten, manchmal die Berichte der einzelnen Unternehmungen und manchmal saßen sie auch einfach nur beisammen, sprachen über dies und das oder lasen und genossen einfach die vertraute Gegenwart des anderen. Sie nannten es nach wie vor Geschäftsstunde, aber im Laufe der Jahre war es eher wie Stunde privater Zweisamkeit geworden. Zumal weder seine Mutter noch die Hauselfen sie je störten, wenn sie im Arbeitszimmer waren.

Als weitere fünf Minuten vergangen waren, ohne dass Astoria auftauchte, begann Draco sich ernsthaft Sorgen zu machen. Schließlich rief er nach einem der Hauselfen. „Scuttles!“

Mit einem leisen Poppen erschien der Elf vor ihm. „Was kann Scuttles für Master Draco tun?“, wollte dieser mit einer Verbeugung wissen.

„Wo ist meine Gemahlin?“, fragte Draco ohne Begrüßung oder sonstige Einleitung.

Scuttles schloss kurz die Augen, um die Hausbewohner mit Elfenmagie zu orten. Als Diener der Familie waren die Hauselfen in der Lage, ihre Herrschaft zu spüren, um augenblicklich auf ihren Befehl hin an ihrer Seite erscheinen zu können. „Die junge Mistress Malfoy befindet sich im geheimen Garten, Master Draco, Sir. Soll Scuttles der jungen Mistress Malfoy sagen, dass Master Draco sie sucht, Sir?“

Draco runzelte kurz die Stirn und schüttelte den Kopf. In den letzten Wochen hatte Astoria immer häufiger ihre Zeit in dem Garten verbracht und er wusste, dass irgendetwas sie beschäftigte, sie innerlich aufwühlte. Er hatte gehofft, dass sie ihm erzählen würde, was es war, vielleicht in einer der gemeinsamen Nachmittagsstunden, aber bislang war das nicht geschehen. Nun aber war er entschlossen, nicht länger zu warten.

Mit langen Schritten durchmaß er die Halle und den Hauptsalon, um durch die großen französischen Fenster nach draußen in den Garten zu gelangen. Wenige Minuten später stand er am Eingang des von hohen Mauern umgebenen geheimen Garten. Leise öffnete er das schmiedeeiserne Tor und sah sich nach Astoria um. Sein Blick streifte über scheinbar wahllos angelegte Beete mit Pfingstrosen und Phlox, ohne wirklich etwas von der Blütenpracht wahrzunehmen, bis er seine Frau schließlich auf einer steinernen Bank in einer der hinteren, von Fliederbüschen bewachsenen Ecken entdeckte. Obwohl er noch einige Meter entfernt war, konnte er deutlich erkennen, dass sie ganz in Gedanken versunken war.

Lautlos bewegte er sich über den gepflegten Rasen und ließ sich neben Astoria auf der Bank nieder. Sie musste wirklich sehr tief in Gedanken sein und sich obendrein sehr sicher in diesem Garten fühlen, denn auch jetzt noch blickten ihre Augen unverwandt auf einen Punkt jenseits der Mauern, den nur sie sehen konnte. Vorsichtig lehnte Draco sich an sie. „Hey!“, sagte er leise. Er genoss es, dass sie nicht länger zurückzuckte, seinen Berührungen auswich oder gar ganz Reißaus nahm. Nein, mittlerweile erwiderte sie die Gesten sogar gelegentlich, auch wenn es nach wie vor nur Kleinigkeiten waren, wie ein flüchtiges Streifen der Finger. Oder wie jetzt, dass sie den Kopf zu ihm neigte, sich an seine Schulter lehnte.

