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Blättertanz

Naruto Oneshot-Sammlung
von

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Gefunden, verloren

Seine Finger tasteten unter dem Stoff seines Oberteils nach der Stelle, an der das Herz schlug. Und tatsächlich. Unter seinen Fingern pochte es leicht, ein gleichmäßig schlagendes, menschliches Herz. Langsam zog Sai seine Finger zurück und starrte durch die Dunkelheit seines Zimmers hinüber zum Fenster, durch das er einen dunkelblauen, sternübersäten Nachthimmel erkennen konnte. Es war ungewohnt, sich über solche Dinge Gedanken zu machen. Herzschlag oder nicht. Gefühle. Empfindungen. Erinnerungen. All das war nichts, worüber er nachdenken sollte, sein Leben lang war er darin unterrichtet worden, nichts zu fühlen. Aber all das hatte sich geändert. Er hatte sich sogar daran erinnert, wem er das Bild hatte zeigen wollen. Das Bild in der Mitte seines Buches.
 

Und sie war die Erste gewesen, die sein Buch überhaupt je zu Gesicht bekommen hatte. Verschwommen tauchte Sakuras Bild vor seinem inneren Auge auf. Damals hatte er sie als hässlich bezeichnet. Mittlerweile dachte er jedes Mal, wenn er sie ansah, dass er ihr Lächeln mochte. Im Gegensatz zu ihm lächelte sie wirklich oft. Aber er hatte das Gefühl, sie könnte noch viel öfter lächeln, wenn sie nicht immer an Sasuke denken würde. Sai hatte immer noch nicht verstanden, wieso sie den Verräter zurückholen wollten. Freundschaft, Liebe… All das hatte ihm nie etwas bedeutet. Doch er hatte sich darauf beschränkt, verständnislos den Kopf zu schütteln, wenn Sakura und Naruto darüber redeten, wie sie Sasuke zurückbringen wollten. Er war nur ein Ersatz. Ein Lückenfüller. Natürlich störte ihn das nicht. Trotzdem hatte er das Gefühl, er wollte, dass Sasuke einfach verschwand, starb, oder zur Hölle fuhr.
 

Denn das erste Mal in seinem Leben hatte Sai Freunde. Und er war sich nicht sicher, wie Sasuke all das hatte aufgeben können, für einen Racheplan. Wo Rache doch letztendlich immer zur eigenen Vernichtung führte. Er selbst hatte nie Rachegelüste empfunden, so wie er auch sonst niemals etwas empfunden hatte. Er fragte sich, ob sie noch Freunde sein würden, wenn Sasuke zurückkehrte.

Sein Blick flackerte hinüber zur Wand, wo seine Bilder hingen. An der Stelle, wo das Bild von ihnen Dreien und Yamato hing, blieben seine Augen hängen, auch wenn er es im Dunkeln nicht sehen konnte.

Er hatte gelernt, ehrlich zu lächeln. Und er wollte, dass auch Sakura öfter lächelte. Ehrlich lächelte.
 

Am nächsten Morgen gingen sie gemeinsam zum Training. Naruto kassierte einen heftigen Kinnhaken von Sakura, als er einen Witz über die Hokage machte. Sai betrachtete gleichgültig den Bluterguss, der sich an Narutos Unterkiefer bildete. Yamato tadelte sie, erklärte Sakura aber im gleichen Atemzug, dass sie immer treffsicherer wurde. Sie lächelte zufrieden. Sai betrachtete ihren Mund. Er fragte sich, wieso er Lippen, die sich nach oben bogen, eigentlich schön fand. Er hatte schon so viele Menschen lächeln gesehen, echt oder unecht. Also wieso freute es ihn, dass Sakura lächelte? Jetzt wäre es gut, wenn er diesen Ratgeber bei sich hätte, der soziale Kontaktaufnahme erläuterte und auch sonst recht nützliche Informationen über menschliche Interaktionen enthielt… Dann hätte er vielleicht nachlesen können, was dieses Gefühl zu bedeuten hatte.
 

Alles in allem verlief das Training erfolgreich, auch wenn er meistens nicht mit sich selbst zufrieden war. Ein Lob von Yamato über ihre immer besser werdende Zusammenarbeit als ein Team zauberte ihm ein kaum merkliches Lächeln auf die Lippen.

