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Blättertanz

Naruto Oneshot-Sammlung
von

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Anemonen

Sie betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. Die grünen Augen blickten nachdenklich und die kinnlangen Haare waren seidig wie immer. Aber da war dieser Zug um ihren Mund, der früher einmal nicht da gewesen war, irgendwann einmal war da ein Lächeln gewesen, ein echtes. Sakura hob die rechte Hand und strich sich damit über die hohe Stirn. Sie erinnerte sich an damals, an all die Hänseleien deswegen. Ja, sie erinnerte sich. An alles. An ein blondes Mädchen mit strahlend blauen Augen, dass ihr die Hand gereicht und sie aufgemuntert hatte, dass ihr nach und nach Selbstbewusstsein beigebracht hatte. Ino. Ihre beste Freundin.
 

Sakura wandte sich von ihrem Spiegelbild ab und streckte sich, ehe sie in ihre Schuhe schlüpfte und das Haus verließ. Draußen war es recht kühl, nur wenige waren so früh auf den Beinen. Während sie durch die allmählich erwachenden Gassen ging, schweiften ihre Gedanken zurück zu dem Tag, als sie erfahren hatte, dass Ino – genau wie sie – in Sasuke verliebt war. Es war ein schreckliches Gefühl gewesen, damals. Es hatte sie beinahe entzwei gerissen. Und das nicht nur aus Angst, gegen Ino zu verlieren. Sie hatte ihre einzige gute Freundin aufgegeben, für ihn.
 

Sie betrachtete ihre Füße beim Gehen, die in diesem Moment so sicher wirkten, doch selbstsicher fühlte sie sich ganz und gar nicht. Schließlich bog sie nach links und sah schon aus einiger Entfernung den Blumenladen. Die vielen bunten Blumen standen in unterschiedlichen Kübeln im blassen Sonnenlicht des Morgens, auf manchen glitzerte noch Wasser. Sakura atmete tief ein und aus, als sie sich dem Blumenladen näherte und gerade überlegte sie, ob sie nicht doch lieber umkehren sollte, da kam ein blondes Mädchen aus dem Laden und stellte einen weiteren Kübel vor die Tür.
 

Sakura betrachtete Ino, wie sie die Blumen zurechtzupfte und sich dann wieder aufrichtete, ehe ihr Blick auf sie fiel. Einen Moment lang sahen sie sich an, dann brachte Ino ein Lächeln zustande und Sakura wagte sich die letzten Schritte hinüber zu ihr, bis sie direkt vor ihr stand und das Funkeln in den blauen Augen sehen konnte.

»Guten Morgen«, sagte Ino und jetzt grinste sie. Sakura bemühte sich das Grinsen zu erwidern.

»Guten Morgen. Kann ich rein kommen?«
 

Ino schnaubte leise und zuckte die Schultern, immer noch schmunzelnd.

»Das ist ein Laden. Normalerweise ist er dafür gedacht, dass Leute reingehen«, gab sie zurück und ging Sakura voran durch die gläserne Tür. Sakura folgte ihr und versuchte in Gedanken die Worte wieder zu finden, die sie sich heute Morgen noch genau zurecht gelegt hatte. Aber nun schienen sie alle in Nichts verschwunden zu sein.

»Ich nehme nicht an, dass du Blumen kaufen willst?«, erkundigte sich Ino beiläufig und Sakura schüttelte den Kopf, streifte mit den Fingern ein paar Tulpen und ließ sich auf dem Hocker hinter der Theke nieder.
 

»Ich möchte mit dir reden«, sagte sie und bemühte sich, ihre Stimme so ruhig wie möglich klingen zu lassen.

Inos Brauen hoben sich kaum merklich, aber sie setzte sich auf die Theke und ließ ihre langen Beine baumeln, als wäre sie vollkommen unbekümmert. Sakura holte tief Luft und verschränkte die Hände im Schoß.

»Ich… sitze vor einem Haufen Scherben«, sagte sie schließlich und senkte den Blick, weil sie nicht sicher war, ob sie Inos Reaktion ertragen konnte.
 

»Mein Team ist kaputt, schon seit Jahren und ich habe ewig gebraucht, um das endlich zu begreifen. Ich wollte ihn einfach nicht gehen lassen, ich konnte mir nicht vorstellen, dass er wirklich das ist, was sie sagen…«

Ino antwortete nicht und legte nur den Kopf ein wenig schief. Ihre blauen Augen schienen in Sakura hineinzublicken und ihr fiel auf, dass sie viel niedriger saß als ihre ehemalige Freundin.
 

