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Severine

von

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Die Qual der Wahl

Ich freute mich heute schon auf de Schule, zum einen, weil ich meine Freunde alle sehen konnte und zum andern, weil ich nur drei Stunden hatte – Geschichte, Englisch und Mathe. Mit einem strahlenden Lächeln empfing ich Adam morgens an der Tür. Er sah überrascht aus, als ich ihm zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange gab. Heute gingen wir zu Fuß zur Schule, um das gute Wetter zu genießen. Als wir an einer Ampel warteten fragte mich Adam warum ich so gut gelaunt bin. Ich grinste übers ganze Gesicht und sagte: »Ich liebe es, wenn das Wetter so schön ist und ich nur drei Stunden in der Schule verbringen muss.« Adam fing an zu lachen. Dann schaute er auf meine Schultasche. »Für nur drei Stunden Unterricht, ist deine Tasche aber ziemlich voll gepackt.«

»Ich muss noch jemandem etwas wiedergeben.« Ich faste mit der rechten Hand an meine Tasche. Darin war der frisch gewaschene Pullover von Jake. Ich wurde rot als ich an ihn dachte. Zum Glück merkte es Adam nicht, ich hätte nicht gewusst wie ich ihm die Sache hätte erklären sollen.

Als wir an der Schule ankamen, warteten Jenn und Franzi ungeduldig auf meine Ankunft. Franzi erblickte mich als erste, stürmte auf mich los und sprang mir an den Hals. »Einen wunderschönen guten Morgen«, wünschte sie mir und küsste mich auf die Wange.

»Dir auch«, sagte ich.

»Okay Sophie, ich muss jetzt los, schreib mir einfach kurz bevor du Schluss hast, ich hol dich dann ab«, sagte Adam eilig.

»Mach ich«, versprach ich.

Jenn stand immer noch am Eingang und wartete, dass wir zu ihr kamen. »Morgen«, sagte ich zu ihr und umarmte sie. Sie lächelte mich an und erwiderte den Gruß, dann gingen wir rein.

Nun stand mir das langweiligste Fach aller Zeiten bevor. Ich hasste Geschichte, dass war das einzige Fach, was mich ja mal so rein gar nicht interessierte. Gelangweilt hörte ich zu und wartete darauf, dass es endlich zur Pause klingelte.

Englisch und Mathe waren heute nicht viel spannender. Und somit zog sich mein Schultag ewig in die Länge. Doch da – endlich – klingelte es zum Schulschluss. Ich sprang auf und rannte aus dem Raum ins freie.

Auf dem Schulhof warteten Jenn und Franzi schon auf mich.

»So was machen wir jetzt?«, fragte ich neugierig.

»Zu unseren Wahlpflichtkursen gehen, was sonst?«, antwortete Franzi.

»Wahlpflichtkurse?«, wiederholte ich ungläubig.

»Ja, hast du noch gar keinen gewählt?«, wunderte sich Jenn.

»Nein...dabei hatte ich mich so auf einen kurzen Schultag gefreut...«, sagte ich traurig.

»Was meinst du eigentlich wieso wir Mittwochs nur drei Stunden haben?«, lachte Franzi.

