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Shadows of the NewMoon

von
Koautor:  Caracola

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10. Kapitel

Amanda wurde von dem Licht wach, das ins Zimmer flutete. Es kitzelte ihr regelrecht in der Nase und auf den geschlossenen Lidern, bis sie es nicht mehr aushielt und endlich ihre Augen aufschlug.

Es war bereits neun durch und Amanda streckte sich etwas aus, bevor sie ihre Beine aus dem Bett schwang und aufstand. Wie ein Stein hatte sie geschlafen und konnte sich an keine Traumfetzen oder daran erinnern, dass sie kurz aufgewacht wäre. Deshalb war sie umso überraschter den schwarzen Jaguar vor der Tür schlafen zu sehen. Er hatte eines seiner stechend blauen Augen geöffnet und sah sie an.

Sofort wurde Amandas Laune düsterer und sie bereute, dass sie den Schlüssel im Schloss letzte Nacht nicht doch gedreht hatte. Naja, darüber brauchte sie sich jetzt, da es zu spät war, auch nicht mehr zu ärgern. Wortlos schnappte sie sich eine Jeans, frische Unterwäsche und einen Pullover.

„Lass mich vorbei.“

Ihre Stimme klang nicht unfreundlich, nicht wütend. Sie hatte einen vollkommen neutralen Klang, der jedem Menschen, der sie gerade auf der Straße angerempelt hatte, hätte gelten können. Amanda hatte beschlossen, dass es das Beste war, Nataniel als Person einfach zu ignorieren.

Sie musste zwar mit ihm zusammenarbeiten, aber da hieß nicht, dass sie ihn kennenlernen musste. Er hatte mehr als klar gemacht, dass er das nicht wollte. Also, warum sollte sie sich anstrengen, wenn sie doch gegen eine Mauer rennen würde. Und sobald er bei seinem Rudel war, würde sie ihn sowieso nur noch von hinten sehen.

Er schob sich nur ein Stück zur Seite, um sie aus dem Zimmer zu lassen, was Amanda beinahe wieder wütend gemacht hätte. Aber selbst diese Reaktion wäre vergebene Energie gewesen, das wusste sie jetzt. Also ging sie nur ins Bad, nahm eine ausgedehnte Dusche, rubbelte sich ab und stellte sich in ein Handtuch gehüllt vor den Spiegel.

Sie hatte noch keine rechte Ahnung, was sie heute tun würde, daher steckte sie ihre frisch gewaschenen Haare an der Seite fest und zog sie zu einem Pferdeschwanz zusammen. So würden sie ihr wenigstens nicht dauernd ins Gesicht fallen. Noch Zähne putzen, minimales Make-up und die Klamotten, dann war sie fertig. Um nicht weiter aufzufallen, hätte sie heute gern bei Mrs. Cauley das Frühstück eingenommen. Immerhin war es im Preis mit inbegriffen. Das erklärte sie Nataniel in mehr als ruhigem Tonfall, als sie kurz zurück ins Zimmer kam, um ihre Jacke und Tasche zu holen. Amanda sah Nataniel kaum an, während sie sprach. Auch nicht, als sie schon in der Tür stand und die Tasche etwas höher auf ihre Schulter schob. „Ich bring dir was, zu essen.“

In seinem Zustand sollte er nicht auf die Straße gehen. Sonst konnten sie wahrscheinlich gleich eine Leuchtreklame aufhängen, dass der neue Anführer ihn im B&B abholen oder bei Bedarf gleich an Ort und Stelle abschlachten konnte.

 

Als er hörte, wie Amanda aufstand, musste er gezwungenermaßen auch in die Gänge kommen. Doch es gelang ihm nur sehr langsam und natürlich nicht schmerzfrei, weshalb er auch nur so wenige Bewegungen wie möglich machte, um Amanda hinauszulassen.

Nataniel musste erst seine Glieder vorsichtig strecken, ehe er sich leicht den Schlaf abschüttelte und mit resigniertem Seufzer sich zu verwandeln begann. Da Blondchen ohnehin nicht im Raum war, hatte er die Zeit, sich langsam aber sicher anzuziehen.

Dennoch war er gerade einmal bis zu den Jeans gekommen, als sie wieder das Zimmer betrat, und ihm mitteilte, dass sie hier in der Unterkunft frühstücken werde und ihm etwas mitbrachte. Das war wirklich nett von ihr, nur würde sie vermutlich bei dem Besitzer dieses B&B in Ungnade fallen, wenn sie so viel zu essen mit nahm, wie er es heute brauchen würde.

