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Headhunter

The Kitten And The Firedevil
von

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Das grösste aller Arschlöcher

Das grösste aller Arschlöcher
 

Meine Eltern haben mir früher immer gesagt, ich solle nicht einfach jeden küssen. Vor allem meine Mutter hat das in Zusammenhang mit der ‚Aufklärung‘ immer wieder betont. Sie war stets dafür, erst zu sehen, ob es der richtige war und ihn dann zu küssen. Das habe ich gemacht. Ich habe abgewartet, bis ich mir sicher war, dass er der richtige war für meinen ersten Kuss, ich habe abgewartet, bis ich mir sicher war, dass er der richtige war, für mein erstes Mal. Und doch, wird mir jetzt, nach all den Jahren immer mehr klar, dass er nicht der richtige war. Oder – was ich mir sehr viel lieber einrede – dass es lediglich der falsche Zeitpunkt war. Dass es, wenn es passiert wäre, wenn wir älter gewesen wären, ganz anders gelaufen wäre. Aber langsam bin ich immer mehr der Meinung, dass es vielleicht zu spät gewesen ist. Und das Fazit davon: Alles, was ich in meiner Jugend getan hat, stellte sich mit der Zeit als Fehler heraus. Meinen Eltern habe ich davon nie erzählt. Auch nicht vor ihrem Tod. Sie hätten sich bloss für mich geschämt.
 

Ich sah sie vor mir, in ihrem eigenen Blut liegen. Ich hörte ihre Schreie. Es war wie immer. Mein Blick wanderte zu meinen eigenen Händen, die mir plötzlich so fremd vorkamen, mit ihrem Blut befleckt. Ich schrie. Schrie mir die Seele aus dem Laib. Ich hatte sie umgebracht! Ich hatte meine eigenen Eltern getötet. Ich hörte das hämische Lachen des Braunhaarigen – er hatte sie doch eigentlich umgebracht. Nicht ich. „Du hast deine Eltern getötet, ob dus nun wahr haben willst, oder nicht. Aber sei ehrlich zu dir selbst.. Wir beide wissen ganz genau, dass sie wohl noch leben würden, wenn du nicht da gewesen wärst.“ Hörte ich Johns Worte in meinem Kopf wiederhallen. Tränen tropften auf meine rot gefärbten Hände und ich schrie erneut. Schrie aus purer Verzweiflung in der Hoffnung, so alles ungeschehen machen zu können.
 

Und es funktionierte. Blitzschnell hatte ich mich aufgesetzt. Die Augen weit aufgerissen. Und ich realisierte, dass das nur wieder ein Traum gewesen war. Weil irgendjemand scheinbar nicht wollte, dass ich gut schlief. Mein Atem ging schwer. Mein ganzer Körper zitterte noch von den dahin schwelenden Erinnerungen und Bilder, die ich zuvor eben noch gesehen hatte. Ich sah auf meine Verschwitzten Hände. Meine Augen waren tränenverschmiert. Erschöpft und ausgelaugt liess ich mich niedersinken. Es war weich. Es war angenehm. Ich war sogar zugedeckt worden… Moment! Ich sah mich in liegender Position um – aufsitzen war schmerzhaft, wie ich jetzt feststellte, denn mein Bein tat immer noch weh.
 

Wo war ich? Ich befand mich auf einer ledernen Couch. Echtes Leder, wie mir der Geruch verriet und sicherlich nicht sonderlich billig. Das passte jedoch so gar nicht zu den Erinnerungen, die ich hatte, die mir eindeutig sagten, dass ich zusammengebrochen war und wohl am Boden gelegen hatte. Hatte John mich mitgenommen? Wenn ja.. dann: Scheisse! Aber es erschien mir irgendwie eher unheimlich, denn ich befand mich allem Anschein nach in einem Luxusappartement. Reich geschmückt mit Bildern und sonstigem Schnickschnack, der, wenn es darauf ankam eigentlich total unwichtig wurde. Ein Kamin – oder zumindest eine Attrappe davon – gab es ebenfalls und davor platziert war ein Bärenfell. Daneben war ein ziemlich grosser TV Bildschirm. Und auch die restlichen Möbel in meinem Blickfeld sagten mir deutlich, dass John mich liegen gelassen hatte und irgendeine gute Seele mich wohl aufgelesen hatte – und glücklicherweise scheinbar noch nicht erkannt hatte… Seltsam war es jedoch trotzdem. Jedoch musste ich erst wieder kurz Kräfte sammeln, bevor ich erneut versuchte, mich aufzusetzen.
 

Ich hörte ein Rauschen, das mich an Regen erinnerte. Ob es draussen regnete? Der Blick auf ein Fenster blieb mir in dieser Position verwehrt aber es erschien mir auch seltsam, dass es heute regnen sollte. Wir hatten Sommer, äusserst schönen Sommer. Mit Regen war heute eigentlich nicht zu rechnen, wobei man bedenken musste, dass ich nicht sonderlich gut informiert war. Wann hatte man auf der Flucht schon einmal Zeit, sich mit Wetterberichten zu befassen? Gut, vielleicht war ich auch über einen Tag bewusstlos schlafend auf dieser Couch gelegen.. das könnte natürlich auch gut sein.
 

Ich beschloss, dass ich mir die offenen Fragen lieber einmal selbst beantworten sollte und packte mit der einen Hand die Lehne der Couch. So konnte ich mich in eine halbwegs aufrechte Position bringen und meinen ersten Blick über die Lehne werfen. Mir wurde offenbart, dass hier scheinbar Wohnzimmer, Küche und Esszimmer im selben riesigen Raum waren. Das Wohnzimmer – in dem ich mich befand – war mit Hilfe von Treppen etwas im Boden versenkt. Das Esszimmer war vor riesigen Panoramafenstern und Die Küche besass sogar eine kleine Bar. Alles ganz hübsch eingerichtet. Aber in der Küche blieb mein Blick an etwas hängen. Oder in diesem Fall an jemandem. Ein weisshaariger Mann war gerade dabei, den Inhalt des Kühlschranks unter die Lupe zu nehmen. Ich zog die Stirn kraus. Er hatte eindeutig weisses Haar, hatte aber vom Körperbau her überhaupt nicht die Züge eines Greisen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Sprach kein Wort. Irgendwie hatte ich Angst davor, dass er sich umdrehte und ich womöglich meinem zweiten Retter in die Augen blickte. Aber irgendwie war ich fast schon froh, dass es nicht schon wieder John war, der mich vor meiner eigenen Dummheit gerettet hatte. Denn sonst begann ich allmählich mehr in seiner Schuld zu stehen, als ich es eigentlich wollte.
 

Der Weisshaarige schien sich für etwas entschieden zu haben, denn er schloss die Kühlschranktür. Mit einer Dose Coke in der Hand drehte er sich zu mir um. Erst sah er überhaupt nicht in meine Richtung sondern stellte die Dose auf die Bar ab und öffnete sie mit einem Zischen. Dann hob er wohl mehr zufällig den Kopf und sah in meine Richtung. Währenddessen hob er das Getränk an seine Lippen und wollte eben einen Schluck nehmen, als ihm auffiel, dass ich aufgewacht war. Er stockte in der Bewegung und musterte mich erst einmal. Ich hielt mich weiter an der Lehne fest und wusste nicht, ob ich ihm zulächeln sollte oder zurückhaltend agieren sollte. Ich blieb dabei, ihn lediglich misstrauisch anzusehen.
 

