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A snowman, that brings the death

A supernatural story
von

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Destiny´s path

Danke an meine lina-san und s-a-m, dass ihr an mich denkt *knuddel*

Dieses Kapitel ist etwas länger geworden als vorgesehen, aber ich denke, das trübt den Lesespaß ja keinesfalls.

Also dann, viel Vergnügen!
 


 

2. Kapitel: Destiny´s Path
 

„Wo lang, Sam?“ Deans Stimme klang äußerst fordernd, nachdem er schon einige Male dieselbe Frage an seinen Bruder gestellt hatte, aber dieser zog es eher vor, schmollend zu schweigen, seit sie auf die waghalsige Art des Älteren davongebraust waren.
 

„Verdammt, jetzt sag endlich, wo ich lang fahren muss, ich kann kaum etwas sehen bei diesem weißen Mist vor der Scheibe!“, fauchte der sonst so leidenschaftliche Impalafahrer angesäuert, während die Scheibenwischer ächzend versuchten, ihrem Dienst nachzukommen.
 

„Hättest ja nicht losfahren müssen, selber schuld“, murrte der Angekeifte und starrte verdrießlich hinaus in das Schneegestöber, das vor der Dunkelheit tobte. Irgendwie erinnerte ihn dieser Anblick auf skurrile Art und Weise an das schwarzweiße Störbild eines Fernsehgerätes.
 

„Ach ja? Hätte ich nicht?“ Man müsste schon taub sein, um nicht zu bemerken, wie schwer es dem älteren Geschwisterteil fiel, die Beherrschung zu wahren. „Gut, das nächste Mal, wenn wir in einem Diner voller Dämonen hocken, lasse ich dich eben zurück, wenn dir das besser gefällt.“
 

„Dä-Dämonen?“ Sam schluckte hart und wagte einen vorsichtigen Blick zur Fahrerseite. „Du willst damit sagen, dass ...?“
 

„Ja, verdammt!“, fiel ihm Dean barsch ins Wort. „Das war ein beschissenes Dämonennest und wir mittendrin!“ Immer noch aufgebracht über den beinahe ungünstigen Ausgang ihrer Flucht schlug er hart auf das Lenkrad, so dass sein Bruder unvorbereitet zusammenzuckte. Danach legte sich beklemmendes Schweigen wie eine erdrückende Decke zwischen die beiden Jäger, welche unterschiedlicher nicht sein konnten. Und doch hatten sie eines gemeinsam – sie waren Brüder und das Schicksal, welches sie teilten, hatte sie noch fester zusammengeschweißt als normale Geschwister. Deswegen legte Dean auch des öfteren eine übertriebene Fürsorge gegenüber des Jüngeren an den Tag, was diesen meist zur Weißglut trieb. Aber nun fühlte sich der junge Mann mit dem Wuschelkopf, der vorwiegend so aussah, als hätte ein Sturm seine wahre Freude daran gehabt, wie ein blutiger Anfänger, da er die Gefahr, in der er und sein Familienmitglied sich befunden hatten, nicht erkannt hatte.
 

„Tut mir leid“, nuschelte es daher undeutlich in die Stille hinein, so dass der Fahrer des pechschwarzen Wagens leicht überrascht die Stirn kraus zog und ein belustigtes Grinsen über seine Lippen huschte.
 

„Entschuldige, was hast du gesagt? Ich hab dich nicht verstanden“, tat er absichtlich vollkommen ahnungslos und sah seinen kleinen Bruder erwartungsvoll an, dem vor Entrüstung die Kinnlade hinunterfiel. Da gab man schon mal zu, dass man im Unrecht gewesen war und der hatte nichts anderes zu tun, als das ins Lächerliche zu ziehen.
 

„Du hast es ganz genau verstanden, also tu nicht so“, grollte es wie ein nahendes Gewitter aus Sam´s Kehle, der seinen Beifahrer gereizt musterte. Dieser erwiderte seinen Blick jedoch mit todernstem Unwissen und zuckte kopfschüttelnd die Schultern.
 

„Da ist nicht einmal ein Hauch an meine Ohren gedrungen“, erklärte Dean theatralisch und zeigte mit einer Hand auf seine Lauscher, während die andere sicher am Lenkrad ruhte.
 

„Sicher, natürlich, absolut gar nichts“, erwiderte der Jüngere mit anschwellend gereizter Stimme und verengte die Augen zu gefährlich kleinen Schlitzen.

„Ehrlich, du kannst mir glauben, nicht einmal ein Mucks ist in meine Sinne gekrochen“, übertrieb es der Ältere mit seiner nicht wahrheitsgemäßen Schilderung maßlos, bis sein vor sich hinknurrender Partner buchstäblich vor Wut an die Decke ging.
 

„Verdammt, Dean! Was willst du hören? Dass ich blind wie ein Maulwurf und dumm wie eine Gans war und die Situation daher absolut verkannt habe? Ist es das?“ Vor lauter Aufgebrachtheit hektisch atmend starrte er seinen Bruder an, aber der hatte nur ein amüsiertes Grinsen für den jüngeren Winchester übrig.

„Okay, vielleicht war es ja so, womöglich habe ich mich einfach zu sehr in Sicherheit gewähnt und daher alle Warnzeichen übersehen, weil ich zu sehr daran gedacht habe ... .“
 

„... Dad zu finden?“, unterbrach ihn Dean und dieses Mal war keine Spur von Spott aus seiner Äußerung hervorzuhören, eher eine für Sam nicht nachvollziehbare Art von Bitterkeit und Besorgnis.
 

„Möglich“, antwortete er daher nur knapp und drehte sich langsam zum Fenster, ohne wirklich etwas zu sehen. „Aber es ist ja noch mal gutgegangen, oder nicht?“

„Ja, heute, da einer von uns auf der Hut war, aber was, wenn du allein gewesen wärst, Sam?“
 

Der Angesprochene spürte die fragenden Blicke seines Bruders, welche sich wie Magneten an seinen Nacken hefteten. Tief im Inneren war ihm bewusst, dass Dean recht hatte, aber sein trotziger Stolz, der den seines Familienmitgliedes in manchen Fällen noch bei weitem übertrumpfte, verbat es ihm vehement, dies einzusehen.
 

„Ich kann dir nicht immer den Arsch retten, Prinzeschen, also pass gefälligst besser auf, von wem du dir ne Übernachtungsmöglichkeit andrehen lässt, sonst könnte dies deine letzte Nacht sein.“
 

„Aber den Kuchen fressen ...“, warf Sam mit vorgehaltener Hand murmelnd ein und musste unwillkürlich grinsen, nachdem Dean ein missmutiges „Hast du was gesagt?“, durch den Impala streute und dem Braunhaarigen einen eher freundschaftlichen Stoß in die Rippen versetzte, was dieser nicht lange auf sich sitzen ließ.

Für einen Moment balgten sie sich spielerisch im Auto wie zwei kleine Jungs, die sie einst gewesen waren. Sam versuchte, Dean einen Stift, den er aus dem Handschuhfach gefingert hatte, ins Ohr zu stecken, während der Ältere schimpfend wie ein Rohrspatz danach schlug und seinen kleinen Bruder mit den nettesten Bezeichnungen überschüttete, die ihm so spontan einfielen. Nach einer Weile besann sich der Wuschelkopf dann jedoch eines Besseren, zudem die Straßenverhältnisse aufgrund des Wetters längst nicht mehr die besten waren und der Wagen bei ihren Kindereien bereits gefährlich schlingerte, was Dean allerdings meisterhaft im Griff hatte.
 

Plötzlich fiel Sam die Frage seines Bruders wieder ein und er wühlte die arg mitgenommene Straßenkarte hervor, eiligst die kleine Taschenlampe anknipsend, die ihm mit der Karte förmlich in die Finger fiel.
 

„Wo sind wir eigentlich?“

„Das würde ich gerne von dir wissen, Klugscheißer. Wer ist denn hier mein Navigationsgerät, hm?“
 

Ein Seufzen rollte über die Lippen des Jüngeren. Degradiert vom angehenden Anwalt zum simplen Kartenleser und das auch noch vom eigenen Bruder, was Besseres konnte ihm wirklich nicht passieren.
 

