Zum Inhalt der Seite

Happy ohne Ende?

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ich bereue nichts

Ich bleibe an dieser Stelle standhaft: Keine der in meiner Story vorkommenden Personen gehört mir und alles, was hier zu lesen ist, ist definitiv frei erfunden und entspricht zu keinem Zeitpunkt der Wahrheit.
 

Wieder einmal vielen Dank an Sunny, die mir treu zur Seite steht und jedes kapitel liest und kommentiert.
 

Auf diese Reaktion, auf solche Worte von Lena war Ricardo nicht vorbereitet gewesen. Sie hatte ihn mit ihrem emotionalen Ausbruch vollkommen überrascht. Damit hatte er einfach nicht gerechnet. Lena war normalerweise nicht der Typ für solche Worte, für diese Bitterkeit. Und trotzdem verstand er sie. Ihm ging es ja irgendwie genauso. Diese ganze verrückte Situation war ihm über den Kopf gewachsen und jetzt stand er vor dem Abgrund und wusste nicht mehr, wo der Weg ihn hinführen würde. Zurück konnte er nicht mehr, denn es würde nie wieder so sein wie früher.

Und das wollte er ja eigentlich auch nicht, weil er vor dem verlorenen Finale, vor seiner Beziehung mit Lena unglücklich gewesen war. Gefangen in einem Käfig, aus dem er nicht allein hatte ausbrechen können. Aus Angst. Vielleicht auch aus Rücksicht auf Caroline, der scheinbar gar nicht aufgefallen war, wie sehr er sein Leben verabscheut hatte. In den letzten Wochen mit Lena hatte er die neue Freiheit spüren können und jetzt wollte er nicht wieder zurück. Vorher hatte er nur davon träumen können, wie es mit seiner ersten großen Liebe sein würde, jetzt wusste er es und es hatte seine Träume noch bei weitem übertroffen. Mit diesem Wissen konnte er einfach nicht wieder nach Hause gehen und so tun, als wäre nichts gewesen. Zumindest nicht ohne die Aussicht wieder kommen zu können, wenn ihn die Gitterstäbe seines goldenen Gefängnisses mal wieder zu sehr einengen würden. Es spielte keine Rolle ob Caroline etwas von seiner Affäre mit Lena wusste oder nicht, es würde einfach für ihn niemals mehr das Gleiche sein. Er liebte sie einfach nicht mehr. Nicht so, wie er Lena liebte. Aber es war wahrscheinlich unfair Caroline an seiner Liebe zu Lena zu messen.
 

„Ich erwarte nicht von dir, dass du ruhig bleibst. Aber ich hoffe auf eine Chance dir alles erklären zu können“, flüsterte Ricardo fast unhörbar. Er wusste, dass er sie verletzt hatte, als er ihr nicht sofort die Wahrheit gesagt hatte, aber er konnte die Zeit nicht zurückdrehen. Sonst hätte er es schon längst getan. Das hätte ihnen so viel Schmerz und Tränen erspart. Er hätte sie zu jener Nacht zurückgedreht, als sie das erste Mal miteinander geschlafen hatten. Es war mittlerweile schon Jahre her, aber er erinnerte sich immer noch an jede einzelne Sekunde, auch wenn er angetrunken gewesen war und gar nicht so richtig realisiert hatte, was genau er da eigentlich gerade tat. Und welche Konsequenzen es irgendwann mit sich bringen würde. Es war einfach nur wunderschön gewesen, das war alles, was ihn in diesem Augenblick interessiert hatte.
 

Lenas Stimme riss ihn aus seinen Erinnerungen zurück in die Wirklichkeit, die nichts mit seinen Träumen gemein hatte.
 

„Was willst du mir noch groß erklären, Ricardo? Ich denke, es ist alles erklärt. Du wirst Vater. Du bekommst ein Kind mit deiner Frau zusammen. Gratulation. Das ist doch das, was du immer wolltest: Eine Familie.“
 

Ricardo wusste nicht, wie er Lenas Tonfall deuten sollte. Sie versuchte ihn nicht zu nah an sich heran zu lassen, soviel war klar. Und er konnte es ihr noch nicht einmal verübeln, wahrscheinlich würde er sie auch nicht an sich heranlassen, hätte sie ihm eröffnet, dass sie von einem anderen Mann schwanger war. Aber das hier war eine andere Situation, sie hatte schließlich von Anfang an gewusst, dass es noch eine andere Frau in seinem Leben gab. Seine Ehefrau. Die Frau, der er Liebe und Treue geschworen hatte und die er seit mehreren Wochen betrog – mit seiner ersten großen Liebe. Wahrscheinlich seiner einzigen, auch wenn er es damals nicht bemerkt hatte. Oder auch nicht bemerken wollte.
 