Darauf antwortete ich gar nicht mehr – ich war zu enttäuscht. Wahlpflichtkurse...wer hatte sich solchen Scheiß eigentlich ausgedacht? Und was zum Teufel sollte ich für in Fach nehmen? Was gab es überhaupt für Fächer zur Auswahl? Fragen über Fragen gingen mir durch den Kopf. Plötzlich griff Jenn nach meinem Arm und zerrte mich hinter ihr her. Vor einem Raum wo >Werkstatt< stand, blieben wir stehen. Sie öffnete die Tür und ging rein. Ich folgte ihr unauffällig. »Willkommen in meiner Welt«, sagte sie stolz. Okay, da hatte sie mich auf dem falschen Fuß erwischt, es wäre eine Gefahr für jeden hier, wenn man mich an so eine Bohrmaschine stellte. Bei meinem Geschick würde ich mir die Hans durchbohren. Ich lachte innerlich. Jenn sprach inzwischen mit dem Lehrer, er schüttelte den Kopf als sie was fragte, was ich nicht verstand. Dann kam sie wieder zu mir. »Tut mir Leid. Der Handwerkkurs ist schon voll«, sagte sie traurig. Ich atmete erleichtert auf. »Macht nichts, es wäre sowieso viel zu gefährlich für mich gewesen«, ermunterte ich sie. »Was gibt es noch so für Kurse?« Kaum hatte ich die Frage ausgesprochen, da griff mich Franzi auch schon am Ärmel und zog mich mit. Sie brachte mich zu einer Halle außerhalb des Schulgebäudes. Vor der Tür blieb sie kurz stehen, dann öffnete sie sie mit einem kräftigen Ruck. Ich traue meinen Augen nicht. Vor mir war ein riesiger Saal, an deren Ende eine riesige Bühne war – für die Zuschauer waren Stühle im Halbreis um sie gestellt. Es sah fast aus wie in einem Theater – nur nicht ganz so groß. Auf der Bühne Stand ein Flügel und mehrere andere Instrumente. Franzi stürmte auf den Flügel zu, sie setzte sich auf den Hocker und hob den Deckel von den Tasten. Ich folgte ihr, bis ich neben ihr stand. Sie atmete tief ein, dann legte sie die Finger auf die Tasten und begann zu spielen. Ich kannte diese Melodie – aber woher? Da fiel es mir wieder ein. Sie spielte >all the leaves are brown<, ich liebte dieses Lied. Ohne das ich es richtig merkte, begann ich mit zu singen. Erst ganz leise, beim Refrain wurde ich dann lauter. Es machte Spaß mal wieder aus voller Kraft seine Stimme erklingen zu lassen. Ich hatte früher viel gesungen, ob im Chor oder einfach nur zum Spaß. Aber mit der Zeit gab es immer weniger Anlässe, bei denen man hätte singen können. Wir ließen gemeinsam das Lied ausklingen, ich wette, wenn noch mehr mitgesungen hätten, hätte es sich bestimmt noch besser angehört.

Da ich mit dem Rücken zu den Stuhlreihen stand, hatte ich nicht gemerkt, wie die anderen Musikkursleute langsam in den Raum gekommen waren. Neben mir Klatschte der Musiklehrer in die Hände und nun begannen auch die anderen Schüler zu applaudieren. Einige pfiffen sogar.

Peinlich berührt drehte ich mich zu Franzi. Die grinste nur und freute sich über den Applaus. Sie verbeugte sich sogar und verteilte Luftküsse. Mein Blick blieb die ganze zeit über gesenkt und wanderte am Boden der Bühne entlang. Bei einer Violine blieb er hängen. Ich wollte schon immer mal Violine spielen...hatte aber nie die Gelegenheit gehabt. Der Lehrer schaute in die Richtung in die ich sah und hob daraufhin die Violine hoch. Er reichte sie mir. »Wenn du spielen magst, dann spiel«, sagte er mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Ich wollte eigentlich sagen >Nein, das kann ich nicht<, aber die Versuchung war zu groß. Ich nahm die Violine in die Hand und legte sie an. Ich holte einmal tief Luft und legte den Bogen auf die Saiten. Als ich ihn auch nur ein bisschen bewegt hatte, ertönte ein ohrenbetäubendes Geräusch. Alle stöhnten und hielten sich vor Schmerzen die Ohren zu. »Wärt ihr das nächste Mal bitte so nett, mich zu fragen, ob sie meine Violine vergewaltigen darf?« Oh mein Gott...das war die Stimme von Jake. Ich stand stocksteif da und merkte wie mir die Schamröte ins Gesicht stieg. Er blieb vor mir stehen und nahm mir die Violine ab. Dabei flüsterte er mir ins Ohr. »Deine Stimme ist Wahnsinn, aber bitte verschone meine arme Violine mit deiner Unfähigkeit.« In dem Moment wusste ich nicht was ich fühlen sollte. Ich war sauer, geschockt, beleidigt, geschmeichelt...das reinste Gefühlsgewirr. Als ich mich dann halbwegs wieder beruhigt hatte, schaute ich zu Jake. Er sah so...ich fand nicht das richtige Wort dafür. Wie er da stand und die Saiten seiner Violine nachzog und testete ob der Ton wieder richtig eingestellt war. Ich war hin und weg. Erst als mich Franzi mit ihrem Ellenbogen in meine Rippe schlug, merkte ich, das ich Jake die ganze Zeit angestarrt hatte. Und wieder wurde ich rot im Gesicht. Ich hoffte, dass es nicht jeder gesehen hatte – vergebens. Sie tuschelten schon. Zum Glück bat der Lehrer um Ruhe. »Okay, was wollen wir heute spielen?«, fragte er dann. Wieder ging Raunen und Gemurmel durch die Reihen.