Während des ersten Ehejahres hatte Draco ein paar One-Night-Stands gehabt, nichts Ernsthaftes, einfach Gelegenheiten, von denen er geglaubt hatte, sie sich nicht entgehen lassen zu können. Dummerweise hatte Daphne Greengrass ihn bei einer dieser Gelegenheiten gesehen und ihm am nächsten Tag einen Besuch abgestattet. Zuerst hatte er geglaubt, sie wolle ihm die Hölle heiß machen, weil er ihre Schwester betrog, doch er hätte kaum weiter von der Wahrheit in entfernt sein können. Nein, stattdessen hatte sie ihm ohne große Umschweife den Vorschlag gemacht, dass er, statt willkürlicher Bettbekanntschaften, sich eine Geliebte zulegen sollte, und dass sie nur zu gerne bereit wäre, diese Position auszufüllen. Dass es offensichtlich sei, dass ihre kleine Schwester es im Bett nicht bringe, oder andernfalls würde Draco sich ja wohl kaum anderweitig umsehen. Sie selbst hingegen... Draco brauchte noch nicht einmal seine nichtexistenten Legilimentikkünste zu bemühen, um Daphnes wahre Motive zu erkennen. Sie war eifersüchtig auf Astoria, weil diese Mrs. Draco Malfoy geworden war und nicht sie. Dabei hatte sie sich noch nicht einmal je die Mühe gemacht, zu fragen, wie es zu der plötzlichen Eheschließung gekommen war. Es lag Draco auf der Zunge, ihr einfach zu sagen, dass sie für die Position der Ehefrau schlicht die falsche Haarfarbe hätte, schließlich war allgemein bekannt, dass die Malfoys seit Generationen blond waren und eine schwarzhaarige Ehefrau da einfach nicht ins Bild gepasst hätte. Das war natürlich Blödsinn, denn es hatte in der Vergangenheit durchaus Malfoys mit anderen Haarfarben gegeben, allerdings allesamt angeheiratet und aus irgendeinem Grund setzte sich blond bei den Kindern immer als Haarfarbe durch – vielleicht ein antiker Zauber, wer wusste das schon bei einer so alten Familie zu sagen? – aber es wäre zumindest interessant gewesen, Daphnes Reaktion darauf zu sehen. Doch vermutlich hätte sie nur erwidert, dass sie für ihn sogar bereit gewesen wäre, sich ihre schwarze Mähne dauerhaft blond zu hexen. Solange sie nur Zugang zum Malfoy-Gringotts-Verlies erhielt. Denn das war das zweite Motiv, das Daphne antrieb. Und wenn sie schon nicht mehr seine Ehefrau werden konnte, als seine Mätresse würde sie gewiss in den Genuss von Luxus und kostspieligen Geschenken kommen. Das mochte zwar durchaus der Standardhaltung eines weiblichen Slytherins entsprechen, aber Draco fand diese Einstellung in dem Moment einfach nur widerlich. Und auch wenn er selbst schon gelegentlich mit dem Gedanken gespielt hatte, sich eine Geliebte zu nehmen – er war sicher, dass Astoria dafür Verständnis haben würde, ja vielleicht wäre sie sogar erleichtert –, brachte er es einfach nicht über sich, seine Frau mit ihrer gierigen und manipulativen Schwester zu betrügen. Überhaupt kamen ihm auf einmal die ganzen flüchtigen sexuellen Begegnungen unglaublich distanziert, klinisch und schal vor. Als er das erkannte, konnte er nicht anders als selbstzufrieden grinsen, während in ihm ein Plan heranreifte. Natürlich hatte Daphne diese Reaktion vollkommen falsch verstanden und Draco war doch noch in den Genuss gekommen, zu sehen, wie ihr Gesicht sich zu einer ungläubigen und wütenden Maske verzerrte, als er ihr dankte, aber unmissverständlich klar machte, dass er eine einzige Berührung von Astoria weitaus höher schätzte als ein ganzes Wochenende hemmungslosen Sex mit ihr, Daphne. Was durchaus der Wahrheit entsprach: Eine freiwillige Berührung von Astoria wäre für ihn wertvoller als jedes juwelenbesetzte Schmuckstück, weil es zeigen würde, dass sie ihm vertraute.

Daran hatte sich bis heute nichts geändert und jede kleine Geste zeigte Draco, dass sich das Warten lohnte. Auch wenn er sich manchmal wünschte, die Schritte, die Astoria ihm entgegen ging, wären nicht gar so klein. Und dennoch – er bereute nicht, sich letztlich ganz und gar für sie entschieden zu haben. „Was ist los?“, fragte er jetzt.