„Mal sehen“, begann er und suchte mit einem Finger den letzten Ort, an dem sie erfolgreich ihren letzten Job abgeschlossen hatten. „Ah, hier“, verkündete er, „wir sind von Everett über Monroe gefahren und haben dort angehalten, weil DU“, er betonte es extra langgezogen und überdeutlich, was Dean ein muffeliges „Pah“ entlockte, „Hunger hattest, der, wenn man es genau nimmt, uns eigentlich erst in diese Situation gebracht hat.“
 

„Lenk nicht ab, außerdem hast du auch etwas gegessen“, widersprach der Ältere. „Und weiter?“
 

„Tja, weiter weiß ich nicht, da du wie ein Irrer losgedüst bist und sämtliche Straßenschilder in Lichtgeschwindigkeit an mir vorbeigezogen sind.“
 

„Das heißt?“, fragte Dean weiter mit militärischer Genauigkeit, die Straße nicht aus den Augen lassend, da die Schneeflocken allmählich Golfballgröße einnahmen und sein Sichtfeld massiv einschränkten.
 

„Das heißt soviel wie, ich hab keine Ahnung, wo wir sind“, erklärte Sam wenig begeistert und suchte vergeblich nach irgendwelchen Hinweisschildern in dieser gottverlassenen Gegend.
 

„Na, prima“, schloss sich ihm der Ältere bärbeißig an. „Und was nun? Soll ich umdrehen und den Brotkrumen folgen, die du hoffentlich ausgestreut hast und nicht von Krähen gefressen wurden?“
 

„Wir werden einfach bis zur nächsten Kreuzung fahren müssen, die ausgeschildert ist, was anderes fällt mir nicht ein“, überhörte der jüngere Winchester Deans sarkastischen Ausflug in die Märchenwelt. Dann ließ er seine Taschenlampe wie ein hektisches Spotlight über die auf seinem Schoß ausgebreitete Straßenkarte wandern. „Ich denke, wir sollten Richtung Portland ausweichen, das liegt weiter im Süden“, schlug er nach einigen Minuten des Überlegens zuversichtlich vor.

„Dann könnten wir dem Wetter womöglich davonfahren, denn dort schneit es so früh noch nicht.“
 

„Klingt nicht schlecht“, erklärte sich der Ältere einverstanden und trat, sehr zu Sams Unbehagen, stärker auf das Gaspedal. „Dann auf zur nächsten Gabelung.“
 

Es dauerte dank Deans halsbrecherischem Fahrstil gar nicht allzu lang, bis die Beiden sich an einer Kreuzung wiederfanden, die sogar noch beschildert war. Allerdings hatte der zunehmende Schneefall ein dickes Tuch um die rettenden Hinweise gespannt und so waren die Brüder genauso schlau wie vorher.
 

„Toll, und nun?“, beschwerte sich der menschliche Igelverschnitt schlecht gelaunt hinter dem Steuer, während er frustriert nach draußen auf die vielsagenden Schilder starrte. Ein fassungsloses Grunzen erklang von der Seite und Dean starrte fragend seinen Bruder an, der sich an der Tür zu schaffen machte und aus dem Wagen kletterte.
 

„Was hast du denn jetzt vor? Spazieren gehen?“
 

„Oh ja, sicher, was sonst?“ Sam warf ärgerlich die Arme zur Seite, bevor er weitersprach. „Die Schilder vom Schnee befreien, damit wir erkennen können, was draufsteht. Was hast du denn gedacht?“
 

Der Ältere zog einen unschuldigen Flunsch. „Na ja, bei dir weiß man ja nie.“
 

Ungelenk und leise schimpfend stakste der Braunhaarige durch den Schnee und bemerkte erst jetzt, als die Kälte in seine Schuhe kroch, wie stark und vor allem auch sehr schnell die Temperatur gesunken war. Eine unangenehme Gänsehaut breitete sich über seinen gesamten Körper aus und ließ ihn frösteln, während die Flocken sanft und lautlos mit seinem Leib verschmolzen. Es wurde wirklich Zeit, dass sie hier verschwanden; er hatte ja im Prinzip nichts gegen dieses Wetter, aber es erschien einem nun mal weitaus angenehmer, wenn man die richtige Kleidung dabei trug und das tat er bei weitem nicht, genauso wenig wie Dean.
 

Bei den Schildern angekommen begann er mit bloßen Händen, sie frei zurubbeln oder eher gesagt, er versuchte es, denn das Eis, was sich bereits darauf gebildet hatte, gestaltete sich als äußerst hartnäckig und widerstand seiner Aktion vehement. Resigniert und mit bereits blau anlaufenden Fingern ließ er nach einer Weile davon ab und schlurfte, die Hände rasch in den Hosentaschen verbergend, zurück zum Wagen. Sich wortlos in den Impala hineinfallen lassend, bemühte er sich, das Zittern zu unterdrücken, was seine Glieder befallen hatte und ihn so rasch nicht verlassen mochte.
 

„Was ist los?“, drängte sich die Stimme seines Bruders dazwischen. „Schon fertig mit der Streichelzoo-Aktion? Viel gebracht hat es aber nicht oder ich bin schon schneeblind geworden.“
 

„Der Schnee ist bereits festgefroren“, murrte Sam, den Sarkasmus des älteren Winchesters mutwillig umgehend. „Wenn du willst, kannst du ihn ja ablutschen, ist sogar gratis, auch die Bauchschmerzen, die man danach bekommt.“
 

Herausfordernd funkelten die blaugrünen Augen auf und taxierten den Mann neben sich, der beinahe etwas überrascht die Brauen in die Höhe zog.
 

„Also, Sammy, ich bin entrüstet. Wer hat dir bloß dieses schlechte Benehmen beigebracht?“
 

„Du.“
 

Darauf fand Dean keine Worte, denn im Großen und Ganzen hatte der Jüngere recht mit seiner Behauptung. Er war nun mal der große Bruder, von dem man sich nicht nur die guten, sondern auch die schlechten Eigenschaften abguckte. Seit sie zusammen unterwegs waren, hatte sich der Wuschelkopf eine Menge seiner spöttischen Schlagfertigkeiten abgeschaut und wandte diese nur zu gerne während ihrer Auseinandersetzungen an, um sich mit ihm zu messen.
 

„Wir sollten ... weiterfahren“, fiel ihm daher nur ein, setzte den Wagen in Gang und fuhr auf seine gewohnte Weise rasant an, um im selben Moment über die halbe Straße zu schlingern.
 

„Willst du uns umbringen?“, kreischte Sam hysterisch an sein Ohr und klammerte sich an seinem Sitz fest, als wäre dieser ein Rettungsring auf hoher See.
 

„Sehe ich etwa so aus?“, brüllte Dean zurück und gab sich Mühe, das dunkle Gefährt wieder auf die sichere Spur zu bringen, was sich jedoch als außerordentlich schwierig erwies, da der Untergrund so gefroren wie eine Eislaufbahn war. Erst nach einigen, die Verdauung umkehrenden Umdrehungen bewegte sich der Impala wieder annähernd mit der Front nach vorne über die Straße, allerdings weitaus langsamer als noch zuvor. Dean hielt das Lenkrad dabei umklammert wie den Leib einer Frau, die er gerade zu Bett getragen hatte, während sein jüngerer Bruder genug damit zu tun hatte, seine Herzfrequenz auf ein gesünderes Maß zu verringern.
 

„Das machst du ... nie wieder“, presste Sam atemlos hervor und wischte sich den Schweiß von der Stirn, welcher trotz der Kälte, die nun auch langsam in das Innere des Wagens hineinkroch, seine Schläfe hinuntertropfte.
 

„Was? Uns den Arsch retten?“, knurrte der Angesprochene zurück und konzentrierte sich angestrengt auf den Weg, der sich nur ab und zu zwischen dem störenden schneeweißen Niederschlag zeigte. „Ich habe überhaupt nichts getan, außer anzufahren. Wenn dann die Straße meint, ein Eigenleben entwickeln zu müssen, ist das nicht meine Schuld.“
 

Der Jüngere öffnete schon den Mund zu einem dementsprechenden Kommentar, beließ es dann aber bei einem müden Seufzen und schüttelte widerstandslos den Kopf, so dass die braunen Zotteln danach in alle erdenklichen Richtungen abstanden und ihn aussehen ließen, als hätte er mit einer Steckdose geflirtet. Dann wurde sein Blick plötzlich starr und er drehte sich so schnell zu seinem Bruder herum, dass dieser erschrocken aufquiekte wie eine Sau im Angesichte mit dem Metzger.
 

