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Robin Hood

Das goldene Kreuz
von

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Schloss Huntington

Marian öffnete ihre Augen. Die Decke war mit Stuck verziert. Verwirrt blickte sie sich um. Das Zimmer, in welchem sie lag, war groß. Ein Schrank, ein Tisch, ein brennender offener Kamin und das Bett standen darin. Ein großes Fenster befand sich zu ihrer rechten Seite und zeigte die Dunkelheit der Nacht. Gegenüber der Fensterwand, befand sich eine Holztür. Eine zweite war nur ein paar Schritte von ihrem Bett entfernt. Überrascht, dass dieses Zimmer sogar eine dritte Tür hatte, nahm sie das Holz auch gegenüber ihrem Bett wahr. An den Wänden hingen Kerzenhalter. Wenige von ihnen brannten und hüllten alles in dämmriges Licht.

Langsam richtete sie sich auf.

Neben dem Bett befand sich ein kleiner Nachttisch auf dem eine kleine dampfende Schüssel stand. Der Holzboden in diesem Zimmer war in dunklem Holz gehalten. Das offene Feuer erwärmte das Zimmer. Sie betrachtete gedankenverloren den Kamin. Das Feuer brannte lichterloh. Es brannte als wäre es soeben angezündet worden. Unsicher wandte sie ihren Blick zum Fenster. Durch das Glas konnte sie in die Ferne blicken und eine Stadt im Licht des Mondscheins ausmachen.

Neugierig sah sie sich erneut um. Wo war sie? Wie kam sie an diesen Ort? Sie schlug die Decke weg, schwang ihre Beine aus dem Bett und betrachtete verwirrt ihre Kleidung. Sie trug ein einfaches Leinenkleid. Fragend starrte sie an sich hinab und überlegte, wie sie plötzlich zu so etwas kam. Wieder blickte sie sich in dem großen Zimmer um. Die Tür neben dem Bett war nur angelehnt und Marian beschloss sich genauer umzusehen.

Sie stellte sich auf und spürte einen stechenden Schmerz in ihrem Fuß. Vor Schmerzen kniff sie ihre Augen zusammen. Nun erinnerte sie sich wieder. Sie war auf der Flucht gewesen. Marian hatte eine Wurzel nicht gesehen und war darüber gestolpert. Sanft zog sie ihr Leinenkleid etwas hoch und entdeckte ihren dick einbandagierten Knöchel. Es war kein Traum, sie hatte es wirklich erlebt. Mit großen Augen blickte sie sich um. Dann hatte sie auch nicht geträumt Robin wieder zu sehen? Dann war sie tatsächlich im Anwesen der Huntingtons? Marian kramte in ihren Erinnerungen. Sie konnte sich erinnern, dass Robin sie getragen hatte. Bevor sie das Anwesen erreicht hatten, war Marian in seinen Armen eingeschlafen. Sie wollte es genauer wissen. Sie musste dieses Zimmer verlassen. Sie wollte zu ihm. Ihm für seine Hilfe danken und einfach nur in seine Augen sehen.

Sie tat einen Schritt. Sie wollte ihren Fuß möglichst wenig belasten, doch bei der kleinsten Bewegung nahm der Schmerz überhand und ließ sie stürzen.

Stimmen wurden laut. Lachen war zu vernehmen. In diesem Moment öffnete sich die Tür und das soeben erklungene Lachen verstummte.

Marian biss sich auf ihre Unterlippe und versuchte den Schmerz unter Kontrolle zu bringen, doch er hörte nicht auf. Ihre Augen kniff sie fest zusammen und ihre zierlichen Hände ballte sie zu Fäusten.

Schritte wurden lauter. Jemand rannte zu ihr. „Marian“, rief eine weibliche Stimme. Sie klang besorgt und erschrocken. Die Frau kniete sich zu ihr hinunter und packte sie an ihren Schultern. Marian konnte ihre Augen nicht öffnen. Zu gern hätte sie dieser Frau in die Augen gesehen, doch der Schmerz hinderte sie in ihren Bewegungen.

„Marian!“

Weitere Schritte vernahm die Prinzessin, ehe sie in eine tiefe Dunkelheit fiel.

