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Prison Break

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Prison Break
 

Es war ein düsterer Tag. Schon seit Stunden hingen schwere Nebelwolken in der Luft und verbreiteten eine depressive Stimmung. An solchen Tagen zog es Sam für gewöhnlich vor ihre Wohnung nicht zu verlassen und sich mit einer heißen Tasse Tee, in eine Decke eingemummelt vor den Fernseher zu legen, doch heute sollte ihr das nicht vergönnt sein.

Sie war gerade aus der Dusche gekommen und ihre Haare waren noch feucht, als sie mit einem Handtuch über den Schultern die Küche betrat. Das Wasser, welches sie bereits vor einer halben Stunde aufgesetzt hatte, kochte inzwischen und sie goss es in die Tasse, die auf der Anrichte stand. Mit dem Tee in der Hand setzte sie sich an den Tisch, der unter einem großen Fenster stand, das den Blick auf die nahegelegene Bank freigab. Sie schlug die Zeitung auf, die sie heute Morgen auf den Tisch gelegt hatte. Sam las im Grunde nicht gern von all dem Leid, das in der Welt passierte, doch sie verdankte dieser Zeitung ihr Leben, denn sowohl ihre Wohnung waren vor etwa fünf Jahren darin ausgeschrieben gewesen. Jetzt, wo sie darüber nachdachte, kam es ihr fast etwas seltsam vor, denn beides hatte in derselben Ausgabe gestanden. Plötzlich wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, denn ein gedämpfter Knall ließ sie aufschrecken. Es klang wie der Schuss einer Pistole. Das Telefon stand nur wenige Schritte entfernt und so schaffte sie es in sekundenschnelle es zu ergreifen und die Nummer der Polizei zu wählen. „Notrufzentrale, Chicago.“, meldete sich eine Frau am anderen Ende der Leitung, „Wie kann ich Ihnen helfen?“ „Ich möchte einen Überfall melden.“, brachte Sam abgehackt hervor und wartete auf weitere Fragen. „Wie ist Ihr Name?“ „Sam… Samantha Bagwell.“ „In Ordnung, Miss Bagwell, wo ist der Überfall geschehen?“ „In der Zentralbank von Chicago, in der St. Joseph-Street.“ „Befinden Sie sich am Tatort?“ „Nein, ich hörte einen Schuss von meiner Wohnung aus.“ „Wir werden sofort eine Einheit dorthin schicken. Vielen Dank für Ihre Hilfe, Miss Bagwell, Sie haben zur Sicherheit unserer Stadt beigetragen.“ Ohne ein weiteres Wort legte die Frau auf und auch Sam legte ihr Telefon ab. „Wohl eher nicht.“, kommentierte sie die letzten Worte der Frau, bevor sie sich zurück an den Tisch setzte und versuchte ihre Nerven zu beruhigen. Sie sah auf ihre Uhr: 7.30 Uhr – es war noch etwas Zeit, bis sie zur Arbeit musste, also beobachtete sie den Nebel, der sich langsam aufzulösen schien.

Die Polizei war erstaunlich schnell vor Ort, Sam hatte nur wenige Minuten warten müssen. Die Hubschrauber durchbrachen den Nebel endgültig und die Streifenwagen parkten kreuz und quer vor dem Haupteingang der Bank. Sam war zu weit oben, um genau sehen zu können, was sich dort unten abspielte, doch es interessierte sie auch nicht wirklich. Sie hörte nur auf die Megafonansage, die einer der Beamten an den Täter stellte: „Legen Sie die Waffe nieder!“ Offenbar war darauf keine Reaktion gefolgt, denn die Ansage wurde wiederholt, doch nun etwas schärfer: „Legen Sie SOFORT Ihre Waffe ab!“ Nun folgte der Täter scheinbar dem, was von ihm verlangt wurde, denn der Polizist fuhr etwas sanfter fort: „Das Gebäude ist umstellt, kommen Sie mit erhobenen Händen heraus, dann wird Ihnen nichts geschehen!“ Inzwischen war Sams Adrenalinspiegel erheblich angestiegen und sie wusste, dass sie bald zur Arbeit aufbrechen musste, doch sie konnte sich von der Szene, die sich ihre vor ihrem Fenster bot, nicht losreißen. Es war ein Mann, der die Bank verließ und am Eingang von zwei Polizisten in Empfang genommen wurde. Zunächst legten sie ihm Handschellen an, dann wurde er in einen ihrer Wagen verfrachtet. Sam trank ihren Tee aus und schnappte sich ihre Handtasche auf dem Weg zur Wohnungstürm die sie hinter sich verschloss. Während sie das Treppenhaus hinunterging, wurde er weggefahren, doch das war ihr bereits klar gewesen, als sie den Anruf getätigt hatte.