„Was ist denn in dich gefahren? Sitzt du auf ner Reißzwecke?“
 

„Welchen Weg hast du gewählt?“, entgegnete der Jüngere nur und überhörte die Äußerung seines Sitznachbarn, der mit seinem Gebrumme wohl versuchte, die lustig umhertanzenden Flocken zu vertreiben.
 

„Hä? Wie? Was meinst du denn damit? Meinst du wirklich, dass das jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um zu philosophieren?“ Deans Verwirrung über die ihm eigenartig erscheinende Frage seines Bruders war nicht zu überhören, zudem er tatsächlich annahm, dass der Jüngere mit ihm nun hochgreifende Gespräche führen wollte.
 

Genervt blies Sam sich die fransigen Haare aus der Stirn. „Wo bist du an der Kreuzung langgefahren? Bist du links oder rechts oder geradeaus gefahren?“ Er betonte jedes einzelne Wort wie jemand, der mit einem kompletten Idioten sprach, sehr zum Ärger des Älteren, der neben ihm auf dem Sitz beinahe explodierte.
 

„Ich weiiiiiiiiiß, was du meinst!“, motzte dieser angepisst und warf dem jüngeren Winchester vernichtende Blicke zu, der sich nur mit Mühe ein amüsiertes Grinsen verkneifen konnte.
 

„Und?“
 

„Und was?“
 

„Woooo bist du denn nun ...?“
 

„Jajaja, schon gut, schon gut“, unterbrach Dean das Frage-und-Antwort-Spiel und kratzte sich nachdenklich am Kopf, um daraufhin ratlos in die wirbelnde Düsternis zu starren. „Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.“
 

„Was soll das heißen, du weißt es nicht?“, polterte der Hüne los, allmählich die Geduld verlierend.
 

„So, wie ich es sage“, verteidigte sich sein Bruder lautstark und griff fester nach dem Lenkrad, nachdem ihnen ihr Gefährt unter dem Hintern erneut drohte wegzurutschen. „Als das Baby hier nach dem Anfahren einfach mit uns loszischte wie eine außer Kontrolle geratene Achterbahn habe ich leider nicht darauf geachtet, wohin es von selbst abgebogen ist oder auch nicht. Zufrieden?“
 

„Nein, irgendwie nicht“, stöhnte Sam und ließ sich nach hinten in den Sitz fallen.
 

„Okay, das nächste Mal lasse ich uns halt vor den nächsten Baum knallen, achte aber genau darauf, wo wir lang schlittern, besser so?“
 

Der Größere der Beiden atmete hörbar aus und verdrehte die Augen. Deans Sarkasmus würde ihn eines Tages noch einmal in die Raserei treiben und ihn womöglich zum Mörder mutieren lassen. Aber zu diesem Zeitpunkt war eine kindische Zankerei darum, wer nun Schuld an ihrer Misere trug, alles andere als angebracht. So schüttelte er nur verneinend den Kopf und vergrub sein Geistesgut in die feinen Zeichnungen der Karte, die verblüffenden Blicke seines Bruders, der es wohl nicht fassen konnte, dass er so rasch kapitulierte, ignorierend.
 

„Hör zu, Dean“, begann er wenige Minuten später und der Angesprochene drehte leicht den Kopf in seine Richtung, ihm aufmerksam zunickend. „Wir müssen nur darauf achten, durch welche Orte wir fahren, denn sie liegen alle an dem Highway Richtung Portland. Der erste von ihnen, den wir passieren, sofern du richtig abgebogen bist, wäre Fall City.“
 

„Na, wenn es mehr nicht ist, Kinderspiel“, kommentierte der Ältere zuversichtlich und wollte schon das Gaspedal durchtreten, bis ihm jedoch einfiel, dass sie dies schneller ins Jenseits befördern würde als nach Portland. „Tja, das wird dann wohl dauern.“
 

„Du kennst doch das Sprichwort, langsam kommt man auch ans Ziel.“
 

„Ja, aber ich hasse langsam, wenn ich in so einer irren Kiste sitze.“ Dean warf seinem Bruder einen vielsagenden Blick zu, der dem Jüngeren ein vergnügtes Kichern entlockte, was die angespannte Stimmung zwischen ihnen ein wenig vertrieb. Etwas entkrampfter als noch zuvor sahen sie nun ihrem Bestimmungsort entgegen und ein jeder von ihnen freute sich auf ein warmes weiches Bett, auf dem sie ihre müden und allmählich durchgefrorenen Glieder wie vor sich hinräkelnde Katzen ausstrecken konnten.
 

Aber sehr lange hielt sich diese Zuversicht nicht in ihren Gedanken, denn nach bereits über einer Stunde Fahrt zeigte sich keine Kleinstadt mit den üblich des Nachts beleuchteten Straßen auf ihrem Weg, den sie entlang fuhren. Hilflos brütete Sam erneut über der Karte und studierte sie wie ein wichtiges Fundstück aus längst vergangenen Epochen.
 

„Das verstehe ich nicht“, gab er einige Momente später von sich und legte besorgt die Stirn in Falten.
 

„Was?“, kam es leicht beunruhigt von der Seite, denn sobald der Größere der Winchesters etwas nicht eruieren konnte, bedeutete das meist nichts Gutes.
 

„Wir hätten längst, auch bei diesem Schneckentempo, mit dem wir vorankriechen“, Dean zog eine gekränkte Schnute und streichelte tröstend seine zweitgrößte Leidenschaft, „die nächste Stadt passieren müssen“, schob Sam, am Geisteszustand seines Bruders zweifelnd, nach. Wenn es um den Wagen ging, verstand der Ältere einfach keinen Spaß. Der Dunkelhaarige überlegte, ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, mit silbernen Metallfelgen und einem röhrenden Auspuff zur Welt zu kommen, verwarf diese ulkige Vorstellung aber sogleich wieder. Dean würde ihn, sobald es um seine Sicherheit ging, tausend Stufen über den Impala heben.
 

Andererseits käme er um eine Standpauke keineswegs herum, sollte er dem nachtschwarzen Gefährt unansehnliche Beulen oder Kratzer zufügen. Wieder eines dieser Dinge, die sie nicht teilten. Für Sam war der Impala nicht mehr als ein Auto, welches einen von Punkt A nach Punkt B beförderte, wenn man es wünschte, Dean bedeutete die alte Kiste weitaus mehr. Vielleicht lag dies aber auch zum Teil daran, weil sie einst ihrem Dad gehört hatte.
 

„Hörst du mir überhaupt zu, Sammy?“, quäkte die Stimme seines Bruders plötzlich dazwischen und seine Gedanken suchten das Weite wie vom Wind durcheinander getriebene Rauchschwaden.
 

„Was?“, fragte der Angesprochene verwirrt und sah den kleineren Winchester mit großen Augen an.
 

„Das gibt´s doch nicht“, seufzte dieser und knetete mit einer Hand angestrengt seine Stirn, auf der kleine Wutfalten im Takt eines unhörbaren Liedes aufzuckten. „Ich laber mir hier den Mund fusselig und du starrst wie ein begeisterter Welpe auf einen nicht vorhandenen Knochen.“
 

„Hä?“
 

„Was war es denn diesmal? Clowns oder Zwerge?“
 

„Dean ... .“
 

Der Ältere schmunzelte erheitert, als er bemerkte, wie sein kleiner Bruder die Nase entzürnt kraus zog, was ihm eine unmissverständliche Warnung anzeigen sollte. Schon als sie noch Kinder waren, hatte Sam dies stets vor einem darauf folgenden Wutausbruch getan, was Dean allerdings jedes Mal zu einem schallenden Lachen animiert hatte, da der Jüngere einfach zu lustig aussah, wenn er diese putzige Angewohnheit zur Schau trug.
 

„Also, was ist nun? Wo sind wir oder eher gesagt, was meinst du, wo wir sein könnten?“ Er wusste, dass sein Bruder in dieser Beziehung genauso schlau wie er war, aber er wollte seine Meinung dazu hören, denn normalerweise hatte Sam immer eine hilfreiche Antwort parat, auf die man bauen konnte.
 