Nataniel enthielt sich dennoch jeglichen Kommentars, weil Amanda heute sehr seltsam drauf war. Er kannte sie nicht wirklich, aber er hatte schon einige verschiedene Emotionen und Reaktionen von ihr gesehen. Diese Amanda hier war so glatt und auf diese ganz spezielle Weise kalt, wie man es bisweilen bei Marmor beobachten konnte.

Wenn er es recht bedachte, war sie schon sehr still gewesen, als sie ihn verarztet hatte.

Vermutlich war sie sauer, weil sie überhaupt dazu gezwungen worden war. Sicher, er hatte nicht darum gebeten, weshalb er es eigentlich nicht verstand, aber wie schon die Erkenntnis mit diesem Eric, und dass dieser ihr wichtiger als der Job war, wusste Nataniel insgeheim, dass sie es aus Mitgefühl getan haben musste. Sie war nicht die böse und gefühllose Sammlerin, für die er sie ganz zu Anfang gehalten hatte. Trotzdem. Bestimmt hatte sie sich überwinden müssen, so etwas wie ihn überhaupt anzufassen. Er war immerhin nichts weiter als ein Tier, das an die Leine genommen und mit einer Hunde- bzw. Jaguarmarke versehen werden musste, damit er bloß nicht auf die Idee kam, unerkannt durch die Welt zu streifen.

Frustriert grummelte Nataniel vor sich hin, während er sich im Schneckentempo ein Shirt über den Kopf zog und dabei die Zähne zusammenbiss, weil jede einzelne Bewegung seiner Muskeln die Kratzer brennen ließ. Ein paar Tage, dann hatte er es hinter sich. Das wusste er, auch wenn ihm der Gedanke im Augenblick nur wenig half.

Als er schließlich fertig war, rupfte er sich noch die Haare zurecht, stellte sich dann den Stuhl vors Fenster so hin, dass er sich mit den Armen auf der Lehne abstützen konnte, und starrte hinaus auf die Straße, um die wenigen Menschen zu beobachten.

Er war ein Jäger, weshalb ihm Warten, absolut nichts aus machte. Dennoch ärgerte es ihn, dass er nicht zusammen mit Amanda frühstücken konnte.

Natürlich hatte das diverse Gründe, aber die ließ er jetzt einmal außen vor. Ihm ging es rein um das Gesellschaftliche und um die Tatsache, dass er sich wie ein Hund weggesperrt fühlte. Als könnte er etwas dafür, dass dieser verdammte Leopard ihn so zugerichtet hatte und er deshalb besser nicht mit seiner Visage auf der Straße herumlaufen sollte, obwohl ihm die Meinung anderer Leute herzlich egal war. Nur fielen die Kratzspuren zu sehr auf und gerade in diesem Kaff würde sich die Frage wie ein Lauffeuer verbreiten, welches Tier ihn den so zugerichtet hatte. Also lieber artig sitzen bleiben, abwarten und im Geheimen Pläne schmieden.

 

„Ach, guten Morgen. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass Ihnen mein Frühstück nicht schmeckt.“

Amanda lächelte das erste Mal an diesem Tag, als Mrs. Cauley durch die Tür zur Küche auf sie zukam und etwas besorgt dreinschaute.

„Oder essen Sie etwa nur jeden zweiten Tag, Mädchen?“

„Na, das würden Sie mir aber ansehen, Mrs. Cauley, glauben Sie mir.“

Mit einem kleinen Lachen erklärte sie weiter, dass sie einen Bekannten getroffen habe und Mrs. Cauleys Gastfreundschaft nicht hatte ausnutzen wollen. Daher sei sie mit dem Bekannten in das Café zum Frühstücken gegangen.

„Das nächste Mal bringen Sie ihren Bekannten aber her. Ich koche sowieso viel zu viel für uns beide.“

Irgendetwas Schelmisches lag im Blick der älteren Dame, das Amanda nicht zuordnen konnte. Oder zumindest wollte sie es im Moment nicht dem zuordnen, was sich ihr als erster Gedanke aufdrängte.

„Ach, unterschätzen Sie meinen Hunger nicht", winkte Amanda ab und stürzte sich erst einmal auf die große Tasse Kaffee, die vor ihr auf dem Tisch aufgetaucht war. Anschließend genehmigte sie sich Toast mit Rührei und Speck, gebratenen Tomaten und zum Nachtisch einen Obstsalat.