Der Weg zur Schule führte Jess wie jeden Morgen auch heute an vielen Häusern vorbei, die dem, welches sie mit ihrem Vater bewohnte, so ähnlich waren. Das Viertel, in dem sie wohnte, genoss ein ziemlich hohes Ansehen, den die teuren Häuser mit den stets gepflegten Gärten gehörten allesamt Menschen, die zwar Geld in Hülle und Fülle besaßen, doch meist nur den Schein eines glücklichen Lebens wahrten. Jess‘ Vater war ein hochrangiger FBI-Agent, der morgens früh zur Arbeit fuhr und abends erst spät heim kam, weswegen sie oft allein war. Sie hatte sich mit der Zeit daran gewöhnt und war schon früh selbstständig geworden, was ihr in mancher Hinsicht noch sehr von Vorteil sein sollte. Sie war schon fast in ihrer Schule angekommen, als sie von der Sirene eines Streifenwagens aus ihren Gedanken gerissen wurde. Wenige Sekunde später bog auch schon eines dieser blau-weißen Autos, die sie bereits zu genüge gesehen hatte, um die Kurve, die nur einige Schritte von Jess entfernt war. Als es an ihr vorbei fuhr, erblickte sie einen Mann, der auf der Rückbank saß und der zu ihr heraus sah. Ihre Blicke trafen sich nur für den Bruchteil einer Sekunde und trotzdem war Jess sofort in den Bann seiner unheimlich blauen Augen verfallen. Irgendwo hatte sie diesen Blick schon einmal gesehen, dessen war sie sich sicher, doch ihr fiel nicht ein wo. Es dauerte einige Augenblicke, bis sie im Stande war weiterzugehen. Der Wagen war schon längst um die nächste Kurve gebogen, als sie ihre Beine in die Hand nahm und die letzten hundert Meter zu Schule lief. Die blauen Augen des Mannes ließen sie den ganzen Tag nicht mehr los.

