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Kristallherz

von

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Trennung

Wie erwähnt, war dieser graue Herbsttag ein historischer für mich, bescherte er mir doch zum ersten Male den Aufenthalt auf einer Polizeiwache. Doch vermutlich zäume ich das Pferd beim Schwanz auf. Viel bedeutender als diese Ortpremiere ist der Grund, aus dem ich hier bin, auf meine kurzen, sauberen Fingernägel starre und warte. Letzteres tue ich im Übrigen äußerst ungern. Pünktlichkeit ist mir wichtig. Dass Aufgaben ordentlich, aber zügig bearbeitet werden, ebenfalls. Nein, ich warte wirklich nicht gerne.

Einmal wollte ich mit Sarah ins Kino. Ich stand vor dem Eingang, es regnete. Einen Schirm hatte ich nicht. Vorher war es schön gewesen. Es hatte die Sonne geschienen, als wolle sie mir weismachen, dass es ein guter Tag werden würde. Ich hatte mein Abitur vor kurzem erfolgreich beendet. Meine Schwester hatte noch vier Jahre Zeit, bevor sie sich diesen Prüfungen stellen musste. Die meinen jedoch langen hinter mir, dachte ich bedauernswerter Tor, nicht ahnend, dass die ärgsten noch vor mir lagen.

Ich stand da, sah auf meine Uhr, von steigender Nervosität und Unruhe erfüllt. Es war nicht weit vom Gymnasium zum Kino. Der Niederschlag hatte mich ganz durchdrungen, unangenehm klebten meine nassen Kleider an meiner Haut. Ich fühlte mich, als würde mit dem Wasser Traurigkeit in mich einlaufen. Ob Sarah etwas passiert war? Sie war ein vorsichtiges Mädchen, handelte bedacht, ohne abweisend oder zu ruhig auf andere zu wirken. Ich fraß ihr aus der Hand. Ich glaubte, alle müssten sie lieben. Trotzdem hatte ich ein schlechtes Gefühl.

Schließlich trieb mich die Angst vorwärts, in unsteten, hastigen Schritten, immer schneller Richtung Schule. Sarah stand da. Neben ihr ein Junge, den ich noch nie gesehen hatte. Er hielt einen Schirm über sich und meine Schwester. Sie war schön, doch in diesem Augenblick war sie hässlich, weil sie seine Führsorge spiegelte. Sarah bemerkte mich nicht oder aber sie übersah mich geflissentlich.

Ich kehrte um und wartete weiter vor dem Eingang zum Kino. Der Film lief schon einige Minuten, als sie völlig aus der Puste ankam und sich verlegen lachend mehrmals entschuldigte, dass sie zu spät kam. Die Wellen ihrer Haare fielen wirr über ihren Rücken, doch der Regen hatte sie nicht in ein dunkleres Braun getaucht. In der einen Hand hielt sie seinen Schirm.

Das war der Beginn unseres Auseinanderlebens. Ihre eigenen Freunde wurden wichtiger für sie, auch mit Jungen ging sie aus. An ihrem siebzehnten Geburtstag stellte sie unseren Eltern ihren ersten Freund vor. Ich kannte ihn schon. Sarah hatte mir viel früher von ihm erzählt, als irgendjemanden sonst. Womit ich diese Strafe verdient hatte, konnte ich mir nie ganz erklären. Ob es mit der Ohrfeige zusammenhing, die ich ihr vor Jahren gegeben hatte? Aber dies konnte nicht der Fall sein, würde das doch bedeuten, dass ihr Verzeihen geheuchelt gewesen wäre. Sarah verstellte sich nicht. Sie war offen und ehrlich. Wie kam sie zu dieser Grausamkeit? Die Schuld konnte nur bei ihrem Freund liegen, das war mir schon damals klar.



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