„Ja, ich wollte immer eine Familie, aber nicht mit ihr, sondern mit dir. Und ich schwöre dir, dass ich seit Istanbul nicht mehr mit Caroline geschlafen habe. Seitdem bist du die einzige Frau für mich. Lena, hör mir zu: Ich will dich nicht verlieren. Ich liebe dich.“
 

Nichts, was Ricardo sonst hätte sagen können, traf Lena so wie seine letzten Worte. Er liebte sie – immer noch. Und er hatte sie nicht betrogen, hatte sie und Caroline nicht gegeneinander ausgespielt, um seinen Spaß zu haben. Ricardo war ihr in den letzten Wochen treu gewesen, das Baby stammte also noch aus einer Zeit, wo keiner von ihnen auch nur im Traum daran geglaubt hatte, dass sie beide mal eine gemeinsame Zukunft würde verbinden können. Das machte es Lena ein kleines bisschen leichter ums Herz. Und er wollte sie nicht verlieren. Aber Menschen waren nichts, was man einfach so besitzen konnte. Trotzdem konnte die Blondine nicht anders, als ihn in den Arm zu nehmen und leise zu flüstern:
 

„Ich dich auch. Ich dich doch auch.“
 

Vorsichtig löste sie sich von ihm, hielt aber immer noch seine Hand in der ihren und sagte mit etwas kräftigerer Stimme:
 

„Und gerade deswegen weiß ich, dass du das Richtige tun wirst.“
 

„Das Richtige tun, das Falsche tun. Manchmal ist es alles eins“, murmelte Ricardo nur. Er hatte keine Ahnung, was Lenas Ansichten nach das „Richtige“ war. Himmel, er wusste ja noch nicht einmal, was seiner eigenen Ansicht nach das „Richtige“ war. Er wusste nur, dass die Umarmung gut getan hatte. Es hatte ihm gut getan Lenas Nähe zu spüren und zu wissen, dass sie ihn für das, was er ihr angetan hatte, nicht hasste. Und wenn etwas so gut tat, sein Herz freudig schneller schlagen ließ, konnte es doch unmöglich falsch sein.
 

„Ich kenne dich, du würdest niemals den einzig Unschuldigen in dieser Situation verletzen können. Und das ist dein Kind, Ricardo. Dein Baby. Du würdest es dir nie verzeihen. Und mir auch nicht.“
 

Beide schwiegen, weil sie wussten, dass es auf Lenas Worte nichts gab, was man hätte erwidern können, denn sie hatte ja Recht: Ein kleines Baby konnte nichts dafür, dass Caroline und Ricardo sich auseinander gelebt hatten. Dass Lena und der Brasilianer sich ineinander verliebt hatten und eigentlich für eine gemeinsame Zukunft kämpfen wollten. Es war nicht verantwortlich für die Fehler der Eltern und würde doch einen hohen Preis zahlen müssen – so oder so.
 

„Ich liebe das kleine Würmchen jetzt schon, aber ich kann nicht einfach zu Caroline zurückgehen und so tun, als wäre nichts passiert. Als wäre das mit uns nie passiert. Ich brauche dich, Lena, ohne dich schaffe ich’s nicht. Bleib bei mir.“
 

Da waren sie, die drei magischen Worte, vor denen sie sich schon die ganze Zeit gefürchtet hatte. Nicht „ich liebe dich“, damit kam sie klar, aber nicht mit diesen drei leise geflehten Worten. Denn sie gaben ihr die Zügel in die Hand. Mit einem Mal war es nicht mehr seine Entscheidung, ob ihre Beziehung weitergehen oder ob er bei Frau und Kind bleiben würde, sondern ihre. Oder vielleicht auch nicht. Er hatte sie nur gebeten bei ihm zu bleiben, nichts davon bedeutete, dass er Caroline und das Baby verlassen würde, wenn sie blieb. Das wusste er vermutlich selbst noch nicht.
 

„Ich werde immer bei dir sein, dass weißt du doch. Denn wo mein Schatz ist-“
 

„-da wird mein Herz auch sein.“
 

Ohne weiter darüber zu sprechen, griffen die beiden nach ihren Ketten und hielten die chinesischen Zeichen aneinander, so dass sie einen Kreis ergaben. Sie gehörten einfach zusammen. Der eine war nicht vollständig ohne den anderen, auch wenn jeder von ihnen ein Stück des anderen in sich trug. Nur zusammen waren sie perfekt.
 

„Vor diesem Tag habe ich mich die ganze Zeit gefürchtet.“
 

Ohne auf ihren zaghaften Widerstand zu achten zog Ricardo sie in seine Arme. Er wollte sie nicht loslassen, denn dann hätte er ihr in die Augen sehen und müssen und das konnte er nicht. Nicht, wenn sie wirklich das sagen würde, was er glaubte.
 

„Ich hatte insgeheim immer Angst vor dem Tag, an dem ich dich gehen lassen müsste.“
 

Sie vergrub eine Hand in seinem Haar und die andere in seinem Pullover. Die Distanz, die vor wenigen Minuten noch zwischen ihnen geherrscht hatte, war verschwunden. Wie zwei Ertrinkende klammerten sie sich aneinander, nicht bereit den anderen loszulassen.
 

„Aber du musst mich nicht gehen lassen, weil ich gar nicht gehen will“, flüsterte Ricardo leise. Es schien, als würde ihre gesamte Unterhaltung im Flüsterton ablaufen, weil sich keiner von ihnen traute die Worte laut auszusprechen. Als würde es einen Unterschied machen, ob sie nun geflüstert waren oder nicht. Machte es nicht, ehrlich nicht, aber auch Lena behielt den leisen Ton bei.
 