Der Weisshaarige liess die Dose langsam sinken, bis sie den Stein des Tresens erreicht hatte. Dann liess er sie langsam los. Er verzog die Mundwinkel zu einem leichten Lächeln, während er langsam auf mich zu kam. Selbst wenn ich es gewollt hätte, momentan hätte wegrennen sich als äusserst schwer herausgestellt. „Na, gut geschlafen?“ Irgendwie machte ihn sein Lächeln gleich viel sympathischer und ich verlor einen grossen Teil meines Misstrauens. Wenn er mir etwas hätte antun wollen, dann hätte er dies schon lange tun können. Immerhin trug ich eigentlich nur Unterhosen – wo zur Hölle war bloss meine Hose geblieben?! Glücklicherweise schien er mich genau aus diesem Grund zugedeckt zu haben – auch wenn ich die Decke im Schlaf und wohl als Folge meines Albtraums halbwegs zu Boden gestrampelt hatte. Immer noch weniger unheimlich, als mit fremden Klamotten am Leib aufzuwachen und zu wissen, dass ein wildfremder ziemlich weit in die Intimsphäre eingedrungen war und wiederum ohne zu wissen, wie weit genau er nun eingedrungen war. Ich beschloss aber trotzdem erst einmal keine Antwort zu geben. Das Lächeln wurde nicht erwidert.
 

„Du brauchst keine Angst zu haben. Hier bist du in Sicherheit.. vor wem auch immer.“ Er stand nun schon fast bei mir. Ausweichen war ja sowieso unmöglich und ob ich gerade fähig war, mich zu phasen – dessen war ich mir nun auch wieder nicht ganz sicher, denn ich war wirklich ziemlich geschwächt. Der Weisshaarige sah aus der Nähe überhaupt nicht alt aus, ganz im Gegenteil. Er war vielleicht etwas älter als John und auch als Bobby. Aber wirklich alt nun auch wieder nicht. Das passte nun aber so gar nicht zu den weissen Haaren. Ein Grund weshalb mein Blick immer wieder zu seiner Haarpracht wanderte. Er liess sich neben mir nieder und zwar so, dass ich meine Beine kaum wegziehen brauchte. „Wie ist dein Name?“ Er lächelte noch etwas mehr und wirkte wirklich vertrauenswürdig.
 

„Wer will das wissen?“ Meinte ich knapp. Da nicht mein gesamter Körper von der Decke überzogen war, blitzte auch ein Teil meines Verbandes hervor, was mir jedoch gar nicht auffiel. Ihm wohl schon, auch wenn er deswegen noch nichts sagte. Stattdessen lachte der Weisshaarige auf, wohl mehr über meine Worte als über etwas anderes. Ich legte den Kopf leicht schräg und musterte ihn abwartend.
 

„Ok..ok immer misstrauisch, hab ich nichts gegen.“ Er zwinkerte mir zu und hielt mir dann seine Hand hin. Ich betrachtete die Hand kurz, ehe ich ihm wieder in die Augen sah. Ich machte noch keine Anstalten, sie zu nehmen und zu schütteln. „Dann möchte ich jedoch auch wissen, mit wem ich es zu tun habe..“ Er lächelte erneut und fügte dann hinzu: „Ich bin Pietro.“ Die Hand wurde immer noch hingehalten, bereit dafür, von mir geschüttelt zu werden. Er hielt sie jetzt sogar noch etwas näher zu mir.
 

Eigentlich wirkte er ja auch ganz freundlich auf mich. Wohl irgendein netter Mensch, der nicht vermutete, dass er sich gerade eine Mutantin ins Haus geholt hatte. Eine Mörderin noch dazu. Pietro hiess er also. Aus der Nähe war noch deutlicher zu sehen, dass er ebenfalls noch recht jung war. Ich sah auf seine Hand. Er hatte mir seinen Namen genannt, jetzt war es wohl nur fair, wenn ich meinen auch nannte. Jedoch wollte ich mich auf keinen Fall weder als Shadowcat, noch als Kathrine oder gar als Kitty vorstellen. Bloss keinen Verdacht erwecken, solange er nicht wusste, wer ich war. Also entschied ich mich, wieder auf den Namen auszuweichen, den ich auch schon zuvor auf meiner Flucht verwendet hatte. Vorsichtig griff ich nach seiner Hand und drückte sie so kurz wie möglich: „Sherryl.“ Die Hand liess ich so schnell wie möglich los, als hätte ich etwas heisses berührt.
 

„Sherryl also.. süsser Name.“ Bemerkte er immer noch freundlich. Ich warf kaum merklich einen Blick aus dem fenster. In der Morgendämmerung – so lange konnte ich also nicht geschlafen haben – war deutlich zu erkennen, dass es draussen nicht regnete und doch war deutlich immer noch dieses Rauschen zu hören. Das machte mich stutzig. „Ich will ja nicht fies sein oder so.. aber ich denke du hast es verdient, vorgewarnt zu werden.“ Ich runzelte die Stirn und legte den Kopf leicht schräg. Das Rauschen war vergessen, denn nun war meine Neugierde darauf gelenkt, was ich denn so unbedingt wissen sollte. Wie meinte er das jetzt? Vor was warnen? Davor, dass S.H.I.E.L.D. gleich hier auftauchen würde und mich in Ketten abführen würde..? Wohl eher weniger. Er nahm mir das Überlegen ab, als er fortfuhr:
 

„Er macht das alle paar Tage..“ Der Weisshaarige lächelte leicht. Diesmal hatte sein Lächeln jedoch etwas Mitleidiges in sich. Ich zog fragend eine Augenbraue hoch. „Ja.. wie soll ich das erklären..“ Er lachte schon fast hilflos und etwas unbefangen auf. „Er nennt dich süss, niedlich, gutaussehend.. das ganze Programm. Schmiert dir Honig um den Mund, lullt dich ein..“ Pietro zuckte mit den Schulter und druckste etwas herum. Ich fragte mich schon lange, wer ‚Er‘ denn nun eigentlich war. Zweifelsohne derjenige, der mich hierher gebracht hatte und langsam schien auch durch, dass es wohl ein ziemlicher Frauenheld sein musste. „Nimmt sie mit sich nach Hause.“ Innerlich musste ich schmunzeln über diese Aussage. Er glaubte wohl, ich sei eines dieser Mädchen. Nett von ihm war es schon, mich vorzuwarnen. Bevor ich dazu kam, etwas zu antworten fügte er an:
 

„Und ich finde.. du bist einfach zu hübsch, dass er das auch mit dir abzieht..“ Er kratzte sich dabei etwas verlegen am Hinterkopf. Damit brachte er mich dazu, etwas aus meiner steifen Haltung zu kommen und sogar den misstrauischen Blick abzulegen. Stattdessen musste ich sogar leicht lächeln. „Aber das hörst du sicherlich ziemlich oft..“ Meinte Pietro und wandte etwas beschämt über sein Geständnis den Blick von mir ab. „Hat er dir sicherlich auch schon tausendmal gesagt..“ Meinte er – nun klang es eher kleinlaut. Das liess mich wiederum leicht schmunzeln, obwohl ich nicht einmal wusste, er dieser ominöse ‚Er‘ eigentlich war. Verwunderlich war aber auch, dass der Weisshaarige überhaupt nichts grosskotziges oder arrogantes an sich hatte – ich erinnerte mich an John, den ich noch vor wenigen Stunden getroffen hatte. Dieser war das genaue Gegenteil von Pietro, auch wenn dieser es durchaus auch hätte sein können, denn um ehrlich zu sein, schlecht sah er nun wirklich nicht aus. Ganz im Gegenteil.
 