„Das kann ich erst sagen, sobald eine Stadt in Sicht kommt“, erwiderte der Wuschelkopf und vertiefte sein Wissen erneut in die für Dean verworrenen Pfade ihres Heimatlandes, während dieser aufmerksam Ausschau nach den Lichtern der nächsten Kleinstadt hielt.
 

„Da, da!“, rief es eine halbe Stunde später dann begeistert aus der Kehle des Fahrers und wie ein aufgeregtes Kind, das zum ersten Mal eine Sternschnuppe erblickt hatte, streckte er den Finger aus und zeigte auf einen verwaschenen Schein am Horizont, der immer größer wurde.
 

„Na also“, zeigte sich Sam zufrieden, rollte die Karte mit einem Male zusammen wie ein Fernrohr und lugte, ähnlich eines Kapitäns, der ein Schiff befehligte, hindurch. „Sehr gut, Steuermann, Ziel liegt auf zwölf Uhr, draufhalten, aber sinnig, denken Sie an die Untiefen“, tönte es übertrieben wichtigtuerisch durch den Impala, während die arg gebeutelte Karte weitere Spuren ihrer Reise erleiden musste.
 

„Aye, Cap“, salutierte Dean flott und grinste frech übers ganze Gesicht. „Festhalten, ich lasse das Baby wie eine Lady durch die meterhohen Brecher tanzen.“
 

Ein flüchtiges Lächeln huschte über Sams blasse Wangen, welche von den vielen Nächten, in denen er nur wenig oder gar keinen Schlaf gefunden hatte, zeugten. Manchmal mussten diese Kindereien, die ihre Sorgen kurzzeitig zweitrangig erscheinen ließen, einfach hinaus. So ließ sich ihr Leben, welches sich so sehr von dem der Normalsterblichen unterschied, meist einfacher ertragen und trieb einen nicht an den Rand des Wahnsinns, den man tagtäglich erlebte.
 

„Öhm, Leavenworth?“, platzte es leicht verwirrt aus dem Mund seines Bruders, der soeben die halb vom Schnee zugedeckten Buchstaben des Ortsschildes korrekt zusammenfügte, an dem sie gerade vorbeirollten „Sagtest du nicht Fall City?“
 

Ein ernüchtertes Seufzen schlich sich über Sams Lippen und sofort wühlte er die Karte auseinander, um nachzusehen, in welche Breitengrade sie sich nun tatsächlich verirrt hatten, aber es war bei weitem nicht so einfach, unter den unzähligen Orten, welche ihm von dem Papier entgegen starrten, diesen Namen herauszufiltern. Seine Augen brannten und er war hundemüde. Ein verstohlener Blick in Richtung des Älteren verriet ihm, dass es diesem nicht anders ging, allerdings konnte es Dean perfekt verbergen und überspielen.
 

„Was jetzt?“, fragte dieser genau das, was auch die Gedanken des größeren Winchesters ordentlich durcheinander wirbelte wie ein Luftzug wichtige Papiere.

„Soll ich umdrehen?“
 

Aber Sam starrte nur wortlos hinaus auf die vom fahlen Licht erhellten Straßen, die leer und ausgestorben wirkten wie sein Kopf. Er fühlte sich mit einem Male so ausgebrannt wie der unabkömmliche Chef einer Firma, der vergessen hatte, was die Wörter Urlaub und Feierabend bedeuteten.
 

„Sam!“ Deans Stimme wand sich durch die allmählich an Macht gewinnende Gleichgültigkeit wie ein scharfkantiges Messer und vertrieb ein wenig die Düsternis, welche sich ohne Vorwarnung des Herzens seines Bruders bemächtigt hatte.
 

„Was?“, knurrte dieser ähnlich eines mürrischen Tigers, den man bei seinem ausgiebigen Mittagsschlaf gestört hatte und wandte sein Interesse erneut der öden Kargheit zu, die sich ihnen beim Verlassen der Stadt in ihrer vollen Pracht präsentierte. Man hätte meinen können, sie befänden sich bereits Meilen von jeglicher Zivilisation entfernt, so, wie die Gegend um sie herum anmutete, aber Fakt war, dass sie erst vor wenigen Augenblicken die letzten Häuser von Leavenworth hinter sich gelassen hatten.
 

„Mir reicht´s, ich dreh um“, verlor der Fahrer des Wagens langsam die Geduld, was das schweigsame Etwas direkt an seiner Seite betraf und machte bereits Anstalten, den Wagen auf der eisglatten Straße zu wenden, bis sich der Körper neben ihm regte und zwei Hände ihm ohne Vorwarnung in das Lenkrad griffen und der Wagen daraufhin quietschend zurück in die Spur schlingerte. „Bist du verrückt, Sammy?!“, keifte Dean sofort los und wischte die Grabscher seines Bruders davon wie zwei lästige Staubfusel.
 

„Nein, ich nicht, aber du, wie es scheint“, giftete es leicht eingeschnappt zurück, während sich Sam zurück in seine Ecke drückte wie ein geprügelter Hund.
 

„Und was ist so falsch daran, zurück zu fahren und an der Kreuzung eine andere Richtung einzuschlagen?“, wollte der Ältere wissen. „Zumindest sollten wir diese Möglichkeit noch in Betracht ziehen oder hast du etwa eine bessere Idee?“
 

„Gerne, wenn du noch einmal Berg- und Talfahrt mit möglicher Todesfolge spielen möchtest“, krakelte es von jüngerer Seite, was den jungen Mann mit dem raspelkurzen Haarschnitt vor Ärger die Zähne aufeinander pressen ließ.
 

Dummerweise hatte Sam damit nicht ganz unrecht. Die Gegend, welche sie vor Leavenworth passiert hatten, war von nicht zu verachtenden Gebirgsketten durchzogen, auf denen sich der Schnee wie fröhliche Bergziegen tummelte. Von der Straße, die nach Deans Meinung nur aus halsbrecherischen Kurven bestand, mal ganz abgesehen. So gesehen kam es bei dieser Witterung tatsächlich einem Himmelfahrtskommando gleich, wenn er den Wagen in die entgegengesetzte Richtung steuern würde.
 

„Gut, wie du willst, dann halt weiter auf der Straße ins Nirgendwo“, grummelte das selbst ernannte, momentane Winchester-Oberhaupt und tippte das Gaspedal so sanft an, wie er einer Frau übers Gesicht streichen würde. Sam stierte finster hinaus, hoffend, dass die nächste Kreuzung ihnen mehr Erleuchtung als die vorige bringen würde. Doch durch den dichten Schneefall übersahen Beide nur Minuten später die nächstbeste Gelegenheit, noch einen Weg nach Portland zu finden und so rauschte die Abzweigung mit den ebenfalls dick zugeschneiten Hinweisschildern ungesehen an ihnen vorbei.
 

Daher geschah es, dass sie an der darauffolgenden Weggabelung, die gleichermaßen hilfreiche Auskünfte von sich gab wie alle anderen, mit ratlosen Mienen hinaus in das ihnen unbekannte Gebiet starrten. Nach einer nicht wirklich aussagekräftigen Diskussion mit seinem Bruder, der ungefähr so gut gelaunt wie eine gefürchtete Schwiegermutter mit ihm agierte, entschied Dean, einfach links abzubiegen. Und dies nicht, weil es vielleicht den Ansichten von Sam entsprach, der nur noch „Tu doch, was du willst“ vor sich hinmurrte, sondern er einfach beschlossen hatte, nach seiner Intuition zu fahren, wenn schon nichts Gescheites aus dem Mund des Jüngeren troff, was ihm vielleicht hätte weiterhelfen können.

Nachdem sie jedoch die nächste Stadt passierten, die leider ebenfalls nicht im Entferntesten in der Nähe ihres Zielortes lag, erreichte die Frustration nie gekannte Ausmaße.
 

„Orondo ... echt klasse.“ Sams untrüglicher Sarkasmus ließ keinen Irrtum darüber offen, dass er womöglich jeden Augenblick platzen würde. „Habe ich schon erwähnt, dass du dich total verfahren hast?“ Die letzten Worte verließen vielleicht ein wenig überlaut die Kehle des Dunkelhaarigen, der seinen Bruder mit den Blicken eines grimmigen Drill-Sergeants musterte.
 