„Das war einfach himmlisch", ließ sie Mrs. Cauley wissen, die ihr gegenüber an dem kleinen Tisch saß, wie an dem ersten Morgen, den sie im B&B verbracht hatte.

Um nicht doch noch Verdacht zu erregen, indem sie nach einer Portion zum Mitnehmen fragte, verabschiedete sich Amanda und ging in das Café, wo die junge Kellnerin sie erkennend anstrahlte.

„Guten Tag. Wie geht’s Ihnen?“

„Gut danke. Sag mal, kann ich auch Essen zum Mitnehmen bekommen?“

„Aber klar. Machen Sie heute einen Ausflug oder so etwas?“

Sie sollte wirklich dieses Bewerbungsformular ausdrucken und es der Kleinen unter die Nase halten. Die Frage war wirklich geschickt gestellt, auch wenn Amanda natürlich wusste, dass die junge Dame nur scharf darauf war zu erfahren, wo der etwas bedrohliche Herr heute abgeblieben war.

„Ja, vielleicht. Ich bin noch nicht ganz sicher. Vielleicht mache ich einen ausgedehnten Spaziergang und ein großes Picknick.“

Bei dem, was sie bestellte, würde sie mehr als zwei Tage in der Wildnis verbringen können. Aber die Kellnerin mit den großen braunen Rehaugen strahlte nur weiter und erzählte Amanda von einem schönen Platz nicht weit vom Dorf – gleich hinter dem kleinen Park – wo man sehr schön picknicken konnte.

Als die Pancakes mit Apfelmus, das englische Frühstück, der Geflügelsalat, die Muffins, die Sandwiches mit kaltem Braten und der Fisch auf Bratkartoffeln in viele kleine Styroporkistchen gebettet und anschließend in eine große Tüte verpackt waren, drückte Amanda der Kellnerin das Geld in die Hand, wünschte einen schönen Tag und verabschiedete sich bis bald, denn für den guten Kaffee würde sie auf jeden Fall wieder kommen. Zwar hatte sie zum Frühstück im B&B schon schwarzen Kaffee getrunken, aber beim Gedanken an das Gespräch mit demjenigen, der in ihrem Zimmer auf sie wartete, hatte sie der Versuchung eines Latte Macchiatos to go nicht widerstehen können.

Voll bepackt lief sie über die Straße und benutzte wieder den Nebeneingang, um sich in das obere Stockwerk und schließlich in ihr Zimmer zu schleichen.

Eigentlich war ihre Stimmung nach dem Gespräch mit Mrs. Cauley und dem kurzen Besuch im Café sehr gut gewesen. Das Wetter war schön und strafte der ganzen Angelegenheit, die hier vorging Lügen mit dem strahlenden Sonnenschein und den Schäfchenwolken am blauen Himmel. Es wäre wirklich ein idealer Tag zum Picknicken gewesen.

So stellte Amanda ihre Tasche nur auf dem Schminktisch ab und sah zu Nataniel hinüber, der am Fenster saß. Immerhin jetzt in der Form, die es ihm erlaubte mit ihr auf eine Weise zu kommunizieren, die sie auch verstand.

Um nicht schon wieder ein neues Laken kaufen zu müssen, warf Amanda die Tagesdecke auf das Bett, bevor sie die Tüte mit dem Essen vorsichtig darauf abstellte.

„Ich wusste nicht, was du wolltest", war ihr einziger Kommentar, bevor sie sich auf die andere Kante des Bettes setzte und den Plastikdeckel von ihrem Latte zog, um ein wenig von dem Schaum zu nippen.

 

Nataniel hatte Amanda in das Café gehen sehen und musste äußerst erstaunt zu geben, dass sie offensichtlich seinen gewaltigen Appetit nicht vergessen hatte. Denn als sie wieder herauskam, war sie voll bepackt mit Essen, das wohl für eine ganze Menschenfamilie gereicht hätte. Diese Frau steckte wirklich voller Überraschungen.

Obwohl sein Magen bereits zornig knurrte und der Hunger ihn in der Mangel hatte, stürzte Nataniel sich nicht auf das Essen. Das wäre ihm verdammt unhöflich vorgekommen, und auch wenn er wohl eher zu der rauen Sorte gehörte, hatte er doch nicht die Erziehung seiner Pflegemutter vergessen. Weshalb er sich seinen Stuhl ans Bett heranschob und sich wieder darauf niederließ.

Auf Amandas Worte hin, erwiderte er ein ‚Danke‘. Auch wenn das nicht einmal ansatzweise seine Gefühle ausdrückte.

