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Und die Moral von der Geschicht?

FF-Sammlung des Zirkels Assoziatives Schreiben
von

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Perfekte Geschäftsidee

Am Morgen, jedesmal, weckte mich ein sonderbarer Lärm, halb Industrie, halb Musik, ein Geräusch, das ich mir nicht erklären konnte, nicht laut, aber rasend wie Grillen, metallisch, monoton, es mußte eine Mechanik sein, aber ich erriet sie nicht, und später, wenn wir zum Frühstück ins Dorf gingen, war es verstummt, nichts zu sehen.
 

Dennoch ließ mich der Klang nicht los, er setzte sich in meinem Kopf fest, spielte dort in diesem eigenartigen Rhythmus weiter, mal leiser und mal lauter, mal drängend und mal sanft. Dass ich längst meinen Kaffee vor mir stehen hatte bemerkte ich erst, als Lena mich anstupste. Gewaltsam verdrängte ich den Klang, ließ ihn nur noch in meinem Hinterkopf pochend weiterdröhnen.
 

„Entschuldige, was hast du gesagt?“
 

Sie seufzte und sah mich besorgt an. Schon klar, ich musste jedem merkwürdig erscheinen, wenn ich so ruhig war, jedem der mich kannte zumindest, und sie kannte mich immerhin am besten, denn sie war meine beste Freundin seit ewig, denn ich war dafür bekannt, ständig zu reden.
 

„Ich habe dich gefragt, ob du Ellens Leistungsventil heute noch fertig bekommst. Der Boss macht uns sonst Ärger!“
 

Gedankenverloren nickte ich. Ellen war so etwas wie der große Chef in unserer Stadt. Sie war der Supervisor. Ohne sie lief nichts. Auch wir nicht.

Vielleicht sollte ich euch das genauer erklären: Ellen ist ein Computer, ein gigantischer Rechner, der für sämtliche technischen Vorgänge zuständig ist. Lena und ich, wir sind einfache Mechatroniker. Wie leben in den Slums der Stadt, wo die Abwässer hinfließen und der Himmel nicht sichtbar ist, da er von unzähligen Bauten verdeckt wird. Man könnte meinen, unsere Arbeit als Wartungsarbeiter am wichtigsten Computer der Stadt würde uns ein besseres Leben ermöglichen. Tut es aber nicht.

So ist es eben. So war es schon immer.

Wir schlafen in unseren Zimmern in den Slums, werden morgens ins Dorf gelassen, so nennen wir den kleinen, durch einen Hügel abgegrenzten Teil der Stadt, der die Slums vom Industriegebiet trennt, und trotten anschließend zur Arbeit. Und Abends wieder zurück.

Solche wir uns gibt es viele, denn die gesamte Stadt ist ein einziger zusammenhängender Mechanismus, den Ellen steuert.

Warum wir uns nicht wehren gegen unser Schicksal? Ganz einfach: Ellen dreht uns ansonsten den Saft ab. Und dann, dann funktionieren wir nicht mehr. So einfach ist das!
 

„Alex! Jetzt komm endlich! Was ist heute bloß los mit dir?“
 

Ich beschleunigte meine Schritte um zu Lena aufzuschließen, gemeinsam betraten wir die große Halle in der wir arbeiten. Sie gesellte sich zu den anderen Frauen, während ich mich nach rechts wandte, meinen Arbeitsplatz betrat. Nun, da weder Lena noch meine Gedanken den Klang mehr in Schach halten konnten, wurde er wieder stärker.
 

Ich verstand es nicht, wirklich nicht, ansonsten verstummte er immer gleich nach dem Aufstehen, doch heute wurde er nur noch drängender, lauter.

Klick Klick Klick Klick Klick

Es hört sich wirklich wie das Ticken einer Uhr an. Doch ich trage keine bei mir!

Komm Klick Klick Klick Alex!

Einer der Maschinen hier? Nein, zu Hause war es doch auch!

Komm Klick zu Klick Alex!

Aber was könnte es sonst noch sein?

Komm her zu Klick Alex!

Ich kann nicht mehr klar denken!
 

Komm her zu uns Alex!

Komm her zu uns Alex!

Komm her zu uns Alex!

Komm her zu uns Alex!

Komm her zu uns Alex!
 

Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, das melodische Klicken, dessen Sinn sich mehr nun mehr und mehr offenbarte, oder den ich zumindest zu hören glaubte, hatte mich übernommen, lenkte meine Schritte aus der Halle. Ich spürte die Blicke der Anderen, spürte ihre Angst. Ich hörte Lena rufen. Doch ich konnte nicht anhalten, mich nicht umdrehen um ihr zu sagen, sie solle mitkommen.
 

Lena! Komm mit mir!
 

Doch sie schien es zu verstehen, auch ohne meine Worte, oder vielleicht wollte sie mich auch nur aufhalten, ich wusste es nicht. Ich setzte nur einen Schritt vor den anderen, spürte sie an meiner Hand ziehen.
 

„Alex, was machst du? Bleib stehen! Ellen, sie wird - “

„Hab keine Angst!“
 

Ich wusste nicht, woher die Worte kamen, doch sie erschienen mir richtig. Ich war auf einmal erfüllt von der Gewissheit, dass alles gut werden würde, dass unser Leiden nun ein Ende haben würde.