„Ist ja auch kein Wunder, wenn mein Navigationsgerät nicht mehr mit mir redet“, knurrte ihm der Ältere nur schlechtgelaunt entgegen.
 

„Oh ja, natürlich“, antwortete der jüngere Winchester mit gespielter Erkenntnis und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Was hätte ich denn deiner Meinung nach sagen sollen? Neuberechnung der Fahrtroute?“
 

Das rief jedoch nur ein unzufriedenes „Pah“ hervor, welches sein Partner verdrießlich ausstieß.
 

„Wir können nicht zurück über die Berge, das ist Wahnsinn bei dem Wetter! Wir hätten in der vorigen Stadt anhalten sollen, um dort die Nacht zu verbringen“, ereiferte sich Sam aufgeregt.
 

„Ach ja? Und mit den netten Typen aus dem Diner ein Spiel anschauen?“ Dean warf seinem Bruder von der Seite her einen ernsten Blick zu, der sofort verriet, dass er damit keine Späße trieb.
 

„Du meinst, sie sind uns gefolgt?“ Gehetzt und mit einer gewissen Furcht in der Stimme sah der Jüngere über seine Schulter hinweg auf den Weg, den sie bereits zurückgelegt hatten, aber glücklicherweise bohrten sich keine grellen Scheinwerfer eines bedrohlich wirkenden Autos in ihre Rücken. Nur die allgegenwärtige Dunkelheit der Nacht mir ihren unzähligen kleinen, vom Himmel wirbelnden Schneeflocken ergoss sich in aller Pracht hinter ihnen. Und doch beruhigte ihn diese Tatsache keineswegs, da er zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit in Erwägung gezogen hatte, dass die Dämonen sich an ihre Fersen heften könnten.
 

Innerlich fröstelnd drückte er sich tiefer in den Sitz des Impalas, der leise schnurrend durch die Winterlandschaft tuckerte.
 

„Na ja, die Möglichkeit besteht zumindest“, äußerte sich der Fahrer des Wagens, das nicht zu übersehende Unbehagen des Dunkelhaarigen mit wachsender Verwunderung aufnehmend. Normalerweise stiegen bei Sam die Panikpegel nicht sogleich in schwindelerregende Höhen. Schließlich begleitete ihn das Wissen um all diese Dinge, die andere Menschen als nicht ernstzunehmende Schauergeschichten abtaten, bereits seit der Kindheit. Daher betrachtete er so etwas eher mit der eiskalten Abgebrühtheit eines Jägers und nicht mit den verschreckten Augen eines kleinen Jungen. Aber genauso und nicht anders wirkte er nun auf den Älteren, der sich erneut den Kopf über seinen Bruder zerbrach, welcher nach all den zurückliegenden Ereignissen des öfteren Verhaltensweisen an den Tag legte, die ihm fremd und neu waren. Ebenso die wirren Gefühlsschwankungen, die Sam plötzlich überfielen wie ein Gewitter, welches sich ohne Vorwarnung über das ahnungslose Land hinwegschob.
 

„Aber dank des Babys hier“, Dean tätschelte vertraut und liebevoll das Lenkrad seines Wagens, „werden sie sicherlich aufgegeben haben.“ Grinsend lugte er zu seinem Beifahrer hinüber, der wenig begeistert seine Blicke erwiderte.
 

„Sicher“, seufzte der Dunkelhaarige ihm entgegen und kämmte sich mit den Fingern die wirren Strähnen aus der Stirn. „Bei der irren Geschwindigkeit, mit der du den Impala über die Straße scheuchst, kann uns nicht einmal ein Dämon einholen.“
 

Der Ältere grunzte beleidigt einige für Sam nicht verständliche Worte nach diesem beißenden Seitenhieb und beobachtete griesgrämig wie ein alter Herr, dem man anständig auf den Schlips getreten war, die sorglosen kleinen Schneeflocken, die ihn bald in den Wahnsinn trieben. Hatte er sich denn tatsächlich schon wieder verfahren, weswegen dieses dumme weiße Zeug überhaupt nicht weniger wurde?
 

„Wenn das so weitergeht, können wir uns bald Skier an die Reifen pinnen“, wehte ihm nochmals der scharfzüngige Spott seines Gefährten entgegen, der sich immer weiter in etwas steigerte, das Dean ebenso in Rage brachte.
 

Die nächste Bemerkung, welche sich genüsslich in einer Welle des Hohns suhlte, ließ auch nicht lange auf sich warten. Es schien beinahe so, als wollte Sam mit diesen Anspielungen seinen momentanen Gefühlszustand überdecken, was ihm jedoch nur kläglich gelang.
 

„Geh ich richtig in der Annahme, dass wir uns eher auf den Nordpol zu bewegen als nach Portland?“ Seine Stimme klang dabei wie die eines Jury-Mitgliedes von „Irgendwas sucht den Superstar“, welches einem Teilnehmer soeben gekünstelt freundlich erklärte, dass dieser lieber in einem Kuhstall singen sollte, damit die Kühe vor Schreck noch mehr Milch gaben.
 

„Ich weiß gar nicht, was du hast“, antwortete der ältere Winchester daher kühl, den aufwallenden Zorn über diese gehässig klingenden Worte mühsam dabei unterdrückend. „Es ist doch alles in Ordnung.“ Das letzte, was er jetzt wünschte, war ein eskalierender Streit, der sich aus diesem makabren Blödsinn entwickeln würde, sobald er Sams Äußerungen nachgab.
 

„Oh, wie eine lahme Ente auf einer eisglatten Straße entlang tuckern mit der ständigen Gefahr dabei im Kopf, dass eine leichte Betätigung der Bremse uns gegen den nächsten Baum schleudert, findest du also vollkommen in Ordnung.“
 

„Ich habe alles unter Kontrolle“, behauptete der Angesprochene, seine Stimme zitterte jedoch dabei vor Wut wie eine angezupfte Geigensaite. Noch etwas in der Art und er würde sich sicherlich vergessen.
 

„Natürlich“, stichelte der Hüne und sah ihn so giftig an wie eine gereizte Kobra, die es leid war, den Bewegungen dieser gottverdammten Flöte vor ihrer Nase zu folgen. „So, wie vorhin, als du meintest, unser Essen wieder nach oben befördern zu müssen. Und übrigens, der Ort, an dem du gerade vorbeigeschlichen bist, war wieder einmal nicht im entferntesten Sinne in der Nähe von Portland.“
 

Mit einem raschen Seitenblick folgte Dean dem angedeuteten Nicken seines Bruders und erhaschte noch den Namen der Kleinstadt, die im Dunkel der Nacht und den umherwirbelnden Störfaktoren nur schlecht zu erkennen war, hätten nicht hier und da einige Lichter in den Häusern gebrannt.
 

„Farmer ...“, murmelte er, den angestauten Frust im Bauch seines Bruders ignorierend. „Klingt doch ganz hübsch, richtig heimelig.“ Die darauf folgende Explosion direkt neben ihm fegte jegliche mühsame Unterdrückung seiner eigenen Empfindungen davon, als wirbelte ein alles zerstörender Hurrikan über ihre Köpfe hinweg.
 

„Du bist ein noch größerer Sturkopf als Dad!“, fauchte Sam und schmiss die Karte wutentbrannt vor die unschuldige Scheibe des Impalas, der dies schweigend hinnahm. „Im Verschleiern von Tatsachen steht ihr euch in Nichts nach, bloß nicht zugeben, dass etwas nicht stimmt, man könnte es ja merken.“

Der Ältere versuchte noch, tief Luft zu holen, um seinem bereits brodelnden Selbst ein Quäntchen an Beruhigung zurückzuführen, was sich allerdings als sinnlos erweisen sollte.
 

„Ach, das ist also der Grund, weswegen du dich wie ein trotziges Kind benimmst! Es ist also mal wieder wegen Dad!“, bellte Dean in derselben Manier zurück und legte dabei seinen Fuß schwerer auf das Gaspedal, ohne es überhaupt zu wollen.
 