„Ich seh fürchterlich aus.. grade.“ Meinte ich und strich mir unbewusst meine Haare zurecht. Dabei schien ich wohl auch irgendwie die Hoffnung zu haben, dass sie nicht allzu fettig oder durcheinander waren. Dass mich gerade interessierte, wie ich aussah oder wie ich rüberkam, fand ich jedoch etwas beunruhigend… Und irgendwie musste ich herausbekommen, wer ‚Er‘ war – am besten ohne dass der Weisshaarige herausfand, dass ich nicht einmal wusste, wer ‚Er‘ war. Ich traute mich jedoch nicht, eine direkte Frage dahingehend zu stellen,
 

„Finde ich überhaupt nicht…“ Meinte der Weisshaarige und war mir plötzlich unnatürlich nahe. Ich wich jedoch nicht zurück. Stattdessen musterte ich seine wässrig blauen Augen. Irgendwie hatte ich genau diese Augen schon einmal gesehen, aber ich konnte mich beim besten Willen nicht erinnern, wo. „Darf ich dich was fragen..?“ Meinte Pietro etwas zögerlich. Ich bemerkte, wie er mein gesamtes Gesicht musterte. Meine Lippen bewegten sich kurz auf und ab, aber ich sagte nichts. Stattdessen nickte ich nur. Ich spürte es wohl in dem Moment genau, wie der Weisshaarige selbst. Diese Spannung zwischen uns, die plötzlich irgendwie da war. Er war abwartend und ich auch. „Darf ich dich küssen…?“ Irgendwie hätte mich diese Frage nun wohl schockieren können, denn immerhin kannten wir uns gerade mal seit höchstens zehn Minuten und ausserdem sass ich immer noch nur mit Unterhosen bekleidet auf seiner Couch. Aber vielleicht war es eine Sehnsucht nach Nähe, nach Trost, nach einer Schulter, an der ich mich anlehnen konnte, die mich die Frage nicht mit einem: Nein, beantworten liess. Stattdessen – so quasi als Antwort – näherte ich mich seinem Gesicht noch etwas und schloss dabei langsam die Augen. So konnte er noch die letzten, wenigen Zentimeter die geblieben waren überwinden.
 

Und das tat er auch. Erst genau so vorsichtig, wie er auch schon gefragt hatte. Pietro drückte seine warmen Lippen auf meine und ich erwiderte, öffnete den Mund um auch seine Zunge eindringen zu lassen. Während wir das taten schlang ich meine Arme um ihn. Ich weiss nicht, was mit mir los ist.. ehrlich.. ich habe keine Ahnung, wieso mein Körper mich diese verrückten und absolut hirnverbrannten Dinge tun lässt, die ich in den letzten zwei Wochen getan habe. Aber in diesem Moment wollte mein Körper seine Nähe. Auch wenn ich ihn nicht kannte, es gab mir Sicherheit. Er hatte doch so einen freundlichen Eindruck hinterlassen... Pietro schloss mich in seine Arme und lehnte sich dann leicht vor, um uns in eine bequemere Position zu bringen. Das hiess in dem Falle, mich erst einmal auf die Couch zurückdrücken. Dabei achtete er aber gar nicht auf meine Verletzung. Vielleicht hatte er diese ja auch noch gar nicht gesehen. Aber so wie er sich jetzt positionierte lag er teilweise auf meinem verletzten Bein. Anfänglich versuchte ich den aufkommenden Schmerz herunterzuschlucken. Doch je länger die Situation andauerte, desto schwieriger wurde es für mich und als er sich noch weiter vorbeugte und dabei mein Bein zwischen seinem Körper und der Couchlehne einklemmte, konnte ich einen Schmerzensschrei nicht unterdrücken. Meine Hände fuhren zu meinem Bein und ich versuchte seinen Körper davon wegzubekommen, auch wenn ich mich gerne weiterhin von ihm hätte küssen lassen wollen.
 

„Lass sie sofort los!“ Hörte ich jemanden zischen. ‚Er‘…Ich drehte den Kopf zur Seite und erblickte John. Jetzt wusste ich auch, woher das Rauschen gekommen war. Der Feuerteufel hatte soeben geduscht. Seine Haare waren noch ganz nass davon. Ausserdem trug er keine Kleidung und hatte sich nur ein Handtuch umgebunden. Wohl hatte er meinen Schmerzensschrei gehört. Für ihn musste es wohl ganz so aussehen, als würde Pietro die Situation ausnutzen. Dass ich ihn nicht freiwillig geküsst hatte.. Der Feuerteufel packte denn Weisshaarigen und riss ihn mit ganzer Kraft von mir herunter. Ich schnaufte erst einmal tief durch, da mein Bein wieder entlastet war. „Verdammter Mistkerl, hast du denn vor gar nichts und niemandem Respekt?“ Fauchte John Pietro an. Ich rief dazwischen, weil ich eigentlich bereits kommen sah, was wohl gleich geschehen würde:
 

„John.. nein!!!“ Zu spät. Der Feuermutant hatte bereits ausgeholt und verpasste Pietro eine kräftige Linke – Ja, John ist Linkshändler – die es in sich hatte und den anderen taumeln liess. Ausserdem sah ich bereits Blut an Johns frisch gewaschenen Händen kleben. Ich hielt mir die Hände vor den Mund und schrie erneut auf, diesmal vor Entsetzen. Johns Blick wanderte zu mir, in seinem Blick war die pure Verachtung. Und als ob dies nicht schon genug wäre, rollte er auch noch genervt mit den Augen. Dann packte er mich wortlos am Arm und zog mich auf die Füsse. Mein eines Bein knickste schon wieder halb ein. Doch erbarmungslos schob er mich vor sich her und drängte mich schliesslich in ein Zimmer. Dort liess er mich los und ich liess mich auf das grosse Bett fallen, vor Schmerzen wimmernd. Den Blick, den Pietro John zugeworfen hatte, diesen äusserst fiesen und hinterhältigen – diesen Blick hatte ich nicht mehr gesehen.
 

„Sag mal hast du sie noch alle?! Das tut weh!!“ Keifte ich John in meiner Wut darüber, gerade wie immer wie eine Sache behandelt worden zu sein, die man beliebig hin und her schubsen konnte, an. Er hatte nichts anderes verdient. Mein Bein tat höllisch weh. Die Stelle am Arm, an der er mich gehalten hatte ebenfalls. Ich war sogar so wütend, dass ich mir erst einmal keine Gedanken um seinen Körper machte, der dort, wo er sonst Shirts oder Jacken trug übersäht war mit Brandnarben. Der ganze Brustkorb – was auf dem Rücken war, konnte ich nicht beurteilen, das hatte ich auch während er mich aus dem Wohnzimmer gezogen hatte, nicht sehen können. Wenn ich wütend wurde, war das unmittelbar auch immer mit einem Gefühlsausbruch begleitet. Ich konnte nicht lange wütend sein, ohne früher oder später anzufangen zu heulen. Es war verdammt ärgerlich, vor allem, weil ich dann wieder als Heulsuse dastand, obwohl ich eigentlich nur ziemlich wütend war. So stiegen mir auch jetzt die Tränen bereits langsam in die Augen.
 

„Du kannst wohl immer noch nicht selbst auf dich aufpassen, was?!“ John ballte die Hand zur Faust und schlug diese gegen den Türrahmen, neben dem er stand. „Wenn es einen Gott gibt – was ich nicht denke – dann wollte dieser, dass du phasen kannst. Und er hat dir diese Fähigkeit gegeben, damit du sie auch einsetzt! Und nicht in den dümmsten Momenten jedes Mal vergisst, dass du dich eigentlich einfach wegphasen könntest!!!“ Diese Worte waren nur noch gebrüllt, sodass ich ihn kurze Zeit verdutzt ansah. Verdutzt über diesen sonst für John so untypischen Gefühlsausbruch. Zwar war das, was er mir zeigte eigentlich nur blanke Wut, aber immerhin war es nicht wie sonst immer Gleichgültigkeit. Vielleicht sollte ich mich ja jetzt geehrt fühlen?
 

„Wie bitte?!“ Ich hatte mich von der ersten Überraschung – man konnte es auch gut den ersten Schock nennen – erholt und brüllte nun in mindestens so lautem Ton zurück. Was fiel ihm eigentlich ein, mich so anzufahren? Was ich tat war doch ganz alleine meine Sache. Er hatte da überhaupt nichts mitzubestimmen. Es ging ihn überhaupt nichts an. Er brauchte nicht immer meinen Beschützer zu spielen. Ich konnte ganz gut auf mich selbst aufpassen. „Vielleicht wollte ich mich gar nicht wegphasen!! Schonmal daran gedacht?!“ Irgendwie war mir schon klar, dass ich selbst doch auch überhaupt keine Ahnung hatte, was ich eigentlich wollte. Aber das war noch lange kein Grund für ihn, sich anzumassen, meine Entscheidungen treffen zu müssen. Ich hörte Pietros Worte von vorhin in meinen Ohren wiederhallen: „Er macht das alle paar Tage..“, und die Möglichkeit, dass ich wirklich nur eine von vielen war und John leidglich auf ein heisse Bettgeschichte hoffte, war eigentlich doch naheliegender, als ich zuerst gedacht hatte. Meine Gedanken schweiften leicht ab, bis mir Johns Blick auffiel.
 