Es dauerte ein wenig, aber dann sagte Astoria schließlich: „Noch ein Monat, dann ist das hier vorüber.“

Irritiert und ein wenig erschrocken sah Draco sie an. „Wie meinst du das?“, wollte er vorsichtig wissen.

„Das Leben hier, so wie wir es kennen. Du, ich, deine Mutter. Wenn dein Vater erst wieder hier ist, wird alles anders. Er ist das Familienoberhaupt und als solcher hat er bestimmte Vorstellungen und Erwartungen...“ Ihre Stimme verlor sich.

Augenblicklich verstand Draco. Da Lucius Malfoy vor fünf Jahren das Urteil des Zaubergamots ohne Widerstände akzeptiert hatte und sich obendrein als mustergültiger Häftling erwies, der es sogar in Askaban schaffte Würde und Aristokratie auszustrahlen, waren ihm ein paar Privilegien eingeräumt worden, darunter Besuche von Familienangehören alle Vierteljahr. Und obgleich sie meist eher gingen, um seiner Mutter und seinem Vater etwas Zeit allein zu gönnen, war es selbstverständlich für Draco und Astoria, dass sie Narzissa begleiteten und so der Welt zeigten, dass die Familie Malfoy zusammenhielt. Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, hatte sich sein Vater Astoria gegenüber höflich benommen, aber zugleich auch ein wenig distanziert, weil die Besuche nicht ausreichten, die junge Frau wirklich kennen zu lernen und nur, wenn er jemanden gut kannte, legte Lucius Malfoy seine Maske des unterkühlten Reinblutes, der über der übrigen Gesellschaft stand, ab. Hinzu kamen die Fragen, wie es um einen Erben stand, die, obwohl an Draco gerichtet, Astoria jedes Mal einen Stich versetzen mussten. So anders als der scherzhafte Ton, mit dem Draco selbst über ihre Kinder sprach, konnte er verstehen, dass ihr mehr als unwohl bei dem Gedanken war, in weniger als einem Monat Tag für Tag das Haus mit seinem Vater und seinen Fragen über Nachkommenschaft zu teilen.

„Draco, ich bin nicht wie deine Mutter, die sich im Luxus sonnt und scheinbar nur existiert um einzukaufen, mit anderen reichen Hexen Tee zu trinken und in Wohltätigkeitsvereinen mitzuwirken. Nicht, dass ich deine Mutter für ihr Engagement nicht bewundere oder ihren Stil, aber das bin nicht ich. Was, wenn dein Vater nun von mir erwartet, dass ich mich damit zufrieden gebe? Ich mag es, mit dir die Verantwortung für die Geschäfte zu teilen, zu wissen, was in deinem Leben vor sich geht. Ich möchte nicht einfach zu einem Accessoire in deinem Leben degradiert werden oder maximal noch die Mutter deiner Kinder und Gastgeberin bei deinen Partys sein.“

Draco konnte nicht anders, als bei dieser versteckten Erklärung, dass Astoria gerne Zeit mit ihm verbrachte und offenkundig eine Zuneigung zu ihm entwickelt hatte, zufrieden zu lächeln. Er legte einen Arm um ihre Schulter und drückte sie leicht an sich. „Das wird nicht passieren, glaube mir. Denn erstens bin ich ohne dich bei der Buchführung aufgeschmissen…“

Hier knuffte Astoria ihn spielerisch in die Seite, denn inzwischen war Draco sehr wohl in der Lage selbst Ordnung in jedes Finanzchaos zu bringen, das auf seinem Schreibtisch landete.

„Und zweitens wird mein Vater schnell genug sehen, dass wir im Team einfach besser sind und du eine wertvolle Ergänzung der Familie bist, nicht bloß ein hübsches Anhängsel. Obwohl es natürlich nicht von der Hand zu weisen ist, dass dein gutes Aussehen dir zumindest schon mal ein paar Pluspunkte bei meinem Vater bringt“, neckte er sie.

„Aber auch nur, weil es garantiert, dass unsere Kinder nicht aussehen wie knallrümpfige Kröter“, meinte Astoria trocken.