Sofort machte der Wagen einen gewagten Hüpfer nach vorne, was aber sogar von beiden unbemerkt blieb, da sie mit ihren Gedanken zu sehr an ihrem sich steigernden Konflikt fest hingen. „Er ist nicht einmal hier und schon beginnst du wieder, gegen ihn zu wettern. Wenn das so weitergeht, bin ich beinahe froh, dass wir noch nicht auf ihn getroffen sind.“
 

„Was sagst du da?“ Die Stimme seines Bruders klang gleichzeitig entsetzt und verärgert. Unglauben strahlte aus den blaugrünen Augen, nachdem die Worte des Kleineren dessen Mund verlassen hatten und dem eh bereits angekratzten Verhältnis zwischen ihnen noch stärkere Wunden zufügten.
 

„Na, gib es doch zu, du und Dad, ihr würdet euch sofort wieder an die Gurgel gehen, sobald ihr euch trefft, so war es doch schon immer“, prognostizierte Dean, die Wahrheit am Schopfe packend, jedoch dabei kein wenig realisierend, dass es dem Jüngeren nicht um diese Tatsache ging, sondern um etwas ganz anderes.
 

„Du ... bist froh, dass wir noch nicht ... auf ihn getroffen sind?“, stammelte Sam atemlos, den Kopf dabei entgeistert schüttelnd. „Und das ... wegen mir?“
 

„Ja, ich meine, was haben wir denn davon, wenn du ihm wie eine mit scharfer Munition geladene Knarre begegnest?“, fragte der Ältere relativ sorglos, die veränderte Stimmlage und Körperhaltung des Dunkelhaarigen dabei unbeabsichtigt nicht bemerkend. „Ich habe keine Lust, mich schon wieder zwischen euch hochexplosive Pulverfässer zu quetschen, jedes Mal mit demselben Ergebnis, dass ich nicht recht weiß, auf welche Seite ich mich schlagen soll.“
 

Seine eigene Ungeduld, John zu finden, um einige Stufen zurückfahrend, bemerkte Dean gar nicht, dass Sam bereits nicht mehr zuhörte.
 

„Mum ist tot, Jessica ist tot“, kam es tonlos über die Lippen des jüngsten Familienmitgliedes, was den Fahrer des Wagens alarmiert zur Seite schauen ließ. „Der einzige, der eine Antwort darauf haben könnte, ist Dad und du“, er hielt plötzlich inne und schaute seinen Bruder an, die sonst so lebhaften Augen düster wie der Tod, „fürchtest um eine mögliche Konfrontation zwischen uns?“ Der letzte Teil des Satzes war eiskalt an die Ohren des jungen Mannes mit dem Kurzhaarschnitt gedrungen, so dass ihm mit einem Male fröstelte. Das war nicht mehr der unbeschwerte Sam, den er vor einiger Zeit von seinem Wunsch nach einem normalen Leben weggezerrt hatte, um ihren Vater zu suchen. Neben ihm saß nur noch ein dunkler Schatten, der einzig und allein von einem Gedanken beherrscht wurde, seit sie Stanford zum zweiten Mal verlassen hatten – Rache.
 

„Es ist nicht so, wie du denkst“, verteidigte Dean sich daher rasch, damit der Jüngere nicht noch tiefer in diese gefährliche Trübheit hinabglitt, die seiner eh verletzlicheren Seele großen Schaden zufügte. „Ich halte es nur für besser, dass du erst einmal von deinem Trip, der nur gerade so nach Frustration schreit, runterkommst, bevor wir ihm begegnen, das ist alles.“
 

„Ich weiß nicht, was du meinst, mir geht es gut“, erwiderte der Braunhaarige mit einer gewissen Bitterkeit; seine Stimme bebte dabei wie der aufgezehrte Körper eines Pferdes, das meilenweit ohne eine ruheschöpfende Pause gerannt war. Als ihm für einen kurzen Augenblick das Bild von Jess vor den Augen erschien, wie sie oft vor ihm gestanden hatte, mit ihrem liebevollen und aufmunterndem Blick, hatte er das Gefühl, jemand würde ihn von hinten brutal umschlingen und ihm den Brustkorb zerquetschen, was seiner Aussage Lügen strafte.
 

Dean seufzte besorgt, nachdem er den gequälten Ausdruck auf dem Antlitz seines kleinen Bruders bemerkte. Es wäre ihm lieber, Sam würde endlich darüber reden, anstatt sich hinter seiner aufgestauten Wut und der rasenden Ungeduld, die ihn überhaupt noch am Leben hielt, zu verstecken. Sollte sich nicht bald etwas an dem Zustand des Jüngeren ändern, würde es ihn eines Tages von innen heraus zerstören, was er jedoch niemals zulassen würde, soviel war sicher. Schließlich war es sein Job, Sammy zu beschützen und den nahm er mehr als ernst.
 

„Hey“, begann er daher vorsichtig, die Tonlage gewollt sachlich und beruhigend wählend, um nicht einen erneuten Ausbruch des Hünen neben ihm zu riskieren, der sich angespannt in den Sitz presste, als befände er sich in einer Achterbahn, die jeden Moment in die Tiefe raste. „Ich kann ja verstehen, wie du dich fühlst, aber ... .“
 

„Das bezweifle ich“, fuhr ihm sein Beifahrer unwirsch über den Mund und musterte ihn mit einer Gefühlskälte, die einfach nicht zu seinem Bruder passte. „Auch, wenn es für mich nichts ändert, aber du weißt kein bisschen, was das bedeutet, da du die Frauen wechselst wie deine Unterwäsche.“
 

Leicht gekränkt verzog der ältere Winchester das Gesicht. Das hatte gesessen. Und ärgerlicherweise hatte Sam damit nicht einmal so unrecht. Die längste Beziehung zum anderen Geschlecht hatte nicht einmal ein Jahr gehalten und oft war er selbst es gewesen, der sich wie ein Hund aus der sicheren Falle einer als zu ernsthaft anmutenden Zweisamkeit gewunden hatte.
 

Die einzige Frau, die er für immer verloren hatte, war ihre Mum. Jedoch war ein damals Vierjähriger nicht in der Lage gewesen, solch Trauer diesbezüglich zu empfinden, wie er sie erst Jahre später entwickelt hatte und sie noch immer mit sich herumtrug. Manchmal dachte er darüber nach, wie viel einfacher es für sie alle wäre, wenn Mary noch unter ihnen weilte. Vielleicht hätte sie es geschafft, mit ihrer unabdingbaren Liebe Sammys Kummer ans Tageslicht zu befördern, um ihm so die erdrückende Last, welche er sich selbst auferlegt hatte, von den Schultern zu nehmen. So musste er selbst es versuchen, doch ihm war bewusst, dass er damit niemals so erfolgreich sein würde wie eine Mutter, der das Talent dafür bereits in die Wiege gelegt wurde.
 

„Okay, ich kann nicht verstehen, wie du dich fühlst“, gab er daher nach einer kurzen Pause des Schweigens zu, „aber bist du wirklich der Meinung, alles in sich hinein zu fressen macht es einfacher?“ Mit einem leichten Vorwurf, der sich hart auf seinen sonst eher unbekümmert wirkenden Gesichtszügen abzeichnete, sah er seinen Bruder an. „Ich meine damit die Alpträume, du wachst nachts schreiend auf, wenn du dann überhaupt mal schläfst und behauptest jedes Mal, es sei alles in Ordnung. Ganz zu schweigen von diesen Visionen, die dich seit einiger Zeit nicht mehr loslassen. Wie lange soll das noch so weitergehen, Sam?“
 

Einen Augenblick lang schwieg der Angesprochene zu den Tatsachen, die ihn seit dem Tod seiner Freundin faktisch jede Nacht heimsuchten, bis ein widerborstiges „Tss“ durch das Innere des Impalas schallte und er uninteressiert an diesen Worten hinaus in das düstere Nichts starrte.
 