Lena sah mich angsterfüllt an, doch dann schluckte sie, nickte, und hielt meine Hand fester. Ihre Wärme durchflutete mich, gab auch mir Kraft. Gemeinsam verließen wir die Halle, überquerten den von Abfall umsäumten Fluss und betraten eine andere, kleinere Halle. Der Boden war von Staub bedeckt, die Hallen schienen verlassen zu sein.

Doch wir lebten noch.

Die Melodie, der Ruf sollte ich wohl eher sagen, wurde noch einmal laut, dann verstummte er. Ein Moment der Stille umfing uns. Lena drückte meine Hand fester, ich sah sie an. Vielleicht sah ich sie in diesem Augenblick das erste Mal wirklich an, es musste so sein, oder waren ihre Augen immer so schön gewesen? Ich konnte nicht anders, nahm sie^in den Arm. Und sie, sie kuschelte sich an mich, ließ zu, dass ich sie wärmte, beschützte, sie hielt.

Hier standen wir beide nun, in einer verlassenen Halle, und müssten längst abgeschaltet worden sein. Doch wir atmeten noch. Warum?

Dann öffnete sich eine Tür, Licht fiel ein, und eine Frauenstimme rief uns:
 

„Kommt schnell!“
 

Wir gingen hin, hindurch, hinaus ins Ungewisse. Lena fest an meiner Hand.
 


 

Im Jahr 2010 hatte August P. Junior eine neue Geschäftsidee! Es gelang ihm, Computerteile zu nie da gewesenen Sonderpreisen auf den Markt zu bringen. August P. Junior wurde innerhalb kürzester Zeit zu einem der reichsten Männer der Welt. Bis dahin führende Markthersteller betonten, es sei unmöglich, Teile zu diesen Preisen herzustellen und schickten Spione zu den Produktionsgebäuden. Diese fanden dort unglaubliches, eine skurille Teilstadt wie aus einem Fantasiefilm, Kinder und Jugendliche die dort hin und her gingen, und arbeiteten. Da sie nicht auf das Gelände gelangen konnten, nutzten sie eine neue Technologie zur Fremdbestimmung, sogenannte Locker, um 2 Jugendliche an die Grenze des Unternehmens zu locken und mitzunehmen. Danach gingen sie zur Polizei.

In zahlreichen Vernehmungen wurde klar, wie gewaltig August P. Juniors Verbrechen tatsächlich war. Er ließ Waisenkinder einliefern, redete ihnen ein, sie seien Roboter und könnten von einem Computer jederzeit abgeschaltet werden. Seine Welt wurde für diese Menschen zur Realität.

Nun kam er ins Gefängnis, zahlreiche Psychologen kümmerten sich um die Kinder und jungen Menschen aus seiner Fabrik. Die Marktführer wurden wieder zu solchen und gratulierten sich gegenseitig zur Rettung all dieser Kinder.

P.S. Die Locker wurden von den Gerichten ebenfalls verboten.
 

Und die Moral von der Geschicht? Der Realität entkommt man nicht!



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Bombadil
2009-09-10T14:33:02+00:00 10.09.2009 16:33
Erstmal das Wichtigste: Meine Lieblingsstelle!

"Die Marktführer wurden wieder zu solchen und gratulierten sich gegenseitig zur Rettung all dieser Kinder."

LOL

Und dann zur Kritik:
Krasse Scheiße, da dacht ich als Erstes: Jaja, SciFi-Zukunfts-Alienzeuch. Na ja, nich so mein Ding. Aber wie alles aufgelöst wurde. *lacht* Genial! Eins meiner Steckenpferde: Wahrnehmung und Realität. Sehr coole Idee, wirklich.

Was mir noch so aufgefallen ist:
- Ha! Da konnte es sich jemand nicht verkneifen, noch eine kleine Romanze reinzubringen. Aber seis drum. Auch wenn es keine wirkliche Bedeutung in der Story hatte (so wie ich das sehe), ist es doch immer ne nette Sache, da das eben ein Thema ist, das Menschen richtig bewegt. Und jetzt fällt mir erst auf: Du hast "kuschelte" geschrieben. Das hab ich erst für etwas unpassend gehalten. Aber dann, als rauskam, dass da vor allem Kinder und Jugendliche reingebracht wurden. Klick!

- Die Leute da alle traumatisiert und voller Dreck und Angst. Und dann der Spruch am Ende. Aber ich sags mal so: Ich fands witzig. Ziemlicher Umschwung der Atmosphäre nochmal.

- Andernseits war es vielleicht verglichen mit der Situation, in der sie sich befanden, nicht düster genug. Aber das habe ja nicht ich, sondern der Autor zu bestimmen. ;)

Also mir hats gefallen. Genug, um wieder mal ne Weile rumzugrübeln. :)
(das ist so das Hauptkriterium bei mir)
Von:  Ekolabine
2009-08-22T13:11:00+00:00 22.08.2009 15:11
Coole Geschichte! Ernsthaft! Sowas liebe ich. Leicht surreal angehaucht und doch realitätsnah. Allerdings hab ich nicht ganz genau verstanden was ein Locker ist. Das es ein Ticken ist, dass eine Nachricht enthält hab ich schon verstanden, aber wie es aussieht und warum man wusste, dass der Junge Alex hieß, bleibt unklar.



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