Die Köchin Betty, Winnifred und Barbara waren ins Zimmer getreten und verstummten augenblicklich als sie die blonde, junge Frau auf dem Boden kniend vorfanden. Winnifred eilte zu ihrer alten Freundin und kniete sich zu ihr. Sie sprach Marian an, allerdings reagierte diese nicht auf sie. Hilfe suchend blickte sie zu ihren Vertrauten, doch keine von ihnen rührte sich. Mit einem Mal spürte Winnifred, wie Marian vorne überfiel. Rechtzeitig verhinderte die Braunhaarige einen Sturz. Entsetzt starrte sie auf die junge Frau hinunter. „Schnell, holt Robin!“

Barbara rührte sich und verschwand wieder zur Türe raus. Betty eilte nun auch auf die Mädchen zu und kniete sich ebenfalls auf den Boden. Sie half Winnifred Marian auf den Rücken zu legen und suchte nach dem Puls. Ihr Gesichtsausdruck war so ernst, dass Winnifred angst und bange wurde. Mit besorgten Augen blickte sie auf das blasse Gesicht hinunter bis die erlösenden Worte erklangen. „Sie ist nur ohnmächtig! Sorge dich nicht“, lächelte Betty erheiternd auf und betrachtete den jungen Gast.
 

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Sie war eben auf dem Weg in die Küche gewesen als James die Eingangstür öffnete und der Herr des Hauses mit einem blonden Mädchen auf dem Arm eintrat. Verwirrt blieb Betty stehen und betrachtete das Bild. Ihre Augen richteten sich besorgt auf das Mädchen, doch Robin nahm ihr die Sorge. „Sie schläft!“

Auch er richtete seine Augen auf die junge Frau in seinen Armen. „Ich werde sie in meine Gemächer bringen. Betty, bitte kümmere dich um sie. Sie ist verwundet. Ihr Knöchel ist angeschwollen.“ Mit diesen Worten strebte er die Treppe an. Bevor der die ersten Stufen in Angriff nahm, drehte er sich nochmals zur Eingangstür. „Much, geh schon mal vor. James, bitte bring ihn zu meinen Cousins.“

James verneigte sich, ehe er hinter dem Gast die Tür verschloss und ihm den Weg zeigte.

Betty blickte Robin verwirrt nach, der die Treppen hinauf stieg. Sie wusste nicht, wer dieses Mädchen war und wo er sie gefunden hatte, doch sie hatte eine Aufgabe erhalten. Mit schnellem Schritt war sie in die Küche geeilt. „Sally, koche eine Suppe und Tee. Beeil dich! Nancy, du kommst mit mir. Ich brauche deine Hilfe“, befahl Betty, während sie zu einem Regal eilte und ein bestimmtes Fläschchen ergriff. Im nächsten Moment verließ sie die Küche gefolgt von Nancy.

Robin hatte das Mädchen in einem Zimmer am Ende des Ganges gebracht. Zuvor schickte Betty Nancy noch Kleidung und Verbände holen. Die Köchin betrat das kleine Gemach und hielt inne. Erstaunt beobachtete sie den Hausherren.

Robin hatte Marian ins Bett gelegt und war gerade dabei sie zuzudecken. Zärtlich strich er ihr noch eine der blonden Strähnen aus dem Gesicht und betrachtete sie besorgt, ehe er sich aufrichtete. Erst als er neben dem Bett stand und gedankenverloren in die Nacht hinaus blickte, räusperte sich Betty und trat ein.

„Robert, wir kümmern uns um sie. Sorge dich nicht!“ Sie lächelte ihn aufmunternd zu und auch er blickte sie an und lächelte. „Ich weiß, Betty. Vielen Dank, du bist die Beste!“ Er legte seine Hand auf ihre Schulter und drückte diese.

Nancy klopfte an der Tür und trat ein. In ihren Händen hielt sie Leinentücher.

Robin musterte sie erstaunt und suchte Antworten in Bettys Gesicht, doch diese lächelte nur wissend. „Mein Herr, ich muss euch jetzt bitten zu gehen. Wir werden die junge Dame umkleiden und uns um ihre Wunden kümmern.“

Der junge Huntington ließ überrascht Bettys Schulter los, rührte sich aber nicht. Wie festgefroren blieb er im Zimmer stehen.

Nancy trat an ihrem Herren vorbei und legte die Leinentücher, sowie ein Leinenkleid über die Bettkante. Erst danach trat die junge Magd auf das Bett zu und schlug Marian die Decke weg.