„Das habe ich mir gedacht“, murmelte Dean, dieses Verhalten vorausahnend. „Wer verschleiert denn hier die Tatsachen, hm? Du bist manchmal keinen Deut besser als Dad oder ich.“ Ein verstimmtest Zischen stieß ihm daraufhin wie ein aggressiver Schlag in die Seite, während ihn ein Paar blaugrüne Augen mit warnenden Blicken bedachte. „Du brauchst mich gar nicht so anzusehen, Sammy“, räumte der Ältere ein, jeden Versuch, ihn von diesem Thema abzulenken, mit einer herrischen Handbewegung beiseite schiebend. „Entweder, du kriegst dich langsam wieder ein, oder ich setz dich in der nächsten Stadt ab und suche allein weiter nach Dad.“ Protestierendes Keuchen wurde hörbar, aber der kleinere Winchester redete ungerührt weiter. „Du bist nicht nur für dich allein in diesem Zustand eine Gefahr, sondern auch für mich. Ein Jäger muss all seine Sinne beisammen haben und darf nicht zulassen, dass diese durch so etwas, mit dem du dich zurzeit selbst zugrunde richtest, aus den Fugen geraten. Erinnere dich, was vor zwei Wochen in Redmond beinahe passiert wäre, als du Gerüchte hörtest, wo ER, nach dem Dad sucht, sich aufhalten könnte.“
 

„Das wirfst du mir jetzt noch vor?“ Entrüstung schwang in der Stimme des Jüngeren mit, während er sich an ihren beinahe durch ihn vermasselten Job erinnerte.
 

Sie hatten versucht, dem Übel auf die Spur zu kommen, das in verschiedener Gestalt Lügen und Intrigen verbreitet hatte, um so die Menschen einer Kleinstadt gegeneinander aufzubringen. Nachdem sie den Missetäter, einen Dämon, gestellt hatten, hatte sich dieser Sams momentane Schwäche zunutze gemacht und ihm vorgegaukelt, zu wissen, was seiner Freundin passiert war und warum. Daraufhin hatte der verblüffte junge Mann, welcher sich nach dem Tod des Mädchens an alles hoffnungsvoll klammerte, was ihn in irgendeiner Hinsicht näher an die Hintergründe ihres mysteriösen Ablebens heranbrachte, die Waffen sinken lassen und auf weitere erklärende Worte des Feindes gewartet, die jedoch eher in Form eines tödlichen Schlages auf ihn zugewallt waren. Wäre sein Bruder nicht so schnell an seiner Seite gewesen, um ihn wegzustoßen, hätte ihn womöglich Schlimmeres als der Tod ereilt.
 

„Gut, ich war unvorsichtig, das gebe ich zu“, räumte der jüngere Winchester zähneknirschend ein, nachdem das Erlebte erneut seine Gedanken aufgewühlt hatte.

„Aber was, wenn er tatsächlich etwas wusste? Musstest du es gleich wieder auf deine Tour machen und ihn sofort austreiben, nachdem ich mit dem Kopf einen Stein geknutscht hatte und es daher nicht verhindern konnte? Er hätte vermutlich Informationen für uns gehabt und wir wären dadurch bedeutend viele Schritte weiter.“
 

Der Ältere musterte ihn, als hätte Sam ihm soeben erzählt, dass er an die Existenz von Zwergen und Elfen glaubte.
 

„Sammy“, seufzte er daher wie ein gestresster Vater, dem langsam die unerschöpfliche Geduld abhanden geriet, „du weißt doch genauso gut wie ich, dass die Mistkerle Gedanken lesen können und dir deswegen das erzählen, was du hören willst. Wenn sie dieselbe Eigenschaft wie Pinocchio hätten, würde sich ihre Nase bereits zigmal um die Welt wickeln.“
 

„Ja, schon gut, das weiß ich alles“, schnaubte der Hüne widerwillig und verzog das Gesicht, da Dean wieder diesen Tonfall annahm, in dem er stets als Kind zu ihm gesprochen hatte und der ihn immer daran erinnern sollte, dass er der Ältere war und in solchen Fällen das Sagen hatte. „Aber wie können wir sicher sein, dass er wirklich die Unwahrheit gesagt hat? Was, wenn er uns einen Hinweis geben wollte, wenn er ...?“
 

„Es reicht jetzt, Sam!“, fuhr ihm Dean energisch dazwischen, seine grasgrünen Augen blitzten gefährlich in der vorherrschenden Düsternis des Impala auf wie die zornig zusammengekniffene Iris eines aufgebrachten Drachen. „Ich hab genug von diesem ständigen ´Wenn` und ´Aber`, es ist mir egal, was er wusste oder nicht. Alles, was über die Lippen dieser Kreaturen kommt, ist die bloße Lüge. Meinst du, die Menschen dieser Stadt sind von allein so durchgedreht? Hättest du ihm etwa geglaubt, wenn er dir erzählt hätte, warum Jessica sterben musste? Genauso die Behauptung, er würde den Verursacher kennen. Stell dir vor, er hätte dir den Namen eines Unschuldigen genannt, wärest du dann losgezogen und hättest vermutlich jemanden getötet, der mit der Sache rein gar nichts zu tun hat?“
 

Er wusste, dass er sich keine Antwort von dem Jüngeren erhoffen konnte, aber als nicht einmal eine Reaktion auf seine Standpauke folgte, sah er verdutzt zur Seite.
 

Das schummrige Licht der Armaturen, welches das Innere des Wagens nur schwach beleuchtete, schaffte es nicht, den finsteren Schatten, der sich wie eine unheilbringende Wolke auf das Antlitz seines Bruders gelegt hatte, zu vertreiben. Nur die unnatürliche Blässe, die seine Wangen seit Tagen bevölkerte, stach gelegentlich hindurch wie das energische Licht der Sonnenstrahlen, die sich durch ein herannahendes Unwetter gruben.
 

Dean konnte nicht sagen, ob es allein nur der Gesichtsaudruck des Jüngeren oder auch die allmählich vorherrschende Kälte von außen war, die in ihm ein Unwohlsein auslöste, was er seit Jahren nicht gespürt hatte. Er wusste nicht, ob sich Sam nun Gedanken darüber machte, was er soeben gesagt hatte oder ob es etwas anderes war, das durch den Kopf seines Beifahrers geisterte. Instinktiv wünschte er sich im Stillen, dass es eher auf das erstere hinauslief, alles andere ließ nur wieder seine Besorgnis um den viel zu großen Jungen, der ihn seit einigen Jahren fast um einen Kopf überragte, auflodern wie unruhige Flammen.
 

„Manchmal habe ich das Gefühl, es wäre besser, wenn es mich nicht gäbe“, gab die schockierende Äußerung, welche ohne Vorwarnung die Stille zwischen ihnen zerfetzte, Deans Befürchtung neue Nahrung.
 

„Was?“, keuchte dieser erschüttert auf, das Lenkrad gefährlich dabei verreißend, als er den Blick seines Familienmitgliedes suchte, das jedoch starr ins Leere sah. „Sam, was redest du da für einen Schwachsinn?“
 

Die Stimme seines Bruders klang beängstigend monoton, als er antwortete. „Ich meine nur, irgendwie hat mit mir ja alles begonnen. Mum kam um, weil sie mich vor dem Dämon beschützen wollte, der in meinem Kinderzimmer war, so hat Dad es doch erzählt, er hat sie schreien hören, also muss er vor meinem Bettchen gewesen sein.“
 

„Sam ...“, unterbrach ihn der Ältere aufgewühlt, er wollte das alles nicht hören, es stimmte nicht, er sollte sich das nicht einreden, aber der Wuschelkopf sprach ungerührt weiter, als hätte er Dean nicht gehört.
 

„Und Jessica ... sie würde noch leben, wenn es mich nicht gegeben hätte, ich meine, warum tut er das? Wieso tötet er die Menschen, die mir etwas bedeuten? Wird er dich auch holen, Dean? Werde ich dich eines Tages auch blutend unter einer Zimmerdecke finden? Und Dad? Das will ich nicht!“ Sein Atem wurde immer hektischer, kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn, die in tiefen Falten lag, während er die Fäuste so stark geballt hatte, dass aus seinen Fingern alle Farbe wich.
 

„Hör auf, Sam“, bat sein großer Bruder eindringlich, während ihn die Sorge um den Anderen beinahe auffraß, „hör auf, du weißt, dass das Quatsch ist.“ Aber der Angesprochene schien vollkommen woanders zu sein, die Worte erreichten seine Sinne keineswegs, sondern prallten an ihm ab wie die zielsicher abgefeuerten Kugeln eines Gewehres an einem perfekt geschmiedeten Katana.
 

„Mum könnte noch leben, zusammen mit Dad, sie wären glücklich, ohne Leid und Angst, sie hätten dich, du würdest wie ein ganz normaler Junge aufwachsen, frei von dem Wissen, was es wirklich da draußen gibt und nicht im ganzen Land herumkurven und dein Leben hiermit verschwenden, mit mir ... .“

Er stockte, als die Stimme seines Bruders wutentbrannt, aber auch der Verzweiflung nahe an seine Ohren prallte wie ein außer Kontrolle geratenes Flugzeug an eine Gebirgskette.
 