»Warum spielen wir nicht >all the leaves are brown<? Ich denke im Chor hört es sich sicher nicht schlecht an«, schlug Jake vor.

Schnell schaute der Lehrer die Blätter durch. Er murmelte irgendwas und als er dann den Text gefunden hatte strahlte er übers ganze Gesicht.

»Gut, alle zu ihren Instrumenten – bis auf Sophie, Amy und Daniel. Ihr drei singt.« Er teilte schnell die Noten aus. Dann tippte er mir auf die Schulter und sagte »Sopran«, danach tippte er Amy an »Alt« und schließlich Daniel »Bass«. Der Lehrer nahm vorne hinter dem Pult seinen Platz ein und klopfte mit dem Taktstock darauf. Ich schloss meine Augen und ließ die Musik auf mich wirken. Dann kam mein Einsatz und ich sang mit voller Leidenschaft los. Ich hätte nie gedacht, dass das Lied – sich mit so vielen verschiedenen Instrumenten – so toll anhören konnte.

Wir spielten und sangen noch eine Ewigkeit – zumindest kam es mir so vor. Als es dann hieß, dass wir Schluss machen, war ich traurig, aber zugleich auch ein bisschen erleichtert. Mir tat vom vielen Singen schon der Hals weh.

Es war schon ziemlich spät und ich hatte auch völlig vergessen Adam Bescheid zusagen, dass ich jetzt Schluss hatte. Also rechnete ich auch nicht damit, dass er mich abholen kam. Um so mehr war ich dann überrascht, als er vorne am Tor neben seinem Motorrad stand und mir zuwinkte. Sofort merkte ich wie ein strahlendes Lächeln mir über die Lippen kam. Plötzlich viel mir wieder ein, dass ich noch den Pullover von Jake in meiner Tasche hatte. Ich holte ihn raus und gab ihn zurück.

»Danke«, ich flüsterte fast.

»Immer wieder gerne«, flüsterte er zurück.

Franzi fragte zum Glück nicht, warum ich seinen Pullover hatte. Sie grinste einfach nur und seufzte leise.

»Hast du dein Auto eigentlich wieder trocken bekommen?«, fragte ich noch schnell bevor wir bei Adam waren.

»Ja, es sieht aus wie neu«, lachte er.

Wir verabschiedeten uns noch schnell, dann lief ich zu Adam. Er schloss mich in die Arme und küsste mich auf die Wange – damit hatte ich nicht gerechnet. Völlig perplex stand ich da und wusste nicht, was ich sagen sollte. Dann merkte ich das Adam zu Jake schaute. Jake schien ein wenig verärgert zu sein und Adam setzte ein triumphierendes Lächeln auf. Ich war völlig verwirrt. Warum hatte er das gemacht?

Auf der Fahrt nach Hause dachte ich die ganze Zeit nach. Vielleicht kannten sich die beiden ja irgend woher oder ihre Eltern kannten sich oder vielleicht waren sie ja erbitterte Erzfeinde? Okay, das Letzte streichte ich erstmal aus meinen Gedanken. Aber irgendeinen Grund musste es ja geben.

Als wir bei mir zu Hause angekommen waren, nahm ich meinen Mut zusammen und fragte direkt heraus.

»Adam? Warum hast du das vorhin gemacht?«

Er sah mich fragend an, dann grinste er.