Sams Wagen – ein dunkelblauer Audi – parkte in der Tiefgarage des Mehrfamilienhauses, in dem sie wohnte. An der Wand, die sich gegenüber von ihrem Auto befand, war die Nummer 326 angebracht worden, die ihren ganz persönlichen Parkplatz markierte. Sie stieg ein und startete den Wagen. Dann fuhr sie aus der Garage und machte sich auf den Weg zu ihrer Arbeit. So früh am Morgen herrschte auf den Straßen von Chicago nur wenig Verkehr, weshalb sie nur wenige Minuten brauchte, bis sie ihr Ziel erreicht hatte. Das Gebäude, in dem sich unter anderem auch Sams Büro befand, bestand dem Anschein nach völlig aus Glas, welches jedoch schwarz gefärbt war, damit niemand ins Innere blicken konnte. Auch hier gab es einen Parkplatz, der einzig und allein für Sam bestimmt war. Jedem, der lange genug für den Secret Service gearbeitet hatte, stand solch ein Parkplatz zu, so auch Sams Partner Paul, dessen Wagen bereits in der Garage stand und neben den sie nun ihren parkte. Es roch wie immer sehr streng hier und so beeilte sie sich auf dem Weg zu dem Aufzug, der in das Stockwerk führte, in dem ihr Büro war. An der Tür zu diesem war vor nicht allzu langer Zeit ein Schild angebracht worden, auf dem ihr Name stand. Sie kramte in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel und nach kurzer Zeit fand sie, wonach sie suchte. Ihr Schreibtisch, der so stand, dass man, wenn man daran saß, dem Rücken zum Fenster hatte, war wie immer aufgeräumt und er sah noch immer genauso aus, wie vor 6 Jahren, als er ihr zugeteilt worden war. Sie hatte keine Fotos oder andere persönliche Dinge aufgestellt, denn ihre Familie war tot und Freunde hatte sie kaum welche, deshalb besaß sie auch keine Aufnahmen mit solchen, an denen ihr Herz hätte hängen können. Das Zimmer war kühl und abweisend, wie all die anderen Räume auch, denn niemand hier wollte seine Familie in berufliche Angelegenheiten hereinziehen – Menschen, die jemandem nahe stehen, sind ein zu leichtes Druckmittel. Der Computer auf dem Schreibtisch lief auf Standby und so musste Sam nur kurz die Maus anschieben, damit der Bildschirm aufleuchtete. Sie wurde nach einem Kennwort gefragt, das aus 13 Zeichen bestand und das sie jede Woche erneuern musste. Sie loggte sich ein und ihr Hintergrundbild erschien, es zeigte zwei schräg untereinander stehende „S“, die für Secret Service standen und die jeden Desktop in diesem Gebäudes schmückten. Sie erkannte die Verknüpfungen zu streng vertraulichen Dateien, die sich auf ihrem Rechner befanden und die schon oft über Leben und Tod entschieden hatten. Sie kam noch dazu eine Schublade zu öffnen, die eine Akte mit der Aufschrift „Lincoln Burrows“ beinhaltete, bevor es an ihrer Tür klopfte. „Herein.“, sagte sie höflich und ihr Partner Paul betrat den Raum. Er trug wie gewohnt einen schwarzen Anzug und hielt einen Zettel in der Hand. „Guten Morgen Sam, wie geht’s?“, fragte er mit seinem dauerhaften Grinsen im Gesicht und legte ihr das Papier auf den Tisch. „Ganz gut…“ Sie hielt kurz inne, als sie las, was dort stand: „Banküberfall – gemeldet von Samantha Bagwell“ „und wie geht es dir heute?“, wollte sie wissen, ohne sich ihre Verunsicherung anmerken zu lassen - Darin war sie schon immer sehr gut gewesen. „Muss ja ein aufregender Start in den Tag gewesen sein.“, meinte er und sie sah zu ihm auf. „Willst du auf etwas Bestimmtes hinaus?“ „Der Täter verhielt sich laut Zeugenaussagen äußerst ungewöhnlich. Hast du etwas sehen können?“ Sam schüttelte den Kopf. „Ich meldete den Einbruch, als ich einen Schuss hörte, aber ich war zu weit weg um etwas erkennen zu können.“ „Wir sollten ihn überprüfen.“ Sie nickte langsam und öffnete ein Programm auf ihrem Computer. „Wie ist sein Name?“, fragte sie und Paul trat hinter ihren Schreibtisch, doch vorher gelang es ihr noch die Schublade, die sie vor seinem Eintreffen geöffnet hatte, zu schließen. „Michael Scofield“, sagte er triumphierend und beugte sich näher an den Bildschirm, während Sam den Namen eingab und die Suche startete.