„Verdammt, Sam, es reicht! Es reicht!“, schrie Dean außer sich vor Zorn über all das, was den Lippen des Jüngeren entflohen war, der darunter zusammenfuhr, als hätte ihn ein wild umherzuckendes Stromkabel gestreift. „Du hast nichts damit zu tun, dass alles so ist, wie es ist und ich will dieses Leben mit keinem anderen auf der Welt eintauschen, solange es meinen kleinen Bruder beinhaltet!“
 

Sprachlos sahen sich die Beiden an, der Jüngere überwältigt von den Worten des älteren Winchesters, der, ohne darüber nachzudenken, die Straße dafür vollkommen außer Acht gelassen hatte. Es dauerte nicht weniger als einige Sekunden, bis Sam sich wieder einigermaßen gefangen hatte, die aufkommenden Tränen rasch verbergend, indem er den Kopf zur Seite drehte, aber für die Zwei war es wie eine halbe Ewigkeit.
 

„Dean, ich ...“, begann er und es klang wieder ganz nach dem guten alten Sam, den der Kleinere kannte und schätzte. „Ich ... es ...“, suchte der Hüne nach einer passenden Entschuldigung, die ihm jedoch nur mühsam durch die halb zugeschnürte Kehle kroch. Erneut nahm er einen Anlauf, aber plötzlich wurden seine Augen riesig und Panik zeichnete sich auf seinen noch jungenhaften Zügen ab, während der Blick des Bruders die ganze Zeit auf ihm ruhte. Verwirrt zog der junge Mann mit dem Igelschnitt die Brauen in die Höhe, begriff aber leider kostbare Momente zu spät, als seine Aufmerksamkeit sich wieder der Straße zuwand, was den Dunkelhaarigen so sehr entsetzte.
 

„DEAN! PASS AUF!“, brüllte Sam aus Leibeskräften und warf die Arme schützend vor den Kopf, nachdem ein gelbfarbenes, großes Fahrzeug wie aus dem Nichts vor ihnen auftauchte. Instinktiv riss der ältere Jäger, ohne lange darüber nachzudenken, das Steuer in die andere Richtung, um nicht mit dem Hindernis, welches erschreckend nah an die Karosserie ihres Wagens kam, zusammenzuprallen. Dabei vergaß er leider, dass der Asphalt unter den Rädern des Impalas nicht die Bodenhaftung besaß, die er sonst vorwies, wenn kein Schnee und Eis ihn bedeckten.
 

Das dunkle Gefährt der Winchesters überschlug sich mühelos wie ein Blatt im Wind, das von diesem über das Land getrieben wurde und kam erst zum Stillstand, als es, wieder mit dem Dach nach oben, gegen zwei junge Birken am Straßenrand stieß, die mit einem dumpfen Ächzen auf den uneingeladenen Gast antworteten. Eine unheimliche Stille folgte dem metallischen Knirschen und Quietschen von Blech, welches nur von dem erschrockenen Keuchen eines Menschen unterbrochen wurde, der aus dem Führerhaus des Abschleppwagens sprang, den die Brüder beinahe gerammt hätten.
 

Der Geruch von auslaufendem Öl stach Dean in die Nase und brachte ihn zurück in die grausame reale Welt, die ihn mit brachialen Schmerzen begrüßte, welche beinahe seinen Brustkorb sprengten.
 

„Auuuuu“, stöhnte er gepeinigt auf und versuchte, sich vorsichtig zu rühren, dabei prüfend, ob auch noch alles heil an ihm war. Das Ergebnis war gar nicht mal so mangelhaft, wie er befürchtet hatte. Er konnte seine Beine bewegen und sein Rücken schien auch okay zu sein, nur seine Rippen schmerzten, als hätte ein Elefant darauf Rumba getanzt. Aber all das war zweitrangig, als ihm sein Wagen einfiel.
 

„Oh nein“, stieß er etwas bedrückt hervor. „Dad wird mich umbringen, wenn er das sieht. Hättest du mich nicht ein wenig eher warnen können, Sam?“
 

Keine Antwort erreichte ihn, nur die alles verschlingende Lautlosigkeit der draußen herrschenden Eiseskälte, welche sich langsam seines Herzens bemannte.
 

„Sam?“ Die Sorge um den Impala schmolz dahin wie der Schnee unter der warmen Frühlingssonne. Etwas Feuchtes platschte in regelmäßigen Abständen auf einen harten Untergrund. Unendlich langsam drehte er den Kopf zu Seite und erstarrte. Hellrotes Blut tropfte im Takt eines lautlosen Marsches auf den Boden des Autos, fein wie ein Rinnsal lief es an der Schläfe seines kleinen Bruders entlang, der reglos mit dem Kopf an dem bereits Eisblumen bildenden Fenster auf der Beifahrerseite lehnte. Seine Lider waren geschlossen und er regte sich nicht, als Dean ihn mit äußerstem Bedacht an der Schulter berührte und ihn sanft rüttelte.
 

„Sammy, mach keinen Mist, wach auf, hörst du?“, keimte in dem Älteren eine nie gekannte Angst um den Bruder auf, den er geschworen hatte, zu beschützen. „Komm schon, mach die Augen auf!“
 

Aber es schlug ihm nur eine beklemmende Welle des Schweigens entgegen und die Blässe, welche die Wangen des Jüngeren für sich eingenommen hatte, schien noch um mehrere Nuancen zugenommen zu haben.
 

„SAM!“
 

Deans Stimme gellte schmerzerfüllt durch die Nacht, ungehört von Demjenigen, dem sie galt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  DoctorMcCoy
2010-01-15T13:01:27+00:00 15.01.2010 14:01
So, erstmal muss ich nochmal loswerden, dass ich immer mehr von deinem Schreibstil begeistert bin. Einfach grandios, wie du schreibst. Du benuztst viele schöne Umschreibungen, aber auch nicht zuviel, sodass es langweilig werden würde.

Die ganze Szene während der Fahrt war toll. Eine klassische Winchester-Autofahrt, wenn man mal vom Schnee absieht, was in den Folgen bisher, glaube ich, noch nicht vorgekommen ist. Wie sie erst relativ normal miteinander reden und die Situation dann immer heikler wird. Man kann förmlich den Ausbruch des Streites mitverfolgen. Also sehr schön gemacht.
Was ich auch besonders süß fand, war die Szene mit dem Käptain. Mal ein bisschen Kindereien. Trifft die Brüder sehr gut.
Auch und dafür nochmal ein großes Lob. Du triffst die beiden so genau, dass es schon fast wieder unheimlich ist. Was sie sagen, ihre Bewegungen und Gesten. Einfach klasse.
Besonders die Stelle, wo sich Sam am Anfang entschuldigt und Dean meint, er hätte rein gar nichts gehört. Wie er dann mit dem Finger auf sein Ohr zeigt. Das war so typisch Dean.

Aber jetzt zum Schluss des Kapitels. Also eigentlich sollte ich mir ja um Sam Sorgen machen - was ich natürlich auch tue - aber ich habe genausoviel Angst um dem Impala (ich kann Dean da voll und ganz verstehen).
Cool war der Schluss irgendwie schon. Wie Dean sich erstmal Sorgen um sein Baby macht und dann merkt, dass Sam nicht antwortet. Alles sehr schön dargestellt. Auch dieser letzte Deantypische Schrei nach Sam war klasse.

Bin dann schonmal sehr gespannt, wie es weitergehen wird. Und ob es Sam und dem Impala wieder besser gehen wird.
LG
Lady_Sharif
Von: abgemeldet
2009-04-05T17:33:31+00:00 05.04.2009 19:33
NEin Sam........ Ey ein verletzuer Dean ist viel geiler :D aber mein gott sam..hoffentlich geht es ihm ieder gut ....
Von: abgemeldet
2009-04-04T21:12:43+00:00 04.04.2009 23:12
Ja...jaaaaa...
meinen komme dazu kenns du ja schon *gg*
Hättest du ein paar Absätze eher aufgehört, hättest du was zu hören gekriegt.
Aber gut da ich weiß wies weiter geht, *grins*, bin ich dir ent böse xD

LG
S-a-m


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