»Ach das meinst du? Mir war danach. Außerdem mag ich Jacob nicht. Er ist kein guter Umgang für dich.«

»Es ist meine Sache, mit wem ich gern zusammen bin! Das geht dich nichts an und du hast auch nicht zu entscheiden wer oder was ein guter Umgang für mich ist!«, schrie ich ihn an.

»Dein Vater hat mir die Verantwortung für dich übertragen und da geht es mich sehr wohl an, mit wem du deine Zeit verbringst und außerdem, der Typ ist einfach nur...« Er sprach den Satz nicht zu Ende.

»Er ist was?«, half ich nach.

»Ach vergiss es...«

Er drehte sich um und lies mich alleine vor der Tür zurück.

»Idiot«, murmelte ich, dann ging ich rein.

Ben war noch nicht zu Hause, dass hieß für mich mal wieder völlige Einsamkeit.

Um mich abzulenken ging ich erstmal duschen. Ich versuchte mich immer noch zu beruhigen, eigentlich wollte ich mich mit Adam gar nicht streiten, er war immerhin ein echt guter Freund. Warum zum Teufel mag er Jake nicht? Und warum hat er mich umarmt und geküsst? Bei dem Gedanken merkte ich wieder wie ich begann rot zu werden. Er ist doch viel älter als ich – fast 8 Jahre um genau zu sein. Ich schüttelte den Kopf um den Gedanken loszuwerden. Als ich mit duschen fertig war,ließ ich mich auf das weiße Sofa in der Stube fallen und machte den Fernseher an. Ich schaltete durch das Programm, auf der Suche nach etwas interessanten, doch es liefen nur langweilige Sendungen. Langsam vielen mir die Augen zu und ohne es zu merken fing ich an zu träumen.

Ich träumte von Jake, wie er ein Stück auf seiner Violine spielte. Es klang herrlich und so vertraut – nur schade, dass ich die Melodie keinem Lied zuordnen konnte. Ich hätte so gerne mitgesungen. Ich setzte mich auf den Boden und lauschte weiter der Melodie. In meinem Kopf begann ich zu der Melodie einen Text so dichten. Es war ganz einfach, ich musste mich nicht mal sonderlich anstrengen. Ein Wort fügte sich an das andere, und sie alle harmonierten mit der Melodie. Ich hatte angst sie zu vergessen, doch irgendetwas – tief in mir drin – gab mir das Gefühl, als könnte ich das gar nicht. Als wäre dieses Lied für mich bestimmt. Ein wohlig warmes Gefühl stieg in mir auf. Ich umfasste meinen Körper um es festzuhalten, doch sobald die Violine verstummt war, war das Gefühl weg und die Leere – diese schmerzende Leere – trat an die Stelle des warmen wohligen Gefühls. Mit der Melodie verschwand auch Jake und es wurde dunkel.

»Severine« Hallte es durch die Dunkelheit. Ich erschrak und drehte mich hektisch um. Wieder diese Stimme. Was wollten die eigentlich von mir? Warum ich? Und warum nennen sie mich Severine? Ich musste es herausfinden. Da fiel mir die Katze wieder ein. Wenn sie heute wieder auftauchte würde ich sie fragen, sie müsste die Antworten ja parat haben.

Wieder erschien ein Mann in weiß gekleidet. »Los Severine«, bat er, »komm mit mir« Er streckte die Hand nach mir aus. Wie in Trance griff ich nach ihr. »Ich werde dich niemals alleine lassen«, versprach er. Als ich einen Schritt auf ihn zuging, merkte ich einen Schlag auf meiner Hand. Wie aus Reflex ließ ich seine Hand los und taumelte ein paar Schritte zurück. Meine Hand brannte an der Stelle, wo sie getroffen wurde, also schaute ich sie mir an. Ich blutete. Es waren drei Kratzer zu sehen. Erst jetzt bemerkte ich das die Katze wieder da war.