„So ist das also..“ Meinte John tonlos. Er sah mich an. In diesem Moment sah ich in seinem Gesicht ganz klar Enttäuschung. Worüber war mir nicht klar – er war schon lange kein offenes Buch mehr für mich, aber da war diese unglaubliche Enttäuschung. Er verzog den Mund und wandte dann den Blick kurzzeitig ab. Er schwieg. Dann lachte er fast schon gekünstelt und absolut gezwungen auf und drehte mir den Kopf erneut zu. Ein bestätigendes Kopfschütteln folgte. Er sah mich längere Zeit an. Dann meinte leise und fast tonlos: „Du hast dich also doch kein Stück verändert…“ Ich sah ihn fragend an. „Es ist wie es immer war. Genau wie früher, was?“
 

Die Türe öffnete sich wieder. Ich sah fast schon hoffnungsvoll auf. Fast schon damit rechnend, dass nur einer den Raum betreten würde und zwar derjenige, der ihn zuvor in aller Eile verlassen hatte. Hastig versuchte ich, die Tränen von meinen Wangen zu waschen und meine Augen so weniger verquollen aussehen zu lassen. Allerdings war ich noch so schlau, die Decke über meinen ansonsten vollkommen nackten Körper zu ziehen und somit alle interessanten Stellen abzudecken. Ausserdem wandte ich den Kopf ab – jedoch so, dass ich die Tür doch noch mit dem Augenwinkel im Blick hatte.
 

Ich legte mir bereits gedanklich die Worte zurecht, die ich sagen wollte. ‚Bobby, du bist wieder da..‘ oder ‚Bobby, anscheinend hast du endlich erkannt, was du eigentlich an mir hast.‘ Ich wollte bereits zu diesen Worten ansetzte, als ich erkannte, dass nicht Bobby in der Türe stand, sondern John, der mich erst einmal fragend musterte. Meine Augen weiteten sich. Verdammt!! Bobby hatte seit neuestem ja einen Zimmergenossen – einziger Trost war, dass Betreffender ja sowieso schon von Bobbys und meinem kleinen Geheimnis wusste. Aber trotzdem. Ich sass hier gerade nackt in Bobbys Bett. Das wirklich peinliche war jedoch, dass alle meine Kleider im gesamten Raum verteilt waren. Aber ich hätte jetzt auch einfach nur losheulen können. Aus der Verzweiflung heraus, dass Bobby nicht zurückgekommen war. Doch Johns Anwesenheit hielt mich weiterhin zurück, einfach dort weiter zu machen, wo ich als die Türe sich geöffnet hatte, aufgehört hatte. Beim Weinen.
 

Und ich hatte schon damals in seinem Blick dieselbe Enttäuschung gesehen, die ich nun, zwei Jahre später. Und bis heute wurde ich nicht schlau daraus. Ich hatte keine Ahnung, was dieser Blick zu bedeuten hatte. Ich war nie dazu gekommen, ihn zu fragen und wenn ich Zeit dazu gehabt hätte, hatte ich es jeweils einfach vergessen.
 

Egal was er in diesem Augenblick dachte, er sprach es nicht aus und im Nachhinein hätte ich es gerne gewusst, damals schon, stattdessen meinte er lediglich, ohne auf die Tatsache zu reagieren, dass ich nackt war: „Lust auf.. ne heisse Schokolade?“ Ich hatte jetzt mindestens einen spöttischen Kommentar erwartet – ganz nach dem Motto: Na, was habe ich dir gesagt? Und er hatte ja auch Recht gehabt, erstaunlicherweise. Also hätte ich ihm die Freude sogar gelassen. Tiefer als jetzt konnte ich doch sowieso nicht mehr sinken – das dachte ich zumindest damals noch. Deswegen liess er mir wohl auch diese kurzen Minuten der Verwirrtheit, ehe ich mit dem Kopf nickte. Sprechen fiel mir gerade noch ziemlich schwer, denn meine Stimme war brüchig. Er sah mich noch einmal kurz an, ehe er das Zimmer verliess und die Türe hinter sich schloss. Erst jetzt bemerkte ich, dass er die heisse Schokolade eigentlich nur holen ging, damit ich die Gelegenheit hatte, mich wieder anzuziehen. Langsam erhob ich mich und torkelte durch den Raum, meine Klamotten zusammen suchen und sie mir dann der Reihe nach über zu streifen. Irgendwie fühlte ich mich schmutzig.
 

Als ich mich angezogen hatte, liess ich mich wieder auf dem Bett wieder. Dass es sich diesmal um Johns Bett handelte, war mir gar nicht klar, zu sehr war ich in meinen eigenen Gedanken versunken. Aber geweint hatte ich während ich mich angezogen hatte auch nicht – schon seltsam, hatte ich doch zuvor noch das Gefühl verspürt, gleich losheulen zu müssen. Ich fragte mich, was Bobby jetzt wohl machte. Wahrscheinlich sass er gerade neben ihr und… oh man, dieses Wort sollte ich nicht nehmen.. aber.. ja gut.. und fickte sie in Gedanken, weil er es in Echt nämlich niemals können würde. Ich schloss die Augen, obwohl das nur zur Folge hatte, dass ich mir noch mehr ausmalte, was die beiden wohl gerade taten und dass Rogue wohl keine Ahnung hatte, was Bobby gerade eben noch getan hatte – mit mir. Die Tür öffnete sich wieder und ich zuckte zusammen. Doch es war erneut John. Er kam mit zwei Tassen in der Hand, schloss die Tür hinter sich – was mit vollen Händen gar nicht einmal so leicht war – und liess sich dann langsam neben mir nieder. War ja schliesslich auch sein Bett – was mir jetzt auch auffiel.
 

John schwieg, er sah nicht einmal in meine Richtung. Stattdessen hielt er mir nur die Tasse vor die Nase. Ich nahm sie zögerlich und langsam und drehte ihm den Kopf zu. Ich war wütend und enttäuscht und irgendwie war John eben gerade der einzige, an dem ich das auslassen konnte, weshalb ich in eher unfreundlichem Tonfall meinte: „Ja, sags doch! Sag doch, was du sowieso sagen willst! Ich bin naiv, gutgläubig… du hasts mir von Anfang an gesagt. Blabla..!“ Ich schüttelte den Kopf und kämpfte mit den aufkommenden Tränen. Bobby hatte mich einfach alleine gelassen. Mit einer Ausrede, dass er noch mit jemandem verabredet sei. Und der Erklärung, dass er mit derjenigen Person noch etwas für die Schule tun müsse. Von wegen. Ich konnte mir selbst denken, bei wem er gerade war. Und es tat weh. Und wie es weh tat. Ich fühlte mich gerade so benutzt wie noch nie. Aber ich rechnete gar nicht damit, dass John sensibel genug sein konnte, um mich zu verstehen. Er hatte mir bis jetzt eigentlich bis auf dieses eine Mal, bei dem er mich vor Duncan beschützt hatte, nur die Seite von sich gezeigt, die man eigentlich nur verabscheuen konnte. Und den ganz kleinen Teil, der einem stutzig werden liess und der einem eventuell sogar nachfragen liess, wer er nun wirklich war, den hatte er geschickt und auf der Stelle mit Arroganz und absolut dreckigen Sprüchen überdeckt.
 

„Klar hab ich das gesagt.“ Meinte er mit einem Schultern zucken und ich konnte aus den Augenwinkeln sehen, dass er mir seinen Kopf zudrehte. „Aber ich wusste auch schon, als ich es sagte, dass du sowieso nicht auf mich hören würdest..“ Er schmunzelte leicht, es lag etwas Mitleidiges in diesem Schmunzeln. „Wieso solltest du auch auf jemanden wie mich hören? Was verstehe ich denn schon von Liebe.. richtig?“ Ich sah ihn an. Direkt in seine tiefen, braunen Augen. „Thaha.. was denkst du, wie viele Fehler ich schon gemacht habe?“ Er lachte leise auf und schüttelte dann leicht den Kopf: „Mum und Dad würden wohl sogar sagen, dass mein gesamtes Leben ein Fehler ist.. aber scheiss doch drauf.“ Er winkte ab und nippte stattdessen etwas an seiner Tasse. Ich tat es ihm gleich. Leicht verwundert über das, was er soeben gesagt hatte. Wollte er mich aufheitern und nicht, wie ich es erwartet hatte, niedermachen und noch mehr demütigen?
 

