Zum Inhalt der Seite

Und die Moral von der Geschicht?

FF-Sammlung des Zirkels Assoziatives Schreiben
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Unsichtbarer Feind

Die in sich abgeschlossene Turmstadt hatte offenbar ausgedient.
 

Seit Wochen schon stand sie leer und verlassen dar, wurde von niemandem mehr betreten oder verlassen. Das Gelächter der Kinder war verstummt, das Getratsche der Frauen auf dem großen Marktplatz ebenfalls. Manche der Türme, die nahe der äußeren Stadtmauer standen, waren bereits teilweise zusammengebrochen. Doch es gab niemanden mehr, der sich um den Wiederaufbau gekümmert hätte. Der Wind blies Staub durch die verlassenen Gassen in denen noch vor kurzem dunkle Gestalten ihren ahnungslosen Opfern, meist reichen Herren aus der Oberstadt, aufgelauert hatten. Der Fluss, der die Ober- von der Unterstadt trennte, floss zwar noch majestätisch seinen Lauf, doch auf ihm fuhren weder Frachter noch nachts kleine Gondeln mit verliebten Pärchen, die den Vollmond bewundern wollten.

Schulen und Kirchen waren ebenso leergefegt wie Museen und Theater. Es gab nichts mehr in dieser Stadt, Leben am allerwenigsten.

Ein einziger Soldat überwachte noch die nun leere Turmstadt. Vom höchsten Turm aus sah er mit starrem Blick auf die verwaisten Straßen hinunter. Früher hatte er als Leibwache des Königs gedient, in ebendiesem Turm hier. Und hier war er geblieben, auch wenn es nun nichts mehr zu bewachen gab. Nichts, außer einer langsam in sich zusammenfallenden Turmstadt.

Einst war sie mit Mühe und Schweiß, und oft auch lautem Fluchen, Turm für Turm errichtet worden. Es war nicht leicht gewesen, denn da es an Erfahrung mangelte, waren vor allem die ersten Türme noch recht wackelig ausgefallen. Doch man lernte schnell hinzu, und so hatte sich diese prächtige Stadt bald einen Namen in der Welt gemacht. Man strömte in Scharen herbei, um dieses architektonische Meisterwerk, das erste seiner Art, zu begutachten. Fremde Völker versuchten manches Mal, sie einzunehmen. Doch die mächtigen Mauern hatten dem Feind stets standgehalten. Die tapferen Soldaten hatten es in zahlreichen Schlachten immer wieder geschafft, ihre Stadt zu verteidigen. Darauf war der Soldat auch sehr stolz. Wehmütig dachte er an diese glorreiche Zeit zurück. Es war ein anderer Feind, der sie schließlich besiegt hatte. Kein offensichtlicher aus Fleisch und Blut, oh nein. Leise und heimtückisch hatte er sich ihnen genähert und dann gnadenlos zugeschlagen. Und sie hatten verloren.

Genau genommen hatten sie kaum eine Chance gehabt, gegen einen Feind, der inzwischen so übermächtig geworden war.

„Tom! Jetzt mach aber mal deinen Game Boy aus und räum endlich diese Legosteine weg. Du spielst doch eh nicht mehr damit!“

„Ja Mama.“

Seufzend schloss der Soldat die Augen. Jetzt war es also endgültig soweit. Dies war das Ende…



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2009-11-18T08:51:48+00:00 18.11.2009 09:51
Mal ehrlich, das war eine der unerwartetsten Wendungen, die ich je gelesen hab!
Ich hätt mit allem gerechnet, mit ner Krankheit, mit Hungersnöten und mit was weiß ich noch alles, aber dass es eine Legostadt ist, an der das Kind das Interesse verloren hat, kam so plötzlich, dass ich lachen musste. *g*
Daumen hoch,
lG Pluie
Von:  Ekolabine
2009-11-16T20:31:44+00:00 16.11.2009 21:31
Genial!
Wirklich genial diese Sichtweise. Mal das ganze aus der Sicht des Spielzeugs zu sehen, dass langsam verlassen wird.
Ich muss zugeben, dass ich begeistert bin! Oh ja, böse Technologie... ich glaub, ich werd morgen mal meine alten Bauklötze hervorgraben XD
Von:  LadyArgentum
2009-11-16T16:47:37+00:00 16.11.2009 17:47
*lach* Oh man. Mit diesem Schluss hätte ich wirklich nicht gerechnet. Herrlich. XD
Ich mag deine Geschichte wirklich sehr. Du hast einen angenehmen Schreibstil und deine Idee ist auch einfallsreich. Ich dachte ja erst, der Feind sei die Zeit oder ähnliches und selbst wenn es nur eine normale Beschreibung über den Zerfall einer normalen Stadt gewesen wäre, ich hätte es toll gefunden. Aber so hat es natürlich noch ein sehr überraschendes Ende.
Hast du wirklich gut gemacht. ^^

Gruß, LA


Zurück