Draco lachte. Er wusste, dass diese Art sarkastischen Humors ihre Art war, mit Dingen, die ihr unangenehm waren, umzugehen, und er selbst hatte einige Zeit gebraucht, die feine Intelligenz dahinter zu erkennen. Jetzt aber fand er es einfach nur herrlich und liebenswert. „Wie wäre es, wenn wir das meinem Vater das nächste Mal vorschlagen, wenn er nach dem zukünftigen Malfoy-Erben fragt? Dass wir uns ja erst einmal einen knallrümpfigen Kröter anschaffen könnten und er damit schon mal üben kann, Großvater zu sein?“

Auch Astoria musste lachen. „Nicht fair, Draco, das ist nicht fair. Jetzt werde ich jedes Mal, wenn ich deinen Vater sehe, das Bild vor Augen haben, wie er einen Kröter in den Armen hält und ihm erklärt, dass er eines Tages das ganze Malfoy-Vermögen erben wird und sich dementsprechend zu benehmen hat! Und dann muss ich jedes Mal lachen oder zumindest albern grinsen. Auf die Weise werde ich nie die Zustimmung deines Vaters erlangen.“

„Das wird schon noch, Liebes. Es ist ja nicht so, als würde er dich ablehnen. Nur hatte er bei unseren Besuchen keine Gelegenheit dich wirklich kennenzulernen. Und nachdem du sogar meine Mutter überzeugt hast – und glaub mir, was gesellschaftliche Haltung und Auftreten betrifft, ist sie weit schwieriger zu gewinnen als mein Vater –, wird es dir bei ihm leicht fallen“, versuchte er sie zu beruhigen.

Astoria schüttelte leicht den Kopf. „Deine Mutter hat nur von mir erwartet, dass ich meiner Rolle als Malfoy in der Öffentlichkeit gerecht werde, dein Vater aber erwartet etwas anderes.“ Ihre Schultern sanken leicht nach unten.

Draco schwieg einen Moment, dann meinte er ruhig. „Wenn du willst, könnten wir meinem Vater sagen, dass er dieses Thema nicht ansprechen soll, aber er wird wissen wollen, wieso. Nicht, dass du durch die Wahrheit in seinen Augen weniger wert sein würdest, aber dann würde er es verstehen.“

Entsetzt sah Astoria ihren Mann an und schüttelte dann vehement den Kopf. „Niemals. Am Ende schlägt er dann vor, dass du ein außereheliches Kind zeugst und wir es offiziell adoptieren.“

Obgleich ihm der Gedanke nicht gefiel, musste Draco sich eingestehen, dass eine solche Lösung durchaus in die Slytheringedankenwelt passte und es somit nicht von der Hand zu weisen war, dass sein Vater etwas derartiges vorschlagen könnte. Aber noch ehe er etwas darauf erwidern konnte, sprach Astoria schon weiter.

„Das könnte ich nicht ertragen. Draco“, ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, „es soll unser Kind sein, das eines Tages alles erbt.“

Überrascht sah er Astoria an, aber er wusste, dass er sich nicht verhört hatte. Und obgleich sie den Kopf gesenkt hielt, blieb sie an ihn gelehnt, was ihm zeigte, dass dieser letzte Satz keine Aussage war, die sie machte, weil sie es für ihre Pflicht hielt, ihm einen Erben zu schenken, sondern weil sie selbst es sich auch wünschte. Ein Gedanke, der ihn mit unglaublicher Freude erfüllte. „Dann wird es unser Kind sein“, sagte Draco ruhig und nahm ihre Hand und zog sie an seine Lippen. Das war bislang die intimste Geste, die sie geteilt hatten, und als Astoria nicht zurückschreckte, sondern sich im Gegenteil näher an ihn lehnte, wusste er, dass sie eine echte Chance hatten. Und vielleicht, wer wusste schon, in ein oder zwei Jahren…



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Runya
2011-12-09T21:28:27+00:00 09.12.2011 22:28
Hey!
Erstmal großel Lob:
Ich habe den OS echt verschlungen, wirklich packend erzählt, man kann genau mit Astoria mitfühlen. Der Missbrauch ist eine echt gute, wenn auch grausige Idee.