Immerhin hatte sie ihm etwas zu essen gegeben. Wie viel ihm diese Geste bedeutete, würde sie niemals erfahren, denn er hütete sich davor, es ihr zu zeigen. Sie hatten mehr oder weniger geschäftlich miteinander zu tun. Alles andere ließ er weg. Deshalb machte es ihm auch absolut nichts aus, sich bei ihr zu bedanken. Wenn sie nicht die wäre, die sie nun einmal war, hätte er wesentlich mehr getan, um sich erkenntlich zu zeigen. Aber dann hätte sie ihn vermutlich ebenfalls erschossen. Da war er sich sicher.

Bevor Nataniel es auch nur wagte, etwas von den leckeren Sachen anzurühren, beobachtete er Amanda dabei, wie sie aus einem Plastikbecher etwas trank, dass wie Kaffe roch und doch ein bisschen anders. Erst als sie hinunter geschluckt hatte, begann er zu sprechen.

„Das neue Alphatier heißt Nicolai und läuft mit den Tigern.“

Er seufzte und starrte die Plastikbehälter an, aus denen es für seine Nase nur zu deutlich duftete.

Fast schon zögernd griff er schließlich nach einer Box, aus der es nach Hühnchen roch.

„Bevor die Situation eskaliert ist, konnte ich das noch von dem Leopard erfahren.“

Kein Wunder, dass dieser am Ende so höhnisch gelacht hatte. Ein Tiger … das war einfach ganz schön heftig.

Mit gespannter Erwartung, wie Amanda auf diese Informationen reagieren würde, begann er langsam den Geflügelsalat zu essen, auch wenn ihm eher total nach Schlingen gewesen wäre. Sein Hunger war einfach gewaltig. Doch das Essen lief bestimmt nicht weg. Zumindest hoffte er das.

 

Entweder hatte er eine seltsame Auffassung von Dankbarkeit oder Amanda hatte mit ihrer Einschätzung tatsächlich Recht gehabt. Nataniel hatte ihr das Wort hingeworfen, weil es höflich war, sich für etwas, das man bekam, zu bedanken. Das hatte nichts damit zu tun, dass er ihr wirklich irgendein Gefühl entgegen brachte. Zumindest kein Positives. Warum sie das einigermaßen wurmte, wusste Amanda selbst nicht genau.

„Das hilft uns weiter.“

Amandas Hirn arbeitete analytisch, wenn es mit Problemen belastet wurde. Was wusste sie über Tiger? Sie waren die zweitgrößten Raubkatzen der Welt, ein Männchen konnte zwischen 150 und 200 kg auf die Waage bringen. Bei Wandlern weniger, da sich ihre menschliche Statur auch in ihren Tierkörpern wieder fand. Aber von 150kg konnte man wahrscheinlich ausgehen. Und Krallen, die bis zu 10cm lang sein konnten. Einer Kugel konnte aber all das auch nichts entgegensetzen.

Nataniel musste sich vielleicht Sorgen über die Statur des Anderen machen, weil er ihm als Panther entgegen trat und körperlich wahrscheinlich unterlegen sein würde, aber Amanda griff nicht auf Krallen und Zähne zurück.

Ihr machte etwas anderes Kopfzerbrechen, das Nataniel aber anscheinend nicht in Erfahrung hatte bringen können.

„Hat er gesagt, wie viele wir zu erwarten haben?“

Oder wusste Nataniel das sowieso und hatte es ihr bis jetzt nur verschwiegen? Amanda wusste nicht, was sie tun würde, wenn die Zahl sie mehr oder weniger von Anfang an ins Aus schob. Sollte sie Verstärkung rufen? Aber dann würde die Situation wahrscheinlich in etwas ausarten, wofür Amanda sicher nicht die Verantwortung tragen wollte.

Eine Weile sah sie Nataniel beim Essen zu, bevor sie sich wieder ganz ihrem Kaffee widmete. Wie kam es nur, dass ihr ein warmes Getränk, ein Bett und die Gesellschaft von jemandem, der eigentlich ihr Feind war, ein wenig Trost spenden konnten?

Amanda mochte es unter Menschen zu sein. Deshalb war sie nach dem Tod ihrer Eltern mit Eric in die Stadt gezogen. Dort war das Risiko kleiner an Einsamkeit zu sterben. Oder sich zumindest zu sehr mit seinen eigenen Gedanken zu beschäftigen. Es wurden einem doch ständig die Empfindungen und Überlegungen von Anderen aufgedrängt.