„Bist.. bist du auch schonmal.. einfach gegangen?“ Ich ging jetzt wirklich einfach einmal davon aus, dass er sein erstes Mal schon vor längerer Zeit hinter sich gebracht hatte. Von dem ausgehend, was wir bereits geredet hatten, von seinem Alter, seinem Charakter, seiner Art die Mädchen zu umgarnen. Ich wusste aber nicht, warum ich ausgerechnet ihn das fragte. Vielleicht weil er der einzige war, der gerade im Raum war. Der einzige, der mir gerade zuhörte – und das auf eine normalere Weise als Jubilation es getan hätte. Meine beste Freundin wäre sicherlich mit der erst besten Mistgabel auf Bobby los gegangen, um diesem klar zu machen, wie sehr er mich damit verletze.
 

John brauchte etwas Zeit. Vielleicht überlegte er sich, ob er nun ja oder nein sagen sollte oder vielleicht feilte er auch nur noch an den Worten, die er sagen würde. Er lehnte sich zurück, sodass er mit dem Rücken gegen die Wand lehnen konnte und sah dann zu mir. „Ja.“ Gab er eine ziemlich kurze Antwort und schien das auch sogleich zu merken. „Schon mehrere Male.. aber nicht immer.“ Fügte er deswegen an. Ich spürte wie mir noch mehr Tränen hoch kamen, konnte mich jedoch noch zurückhalten.
 

„Wieso bist du einfach gegangen?“ Fragte ich tonlos. Wahrscheinlich genau die Frage, der er hatte ausweichen wollen, denn er brauchte noch länger Zeit als zuvor.
 

„Weil es mir nichts bedeutet hat.“ Irgendwie hatte ich so etwas in der Art schon erwartet. Und gerade traf mich diese Aussage wirklich hart, dahingehend war es ziemlich taktlos von John, aber wenn ich so nachfragte konnte er ja kaum etwas anderes sagen und eine schlaue Ausrede auf die Schnelle zu erfinden, das ging nun auch nicht sonderlich gut. Diese Worte trafen mich, ähnlich wie ein Schlag ins Gesicht. Ich musste schlucken und versuchte die Tränen, die nun hochkamen einfach herunterzuschlucken. Ohne Erfolg. Einzelne Tropfen begannen über meine Wangen zu laufen. John merkte natürlich sogleich, dass ich wohl bald einen Heulkrampf erleiden würde, weshalb er mir geschickt die Tasse aus den Händen zog, sodass ich schonmal keinen Kakao verschütten konnte. Er stellt die beiden Tassen auf seinen Nachttisch.
 

„Aber manchmal bist du geblieben..“ Meinte ich nachdenklich und musterte den Feuerteufel, der es sich nun wieder an die Wand gelehnt bequem machte. Mittlerweile sah ich ihn nur noch verschwommen, da die Tränen schon zu sehr Überhand über meine Sehkraft gewonnen hatten. „Bist du schweigend neben ihr gelegen.. hast du sie in den Arm genommen..? Hast ihre Hand gehalten?“ John nickte bei allen Punkten die ich aufzählte und es erstaunte mich wirklich – wie gesagt, ich hielt ihn für absolut unsensibel und noch dazu gefühlslos.
 

„Das war das schönste an allem.“ Meinte er kaum hörbar. Jetzt sah ich ihn nicht mehr nur an, ich starrte ihn regelrecht an, weil ich es kaum glauben konnte, solche Worte aus seinem Mund zu hören. Dass mir mein Mund dabei nicht vor Verwunderung aufklappte, das war doch mehr als verwunderlich. Als er meinen Blick bemerkte, musste er verlegen schmunzeln. Und genau dieses verlegene schmunzeln gepaart mit diesem Satz sorgte dafür, dass ich meinen Gefühlen endlich wieder freien Lauf liess. Ich weinte und mir war dabei praktisch auch egal, dass er zusehen konnte. Im Gegenteil ich vergrub den Kopf in seiner Brust und weinte und ich spürte, wie er fast schon schützend den Arm um meine Schultern legte. Als wolle er mir damit zeigen, dass er mich beschützen würde. Vor allem, das noch kommen würde. Oder aber, dass er zumindest versuchen würde, mich zu beschützen.
 

Von diesem Tag an war für mich klar, dass John auch anders sein konnte, als er sich immer gab. Dass man nur etwas in die Tiefe gehen musste, um diese Seite von ihm zu finden. In den Momenten, in denen er so intelligente und einfach nur richtige Sätze von sich gab wie eben vorhin oder auch nach der Duncan Sache, fiel mir das besonders auf. Und von diesem Tag an waren wir Freunde. Wir kabbelten uns zwar immer gerne, aber jetzt kabbelten wir uns auf freundschaftlicher Basis. Aus Freunden wurden gute Freunde und schliesslich beste Freunde. Das einzig seltsame an unserer Freundschaft war, dass er immer und jederzeit für mich da war, wenn ich Trost brauchte, weil ich wieder Stress mit Bobby hatte – ja, ich habe mit der Bobby Sache nicht gleich abgeschlossen.. um ehrlich zu sein hat das meine gesamte Institutszeit belastet und mein erstes mal mit ihm sollte nicht das letzte Mal mit ihm bleiben… Aber zurück zu John! Er war immer für mich da, nur ich bekam fast nie die Gelegenheit für ihn da zu sein, da er seine Probleme lieber selbst löste und mir – wenn ich Glück hatte – danach noch davon erzählte. Aber das war immer das Problem in unserer Freundschaft. Ich glaubte zwar immer wieder, dass ich recht viel hinter seine Fassade blicken konnte, aber wenn ich so darüber nachdenke, dann hat John mir wohl auch ziemlich viel nicht gezeigt oder manche Teile einfach verschwiegen. Ich wäre ganz gerne Telepathin gewesen, dann hätte ich zumindest erkennen können, was John eigentlich dachte.
 

~ Johns Sicht:
 

Ich versuchte sie so sorgfältig wie möglich zu transportieren. Eine leichte Aufgabe, war sie doch genauso leicht wie eine Feder. Naja.. vielleicht etwas zu sehr untertrieben aber trotzdem: Erschreckend leicht, früher war sie schwerer gewesen – oder war ich stärker geworden? Nein.. wenn ich ihr Gesicht so betrachte, dann hat sie eindeutig abgenommen. Nur schon in den zwei Wochen ihrer Flucht. Aber davor wahrscheinlich auch noch. Schade um das schöne Gesicht, auch wenn es selbst ausgemergelt noch wunderschön war. Ich zwang mich, den Blick abzuwenden und schaffte sie stattdessen in Sicherheit, auch wenn es mir schwerer fiel, nachdem sie das Lied von früher angestummt hatte. Sie wusste wohl auch noch, dass es mein Lieblingslied war. Aber vielleicht sagte sie das auch nur in einer Art Delirium. Aber es erinnerte mich an die Alten Zeiten, die ich verdrängt hatte, und das genügte, um meinen Körper und meinen Geist in Aufruhr zu versetzen. Aber eigentlich war das auch schon vor ihrem Singsang geschehen gewesen, schon ab dem Moment, ab dem ich sie wieder gesehen hatte.
 