»Dich kann man aber auch keine fünf Minuten aus den Augen lassen«, fauchte sie, dann sprang sie hoch und löschte den Mann in weiß aus, wie sie es schon in meinem letzten Traum getan hatte. Danach drehte sie sich zu mir um und kam auf mich zu. Einen Meter vor mir blieb sie stehen und setzte sich hin – auch ich setzte mich auf den Boden.

Wir sahen uns lange in die Augen und sagten kein Wort. Ich betrachtete sie etwas näher. Dabei fiel mir auf, dass ich immer >Katze< zu ihr gesagt hatte. Aber sie hatte eine männliche Stimme, demnach musste er wohl ein Kater sein. Er hatte kurzes schwarzes Fell und seine grünen Augen – sie kamen mir so bekannt vor. Wo hatte ich solche Augen schon mal gesehen? Ich überlegte eine Weile, dann machte es klick. Jake...er hatte genau die gleichen Augen. Zufall? Sicher nicht. Oder doch? Ich zweifelte ein wenig an meinen Worten. Wieso sollte er mich denn beschützen? Und warum als Katze...Kater? Er schien zu merken, das ich einen inneren Konflikt mit mir aus trug. Also stand er auf und legte sich auf meinen Schoß.

»Okay«, schnurrte er, »was willst du wissen?«

Ich hatte so viele Fragen, doch mit welcher sollte ich anfangen?

»Ähm...«, überlegte ich. »Wie ist dein Name? Ich kann dich ja nicht die ganze Zeit Katze...äh Kater nennen.«

»Guardians haben keine Namen, sie müssen sich ihre Namen erst verdienen.«

»Ach so«, murmelte ich. »Aber wie nenne ich dich dann jetzt?«

»Denk dir was aus«, schlug er vor.

Ich überlegte einen Moment. Ein guter Name? Was war ein guter und auch passender Name für einen Kater? Ich strich ihm über das Fell während ich nachdachte – er schnurrte laut. Mir wollte einfach kein Name einfallen.

»Jetzt hab ich´s«, rief ich laut. Er schreckte hoch und ging auf Abstand. »Ich werde dich...« Ich konnte den Satz nicht zu ende sprechen, da wurde ich von einem lauten schrillen Ton geweckt und der Kater verschwand. »Verdammter Wecker«, meckerte ich. »Na ja vielleicht ist es besser, wenn ich noch etwas Zeit habe«, sagte ich leise zu mir selbst. Ich stand auf und ging in die Stube. Ben war schon zur Arbeit gegangen. Ich fragte mich, ob Adam mich heute wohl zu Schule abholen würde. Aber ich glaubte nicht daran, so sauer wie er gestern davon gelaufen war. Irgendwie hatte ich ein schlechtes Gewissen, obwohl ich überhaupt nichts dafür konnte, dass Adam Jake nicht mochte. Und mich ging die Sache zwischen den beiden ja auch nichts an. »Sollen sie sich doch ruhig gegenseitig umbringen«, murmelte ich.

Ich ging duschen, dann zog ich mich schnell an und aß ein paar Cornflakes. Dann holte ich meine Tasche und wollte gerade aufbrechen, da klingelte mein Handy. Ich überlegte kurz, ob ich ran gehen sollte – vielleicht war es Adam, der mir sagen wollte, dass er mich nie wieder sehe wollte. Oder Dad. Ich kannte die Nummer auf dem Display nicht. Nach kurzem zögern klappte ich das Handy auf.

»Ja?«, fragte ich leise.

»Hi Sophie, lange nichts von dir gehört. Wie geht es dir?«

»Colin?«, schrie ich in den Hörer.

»Jetzt bin ich taub«, sagte er schmerzverzerrt.

Warum rief mich Colin an? Und vor allem um diese Zeit? Und überhaupt, wie meinte er das mit dem lange nichts von dir gehört, ich war doch erst seit letzten Sonntag weg.

»Bist du noch da?«, fragte er nach einer Weile.

»Ja«, flüsterte ich. Ich weiß nicht warum ich flüsterte.