 

Inwiefern es ihnen weiterhelfen würde, sagte sie ihm nicht. Stattdessen stellte sie eine Frage, von der Nataniel gehofft hatte, dass sie es nicht tun würde. Denn darauf musste er lügen.

Er mochte vielleicht kein Anführer sein und es auch nie werden, aber sein Vater hatte diese Familien beschützt und sie vor der Registrierung bewahrt. Familien wie diese Luchse, die doch im Grunde nur in Frieden leben und in Ruhe ihre Jungen aufziehen wollten. Nein, Amanda mochte vielleicht nicht das herzlose Miststück sein, für das er sie am Anfang gehalten hatte, aber sie war immer noch ein Mitglied der Organisation. Daran würde sich nichts ändern.

„Nein, er hat nichts erwähnt. Aber ein paar dürften es schon sein. Niemand kann über ein Rudel herrschen, dem die Mitglieder fehlen.“

Nataniel fühlte sich nicht sehr wohl bei dieser Halbwahrheit, weshalb er sich auch intensiv um den Salat kümmerte, der übrigens wirklich fantastisch schmeckte. Jeden einzelnen Bissen genoss er. Weshalb die Dankbarkeit für diese Gaben nur noch mehr in ihm hochstieg.

Als er die Sandwiches mit dem kalten Braten anging, konnte er beim ersten Happen ein Schnurren nicht unterdrücken. Es war nur kurz und wohl nicht als solches zu erkennen gewesen, dennoch streckte er sich etwas gemütlicher auf dem Stuhl aus, um den Ausrutscher mit Gelassenheit zu überspielen.

„Wie heißt eigentlich der Eigentümer dieser Unterkunft?“, warf er kurz die Frage ein, da er heute Abend in einem eigenen Bett schlafen wollte. Sie würden noch länger zusammenarbeiten, weshalb es die einfachere Lösung wäre. Außerdem war er sich sicher, dass er Amanda mit seiner ständigen Anwesenheit auf die Nerven ging. Etwas, das ihn eigentlich nicht sehr beunruhigte, aber auch er mochte seine Privatsphäre. Vor allem nachts.

Der Panther knurrte in seinem Kopf, bei dem Gedanken, nicht bei ihr im Zimmer schlafen zu können. Das Tier in ihm wollte am Liebsten seine Krallen am Türpfosten wetzen, damit jeder sehen konnte, dass das hier sein Bereich war und kein anderer Mann auch nur in die Nähe dieser Frau kommen sollte, wenn er nicht vorhatte, sich mit ihm zu prügeln. Was das anging, konnte er verdammt besitzergreifend sein. Auch wenn Nataniel die Wünsche des Jaguars in ihm, nicht ganz nachvollziehen konnte.

Klar, Amanda war ein heißes Stück, mit einem Arsch, in den er gerne seine Krallen vergraben hätte, um sie an sich zu pressen. Mit Brüsten, die voll und weich in seinen Händen liegen würden, während er seine Zunge um ihre wickelte und sie voll und ganz auskostete.

Nataniel hätte sich fast an dem Brot verschluckt, als er sich bewusst wurde, in welche Richtung er gerade seine Gedanken lenkte, obwohl Amanda keine zwei Meter von ihm entfernt da saß und sie im Augenblick eigentlich ein ganz anderes Thema besprachen.

Trotzdem gab er dem Panther recht.

Eine Frau wie sie teilte man nicht, auch wenn er nicht vorhatte, seinen Anspruch auf sie zu erheben. Er kannte sie noch nicht einmal richtig.

 

Aus einem Grund, den sie nicht genau fassen konnte, glaubte sie ihm nicht, als er sagte, er wüsste nichts über die Zahl der Wandler in der Gegend. Aber davon würde sie sich nicht aus der Bahn bringen lassen. Wahrscheinlich musste sie davon ausgehen, dass die meisten der Familien, die um die Siedlung herum wohnten, zu dem Rudel gehörten. Amanda runzelte etwas die Stirn, als sich ihr unweigerlich die Frage aufdrängte, wie so eine große Zahl von Gestaltwandlern der Organisation hatte entgehen können. Später würde sie Clea anrufen und sie darauf ansetzen sich ein wenig durch die Aktenberge zu wühlen. Vielleicht waren noch mehr Sammler in diesem Gebiet verschwunden.

Um einen Fluch zu unterdrücken, nahm sie einen großen Schluck von ihrem Kaffee, an dem sie sich auch jetzt noch beinahe die Zunge verbrannte. Sie musste unbedingt mehr über dieses Gebiet und die Geschichte der Wandler hier herausfinden. Die Moonleague musste zumindest Aufzeichnungen über ihre Sammler haben, die in den Nationalpark geschickt worden waren.