Mit großen Augen verfolgte Robin jede Bewegung. Seine Augen hafteten auf Marian und fast kritisch beobachtete er jeden Handgriff der jungen Magd. Plötzlich schob sich etwas Großes in sein Blickfeld und als er den Blick hob, sah er direkt in Bettys schelmisch grinsendes Gesicht. Sie hatte sich vor ihm aufgebaut und in sein Blickfeld gestellt. Ihre Arme hielt sie vor der Brust verschränkt und ihre Augenbrauen waren soweit hochgezogen, dass sie fast den Haaransatz berührten.

Verwirrt wich Robin einen Schritt zurück und blickte seine Köchin fragend an. Er verstand nicht wieso Betty sich vor ihm aufbaute und ihren Gesichtsausdruck konnte er auch nicht deuten.

„Robert Huntington. Ich verstehe ja, dass du gerne hier bleiben würdest, doch wir werden dieses Mädchen nicht vor deinen Augen umkleiden.“

Mit einem Schlag wurde Robin knallrot und ein verschämtes Lächeln trat auf seine Lippen. „Ich werde zu den anderen gehen. Immerhin haben wir einen weiteren Gast im Haus.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ eiligst das Zimmer.

Bettys Grinsen wurde breiter. Sie drehte sich zum Bett und betrachtete Nancy. Diese hatte ebenso gerötete Wangen. „Was ist los, mein Kind?“

Entsetzt blickte die junge Magd auf und schüttelte ihren Kopf.

Die Köchin nickte wissend und erklärte schließlich lächelnd. „Ich kenne diesen Jungen, seitdem er auf dieser Welt mit seinem ersten Schrei seine Ankunft verkündet hatte. Ich bin diesem Jungen ein Mutterersatz gewesen seit seine Eltern diesen schrecklichen Unfall gehabt hatten.“ Die beiden Frauen begannen Marian die Kleider auszuziehen und das einfache Leinenkleid anzuziehen. „Ich kenne ihn besser als sonst jemand in diesem Haus“, verkündete sie nun und betrachtete Nancy. Diese nickte bestätigend und machte sich mit raschen Fingern an ihre Arbeit. Die Röte auf ihren Wangen jedoch schwand nicht.
 

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Schnelle Schritte hallten im Flur. Und schon stand er in der Tür. Mit besorgten, doch wachen Augen verschaffte er sich einen schnellen Überblick und war schon zur Stelle. „Was ist passiert?“ Eindringlich suchten seine Augen in Winnifreds Gesicht Antworten.

Unsicher, besorgt und ängstlich blickte sie in die blauen Augen ihres Cousins. „Ich weiß auch nicht. Marian ist wohl aufgestanden. Als wir in das Zimmer kamen kniete sie auf dem Boden und reagierte nicht auf uns. Dann brach sie zusammen!“

Robin betrachtete das bewusstlose Mädchen. Ihre sowieso schon blasse Haut wirkte fast durchsichtig. Sie wirkte in diesem Zustand noch zierlicher und zerbrechlicher als sie war.

Betty stand auf und stellte sich neben den jungen Mann. „Wir sollten sie ins Bett zurückbringen. Sie wird den Schlaf brauchen.“ Robin nickte ohne seine Augen von ihr abzuwenden. Immer noch konnte er nicht glauben, dass sie nun hier bei ihm war. Niemals hätte er es auch nur gewagt, sich so eine Möglichkeit zu erträumen. Entschlossenen Blicks kniete er sich zu ihr hinunter und hob sie auf seine Arme.

Betty war mit einem Schritt beim Bett und schlug die Decke zurück. Vorsichtig als wäre sie ein kostbares Gut legte Robin seine Freundin in das Bett zurück. Betty schlug die Decke über das Mädchen und wickelte sie richtig ein.

Winnifred stand auf und betrachtete die weiße Haut ihrer Freundin. Die blasse Gesichtsfarbe unterschied sich kaum zu dem weißen Laken.

„Lassen wir sie schlafen.“ Mit diesen Worten drehte sich Betty um und trieb Winnifred und Robin aus dem Zimmer.

In der Tür stand Barbara. Mit einem besorgten Blick auf Marian trat auch sie zurück auf den Flur und ließ die anderen aus dem Zimmer kommen.

„Wird sie wieder gesund?“ Sorgenvoll richteten sich die braunen Augen des Mädchens auf Robin.