»Ich habe Naruto verletzt… ich hab mich so an sein Versprechen geklammert und immer nur an Sasuke gedacht. Ich hab nie bemerkt, dass es ihn kaputt macht. Und er war immer da, er stand immer hinter mir, verstehst du? Er hat mir geholfen, mich so oft gerettet. Ich hab das einfach so hingenommen. Und ich hab seine Gefühle ignoriert. Oder sie ausgenutzt? Ich weiß es nicht genau… aber mir ist klar geworden, dass ich schon lange nicht mehr das will, was ich früher immer wollte… alles ist… anders…«
 

Ino schwieg immer noch. Sakura spürte, wie ihre Augenwinkel brannten. Ihre Kehle war trocken und sie musste alles an Willenskraft aufbringen, um jetzt nicht auf der Stelle loszuweinen.

»Er wollte Naruto umbringen und mich auch und Kakashi- sensei… wir haben ihm gar nichts mehr bedeutet. Ich dachte, wenn ich die Last auf mich nehme, kann Naruto wieder frei sein und ich kann es wieder gut machen, alles, was ich falsch gemacht habe… aber ich konnte es nicht. Ich war so nah hinter ihm und ich konnte nicht…«
 

Ja, sie hatte Sasuke töten wollen. Und sie war gescheitert. Naruto hatte sie wieder einmal gerettet und dann hatte er es getan, er hatte diese Bürde getragen, die sie hatte tragen wollen. Er hatte das schon immer getan.

»Jetzt, wo er tot ist…«

Ihre Stimme brach, als sie diese Worte aussprach, denn das Gerüst, um das sie ihr Leben herum aufgebaut hatte, war damit zusammen gebrochen. Es hatte immer nur Sasuke gegeben. Sie hatte in Sasukes Nähe sein wollen, ihn beeindrucken und ihm zusehen wollen. Sie war so blind gewesen, auf ihn fixiert, dass sie alles um sich herum nicht mehr wahrgenommen, geschweige denn richtig gewürdigt hatte.
 

»Es fühlt sich unwirklich an«, sagte sie mit erstickter Stimme, »es ist, als wäre das Fundament weg. Aber gleichzeitig fällt mir auf, dass es mehrere Jahre ein Trugbild war, es war kein Fundament, es waren Ketten, von denen ich nicht loskam. Der Junge, in den ich damals verliebt war, den gab es schon seit Ewigkeiten nicht mehr und ich habe mir eine zeitlang wirklich eingeredet, dass Sasuke immer noch irgendwo dort drin ist. Aber ich habe seine Augen gesehen… da war nichts mehr. Nur noch Hass. Auf alles und jeden und auch auf mich und Naruto…«
 

Inos Beine hatten aufgehört zu baumeln. Ihr Gesichtsausdruck hatte sich ein wenig verfinstert, bisher hatte Sakura mit niemandem darüber geredet, was passiert war, nachdem ihr Team wieder aufeinander getroffen war. Sie hatte es in sich eingeschlossen und stumm mit sich herum getragen.

»Es war ein Fehler«, sagte sie dann und zwang sich dazu, aufzusehen. Sie blickte mit wässrigen Augen hoch zu Ino, die ihr stumm entgegen sah.

»Es war ein Fehler, Naruto immer zu ignorieren, es war ein Fehler, Sasuke jahrelang nachzutrauern, es war alles einfach falsch. Alles, was auf diesem Fundament stand, war falsch. Und… dass ich dir damals die Freundschaft gekündigt habe, wegen ihm… das war auch falsch. Freundschaft sollte nicht an so etwas zerbrechen, ich… es tut mir wirklich Leid, dass ich mich damals für ihn und gegen dich entschieden habe.«
 

Nun liefen ihr doch die Tränen über die Wangen und sie schniefte leise, während sie sich hastig mit den Händen über das Gesicht fuhr, um die Tränen zu stoppen. Ino seufzte leise und kramte nach einem Taschentuch, das sie ihr hinhielt. Sakura nahm es und schnäuzte sich leise, während immer neue Tränen ihre Augen verließen.

»Du bist so eine Heulsuse«, sagte Ino und Sakura blickte erneut auf.
 

»Manchmal macht man Fehler. Es ist nur wichtig, dass man sie erkennt, früher oder später«, fuhr sie noch leiser fort und Sakura fiel zum ersten Mal auf, wie erwachsen Ino geworden war. Sie hatte Sakura darum beneidet, dass sie so eine gute Heilerin war, aber Sakura hatte es nie geschafft, den Riss zwischen sich, Naruto und Sasuke zu heilen. Oder Narutos innere Wunden, die er seit Jahren mit sich herum trug. Jetzt, als Ino das sagte, fiel ihr auf, dass Ino – wie schon damals, als sie Kinder gewesen waren – viel stärker als sie war. Stark auf eine Weise, auf die es ankam. Wirklich ankam.
 