Nataniels Bewegung, als er sich lässig in den Stuhl zurücklehnte, zog Amandas Blick doch wieder auf ihn, obwohl sie Augenkontakt eigentlich hatte vermeiden wollen. Aber für seine Frage war sie ihm einigermaßen dankbar. Immerhin lenkte es sie von den düsteren Gedanken über diejenigen, die dem Rudel der Canidae vielleicht schon zum Opfer gefallen waren, etwas ab.

„Mrs. Cauley. Ich glaube auch, dass sie schon weiß, dass du hier bist.“

Der Blick der älteren Dame hatte mehr bedeutet als reines Interesse. Und jetzt war Amanda auch klar, warum sie so angesehen worden war. Hatte sie denn wirklich gedacht, Mrs. Cauley wüsste nicht, was in ihren eigenen vier Wänden vor sich ging?

Mit einem Schmunzeln beschloss Amanda sich noch für den Verlust des Lakens zu entschuldigen, auch wenn sie bereits ein Neues besorgt hatte.

Ihre Augen ruhten immer noch auf Nataniels Gesicht. Sie sah sich seine Kratzer und die tiefere Wunde über seinem Auge an. Gestern hatte sie auch Jod darauf getupft und war erstaunt von der Leistung der Tierärztin gewesen. Er würde nur eine sehr dünne Narbe zurück behalten, auch wenn der Schnitt ziemlich tief gewesen war. Er konnte froh sein, dass er sein hübsches, eisblaues Auge behalten hatte.

Amanda wollte ihn fragen, wie es ihm ging. Er musste ganz schöne Schmerzen haben, beachtete man, wie der Leopard ihn zugerichtet hatte. Seine Wunden heilten sehr schnell, das konnte man sehen. Trotzdem hätte sie gern gewusst, wie er seine eigene Lage einschätzte. Wann würden sie mit ihren Nachforschungen weitermachen können? Entgegen ihres Bedürfnisses hielt sie die Klappe und ließ ihren Blick endlich von seinem Gesicht zum Fenster schweifen. Sie würde heute Nachmittag ein wenig ohne ihn herumschnüffeln. Solange man seinen Geruch, den er bestimmt am Kampfplatz hinterlassen hatte, nicht an ihr riechen konnte, war sie ohne ihn sicherer, als mit ihm.

„Übrigens ist das Frühstück hier auch ziemlich gut. Und man hat Gesellschaft.“

Warum redete sie schon wieder mit ihm? Vergebene Liebesmüh, wenn sie bedachte, dass er sie verabscheute. Immerhin hatte er sich fast an seinem Sandwich verschluckt, als er sie längere Zeit angesehen hatte.

 

„Zumindest werde ich morgen früh wenigstens nicht mehr artig im Zimmer bleiben müssen, damit Mrs. Cauley keinen falschen Eindruck von deinem nächtlichen Besuch bekommt.“

Nataniel lächelte amüsiert.

„Allerdings kann ich mich über den Zimmerservice absolut nicht beschweren.“

Immerhin hatte Amanda ihn vorzüglich versorgt, obwohl sie es gar nicht gemusst hätte. Vermutlich wollte sie bloß nicht riskieren, dass er draußen auf der Straße herumlief, um sich etwas zu Essen zu besorgen. Dass sie ihm gleich eine so ordentliche Menge mitgebracht hatte, war sehr hilfreich. Die vielen Kalorien würden seinem Körper ausgezeichnet als Kraftstoff dienen, um die Heilung schneller voranzutreiben. Vor allem diese Pancakes hatten es ganz schön in sich. Einfach zum dahin schmelzen.

Genussvoll schloss Nataniel die Augen, während er selig kaute. Oh ja, er schuldete Amanda eine ganze Menge. Den ersten Gefallen konnte er ihr nach dem Essen tun, in dem er sich bei Mrs. Cauley anmeldete und das Zimmer neben dem von Amanda nahm.

„Nach dem Essen bist du mich los. Aber gewöhn dich nicht zu sehr daran. Es wird kein Dauerzustand sein.“

Damit sie sich bloß keine falschen Hoffnungen machte, er würde sie in Frieden lassen. Sowohl das Tier als auch der Mann würden das nicht zulassen.