»Sai! Kommst du noch mit Ramen essen?«, rief Sakura ihm zu. Er nickte und folgte den beiden in Richtung Dorf. Er hatte zwar nie verstanden, was Naruto an diesen Nudeln so toll fand, aber er konnte nicht bestreiten, dass er die Gesellschaft seiner beiden… Freunde – es war sehr ungewohnt, dieses Wort überhaupt zu denken – mochte. Außerdem musste er üben. Zumindest, wenn er eines Tages ganz normal mit anderen Menschen umgehen wollte.
 

Er beteiligte sich kaum an der Unterhaltung seiner beiden Teamkollegen. Er wusste einfach nicht, was er sagen sollte. Ohnehin hörte er lieber zu und lernte aus Beobachtungen. Das war einfacher und er lief nicht ständig Gefahr, irgendetwas Falsches zu sagen.

Er war so in Gedanken versunken, dass er kaum bemerkte, wie Naruto sich erhob, um Iruka zu begrüßen. Sakura wandte sich lächelnd ihm zu. Er war bemüht, ihren Mund nicht allzu offensichtlich zu betrachten.

»Hast du zufällig Lust auf ein wenig Einzeltraining? Ich möchte eine Technik üben, die Tsunade- sama mir gezeigt hat«, sagte sie leise.

»Wieso fragst du nicht Yamato oder Naruto?«, fragte er. Seine Stimme klang immer noch so ausdruckslos wie immer und er war sich nicht sicher, ob er diesen Umstand ändern wollte. Es wäre ihm unangenehm, wenn jeder in ihm lesen konnte, wie in einem Buch.

»Naruto ist beim Training immer so sehr mit sich selbst beschäftigt… und ich will mich nicht vor Yamato blamieren, wenn ich die Technik nicht gleich hinbekomme«, gab sie zu und fuhr sich durch die glatten Haare.
 

Sai brachte ein halbes Lächeln zustande.

»Ok«, sagte er nur. Naruto war so in das Gespräch mit Iruka vertieft, dass er gar nicht bemerkte, wie Sai und Sakura den Laden verließen. Sai fragte nicht, ob Naruto nun gezwungen war, die Rechnung zu übernehmen, denn genauso hatte sie es sich wohl vorgestellt.

»Fühlst du dich mittlerweile wohler in unserem Team?«, erkundigte sich Sakura freundlich und aus heiterem Himmel, während sie die Straße entlanggingen. Sai dachte eine kleine Weile lang nach. Tat er das? Konnte man bei ihm überhaupt von wohl fühlen sprechen? Er war sich, was Emotionen anging, immer noch sehr unsicher.

»Ja, ich denke schon«, meinte er schließlich zögerlich. Sakura lächelte. Sai sah nicht hin.

»Das freut mich«, antwortete sie munter.

Als sie schließlich den Platz erreichten, an dem Sakura offenbar trainieren wollte, dachte er einen Moment lang nach, dann wagte er es schließlich doch.
 

»Sag mal…«, begann er zögerlich und Sakura wandte sich fragend zu ihm um, ihre Haare wehten leicht im Wind und ihr Gesichtsausdruck wirkte freundlich interessiert. Sai schwieg einen Moment, nicht sicher, ob er die gerade geschaffenen, feinen Bande wieder kappen würde, wenn er solche persönlichen Fragen stellte, aber wie sollte er lernen, wenn nicht so?

»Du liebst doch… Sasuke, nicht wahr…?«, fragte er schließlich. Dieses Wort klang aus seinem Mund ungewohnt und unnatürlich. Sakuras Lächeln flackerte und erstarb. Das hatte er natürlich nicht gewollt. Sie schien nachzudenken, dann nickte sie langsam.

»Ja… das tue ich«, sagte sie bedächtig, als würde irgendetwas passieren, wenn sie es laut aussprach. Sai schwieg erneut und starrte auf den Boden zwischen ihnen.

»Wie…wie ist das so…verliebt zu sein?«

Sie sah ihn erstaunt an, dann lächelte sie wieder auf merkwürdig verständnisvolle Art und Weise und ließ sich im Gras nieder. Mit der flachen Hand klopfte sie neben sich auf den Boden und Sai zögerte einen Moment, dann setzte er sich neben sie auf die Wiese, nicht ganz sicher, was als nächstes kommen würde.
 