Dieser legte seiner Cousine eine Hand auf ihre Schulter und lächelte sie ermutigend an. „Natürlich. Du kennst Marian. Sie ist stark.“

Auch Barbara begann nun zu lächeln, die Sorge schwand. „Ja, das stimmt. Sie ist ein tapferes und starkes Mädchen!“

Winnifred nickte ebenfalls. „Das stimmt. Das war sie schon immer gewesen!“ Auch in ihren Augen wich die Sorge der Fröhlichkeit.

Betty beobachtete ihre Schützlinge und lauschte ihren Worten. Dieses Mädchen musste eine sehr gute Freundin dieser Kinder sein. Ihr Blick galt Robin. Für ihn bedeutete dieses Mädchen sehr viel. Das hatte Betty schnell gemerkt. Ein Lächeln trat auf ihre Lippen bei diesem Gedanken.

Robin sah verwundert auf, doch sie schüttelte nur ihren Kopf. „Kommt mit, dann gibt es endlich Abendessen!“

Mit diesen Worten verließen sie den Flur und zogen sich in das Esszimmer zurück. Much und Will saßen bereits an dem großen Tisch und warteten sehnsüchtig auf die Rückkehr der anderen. Nicht nur des Hungers wegen sondern auch um zu erfahren, was mit Marian geschehen war.
 

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„Willkommen in meinem Schloss, Majestät“, begrüßte Lord Lancaster seinen Gast und verbeugte sich tief. Die Familie Lancaster und ihre soeben angekommen Gäste standen im Thronsaal des Schlosses. Marians Vater begrüßte die Fremden höflich, Lady Lancaster betrachtete ihren hohen Gast aus Frankreich mit einem strahlenden Lächeln, während Marian ihn misstrauisch musterte. Drei Männer standen vor den Lancaster. Der Lord selbst stand dem Prinzen Frankreichs gegenüber, der zwischen seinen beiden Leibwächtern und treuesten Rittern stand. Er war so groß wie der Lord, sein blondes Haar fiel ihm offen auf die Schulter und rahmte das markante, männliche Gesicht ein. Die hellen blauen Augen stachen hervor und warfen Marian hin und wieder lüsterne Blicke zu. Er war schlank und seine Muskeln zeichneten sich unter seiner feinen Kleidung ab. Ein großer Umhang hing ihm um die Schultern. Sein Weg war weit und beschwerlich gewesen, dennoch hatte der sich gelohnt.

Marian betrachtete die Rüstungen. Das Symbol kam ihr fremd vor. Sie wusste, dass dieser Gast aus dem Ausland kam. Und es erschreckte sie, dass er bei ihren Eltern so freundlich begrüßt wurde.

„Euer Hoheit, meine Frau“, Lord Lancaster deutete zu seiner linken Seite, ehe er auf Marian zeigte. „Und das ist meine Tochter.“

Der Blondhaarige küsste Lady Lancaster die Hand, die daraufhin errötete und sie verlegen eine Hand an ihre Wange legte. Schon drehte er sich zur anderen Seite und trat auf die Prinzessin zu. Sie war eine schöne junge Frau. Ihr Körper war in sanftem Blau gehüllt und das Kleid schmeichelte der zarten Figur. Sie hatte wallendes, blondes Haar und wundervolle blaue Augen. Er verbeugte sich vor der Schönheit und ergriff ihre Hand. „Lady Marian, ich bin erfreut eure Bekanntschaft zu machen.“ Soeben wollte er auch ihre Hand küssen, als Marian ihm diese entzog. Überrascht blickte er auf und diese blauen Augen fesselten ihn. Wütend funkelte die Prinzessin ihn an und das war für den Blonden der Moment in dem er sich verliebt hatte.

Lord Lancaster war über das Verhalten seiner Tochter empört. Seitdem sie diesen Robert Huntington kannte, hatte sie in jeder möglichen Situation ein sehr schlechtes Benehmen an den Tag gelegt. „Marian!“, warnte ihr Vater sie. „Entschuldigt, bitte Prinz Jean“, bemerkte Lord Lancaster zerknirscht.

„Lord Lancaster, das ist schon in Ordnung“, beruhigte der Prinz lächelnd den Engländer, woraufhin Marian ihn noch wütender anfunkelte. Seine Augen trafen ihre und er lächelte über ihre Widerspenstigkeit. „Wir werden uns schon noch anfreunden“, fügte er hinzu und betrachtete die hübsche Prinzessin.
 