Ich legte sie erst einmal auf die Couch und deckte sie zu – ein Fehler, wie sich später noch herausstellen würde. Dann begab ich mich ins Badezimmer. Ich musste erst einmal duschen. Etwas Zeit für mich haben, zum nachdenken. Umso besser also, dass mein Kätzchen jetzt tief und fest schlief wie ein Engelchen. Ich schloss die Tür hinter mir ab und streifte meine teilweise blutbefleckten Kleider ab. Das Blut machte mir nichts aus, war auch schon öfters vorgekommen. Ich betrachtete mich im Spiegel und dachte nach. Es war alles ewig her und erschien deswegen wie in einem Traum und doch schaffte sie es noch immer, meinen Verstand von einem Moment auf den anderen in eine so ungewohnte Verwirrung zu bringen. Life sucks.. und shitt happens eben. Ich fuhr nachdenklich über eine der Brandnarben, die gefährlich quer über meine Brust verlief… Ich fühlte mich so verdammt schmutzig. Ich war Dreck, schon immer gewesen. Wie hatte mein Dad immer gesagt: Sogar die Kakerlaken in unserer Küche haben es mehr verdient zu leben, als du. Ich fuhr mit meinen Händen über meine Augen.
 

Ich liess das Wasser über meinen Körper rinnen, heiss, wie immer. Heute besonders heiss. Hitze löste irgendwie einen Rausch aus. Ähnlich wie früher Zigaretten – ganz früher, als ich noch klein war. Mit der Zeit kommt man in eine solche Abhängigkeit, dass man es kaum mehr spürt. Man braucht es zwar, spürt es aber nicht mehr. Wenn ich mir meine Kippen nicht klauen würde – oder sie von gestohlenem Geld kaufen würde – könnte man es Geldverschwendung nennen. Langsam begann ich, das schon etwas eingetrocknete Blut von meinem Körper zu waschen. Es tat gut, aber weniger schmutzig kam ich mir deswegen nicht vor. Sie hatte schon recht mit ihrer Meinung über mich.
 

Der Wasserdampf vernebelte die Sicht und hatte den Spiegel beschlagen. Ich wischte etwas über die glänzende Oberfläche, um mein Abbild zu betrachten. Die nassen Haare hingen mir noch leicht ins Gesicht. Meine Hand blieb auf der Spiegeloberfläche. Wieder dache ich nach. Über sie, über mich, über das was geschehen war, was wir hatten und was wir wohl niemals haben würden. Die Hand die auf dem Spiegel ruhte verkrampfte sich langsam zu einer Faust. Ich lehnte mich vor, bis meine Stirn auf der kühlen Spiegeloberfläche aufkam. Ich schloss die Augen.
 

„Wieso.. wieso verdammt tue ich das..?“ Es war nur ein leises Flüstern, als hätte ich Angst, dass sie mich belauschen könnte. Dumm von mir. Ich war eben doch ein Idiot. Sie schlief sicherlich noch immer zuckersüss. Sie hatte es verdient. Ich verdiente ganz anderes…
 

~Back to Kittys Sicht:
 

-„So ist das also..

„Du hast dich also doch kein Stück verändert.

Es ist wie es immer war. Genau wie früher, was?“-
 

„Ja, so ist das also“ Meinte ich nach einigen Minuten des Zögerns, während John sich seitwärts gegen den Türpfosten lehnte. Er war ganz klar kräftiger geworden als früher. Sein Körper war zwar immer noch schlank und sportlich, hatte aber ganz klar mehr Muskeln. So halbnackt wurden auch die zahlreichen Brandnarben entblösst, die seinen Köper zierten und mich abermals stutzig werden liessen. Doch bevor ich etwas darüber bemerken konnte, meinte John in verachtendem und spöttischem Tonfall – ganz das Gegenteil seines vorigen Verhaltens:
 

„Thahaha… Du bist und bleibst also doch das naive, dumme kleine Mädchen von früher, dass man ausnutzen kann, wie man will.“ Er lachte dreckig auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Bei dem hämischen Grinsen, das auf seinem Gesicht lag, war mir sogleich klar, dass das noch nicht das Ende gewesen war. Dass er nur gerade ausholte, um mich mit Worten zu vernichten. Meine Erwartungen wurden natürlich nicht enttäuscht: „Ich meine, Bobby brauchte doch auch bloss zu schnipsen und du hast dich von ihm ficken lassen. Immer..“ Die letzten Worte liess er sich auf der Zunge zergehen: „Und immer.. wieder.“ Dabei besass er auch noch die Frechheit, Stöhnlaute von sich zu geben und Bobbys Namen zu hauchen. Bobby.. Bobby.. Oh Bobby, gibs mir.. fick mich. Ich ballte die Hände zu Fäusten und mein gesamter Körper verkrampfte sich
 

„Und bei Pietro is das doch genauso. Du hättest dich doch von ihm ficken lassen, wenn ihr etwas mehr Zeit gehabt hättet.. wart ja sowieso schon halb dabei… Im Grunde bist du ziemlich leicht zu haben.“ Fügte John noch hinzu. Ich funkelte ihn wütend an. Hätte ich nicht!! Wie konnte er es wagen so etwas zu sagen. Oder hätte ich doch…? Ich konnte es nicht sagen. Manche Dinge passieren einfach. Und das viel zu schnell. Ich musste mich regelrecht zu einem Grinsen zwingen. Aber langsam reichte es wirklich!
 

„Vielleicht bin ich leicht zu haben, aber nur, wenn der Typ nett ist.“ Ich verteidigte Pietro gerade. Auf die Anspielung, dass ich mich wie eine Schlampe aufführte, ging ich gar nicht ein. Er musste mir nicht schlampiges Benehmen vorwerfen. Er war der letzte, der das konnte – genau wie er viel von mir wusste, wusste auch ich von praktisch jeder Bettgeschichte, die er während der Zeit am Institut gehabt hatte. Ausserdem konnten wir uns diese Diskussion sparen, denn er und ich wussten, dass das nicht stimmte. John hatte mich damit sowieso nur provozieren wollen.
 

Der Feuerteufel sah mich kurz mit einem – sogar für mich – undefinierbaren Blick an. Dann lachte er bitter auf und schüttelte langsam den Kopf. Seine braunen Augen fixierten mich ernst, als er meinte: „Pietro ist ein Arschloch!“ Er kannte den Weisshaarigen – woher auch immer – sicherlich besser als ich. Aber trotzdem glaubte ich ihm nicht. Vielleicht erzählte er auch einfach etwas, um den Weisshaarigen schlecht zu machen – aus welchem Grunde auch immer. „Aber du hasts ja am liebsten, wenns dir Arschlöcher besorgen.“ Fügte John hinzu und beleidigte im selben Zug auch noch Bobby. Aber diesmal hatte ich eine schlagfertige Antwort bereit:
 

„Dann wunderts mich aber, dass wir nur einmal gevögelt haben.“ John zog eine Augenbraue hoch. Denn das war das erste Mal, dass ich das sogenannte Tabuthema ansprach. Das Thema, das wohl nicht wenig damit zu tun hatte, dass er einfach gegangen war und ich ebenfalls so schnell, wie ich hatte gehen können. Aber ich sprach das Thema ja auch nicht an, um darüber zu reden, sondern nur, weil ich es benutzen wollte, um mich endlich gegen seine Worte zu wehren.
 

Langsam erhob ich mich, den beissenden Schmerz in meinem Bein ignorierend. Währenddessen fuhr ich fort: „Ja, ich wundere mich wirklich, dass wirs nicht jeden Tag getrieben haben, wo du doch das grösste aller Arschlöcher bist! Er war so verdammt mies. Immer. Obwohl nicht immer gewesen. Früher nicht ganz, nur manchmal. Er wusste einfach viel zu viel über mich, doch im Unterschied zu früher, sprach er es jetzt auch aus und nutzte es, so oft er nur wollte, als Waffe. Er führte mir immer mal wieder die Fehler meiner Vergangenheit vor Augen. Die Fehler, die ich doch mit so viel Mühe und Aufwand verdrängt hatte.
 