Nächste Woche begannen die Herbstferien, doch die Lehrer waren schon jetzt nicht mehr in der Stimmung sorgfältig ihren Unterricht zu halten oder Hausaufgaben aufzugeben, außerdem waren so kurz vor den Ferien immer die Hälfte der Belegschaft krank, weshalb die Schule heute vorzeitig beendet wurde. Es waren gerade erst 10 Uhr, als Jess sich bereits auf den Heimweg machte. Bei jedem Auto, das an ihr vorbei fuhr, musste sie an den Mann auf der Rückbank des Polizeiwagens denken. Es dauerte nicht lange, bis sie zu Hause war und als sie den Flur betrat, entdeckte sie eine Akte auf der Kommode mit dem Vermerk „Michael Scofield“. Sie war sehr dünn und da Jess der Name nichts sagte, beachtete sie sie nicht weiter. „Dad?“, rief sie, doch niemand antwortete – wie sie erwartet hatte. Sie beschloss zunächst ihre Tasche abzulegen, um dann wieder nach draußen zu verschwinden. Einige Straßen weiter sahen die Häuser zwar nicht schlecht, aber auch nicht so prachtvoll, wie in ihrem Viertel aus. Sie ging zu einem bestimmten Haus, dessen Putz hellgelb war und vor dem ein Auto parkte. In der letzten Zeit war sie fast jeden Tag hierher gekommen, doch sie hatte sich nie getraut zu klingeln. Heute jedoch wollte sie es tun. Früher war sie hier oft gewesen. Es war ihr immer als eine Art zweites zu Hause erschienen, denn ihr bester Freund LJ und seine Familie waren stets gut zu ihr gewesen, doch seine Eltern waren nie das gewesen, was man sich unter glücklich vorstellte, im Grunde hatten sie nie vorgehabt eine Familie zu sein. Als sein Vater allerdings ins Gefängnis kam und seine Mutter einen neuen Partner kennenlernte, veränderte LJ sich so sehr, dass selbst Jess keine Chance mehr hatte zu ihm durchzudringen. Sie ging nun die Stufen zur Haustür hinauf und legte den Finger, dann atmete sie tief durch und drückte den Knopf. Kurz darauf hörte sie ein Poltern aus dem Innern des Hauses. Es war Lisa, LJ’s Mutter, die ihr die Tür öffnete. „Jess… Was machst du hier?“, fragte sie erstaunt. „Hallo, Misses Rix. Ich wollte nur wissen, ob LJ hier ist.“ „Nein, tut mir leid, er ist mit Freunden unterwegs. Soll ich ihm sagen, dass du hier warst?“ „Nein, nein… Sagen Sie ihm bitte nichts.“, stotterte Jess und stolperte die Stufen herunter, als ein Polizeiwagen vor dem Haus hielt. Jess blieb neben dem Weg, der zum Haus führte, stehen und beobachtete, wie der Fahrer die hintere Tür des Wagens öffnete und LJ ausstieg. Lisa war wie vom Blitz getroffen und auch Jess war verdutzt. Als der Polizist LJ an ihr vorbeiführte, konnte der sich einen Kommentar nicht verkneifen: „Muss Spaß machen, mich so zu sehen. Du bist mir vielleicht eine tolle Freundin!“ Sie fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen und während LJ nun die Stufen hinaufstieg, sah sie keinen anderen Weg, als wegzulaufen, was sie schließlich auch tat.

Inzwischen hatte Sam einiges über Michael Scofield herausgefunden und eine Akte über ihn angelegt. Er war 31 Jahre alt, von Beruf Statiker und der Banküberfall war sein erstes Vergehen gewesen. Seine Eltern waren beide tot und als Kind war er bei verschiedenen Pflegeeltern aufgewachsen. All das kam ihr sehr merkwürdig vor – es passte einfach nicht. Sie schloss die Akte und nahm sie mit in den Nachbarraum, in dem Paul an seinem Schreibtisch saß. „Warst du erfolgreich mit der Suche?“ Sam nickte und legte ihm die Akte hin. Er überflog sie und wirkte stutzig. „Wenn ich das hier so lese, denke ich: Wieso überfällt ein Statiker, der zuvor nie auffällig gewesen ist, eine Bank, obwohl er mehr als ausreichend verdient und versaut sich so seine ganze Zukunft? Ich werde das Gefühl nicht los, dass mehr dahinter steckt.“ „Vielleicht sollten wir ihm einen Besuch abstatten.“, meinte Sam und sah auf ihre Uhr. „Seine Verhandlung dürfte inzwischen beendet sein. Die peitschen das oft ziemlich durch.“ „Weißt du in welches Gefängnis er gebracht wurde?“ „Er wird wohl in Fox River sitzen.“ „Also gut, während du zu ihm fährst, werde ich mal mit seiner Anwältin sprechen. Irgendwas stimmt das nicht, da bin ich mir sicher.“ Er stand auf und sie verließen gemeinsam das Büro, auf dem Weg zu den Dienstwagen des Secret Service. Dann fuhren sie los und ihre Wege trennten sich, als sie aus der Garage fuhren.