»Ich hab voll Sehnsucht nach dir, genau wie Andrea und Chris«

Ich wusste nicht was ich davon halten sollte, dass Colin Sehnsucht nach mir hatte. Okay wir waren Sandkastenfreunde und wir hatten echt viel Scheiße gebaut. Und da war ich mal vier Tage nicht da und er vermisste mich. Plötzlich fing mein Herz an zu rasen. Vielleicht – aber nur vielleicht – vermisste er mich, weil er mich...

Ich konnte den Gedanken nicht zu Ende denken, dass war mir zu peinlich. Er würde mich niemals...nein – ganz sicher nicht.

»Das tut mir leid. Aber wenn ihr mich so sehr vermisst, kommt mich doch einfach mal besuchen – ja? Ich würde mich echt freuen«

»Wirklich? Okay, ich sag den andern beiden bescheid, und dann kommen wir sobald wir Zeit haben«, schlug er vor.

»Ich freu mich schon drauf«, sang ich. »Du ich muss jetzt Schluss machen, ich muss zur Schule.«

»Okay, wir telefonieren«, sagte er schnell und legte dann auf.

Ich legte auf – woher hatte er eigentlich meine Nummer? Ach egal, wenigstens konnte ich mal wieder mit ihm reden und er vermisste mich anscheinend. Ich grinste bei dem Gedanken, dass ich ihm fehle.

Kaum hatte ich mich zur Tür gedreht, da klopfte es leise. Ich öffnete die Tür und Adam stand mit gesenktem Kopf vor mir.

»Tut mir leid«, murmelte er.

»Ist schon okay«, sagte ich, »du wirst schon deine Gründe dafür haben.«

Ich lächelte ihm ins Gesicht, und er konnte gar nicht anders, als mich in den Arm zu nehmen und mich fest zu drücken. Ich fühlte wie meine Wangen heiß wurden und ich wieder rot im Gesicht wurde. Er ist zu alt, er ist zu alt, er ist zu alt, hielt ich mir immer wieder vor.

»Na los, lass uns zur Schule fahren, du bist spät dran«, drängte er und ließ mich los.
 

Auf der Fahrt zur Schule klammerte ich mich fester als sonst an ihn. Das lag zum einen daran, dass er viel zu schnell fuhr und zum andern daran, dass ich unheimlich fror. Ich hatte mich nicht warm genug angezogen, und dass kam mir teuer zu stehen.

Als wir dann endlich da waren, stieg ich zitternd vom Motorrad ab. Ich hielt mir die Arme fest an de Körper geschlungen. Warum musste es heute auch so kalt sein? Ich verabschiedete mich von Adam und ging frierend zu Jenn und Franzi, die wie immer am Eingang auf mich warteten.

»Guten Morgen«, riefen sie im Chor.

»M-m-morgen«, zitterte ich.

»Ist dir etwa kalt?«, fragte Jenn, schadenfroh.

Ich wollte ihr gerade ein paar Wörter an den Kopf schmeißen, da legte jemand den Arm um mich.Ich hielt kurz inne, dann drehte ich mich zur Seite und schaute in ein breit grinsendes Gesicht.

»Ich kann dich wärmen – wenn du magst.«

Ich stand stocksteif da und musste erstmal schlucken. Hatte mir Jake gerade angeboten mich zu wärmen? Ich merkte wieder, dass ich rot im Gesicht wurde – das war ganz schön lästig. Ich holte einmal tief Luft, um mich zu beruhigen.

»Komisch«, sagte Franzi nachdenklich, »seit wann kommst du eigentlich so häufig zur Schule Jake? Sonst lässt du dich nur zum Musikkurs blicken, und gelegentlich mal zu eins zwei Stunden, wenn du nichts besseres zu tun hast.«

Jake sagte nichts, er schien nachzudenken. Ich sah ihm ins Gesicht und wartete auf seine Reaktion. Ich merkte wie mein Puls raste.

»Keine Ahnung«, sagte er schließlich und zuckte mit den Schultern.

Ich wand mich aus seinem Arm und nahm Franzi und Jenn bei der Hand.

»Kommt wir müssen zum Unterricht«, platzte es aus mir heraus. Ich ging ohne mich noch mal nach ihm um zu drehen – ich war irgendwie sauer auf ihn, aber warum?



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