John sagte nichts, überhaupt nichts – und das hätte mir irgendwie sagen können, dass das, was ich eben gesagt hatte ihn verletzte, aber so wirklich. Aber stattdessen fuhr ich fort, denn ich war ebenfalls verletzt: „Und jetzt, da das naive Dummchen dir nicht weiter auf die Nerven gehen möchte, wird es verschwinden.“ Ich setzte mich langsam in Bewegung. Die ersten Schritte waren noch ziemlich wackelig, aber ich konnte es recht gut verdecken. Ich phaste mich direkt durch ihn hindurch. Ich wusste, wie sehr er das hasste. Früher hatte ich es nie getan, ohne seine Erlaubnis, aber früher war vorbei. Früher würde niemals wiederkommen – leider. Und früher hatte er auch niemals über Dinge gesprochen, die er mir nun ganz offen und Schritt für Schritt präsentierte. War doch nur fair, wenn ich dasselbe tat. „Auf Nimmerwiedersehen.“ Meinte ich trocken und hörte ihn daraufhin nur dreckig auflachen. Ein Beweis dafür, dass es ihm egal war. Wie immer.
 

Ich kam durch die Tür, ging den Gang entlang und war wieder im Wohnzimmer. Pietro hatte sich inzwischen wieder seiner Coke gewidmet und hatte noch den Fernseher dazu angemacht. Als er mich hörte, drehte er den Kopf zu mir und schenkte mir erstmal ein Lächeln. Er hatte sich einen Teil eines Papiertaschentuchs in die Nase gesteckt um die Blutung zu stoppen – Wenn John zuschlug, dann wohl ziemlich hart. Mir war nicht nach lächeln aber trotzdem zuckten meine Mundwinkel leicht. Ich ging wortlos in Richtung Ausgang – wo ich ihn zumindest vermutete. Du gehst schon..? Hoffentlich nicht meinetwegen.“ Meinte der Weisshaarige. Es war ein entschuldigender Unterton zu hören. „Ich meine.. Ist er sauer, wegen dem Kuss…?“
 

Ich warf einen Blick in die Richtung aus der ich gekommen war und rollte mit den Augen. Dann meinte ich: „Nein.. nein nicht deinetwegen und nein John kanns egal sein, wen ich küsse.“ Ich war nachdenklich als ich meinte: „Es ist ihm sowieso egal, wen ich küsse.“ Ich war ihm genauso egal und er war mir egal. „Aber ich würde jetzt lieber gehen..“ Ich drehte mich wieder um und machte einige Schritte weiter – natürlich wieder mit Startschwierigkeiten.
 

„Schade..“ Meinte der Weisshaarige etwas leiser und fügte dann hinzu: „In Unterhosen?“ Er grinste. Ich sah an mir herab. Ohja.. in meiner Wut hatte ich das ja ganz vergessen.
 

„Ja, lieber als noch länger hier zu bleiben!“ Meinte ich bestimmt. Jetzt fiel mir auch erst auf, dass Pietro wahrscheinlich zumindest einen Teil von meiner und Johns ‚Unterhaltung‘ mitbekommen haben musste. Ich hoffte jedoch, dass er nicht wusste, warum ich ging. Denn die letzten Worte, die wir gewechselt hatten – diejenigen, mit dem meisten Inhalt – waren wieder in normaler Tonlage gewesen. Wahrscheinlich hatte er deshalb auch das Ende nicht gehört. Zum Glück. Das waren Dinge, die niemand hören musste, der es nicht bereits sowieso schon wusste.
 

„Wiedersehen.“ Meinte Pietro und zog seine Augenbrauen nach oben. Ich rollte erneut mit den Augen. Diesmal aber nur spasseshalber, was mein darauffolgendes Grinsen ihm wohl auch verriet, denn er grinste ebenfalls wieder.
 

„Mal sehen.. Glaube eher nicht.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Liegt aber nicht an dir.“ Fügte ich hinzu, denn ich wollte immer noch, dass er nicht dachte, dafür verantwortlich zu sein. Dann drehte ich mich noch einmal um und ging. Den Ausgang zu finden war einfach, ich hatte richtig gelegen. Dass ich mich in einem edlen Hochhaus befand, wurde mir erneut bestätigt, als ich den hübschen Gang sah, der zum Lift führte. Auf einem Stockwerk befand sich nur eine Wohnung. Ich drückte den Knopf und während ich darauf wartete, dass die Lifttüren aufsprangen starrte ich nachdenklich Löcher in die Luft. Es brauchte nur zwei Wochen, um mein gesamtes Leben gänzlich auf den Kopf zu stellen. Das war doch nicht zu fassen. Ich musste nur einmal auf John treffen und alle alten Erinnerungen begannen hochzukommen und ich konnte noch so tun, als ob es mir nichts ausmachte. Das änderte auch nichts daran, dass plötzlich alles wieder so real und so nah erschien. Und meine Eltern waren tot.. immer noch… und sie würden es auch immer bleiben.
 

Ich betrat den Lift und drückte einige weitere Knöpfe. Der Aufzug setzte sich in Bewegung und die Anzeige über der Tür zeigte mir die Stockwerke an, die zurückgelegt wurden. Ich schloss die Augen und lehnte mich gegen die stählerne Wand. Es war der blanke Wahnsinn jetzt einfach zu gehen und das – wie von Pietro richtig bemerkt – lediglich mit Unterhosen bekleidet. Aber mir blieb nichts anderes übrig. Ich hatte es zwei Wochen alleine geschafft, ich würde es auch noch weiter alleine schaffen. Ich brauchte keine Hilfe und Johns Hilfe schon gar nicht.
 

Die Türen sprangen auf. Wenn man vom Teufel sprach…
 

John stand vor dem Aufzug. Ich sah ihn überrascht an. Es hatte nur einen einzigen Aufzug in dem Hochhaus. Er musste also die Treppe genommen haben – sprich: gerannt sein. Das sah ich seinem schnellen Atem auch an, obwohl er es so gut wie möglich zu verbergen versuchte, genau wie ich zu verbergen versuchte, dass mein Bein immer noch schmerzte. Er hatte auch lediglich das Handtuch gegen eine Boxershorts eingetauscht und lief so immer noch mit blankem Oberkörper herum. Wieder wurde mein Blick von seinen Brandnarben abgelenkt, als er noch recht atemlos meinte:
 

„Du bleibst.“ Es war kein Befehl. Keine Aufforderung, mehr eine Bitte. Auch wenn er niemals wirklich das Wort ‚Bitte‘ hinzugefügt hätte. Und auch wenn er niemals zugegeben hätte, dass er mich gerade darum bat. Es war so gesehen eine Feststellung. Da ich nichts sagte, schien er zu glauben, dass er dies wohl noch bekräftigen musste, weshalb er wiederholte – diesmal sogar bereits so erholt, dass er in normalem Tonfall reden konnte:
 

„Du bleibst!“
 

~
 


 

Es war wirklich schwer auszumachen, wie gross der Raum war. Das lag daran, dass keine Lampen brannten und nur ein wenig Licht von einem Fenster an der Decke des Raumes hineinschien. Das liess vielleicht einen Teil der Wand unklar erscheinen, aber der Rest war trotzdem noch von Dunkelheit verhüllt. Der Raum musste also auch eher hoch sein, denn das Fenster war ganz klar so gemacht worden, dass man es von unten niemals schaffen würde, nach oben zu klettern. Denn das, was das Licht von der Wand preis gab war, dass sie absolut kahl war. Kühl und aus Beton gebaut. Doch die Dunkelheit wäre gar nicht einmal so schlimm gewesen, wenn nicht auch so eine unheimliche Stille geherrscht hätte. Als ob man andeuten wollte, dass da draussen nichts mehr war, dass, wer sich in dem Raum befand, ganz alleine war. Es war wie in einem schwarzen Loch zu verschwinden und nie wieder aufzutauchen.
 

Die Tür zum Raum wurde aufgerissen. Jetzt drang Licht herein und entfernt waren die Schreie einer Frau zu hören. Schmerzensschreie, die einem das Blut in den Adern gefrieren liessen und die einem dazu brachte, sich zu fragen, was sie wohl gerade durch machte. Und dann fragte man sich, ob man das selbige ebenfalls durchmachen müssen würde und als nächstes hegte man den egoistischen Gedanken, froh darüber zu sein, dass man nicht an der Stelle der Frau war. Ihre Schreie waren zu einem abgebrochenen Schluchzen geworden, das immer wieder unterbrochen wurde. Vermutlich während den Sekunden, während denen man einen Schlag auf sie nieder sausen liess. Der Fantasie waren da keine Grenzen gesetzt.
 