Nun waren schon mehr Autos unterwegs, als am Morgen und so dauerte der Weg zum etwas außerhalb gelegenen Gefängnis Fox River eine gute halbe Stunde. Dort angekommen betrat Sam das Gebäude durch den Haupteingang und steuerte dann auf einen Mann zu, der darüber entschied, ob man eingelassen oder abgewiesen wurde. „Hallo, mein Name ist Samantha Bagwell, ich bin vom Secret Service.“, erklärte sie und hielt ihm ihren Ausweis hin. „Wie kann ich Ihnen helfen?“ „Ich möchte den Häftling Michael Scofield sehen. Er ist heute hier eingetroffen.“ „Es ist nicht üblich, dass so frisch angekommene Gefangene besucht werden.“ „Dann wird dies wohl eine Ausnahme sein. Bringen sie mich jetzt zu ihm!“, forderte sie eindringlich und schließlich gab der Wärter nach. Ein anderer Mann führte sie in den Besucherraum und sie folgte ihm. „Bitte warten Sie hier, wir bringen ihn hier her.“ Er ging und Sam setzte sich an einen der Tische. In dem Raum waren noch andere Menschen, die Häftlinge besuchten, doch an einem blieb ihr Blick lange kleben. Es war ein junger Mann, etwa 27 Jahre alt, der mit den Unterarmen auf den Tisch gestützt mit seinem Gegenüber sprach – dem Aussehen nach, schien er sein Anwalt zu sein. Sie wusste, dass sie ihn schon einmal gesehen hatte, doch sie konnte sein Gesicht nicht zuordnen. Erst Michael, der nun auf sie zukam, riss sie aus ihren Gedanken. Ales er sie erblickte, schien er zunächst etwas verblüfft, doch dann nahm er wieder seine gewohnt charmantes Lächeln an. „Dieses Outfit schmeichelt dir nicht sonderlich.“, meinte Sam und lächelte. „Wenn du es sagst, wird es wohl so sein.“ Er setzte sich und sah sie an. „Wie geht es dir hier?“ „Ich komme schon klar. Mein Plan wird aufgehen, ich weiß es.“ Sam schmunzelte. „Was ist mit deinem Zellengenossen, wie war dein erster Eindruck?“ „Sein Name ist Fernando Sucre. Er scheint ein guter Kerl zu sein, dennoch muss ich sehr vorsichtig sein.“ „Hast du Lincoln gesehen?“ „Nur kurz, bevor sie mir sagten, dass ich Besuch hätte.“ Sam sah auf den Tisch vor sich und wirkte plötzlich unsicher. „Was ist los?“, fragte Michael, dem das nicht entgangen war. „Mein Partner Paul hat gemerkt, dass bei dem Überfall heute Morgen etwas nicht gestimmt hat und er hat mich gebeten Nachforschungen über dich anzustellen.“ „Was hast du ihm über mich erzählt?“ „Nichts Besonderes. Er wird dich mit Lincoln nicht in Verbindung bringen. Noch nicht.“ „Dass das irgendwann geschehen würde, wussten wir bereits.“ „Ich werde versuchen es hinauszuzögern.“ In seinen Augen erkannte sie die Dankbarkeit, die er ihr gegenüber empfand und sie fühlte sich geschmeichelt. „Kann ich sonst noch etwas tun?“, fragte sie und Michael legte seine Hand auf ihren Unterarm. „Eins musst du mir noch versprechen, bevor das Ganze richtig anfängt. Wenn es zu gefährlich für dich wird, musst du zuerst an dich und deine Sicherheit denken.“, meinte er und einer der Wärter kündigte das Ende der Besuchszeit an. Sie standen auf. „Gibst du mir dein Wort?“ „Dafür ist es wohl ein wenig zu spät. Wenn sie dich haben, haben sie auch mich, vielleicht wissen sie es nicht, aber du weißt, dass es so ist.“ Sie wollte sich schon abwenden, als Michael fortfuhr: „Ich kam nie dazu, dich zu fragen, warum du das alles tust.“ „Jeder kommt einmal im Leben an den Punkt, an dem er zwischen dem richtigen und dem leichten Weg entscheiden muss.“ Der junge Mann, der Sam aufgefallen war, drehte sich zu ihr um und sah ihr in die Augen, dann grüßte er sie mit einer kurzen Handbewegung und sie erinnerte sich. Wie erstarrt sah sie zu Michael, der sich nach dem Mann umdrehte. Als er sich wieder ihr zuwandte, war sie bereits dabei aus dem Raum zu eilen. Derselbe Wärter, der sie auch hineingelassen hatte, ließ sie nun wieder hinaus. „Auf Wiedersehen.“, meinte er, doch Sam hörte ihn bereits nicht mehr.