Die Muffins ließ Nataniel ihr übrig, weil er mehr als nur satt war. Genüsslich streckte er sich vorsichtig, als wäre er wieder in seiner Raubkatzenform und stand langsam auf. Im Sitzen war es nicht offensichtlich gewesen, aber beim Gehen fielen seine behutsamen Bewegungen auf.

Er ging zu seinem großen Seesack hinüber und hob ihn trotz der Schmerzen hoch, als würde er nur wenige Gramm wiegen, statt den gut zwanzig Kilo die er tatsächlich wog.

„Dann werde ich mich einmal offiziell bei Mrs. Cauley vorstellen. Wenn du was brauchst, ich bin nebenan.“

Nataniel zog einen Geldschein aus der Jeanshose und legte ihn Amanda auf den Nachttisch.

„Nicht, dass ich dir noch die goldenen Locken vom Kopf fresse", meinte er nur und verschwand, ehe sie darauf reagieren konnte.

Die alte Dame, der das Haus gehörte, war nicht überrascht ihn die Treppe runterkommen zu sehen, selbst zu seinem Aussehen sagte sie nichts, aber als er sie um das Zimmer neben das von Amanda bat, warf sie ihm einen Blick zu, der besagte: Wenn du der Kleinen Probleme machst, bekommst du es mit mir zu tun.

Die Frau war winzig, trotzdem nahm er diese unausgesprochene Drohung sehr ernst und schenkte ihr daher ein liebenswertes Lächeln.

„Ich denke, sie kann auf sich aufpassen.“

Mit diesen Worten schulterte er wieder sein Gepäck und humpelte in sein eigenes Zimmer. Dort stellte er seine Sachen neben das große Bett ab, kramte ein Handy daraus hervor und schaltete es ein, während er sich der Länge nach auf die weiche Matratze fallen ließ. Es wurde Zeit, sich bei seiner Pflegemutter zu melden.

 

Sie hatte nicht auf seine Ausführungen erwidert.

Amanda war es recht, dass er aus ihrem Zimmer verschwand und sie in der nächsten Nacht allein schlafen konnte. Was ihr allerdings ein Stirnrunzeln aufs Gesicht zauberte, war die Frage, was Mrs. Cauley wohl denken würde. Immerhin kam Nataniel schnurstracks aus Amandas Zimmer, um sich anzumelden und den Raum nebenan zu belegen.

Die wahrscheinlichste Vermutung war ein zerstrittenes Paar und dass Nataniel von Amanda vor die Tür gesetzt worden war. Das stimmte so nicht und allein das Bild von ihr mit ihm ließ sie ein wenig erschaudern, aber es war eine einfache und natürliche Erklärung. Außerdem musste Amanda den Felidae dann nicht allzu freundlich behandeln. Es würde eben nicht zu einer vermeintlichen Versöhnung kommen.

Im Großen und Ganzen war es auch völlig egal, was Mrs. Cauley denken mochte, solange ihnen niemand in die Quere kam. Die ältere Dame war noch nicht aufdringlich oder zu neugierig geworden und Amanda mochte sie. Es wäre ihr sehr schwer gefallen aus dieser gemütlichen Atmosphäre wegzuziehen und sich irgendwo eine Blockhütte im Nationalpark zu mieten, bloß weil Mrs. Cauley zu viele unangenehme Fragen stellte.

Amanda stand schließlich auf, fegte mit der Hand ein paar Brösel vom Bett und war zufrieden mit dem Pantherchen, dass er keinen zu großen Saustall veranstaltet hatte.

Eine neue Überdecke hätte sie in dem Haushaltswarengeschäft sicher nicht so leicht bekommen.

Die Muffins ließ sie mit der Papiertüte, in der sie eingewickelt waren in ihre Tasche fallen und horchte dann hinaus auf den Gang. Nach einer Weile konnte sie Nataniels Schritte auf der Treppe hören und dann den Schlüssel im Schloss, bevor er die Tür seines Zimmers hinter sich zufallen ließ. Die Luft war also einigermaßen rein. Amanda schnappte sich noch ihre Waffe, zog eine Jacke über und machte sich auf den Weg durch den Haupteingang zu ihrem Auto. Ihre Tasche warf sie auf den Beifahrersitz, fischte den PDA heraus und fuhr erstmal los, in Richtung Naturschutzgebiet, bevor sie auf einem kleinen Kiesbett neben der Straße anhielt, um sich zu orientieren.

Gestern waren sie nur dazu gekommen, zwei der umliegenden Farmen abzuklappern. Der Tatsache schuldtragend, dass nun bei einem der Häuser eine Leiche herumlag, entschied sich Amanda dazu in der anderen Richtung weiter zu suchen.