Das Licht, dass nun in den Raum drang entblösste einen jungen Mann, der fest an einen eisernen Stuhl, der am Boden festgeschraubt war, befestigt war. Er hatte den Kopf gesenkt, denn das Licht blendete ihn, so sehr hatten sich seine Augen bereits an die Dunkelheit gewohnt. Jetzt ging das Licht ganz an. Er kniff die Augen zusammen, doch das half auch nicht lange, denn das Licht war so stark, dass es – zwar nur in gedämpfter Form – trotzdem zu seinen Augen durchdrang. Die Türe war wieder geschlossen worden. Lächerlich.. als ob er auch nur die geringste Chance hatte, abzuhauen. Die Handschellen waren fest. Sein gesamter Körper schmerzte noch von den Strapazen der Nacht, die sich langsam dem Ende zu neigte. Jemand klatschte ihm Wasser über das Gesicht, ungeachtet dessen, dass so der restliche Teil seines Körpers ebenfalls pitschnass wurde. Der junge Braunhaarige blinzelte und musste nun gezwungenermassen sowohl den Kopf öffnen, als auch die Augen, wenn er wollte, dass das Wasser abtropfte. Er schüttelte den Kopf leicht, um den Hauptteil des Wassers zumindest aus seinem Haar zu bekommen. Dann sah er mit zusammengekniffenen Augen hoch zu seinem Besucher. Oder besser gesagt seinen zwei Besuchern. Der eine war ein glatzköpfiger Junge, der nahe bei der Tür stand und selbst ziemlich verschüchtert wirkte. Der andere war ein Mann, wohl etwas älter als er selbst aber auch noch nicht sonderlich alt. Er hatte braunes Haar und wohl eigentlich braune Augen. Jedoch war von diesen Augen das eine weiss-bläulich – er war wohl blind auf jenem Auge – und die betroffene Gesichtshälfte war gezeichnet von einer Brandnarbe.
 

Der Braunhaarige konnte nicht anders als aufzulachen. „Ach.. Avalanche.. sag bloss, ihr Idioten habt sie noch nicht?!“ Er schüttelte leicht den Kopf, seine eisig blauen Augen blitzten scharf zwischen den Liedern hin durch. Sie mochten vielleicht ziemlich viel Müdigkeit ausstrahlen, aber auch einen Willen, der nicht so leicht zu brechen war. „Oder woran liegts sonst, dass ich noch am Leben bin?“ Er lehnte den Kopf zurück und hatte nun beste Aussicht auf die Decke und das einzelne Fenster. Er hatte genug lange Zeit gehabt, um sich auszumalen, wo er war, und was man nun mit ihm vorhatte. Aber die erste Frage hatte er nicht beantworten können, da er kaum Anhaltspunkte dafür hatte und die zweite Frage.. tja, war ihm ebenfalls immer noch ein Rätsel. Seinen gesamten Wert für sie hatte er doch eigentlich schon verloren.
 

Der Braunhaarige verzog missbilligend den Mund und verpasste dem Gefangenen einen Kräftigen Faustschlag gegen dessen Kinn. Nur mal so aus reiner Vorsorge und weil etwas Gewalt zur Einschüchterung ja sowieso niemals schadete. Er unterdrückte ein weiteres Lachen und sammelte stattdessen das Blut, welches langsam in seinem Mund zusammenlief und sich mit Spucke vermischte. Das war auch der Grund, weshalb er gezwungenermassen den Mund hielt, niemals hätte er es auf Befehl des Braunhaarigen getan. „Und niemand hat davon gesprochen, dass wir sie gefangen nehmen wollen.. nicht jetzt.“ Er grinste vor sich hin und beugte sich dann leicht vor, um leiser zu sprechen können: „Weisst du, mit wo und mit wem sie zuletzt gesehen wurde?“
 

Bobby wich etwas zurück, so weit er eben in seiner Lage zurückweichen konnte. Sein Blick wanderte kurz zu den kleinen Jungen, der so unscheinbar wirkte und von dem doch eine unglaubliche und lähmende Macht auszugehen schien. Er hielt immer noch den Mund. Wenn er jetzt etwas sagte würde er sein Blut in Regenform auf seinen eigenen Hosen verteilen. „In Pyros Armen.“ Avalanche grinste noch breiter, als er Bobby diese Neuigkeit auf dem Serviertablett überbrachte. „Ganz recht.. dich lässt sie im Stich und ihn..“ Weiter kam der Braunhaarige nicht. Bobby hatte ihm den gesamten Inhalt seines Mundes ins Gesicht gespuckt:
 

„Du verdammter Bastard!!“ Brüllte der Eismutant und sein Widerstand gegen die Fesseln wurde grösser. Er versuchte, seine Kräfte einzusetzen um die Fesseln zu gefrieren, in der Hoffnung, sie würden danach brüchiger werden. Doch nicht einmal mehr seine Kräfte funktionierten. Bobbys Augen weiteten sich und er warf einen raschen Blick zu dem kleinen Jungen. Dann versuchte er mit roher Gewalt vom Stuhl loszukommen. Schutzlos war er so einem zweiten, diesmal wirklich sehr harten Schlag des Braunhaarigen ausgeliefert. Er bemühte sich, so zu tun, als wäre das alles leicht hinzunehmen. Avalanche lachte dreckig auf, während er sich mit einem Taschentuch das Gesicht abtupfte und umdrehte. Lässig schlenderte er aus dem Raum. Gleich würde es wieder dunkel werden und gleich würde ihn wieder niemand hören. Dessen war Robert Drake sich vollends bewusst, weshalb er einige letzte Worte brüllte, die Avalanche sich noch anhören musste:
 

„Wie kannst du das nur tun?!! Du bist ein Mutant verdammt. Du scheiss Verräter!!!“ Die Tür schloss sich mit einem Ächzen. Urplötzlich war es wieder gespenstig still. Es blieb auch einige Minuten so still, bis kaum hörbar zu hören war, wie jemand weinte – und sich dagegen sträubte. Wie Avalanche das tun konnte.. das war Bobby ganz klar. Chip eben. Aber seine Worte waren auch nicht gänzlich nur auf eben jenen Mutanten, der gerade den Raum verlassen hatte, bezogen.
 

Chapter Five: Das grösste aller Arschlöcher - end



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Kokoro-
2013-07-01T12:23:53+00:00 01.07.2013 14:23
Tja, Bobby. Schon mal was von Karma gehört? :D
Nutzt du Kitty blöde aus und lässt sie weinend in deinem Bett liegen, wirst du Jahre später an Stühle gefesselt und geschlagen. So is das, wenn du so n Furz ist!

Ich liebe die beiden in dieser Story! Einfach zu gut! Und wie immer war der Flashback so herrlich passend ♥
Als er sie dann eingeholt hatte und meinte: Du bleibst!, Aww >< Eine so tolle Szene! Stell ich mir so super vor, so schöne Stimmung und hauptsache beide in Schlüppis :D Herrlich ♥

Aber Kitty und Pio! NOOOOOO!!! Nicht mal nur ein Kuss, nicht mal wenn sie dachte er wäre nett. NO NO NO! Pierto kusch! Soll spazieren gehen, damit die beiden ungestört in der geilen Wohnung sind ;)

I love it ♥
Antwort von:  kittyleinchen
02.07.2013 21:47
was haben nur alle gegen Bobby...? :P

das mit pio tut mir leid. das war ein fehler. im nachhinein. aber das kapi ist zu gut geworden ums zu ändern und ausser pio war da ja keine Figur die man dazu hätte benutzen können. :P
Von:  kiks
2010-03-12T22:54:38+00:00 12.03.2010 23:54
Sie bleibt.

Tolles Kapitel, auch wenn mir Bobby am Arsch geht.

Ich will viel mehr direktes Kyro.

Sex, Gefühl, Liebe, Kuss.

herz.


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