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Marian wälzte sich unruhig in ihrem Bett umher. Sie träumte, doch es war kein Traum sondern die Realität, die ihr Bewusstsein erst verarbeiten musste. Ihre Augen flatterten unter den geschlossenen Lidern und ihre Lippen bewegten sich monoton. Sanft entfloh ein heißeres „Nein!“
 

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Tage waren vergangen und Marian versuchte diesem Prinzen immer wieder auszuweichen. Doch der schien es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, ihr auf Schritt und Tritt zu folgen. Eben war die Prinzessin des Schlosses Lancaster wieder auf der Flucht und trat in die große Bibliothek. Hinter sich schloss sie die Tür. Ihr Atem ging schnell und ihr Puls raste. Es war nicht die höfliche Art, doch als sie diesen Prinz gesehen hatte war sie davon gelaufen.

Überrascht blickte sie sich um. Lange war sie nicht mehr in diesem Raum gewesen. Sie hatte ihn beinahe schon vergessen. Mit großen Augen besah sie sich die meterhohen Wandregale und jedes einzelne war gefüllt mit alten Büchern. Kaum war sie ein paar Schritte in die Mitte des Raumes getreten, öffnete sich die Tür und eine weitere Person drückte sich durch den Türspalt.

Marian nahm die Bewegung hinter sich wahr. Sie musste nicht erst sehen, wer eingetreten war, denn dieser Jemand begrüßte sie bereits. „Lady Marian, welch Zufall euch hier anzutreffen.“ Prinz Jean war eingetreten und verbeugte sich vor der jungen Frau.

„So ein Zufall“, keifte sie nicht sehr höflich zurück. Sie hielt ihm den Rücken zugewandt, verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust und würdigte ihm keines Blickes.

Prinz Jean lächelte hämisch über ihre spitze Bemerkung, ehe er sich umsah und neben die Prinzessin trat. „Welch schöne und große Bibliothek“, bemerkte er bewundernd.

Misstrauisch beäugte sie ihn von der Seite. Zaghaft ging sie auf eines der Regale zu. „Ich bitte euch, eure Bibliothek ist mit Wahrscheinlichkeit um einiges größer als diese!“ Aus ihrer Stimme sprach der pure Hohn. Sie trat auf ein Regal zu und strich mit ihren Fingern sanft über die Buchrücken. Viele von ihnen waren sehr alt und wertvoll. Es waren Schätze! Wissen, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Und sie selbst verfügte über einen ebenso großen Schatz in ihrem Herzen. Sollte sie einmal Kinder haben, wird sie ihnen von Robin Hoods Abenteuern berichten. Der Held, der alles verloren hatte, dennoch niemals aufgab. Er trat für die Armen ein und bekämpfte die Bösen.

Lange hatte sie nicht mehr an die vergangen Zeiten gedacht.

Sie fühlte wie sich Hass in ihrem Körper ausbreitete, der die Wut über diesen egoistischen und Selbstvernarrten Prinz Jean bei weitem überstieg, und sich auf ihren alten verhassten Feind richtete - Lord Alwine! Ihre Meinung hatte sich nicht geändert, auch übte sie heimlich und im Dunkeln ihre Schwertkampftechnik. Sie wusste, dass Lord Alwine lebte und falls sie ihm begegnen sollte, wollte sie die Stärke besitzen um ihm seine gerechte Strafe zu erteilen.

Prinz Jean beobachtete sie und bemerkte, wie die hübsche junge Dame ihre Hände zu Fäusten ballte und die Augen sich verfinsterten. Ein breiteres Lächeln trat ihm auf die Lippen. „Wie kann ein Mädchen, so jung wie Ihr seid, schon so einen starken Hass auf jemanden schüren, den es noch gar nicht lange kennt?“

Marian hielt inne. Und als sie seine Worte verarbeitet hatte, wurde ihr bewusst, dass dieser Prinz ihr Verhalten falsch interpretiert hatte. Überrascht blickte sie auf und in seine stechend blauen Augen.

Dieser betrachtete das verwirrte Gesicht einen Moment, ehe er seinen Blick zu ihrer Hand schweifen ließ. Überrascht las er den Titel des Buches und trat einen Schritt auf die Lady zu. „Schätze und Kostbarkeiten aus Lancaster“, las er laut vor.