Sie zoomte sich trotzdem noch einmal die Farm der Luchse heran und tippte ein paar Informationen zu der Farm ein. Leider waren die alten Bewohner vermutlich genauso tot, wie derjenige, der dafür verantwortlich war. Aber das hieß zumindest, dass es einen weniger gab, der sie hinterrücks anfallen konnte. Sie musste unbedingt herausfinden, wie viele es noch gab.

Es hieß also wieder systematisch vorgehen. Die nächste kleine Farm lag nur zwanzig Minuten von Amandas Standpunkt. Also würde sie dort anfangen. Eigentlich wollte sie sich noch bei Clea melden, aber wenn man die Zeitverschiebung bedachte, war es besser die Nachforschungen vorher zu erledigen.

 

Das Haus sah wirklich unscheinbar aus. Eine helle Holzfassade mit einer Veranda, die um das gesamte Gebäude herum zu verlaufen schien. Vorn neben der Haustür gab es sogar eine Hollywoodschaukel, ebenfalls aus Holz, mit Blick auf einen kleinen Blumengarten.

Hier hätte es Amanda auch gefallen, wenn es nicht so furchtbar weit ab vom Schuss gewesen wäre. Leider hatte sie diesmal Nataniels Nase nicht zur Verfügung, weswegen sie den Standardweg beschreiten musste.

Das hieß, anhalten und fragen.

Langsam bog sie so in die Einfahrt ein, dass sie schnell wieder herauskommen konnte, wenn es nötig sein sollte, und stieg aus. Sobald sie auf das Haus zulief, kam ihr bereits ein kleiner Hund mit wedelndem Schwanz entgegen, der nur kurz kläffte und dann versuchte Amandas Bein hochzuspringen. Eindeutig Fehlanzeige. Es handelte sich bei den Wandlern, die sie suchte um Mitglieder der Katzenfamilie. Die würden sich keinen Hund als Haustier halten. Also zurück in den Dodge und weiter. Keine Neuigkeiten waren in diesem Fall gute Neuigkeiten. In ihrem PDA markierte Amanda die Farm mit einem hellgrünen Punkt. Bereits zwei in diesem Gebiet. Und nach drei Stunden Fahrt sollten noch einige dazukommen.

 

Am späten Nachmittag war sie bereits so weit, dass sie den zweiten Muffin gegessen hatte und bereit war es für heute gut sein zu lassen. Aber diese eine Farm wollte sie noch abklappern.

Der letzte Farmer, mit dem sie gesprochen hatte, war sich nicht sicher gewesen, ob dort noch jemand lebte. Er habe die Nachbarn auch früher nicht oft gesehen, aber seit ein paar Monaten, habe er überhaupt niemanden mehr zu Gesicht bekommen. Amanda solle ihm doch bitte mitteilen, ob noch jemand dort wohne, oder ob man das Stück Land vielleicht kaufen konnte, wenn niemand mehr Anspruch darauf erhob.

Glücklicherweise war sie sehr langsam in den Schotterweg eingebogen, der zu dem Haus führen musste. Ansonsten hätte sie die Frau sicher übersehen, die gerade mit einem Korb über dem Arm aus dem Unterholz kam und dicht am Rand des Weges stehen blieb.

Ihre Haare hatten die Farbe von Milchkaffee und ihre Haut war braun gebrannt. Sie sah sehr freundlich und sympathisch aus, fand Amanda, als sie das Fenster herunter kurbelte, den Motor aber nicht abstellte, um die Frau anzusprechen.

Es ging alles so blitzschnell, dass sie nicht einmal schreien konnte, geschweige denn ihre Waffe ziehen. Amanda hörte einen Knall und das Dach des Dodge bog sich unter dem Gewicht, als eine weitere Raubkatze auf dem Metall landete. Die Frau kam blitzschnell auf den Wagen zu, zog etwas aus dem Korb und Amanda fühlte nur einen stechenden Schmerz an ihrer Schläfe, bevor sie ohnmächtig zusammen sackte. Der Mann, der inzwischen nackt auf dem Dach ihres Wagens saß, ließ sich geschmeidig über die Motorhaube nach unten gleiten, machte die Tür auf und schob Amanda auf die Beifahrerseite.

„Wir treffen uns am Haus.“, gurrte er leise der Frau zu, die nur nickte und den Knüppel wieder in ihrem Korb verstaute. Sie blickte sich noch eine Weile nach weiteren unliebsamen Besuchern um, bevor sie dem Wagen zu ihrer Farm folgte.



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