»Die Frage ist ganz schön schwierig«, sagte sie nachdenklich und wiegte ihren Kopf langsam hin und her. Sai betrachtete die feinen Härchen auf ihren Armen, ihre langen Wimpern und dann wieder ihren Mund, etwa zu hundertsten Mal in den letzten Tagen. Er spürte sein erst jüngst entdecktes Herz überdeutlich in seiner Brust schlagen. Sakuras grüne Augen musterten das Gras unter ihren Füßen, strich mit einer Hand darüber und wandte den Blick dann zum Himmel, der von weißen Wolken übersät war.

»Dir gefallen merkwürdige Kleinigkeiten an einem Menschen, die Anderen nicht einmal auffallen. Egal was der Andere tut, du kannst es kaum negativ finden und du kannst ihm nicht böse sein. Du würdest alles für ein Lächeln von ihm tun und du bist glücklich, wenn er dann wirklich lächelt«, erklärte Sakura langsam und bedächtig, als wählte sie ihre Worte mit Bedacht.

»Dein Herz schlägt schneller, wenn du den Menschen ansiehst, du bist gern in seiner Nähe. Manchmal kribbelt es in dir, wenn der Andere dich berührt und du vermisst ihn, wenn er nicht da ist…«
 

Sai hätte nicht gedacht, dass Liebe etwas so Komplexes war, auch wenn ihm klar war, dass Gefühle kompliziert waren.

»Und der Mensch, den du liebst ist wahrscheinlich auch der einzige Mensch, den du wirklich hassen kannst…«, murmelte sie sehr leise und Sai wandte ihr das Gesicht zu. Sie sah ihn schweigend an.

»Weil er derjenige ist, der dir am meisten wehtun kann.«

Sai dachte darüber nach, ohne den Blick von Sakuras Gesicht zu wenden. Sie sah traurig aus. Als wären Gedanken an einem fernen Ort. Und Sai ahnte dunkel, an wen sie dachte, denn es war dieses leichte, wehmütige Lächeln, das sie immer aufsetzte, wenn sie an Sasuke dachte.

»Wieso fragst du eigentlich?«, wollte sie dann wissen und erhob sich. Sai blieb noch einen Moment lang sitzen, das Herz in seiner Brust immer noch deutlicher als je zuvor spürend.

»Nur aus Interesse. Ich studiere doch… diese ganzen merkwürdigen Emotionen«, sagte er leise. Sie lächelte leicht und klopfte sich dann das Gras von ihrer Hose.
 

»Dann hoffe ich, dass ich dir helfen konnte«, sagte sie und hielt Sai die Hand hin, um ihm aufzuhelfen. Als er ihre Finger berührte, machte sein Herz einen Satz und seine Hand kribbelte leicht.

»Wollen wir dann?», fragte sie. Er nickte kaum merklich und klopfte sich ebenfalls das Gras von der Kleidung.

Sakura entfernte sich ein wenig von ihm und zog sich ihren Handschuh über. Sai konnte sich nur schlecht konzentrieren, aber er gab sein Bestes.

Gerade hatte er entdeckt, dass er ein Herz hatte. Und jetzt war ihm klar, dass er, kaum dass er es gefunden, es schon wieder verloren hatte. An Sakura.



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Kommentare zu diesem Kapitel (9)

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Von:  herzausglas
2014-03-27T11:43:19+00:00 27.03.2014 12:43
vanii am 05.12.2010 20:20

wirklich guter os
man konnte sich sehr gut in sais situation hineinversetzen
zu dem os würde richtig gut eine fortsetzung zu passen finde ich (: vllt empfindet saku ja auch iwann wie er (:
hehe


glg

vanii
Von:  herzausglas
2014-03-27T11:42:59+00:00 27.03.2014 12:42
abgemeldet am 18.08.2010 16:47

wow
echt schöner os
so könnte ich mir das wirklich vorstellen
super geschrieben
ich hoff es gibt noch ne fortsetzung
lg
Von:  herzausglas
2014-03-27T11:42:40+00:00 27.03.2014 12:42
Moorleiche am 28.01.2010 19:46

Sehr schöner One Shot. kann ich mir sehr gut als Kapitel fürs Anime vorstellen.