Sie lief noch immer, als sie erkannte, dass sie schon am Fluss angekommen war, der viele Meter von ihrem zu Hause entfernt war. Jess ließ sich in das hohe Gras am Ufer fallen und weinte. Sie wusste, dass sie LJ damals nicht hätte allein lassen dürfen, doch er hatte es ihr so schwer gemacht. Vermutlich würde sie ihm nie mehr in die Augen sehen können, denn sie fühlte sich irgendwie verräterisch. Der Platz, an dem sie sich momentan befand, war ihr im Laufe der Zeit immer sympathischer geworden. Allein in dem großen Haus, indem sie wohnte, fühlte sie sich unwohl, deshalb kam sie oft hierher um zu entspannen und nachzudenken. Bald hatte sie ihre Gefühle wieder unter Kontrolle und sie sah aufs Wasser, das seichte Wellen schlug. Ein leichter Wind wehte und ihre Haare tanzten lustig. Es war sehr ruhig hier draußen und so konnte sie sich ganz auf die Stimme in ihr konzentrieren. Immer wenn sie eine Entscheidung zu treffen hatte, hörte sie in sich hinein, das hatte ihre Mutter ihr immer gesagt, wenn Jess sie um Rat gebeten hatte, doch nun war ihre Mutter tot und sie war vollends auf sich allein gestellt. Damals war sie gerade erst 10 Jahre alt gewesen und die Umstände des Autounfalls, durch den sie gestorben war, waren noch immer nicht komplett aufgeklärt. Es war eine schlimme Zeit für sie gewesen und da ihr Vater sich nicht sonderlich um sie gekümmert hatte, war sie oft zu LJ und seinem Vater gegangen um wenigstens für einige Stunden von ihren Gedanken abgelenkt zu werden. Doch nun war Lincoln, LJ’s Vater, im Gefängnis und LJ hatte sich zu einem Kleinganoven entwickelt, der Drogen verkaufte und Diebstähle beging. Sie musste jetzt wohl oder übel allein zurechtkommen.

Sam war bereits wieder in ihrem Büro angekommen und riss sämtliche Schubladen auf. Sie suchte ein bestimmtes Foto, welches sie in ihrem Portemonnaie hatte, als sie das erste Mal hier gewesen war. Damals hatte sie es zusammen mit anderen persönlichen Sachen aus ihrer Handtasche in einen kleinen Karton gesteckt, wo es niemand finden würde, des nicht danach suchte. Es dauerte eine Weile bis sie den Karton in der hintersten Ecke eines Aktenschrankes fand und ihn herausnahm. Er war etwas eingestaubt, aber ansonsten konnte sie keine Veränderung feststellen. Sie stellte die Schachtel auf den Schreibisch und schloss zunächst die Schubladen, bevor sie sich setzte und den Karton vor sich platzierte. Sie atmete tief durch und nahm dann den Deckel ab. Neben dem Foto, welches sie mit dem Mann zeigte, den sie heute im Gefängnis nicht hatte zuordnen können, während sie grinsend einen Arm um die Schultern des anderen gelegt hatten. Um die restlichen Dinge in der Schachtel kümmerte sie sich nicht, sie sah nur auf das Foto. Auf der Rückseite stand etwas, das der junge Mann verfasst hatte, bevor er ihr das Foto geschenkt hatte: „Dafür, dass du für mich da warst, als es kein anderer war. Danke, David.“ Ihre Hand fuhr zu ihren Lippen und zitterte dabei ein wenig. An dem Tag, an dem die Aufnahme gemacht wurde, waren sie vielleicht noch Freunde gewesen, doch dann hatte Sam herausgefunden, dass er sie beklaut hatte und sie meldete ihn der Polizei, weshalb er nun in Fox River saß. Sie schloss die Schachtel und sperrte sie in eine Schublade ihres Schreibtisches. Das Foto aber steckte sie zurück in ihr Portemonnaie, wo es sie jeden Tag an ihren Verrat erinnern sollte. Nachdem sie es zurück in ihre Handtasche gelegt hatte, klopfte es an ihre Tür und Paul trat ein, bevor sie etwas sagen konnte. Er wirkte aufgeregt. „Bist du bei der Anwältin fündig geworden?“, fragte sie sah auf ihren Bildschirm. „Allerdings.“, sagte er triumphierend. „Sie sind Brüder.“ Sam sah zu ihm auf und fixierte seine Augen. „Wer?“ „Michael Scofield und Lincoln Burrows.“ Es kribbelte ihm in den Fingern, das merkte Sam ganz deutlich. „Denkst du er plant was? Ich meine es kommt öfter vor, dass Brüder im gleichen Gefängnis landen.“, brachte sie ein. „Ich habe zu viel Energie und Kraft für das alles hier verbraucht. Ich werde sicher nicht hier sitzen und warten, dass irgendwas passiert. Dieser Lincoln hat doch einen Sohn, oder nicht?“ „Lincoln Burrows Junior, LJ“ „Wir sollten Lincoln gleich morgen daran erinnern, dass er schön brav auf seine Hinrichtung warten und uns keine Probleme machen sollte, wenn er weiß, was gut für seinen Sohn ist.“ Sam nickte zustimmend und sah auf ihre Uhr. Inzwischen war es 4 Uhr geworden und sie beschloss für heute Feierabend zu machen. „Dann treffen wir uns morgen früh auf dem Parkplatz des Gefängnisses, in Ordnung?“, schlug Paul vor, während sie ihr Büro verließen. „Alles klar, dann bis morgen.“ Sam schloss die Tür hinter sich ab und ging dann in Richtung Aufzug.