Was ich fragen wollte:
Wusste Daphne von der "Liebe" die ihr Vater für Astoria/Moira hegte???

Richtig gut fand ich auch die Idee mit der BEzoar-Farm :)

Gut gemacht!

glg
Runya

-Ja ich weiß der Kommi kommt etwas spät xD-
Von:  HexenLady
2010-07-09T20:04:47+00:00 09.07.2010 22:04
hiii
es ist wirklich ein wunderschöner one short
ich muss gleich direkt nachschaun was du sonst noch so
geschrieben hast :D
byebye
Von:  Dahlie
2009-12-19T16:30:34+00:00 19.12.2009 17:30
Hallo!

Zuerst einmal, ich habe mich sehr gefreut, dass du teilgenommen hast! Und jetzt würde ich dir gerne ein Feedback geben.

Herzlichen Glückwunsch!

Zum ersten Platz!

Ich hoffe, es stört dich nicht, dass du dir den Platz mit zwei anderen Personen teilst : )
Aber kommen wir zum Grund, weshalb ich finde, dass du den ersten Platz verdient hast.

Der Titel, ich finde er passt wie die Faust aufs Auge zu deinem OS. Das Thema ist düster und irgendwie traurig. Der Titel melancholisch und das Titelbild unterstreicht es. Allerdings gibt dein Titelbild deiner FF auch eine besondere Note. Die Einführung in der Kapitelübersicht ist sehr knapp, aber sie sagt trotzdem schon aus, worum es im Groben und Ganzen gehen wird. Man wird neugierig.

Erschlagen hast du mich damit, als ich gesehen habe, wie lang dein OS ist. Sicher hast du sehr lange daran gesessen. Respekt. Zuerst habe ich mich gefragt, warum du so einen langen OS in einem Stück on stellst. Als ich angefangen habe zu lesen, habe ich schnell gemerkt warum. Hättest du den OS aufgeteilt hätte er an Wirkung verloren und so ist seine Wirkung echt umhauend. Aber fangen wir ganz vorne an. Die kurze Einführung mit den Jahren hat mir gefallen. So würde ich persönlich drauf vorbereitet was mich erwartet. (zumindest in etwa) Das kalte Grausen ist mir über den Rücken gelaufen, als ich begriffen habe, was Astoria da ausgesetzt war und meine Befürchtung, du könntest es als Labile abstempeln war unbegründet. Denn der Missbraucht spielte im ganzen OS eine Rolle und bildete immer einen Graben zwischen Draco und ihr. Einen Graben den du so herrlich langsam schließt. Etwas was mich total fasziniert hat, denn so etwas habe ich noch nie vorher wirklich gut geschrieben gelesen.

Auch diese kleinen Aspekte der Gefühle passen herrlich in deinen OS. Es sind keine leidenschaftlichen Küsse die Astoria und Draco teilen. Eher ganz kleine Zärtlichkeiten, wie dieselben Gedanken und Blicke. Besonders deutlich wurde das in der letzten Szene auf der Bank und als sie dann die Erwähnung des Kindes machte, ich muss gestehen, da hast du mich zu deinem Fan gemacht. >////< Ich hoffe, dass ich noch viele FFs oder OS von dir lesen werde!

Wie du siehst also genug Gründe, um dir den ersten Platz zu zusprechen. Ich werde dir die KT schicken und hoffe, dass sie auch ankommen und dann würde ich gerne wissen was du dir genau für einen OS oder FF wünscht, damit ich dir den zweiten Preis zukommen lassen kann.

Freue mich auf deine Antwort!

Dahlie.
Von:  il_gelato
2009-10-20T13:20:56+00:00 20.10.2009 15:20
Finde ich gut!
Toll geschrieben und inhaltlich abweichend von den üblich Geschichten der beiden!!!

Obwohl ich es schade finde, dass sie sich nicht ein bisschen näher gekommen sind. Man kennt Draco nicht so enthaltsam!

Die Szene mit dem Heiratsantrag, wo Ron in die Bowle-Schüssel fällt, war einfach total komisch.


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