Du hast beide Charas sehr gut beschrieben und einen tollen Stil zu schreiben. Das mag ich, wenn man neben Diskussionen verschiedenster Parteien auch noch Kontexte lesen kann.
Von:  herzausglas
2014-03-27T11:42:20+00:00 27.03.2014 12:42
Rabenkralle am 08.09.2009 18:21

Hey! :)

Ein fluffiger, kleiner Oneshot. Zwar kurz, aber weiterer Worte bedarf er auch gar nicht.
Die Thematik an sich ist schön gewählt. Sai, der langsam Gefühle kennenlernt und am Ende bemerkt, dass er sein Herz an Sakura verloren hat. Der Schlusssatz war wirklich unglaublich passend. :)
Was die Rechtschreibung und Grammatik betrifft, ist dieser hier der, an dem ich bisher am wenigsten auszusetzen habe. Um genau zu sein: Gar nichts. :D
Der Schreibstil geht ein wenig ins Blumige über, aber so mag ich es auch. Die Wortwahl an sich passte durchweg und war einfach gut zu lesen.
Die Charaktere verhalten sich genau so, wie man es von ihnen gewohnt ist und ich konnte mich wunderbar in das Szenario hineinversetzen. =)
Alles in allem einfach ein toller Oneshot. Weiter so!

Liebe Grüße,
Rabenkralle
Von:  herzausglas
2014-03-27T11:42:00+00:00 27.03.2014 12:42
abgemeldet am 23.08.2009 23:54

Hey.
Du hast einen guten Schreibstil. Gefällt mir.
Hoffe du sagst mir bescheid wenns weiterheht?
Übringens gefällt mir dieses Pairing ausgesprochen gut!^^
Liebe Grüße
SunShine
Von:  herzausglas
2014-03-27T11:41:37+00:00 27.03.2014 12:41
abgemeldet am 10.08.2009 17:55

Sai und Sakura *__*
Feine Sache Miriam, feine Sache!
Sehr schön geschrieben.
Sai war eher Sai als Sakura Sakura. Verstehste was ich meine?! xD
Sakura war mehr OoC als Sai, zumindest meiner Meinung nach.
Das hat mich ein wenig verwirrt, aber trotzdem finde ich die FF sehr schön! Und natürlich bekommste wieder einen Kommentar von mir :)
...
...
Ich mag Sai *haha*
Das Pairing mag ich auch.
Mein Held :-*
Von:  herzausglas
2014-03-27T11:41:09+00:00 27.03.2014 12:41
 LeoBaskerville

Oh wie toll I3
hast du sehr gut geschrieben!
*find*
und der Sai kommt richtig gut rüber :3
Von:  herzausglas
2014-03-27T11:40:54+00:00 27.03.2014 12:40
abgemeldet

Uuu....^.^ Ich hab mir extra die FF in die Favoritenliste gesteckt, weil ich das Kapitel so gerne lesen wollte! :)
Und ich wurde nicht enttäuscht, das kann ich sagen!
Ich mag das Pairing SakuraxSai sehr, nur leider findet sich hier nicht oft genug etwas zu lesen, was auch einen schönen Schreibstil hat.
Schade nur, dass es nur ein OneShot war..:O
Ich würde am liebsten gerne mal eine FF über die beiden finden, die so toll geschrieben ist, wie dieser OS.

Großes Lob an die Autorin:
Du hast die Gefühle wirklich super rüber gebracht :) Oder zumindest das Gleichgewicht zwischen nicht-vorhandenen und leicht vorhandenen Gefühlen. Und die zwei sind genauso, wie sie auch in "Echt" sind.
Das ist dir wirklich gelungen!^^


Liebe Grüße
Von:  herzausglas
2014-03-27T11:40:32+00:00 27.03.2014 12:40
abgemeldet am 06.08.2009 13:49

...
...
Also, äh...
Mir fehlen die Worte.
Du hast mich richtig...sprachlos gemacht.
Das war ja so... Sai-like, so... süß... und...
Ja, wenn Naruto ein Manga mit Schwerpunkt Romantik wäre, könnte ich mir vorstellen, dass das genau so passieren könnte, wie hier in deinem Oneshot.
Du hast die Situation und Sais Gefühle/Gedanken so wunderbar aufgenommen und dezent in die Geschichte mit eingebracht.
Beinahe klopfte mir selbst das Herz mit, wie Sakura so vom Verliebtsein erzählte und Sai ja quasi während ihrere Rede die Symptome an sich selbst mitzählen konnte...
Gerade das hat diesen Oneshot so herrlich romantisch und schön gemacht.
Hat mir wirklich den Tag versüßt.
Vielen lieben Dank, vielleicht schreibst du ja irgendwann mal eine Fortsetzung! ;)
Chi~


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