Ino ging hinüber zu einem Kübel und zupfte eine einzelne Blume heraus.

»Es kommt zwar ziemlich spät, aber immerhin kommt es. Es hätte schon viel früher von mir kommen können, ich war nie so verliebt in Sasuke, wie du es warst«, murmelte Ino leise und betrachtete die fliederfarbene Blüte nachdenklich.

»Aber ich war auch bloß ein stolzer Vollidiot«, sagte sie mit einem schiefen Lächeln und streckte die freie Hand aus. Sakura sah auf zu ihr und sie hatte das kleine blonde Mädchen vor Augen, das ihr damals die Hand gereicht hatte.
 

Immer noch tränenüberströmt ergriff sie Inos Hand, zögerte nur einen winzigen Moment und umarmte Ino dann so heftig, dass sie mit den Oberschenkeln gegen den Tresen stieß.

»Lass uns wieder Freunde sein, so wie früher«, nuschelte sie kaum hörbar an Inos Schulter. Ino lachte leise.

»Waren wir denn irgendwann mal keine Freundinnen mehr?«, scherzte sie, aber Sakura hörte, dass ihre Stimme leicht zitterte. Ino erwiderte die Umarmung zögerlich und so standen sie einige Zeit lang schweigend da.
 

»Ich hab das Gefühl, dass jetzt wieder etwas wirklich Wichtiges… richtig ist«, krächzte Sakura schließlich und löste sich von Ino, um noch einmal das Taschentuch zu benutzen. Ino grinste.

»Na, das ist doch wunderbar«, sagte sie und schlug Sakura auf die Schulter. Dann hielt sie ihr die Blume hin.

»Das ist eine Anemone«, erklärte sie und Sakura nahm sie behutsam zwischen die Finger, »Anemonen stehen für Aufrichtigkeit und Hoffnung.«
 

Sakura lächelte und schaffte es endlich, mit dem Weinen aufzuhören.

»Danke«, flüsterte sie leise. Ino grinste noch breiter, fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen und schob Sakura in Richtung Ausgang.

»Jetzt geh, stell die Blume ins Wasser und dann klär das mit Naruto«, sagte sie, ließ Sakura keine Chance zur Widerrede und winkte ihr enthusiastisch nach.
 

»Und später will ich einen ausführlichen Bericht!«, rief sie ihr nach, als Sakura mit der Anemone zwischen den Fingern die Gasse entlang zurück ging, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Sie winkte, ohne sich umzudrehen, denn sie wusste, dass Ino sie nur weggeschickt hatte, damit sie in Ruhe weinen konnte. Sakura streckte das Gesicht der noch kraftlosen Sonne entgegen und machte sich auf den Weg zurück zu ihrem Haus, um die Anemone ins Wasser zu stellen. Sonst würde Ino sie sicherlich umbringen. Und dann konnte sie das mit Naruto klären… Sakura musste bei dem Gedanken an Narutos hochrotes, verlegenes Gesicht leise lachen und sie spürte, wie sich ein Stück des Scherbenhaufens wieder zusammensetzte, den Sasuke ihr hinterlassen hatte.
 

Jetzt, da Ino wieder ihre Freundin war, konnte sie sicherlich auch den Rest zusammensetzen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  herzausglas
2014-03-27T11:44:06+00:00 27.03.2014 12:44
abgemeldet am 21.03.2010 23:14

Hmmm...schön :)
Eindeutig. Trotz der Tatsache, dass Sakura so viel geheult hat.
Du hast die Situation nach dem, meiner (unserer? ;D) Meinung nach, einzig wahren Ende toll beschrieben. Sasuke ist gestorben. Und das solte er so langsam wirklich. Es ist ja wie Sakura es in der FF endlich eingesehen hat: Der alte Sasuke ist nicht mehr zurückzuholen. Alles andere wäre schrecklich...unrealistisch. Und unpassend. Er kann nach alledem nicht einfach zurückkommen und Hallo Leute, wie geht's? sagen.
Und er kann nicht gegen Naruto bestehen. Denn der hat mehr, was ihn antreibt.
Ich find' es auch gut, dass Sakura eingesehen hat, wie sehr sie Naruto mit ihrem Sasuke-zentrierten Verhalten verletzt hat. Ich hoffe, das wird sie wirklich tun!^^

Ino war toll. Sie kann echt genau das Richtige sagen.
Wenn ich weiter solche FFs lese, fang' ich noch an sie richtig ins Herz zu schließen ;)

Die Situation, so wie du sie beschrieben hast, ist auf jeden Fall wünschenswert!! Mal sehen, was der Manga noch so bringt^^
ich wünsch' dir noch ganz viel Spaß und tolle Ideen beim Schreiben deiner anderen Geschichten!
Und danke für die Widmung :)
GlG
Fatja


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