„Wie bitte?“, hakte Marian irritiert nach, ehe ihr bewusst wurde, dass er ein Buch fixierte. Es war das Buch, auf dessen Rücken Marians Finger verweilten. Wie durch einen Zufall.

Sie zog ihre Hand zurück und senkte ihren Kopf.

Der Prinz hingegen wandte sich ihr zu. Er verschränkte seine Arme hinter seinem Rücken und blickte auf die junge Frau hinab. Er war fast zwei Köpfe größer als die schöne Blondine und ein erneutes siegreiches Lächeln spielte um seinen Mundwinkel. „Ich habe gehört, dass sich ein goldenes Kreuz im Familienbesitz der Lancaster befinden soll. Es soll das Symbol der Lancasters sein.“

Kaum merklich zuckte Marian bei der Erwähnung zusammen.

„Alte Legenden berichten, dass ein einfacher französischer Goldschmied dieses Kreuz für seinen König schmiedete, aber es einem alten Wandersmann aus England schenkte. Laut den Legenden war dieser Mann arm hatte Frau und Kind verloren und wollte nur noch zurück in seine alte Heimat. Man sagt, der Goldschmied habe Mitleid bekommen und ihm des Königs Kreuz geschenkt“, berichtete Prinz Jean, während er Marian beobachtete.

„Er gab es ihm mit den Worten: Es soll dir Glück bringen und helfen deine Verzweiflung zu überstehen! Der Engländer wies dieses Angebot ab, doch der Goldschmied bestand darauf. Nachdrücklich gab er es in die Hände des bescheidenen Mannes. Dieser packte es ein und mit Zuversicht kehrte er zurück. Zurück in sein Heimatland. Zurück nach England. Den Schmied ereilte daraufhin ein furchtbares Schicksal. Als der König erfahren hatte, dass das Kreuz nicht fertig geschmiedet wurde, ließ er den freundlichen Schmied in seine tiefsten Kerker sperren.“ Marian fasste ihre Hände an ihrer Brust zusammen. Sie erinnerte sich noch zu gut daran, als es um ihren Hals hing und Lord Alwine es in seinen Besitz bringen wollte. Sie hielt ihre Augen geschlossen, denn wieder mal dachte sie an Robin. Fast sieben Jahre waren seit ihrem letzten Treffen vergangen.

„Wie ich höre, kennt ihr die alten Geschichten auch.“ Unbeteiligt wollte Prinz Jean klingen, doch musterte er die junge Lady.

„Natürlich. Ich bin eine Lancaster“, verkündete Marian entschlossen und blickte auf. Sie hielt den blauen Augen des Prinzen stand.

„Ich habe Interesse an diesen alten Geschichten. Ich bewundere sie und möchte alles über die Wahrheit an ihnen erfahren“, er hielt kurz inne, doch schon sprach der Prinz weiter: „Ich möchte es gerne sehen. Gestattet ihr mir einen Blick auf dieses Kreuz zu werfen?“

Marian wich zurück. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an. Sie konnte es ihm nicht zeigen. Es war unmöglich. Warum hatte dieser Mann bloß solch ein Interesse an dem Kreuz?

„Aus welchem Grund?“

Er drehte sich ganz zu ihr. Marian wich zurück, doch hinter ihr befand sich ein großer Arbeitstisch an den sie mit ihrem Rücken stieß. Nur ein Schritt trennte ihn von der hübschen Frau und diesen Schritt überwand er schnell.

„My Lady, ich möchte es nur kurz sehen. Man sagt es soll von einem unschätzbaren Wert. Der Schmied habe es so anmutig geschmiedet allein für seinen König.“

Marian wurde unbehaglich zumute. „Es ist nicht hier“, antwortete sie ängstlich. Immer wieder fragte sie sich, was dieser Prinz damit vorhatte. War er etwa, wie Lord Alwine damals, hinter dem Schatz der Wälder in Sherwood Forrest her? Marian durfte das nicht zulassen. Schon einmal hatten sie mit Habgier fast den Wald zerstört. Ein weiteres Mal würde sie es nicht zulassen. Sie hatte es dem Wald versprochen. Sie würde ihn beschützen für immer und ewig. Zu gut erinnerte sie sich daran, wo sie das Kreuz versteckt hatte. Sie und Robin wussten davon, sonst niemand. Sie beide hatten gebeten und geschworen für den Wald einzutreten. Und sie hielt ihr Versprechen. Sie schluckte und wiegelte schließlich ab. „Ich werde es euch bei Gelegenheit zeigen. Im Moment hab ich es nicht hier.“

„Dann lasst es uns holen. Weit kann es ja nicht sein“, drängte Prinz Jean, doch Marian schüttelte ihren Kopf. „Nicht an diesem Tag, Majestät“, beharrte sie stur.