Allerdings fuhr sie nur nach Hause um ihr Auto dort zu parken, danach ging sie an der Bank vorbei, die Michael am Morgen überfallen hatte, als ihr Handy klingelte. Ihr Display zeigte eine unbekannte Nummer an, weshalb sie skeptisch wurde. „Ja?“, meldete sie sich und als sie Michaels Stimmer erkannte, schoss ihr Adrenalinspiegel in die Höhe. „K-kann ich irgendwas für dich tun?“, fragte sie unsicher. „Ist alles in Ordnung?“ „Gott, Michael es tut mir leid.“ „Weiß er es? Das von mir und Lincoln?“ „Er war bei Veronica. Vermutlich hat sie es ihm erzählt.“ „Früher oder später hätten sie es sowieso herausgefunden.“ „Da ist noch etwas, Michael. Paul denkt, dass du etwas planst und um das zu verhindern… würde er alles tun.“ „Was meinst du damit?“ „Er wird LJ als Druckmittel benutzen. Hörst du Michael? LJ wird dafür büßen müssen!“ Michael schwieg, doch sie wusste, wie er sich gerade fühlen musste. „Was sollen wir tun?“, wollte er ratlos wissen, aber Sam hörte ihm nicht zu. Sie hatte ein Mädchen entdeckt, dass offenbar gerade auf dem Weg nach Hause war. „Sam? Bist du noch dran?“ „Kannst du mit Lincoln sprechen?“ „Heute sicher nicht mehr, aber morgen könnte ich es versuchen.“ „Gut. Ich hoffe nur, dass es dann nicht zu spät ist.“ „Was soll ich ihm sagen?“ „Wenn er LJ retten will, muss er Jess anrufen. Er weiß schon wieso.“ „In Ordnung. Ist LJ dann sicher?“ „Wenn nicht bei ihr, dann bei niemandem.“ „Ich muss auflegen.“ „Okay. Dann bis morgen.“ Sam klappte ihr Handy zu und machte sich dann mit einem erleichterten Grinsen im Gesicht auf den Weg nach Hause.

Allmählich dämmerte es und Jess machte sich daher auf den Heimweg, doch da sie ungern durch die wenig beleuchteten Seitenstraßen ging, bevorzugte sie den kleinen Umweg durch die Innenstadt. Dabei schweiften ihre Gedanken ab und sie blendete die Welt um sich herum aus. Viele Menschen waren unterwegs – Vermutlich der Feierabendverkehr. Jess hasste es durch große Menschenmassen gehen zu müssen, doch wenn sie sich auf etwas anderes konzentriertem war es erträglich. Sie ging vorbei an Schaufenstern und Menschen die eilig vorankommen wollten, als eine Frau an ihr vorbeiging, die ihr bekannt vorkam und die ein energisches Telefonat führte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Wm_2015
2019-12-15T15:26:09+00:00 15.12.2019 16:26
Hey,

die Story ist spannend.
Mich würde interessieren wie sie weiter geht.

Hoffentlich schreibst du weiter.

Liebe grüsse


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