In diesem Moment konnte Marian in seinen Augen lesen. Sie bekam es mit der Angst zu tun, doch es gab kein Entkommen. Noch näher trat der Prinz auf sie zu. Streng fixierte er ihre Augen. Er wollte etwas sagen, als die Tür aufging und Lord Lancaster eintrat. Überrascht und doch leicht misstrauisch betrachtete er das Bild. „Darf ich erfahren, was ihr hier zu suchen habt?“

„Wir haben uns ein wenig unterhalten“, antwortete Prinz Jean lächelnd und trat von Marian weg.

Erleichtert über das Erscheinen ihres Vaters lächelte Marian. „Wir haben uns nur unterhalten.“ Mit diesen Worten eilte sie an dem Prinz vorbei und strebte die Tür an. Sie knickste vor dem Prinzen und ihren Vater und verließ ängstlich und mit klopfendem Herzen die Bibliothek. „Oh, Robin“, murmelte sie vor sich hin. „Robin, wo bist du nur?“
 

***************
 

„Robin“, hauchte Marian. Ihre Stirn war nass geschwitzt, unruhig warf sie ihren Kopf im Schlaf umher. „Robin!“

Robin saß auf einem Stuhl in einer Decke eingehüllt und wurde durch die leisen, aber ängstlichen Rufe geweckt. Erst wusste er nicht zuzuordnen was er hier tat, doch als sein Blick auf die unruhig schlafende Marian fiel, war es ihm schlagartig wieder bewusst. Vorsichtig stand er auf und setzte sich zu Marian ans Bett.

„Robin, wo bist du?“, hauchte sie im Schlaf und die ersten Tränen lösten sich aus den geschlossenen Augen. „Robin.“

Besorgt betrachtete er Marian. Die erste Träne wischte er ihr von der Wange und strich ihr eine nasse Strähne aus der Stirn. Sanft umfasste er ihr zartes Gesicht und strich mit seinem Daumen über ihre Wange. „Marian, ist gut“, flüsterte er. Sein Herz klopfte wie wild in seiner Brust. Er wusste nicht was sie träumte, doch es schien ein schrecklicher Traum zu sein. Sanft fuhr er mit seinem Daumen zu ihrer Nase um anschließend ihre Lippenkontur nachzufahren. „Ich bin hier, Marian. Ich lass dich nicht allein!“

Anhand der Berührung, wie auch den Worten, erschien ein Lächeln auf ihren Lippen. Ruhig und gleichmäßig atmete sie weiter.

„Marian“, flüsterte er, sichtlich erleichtert ihr etwas Halt geben zu können. <Wenn ich nur wüsste, was mit dir los ist… Marian…>

Seine Augen glitten über ihr schlafendes Gesicht hinab zu ihren Mund. Ihre vollen rosafarbenen Lippen waren leicht geöffnet und sahen so verführerisch einladend aus. Ohne weiter nachzudenken beugte sich Robin vor und stupste ihre Nase mit der seinen sanft an. Nach einem letzten kurzen Blick auf ihr hübsches Gesicht, schloss er seine Augen und ließ seine Lippen auf die ihrigen sinken.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Misty1103
2009-09-07T21:59:18+00:00 07.09.2009 23:59
Oh, du hast ein neues Kapitel online gestellt und ich entdecke das er st so spät...das tut mir Leid!
Also:
Sehr schön geschrieben, ich finde es gut gemacht, das du die Träume von Marian gut sichtbar von der "Realität" abtrennst! Das ist schöner zu lesen!
Ich hab da mal ne blöde Frage...in den ersten Sätzen schreibst du:"Die Decke war mit Stuck verziert." Was ist "Stuck"? Ich kann mir grad darauf keinen Reim machen...
Und die letzte Szene mit Robin an Marians Bett ist auch sehr schön geschrieben. Ich lache mich kaputt wenn Marian genau in dem Moment jetzt aufwacht wo Robin sie küsst!^^
Naja, ich freu mich wenn ein neues Kapitel on kommt!
Lg


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