„Doch. Es ist besser so. Für dich und für mich.“
 

„Wie kann es besser sein, wenn wir uns doch lieben?“
 

Eigentlich hatte er die Frage gar nicht so stellen wollen, aber manchmal brachte ihn Lena mit ihrer Art einfach auf die Palme. Sie tat so, als wüsste sie, was das Beste für ihn war. Für sie beide. Dabei war das, was sie für das Beste hielt, genau das, was ihn schweißgebadet nach einem Alptraum aufwachen ließ. Wie konnte eine Trennung das Beste für sein, wenn sie doch beide ganz genau wussten, dass sie nicht ohne den anderen konnten? Dass sie so nicht wirklich glücklich sein würden?
 

„Ricardo, du hast bald eine Familie um die du dich kümmern musst. Du kannst dein Herz nicht auf ewig zwischen ihnen und mir aufteilen. Du musst noch viele Jahre ganz und heil sein, damit du dein Baby aufwachsen sehen kannst.“
 

„Bitte nicht Lena.“
 

Es tat ihm Weh, sie von seinem Kind sprechen zu hören. Von einem Kind, das sie zusammen hätten bekommen sollen. Als glückliches Paar, dessen Liebe alles überstanden hatte. Ein Baby, das ihr gemeinsames Leben perfekt gemacht hätte. Einfach, weil es von ihnen beiden gewesen wäre. Hätte, wäre, wenn, scheiße! Jetzt stand er hier und hielt die Frau, die er liebte und deren Tränen ihm auf die Schulter tropften, in den Armen. Er wollte nicht auch noch anfangen zu weinen, wollte sich zusammenreißen, aber Lenas Nähe und ihre nächsten Worte ließen auch ihn den Kampf mit den Tränen verlieren.
 

„Ich wusste von Anfang an, worauf ich mich mit dir einlassen würde. Ich wusste, dass es gebrochene Herzen geben würde – ich hatte nur nicht damit gerechnet, dass es meins sein würde. Gott, war ich überheblich. Aber so ist es nun mal. Manchmal ist das Leben einfach nicht fair.“
 

Die Resignation in ihrer Stimme missfiel Ricardo. Sie klang bereits so endgültig, so als gäbe es nicht mehr viel zu sagen, wo er doch eigentlich noch nicht einmal angefangen hatte.
 

„Lena-“
 

„Nein Ricardo, mach es mir bitte nicht noch schwieriger, als es ohnehin schon ist.“
 

Sie löst sich aus seinen Armen und versuchte Abstand zu gewinnen. Das, was sie ihm jetzt sagen würde, konnte sie ihm nicht sagen, wenn er sie im Arm hielt. Das brachte sie nicht über sich. Außerdem wollte sie in seine Augen blicken, wenn sie mit ihm sprach. So wie sie ein offenes Buch für ihn war, fast so war er es bei ihr.
 

„Ich habe in den letzten Stunden viel nachgedacht. Mich hier im Haus umgesehen und mich an die letzten Wochen erinnert.“
 

Gedankenversunken strich Lena über die Lehne ihres Lieblingssessels, in dem Ricardo und sie sich schon geliebt hatten. Es gab wahrscheinlich kein Zimmer in diesem Haus, keinen Gegenstand, der nicht davon hätte berichten können. Und es wären schöne Geschichten gewesen, zumindest hatte Lena viele gute Erinnerungen an dieses Haus, in dem sie für eine Weile heile Welt hatte spielen dürfen. Mit dem Ehemann einer anderen Frau. Einer Frau, die jetzt vermutlich zu Hause saß und sich fragte, wo ihr Mann wohl bliebe.
 

„Bereust du es? Bereust du, dass du mich damals nicht abgewiesen hast? Dass du in den letzten Wochen meinetwegen hast lügen müssen?“, fragte Ricardo fast schon mit so etwas wie Angst in der Stimme. Er wollte jetzt nicht hören, dass sie die Zeit nicht genauso sehr genossen hatte wie er selbst. Der Brasilianer wollte nicht, dass Lena mit einem bitteren Geschmack an die vergangenen Wochen dachte, dafür war er selbst viel zu glücklich mit ihr gewesen.
 

„Nein, ich bereue nichts. Nicht einen Schritt, nicht einen Augenblick davon. Auch wenn es für uns nicht reicht, es war doch nicht umsonst. Wie auch? Mit dir hatte ich das erste Mal seit langem überhaupt das Gefühl zu leben und ich werde niemals vergessen, wie es sich anfühlt von dir geliebt zu werden, Ricardo. Niemals.“
 

Sanft fuhr sie mit ihrer Hand über seine Wange und Ricardo konnte in ihren dunkelblauen Augen sehen, dass sie nicht weniger litt als er, deshalb sagte er halblaut:
 

„Geh nicht. Bitte.“
 

„Wenn ich bliebe, wäre ich dir nur im Weg. Dir und der Familie, die du dir aufbauen wirst. Du bist wie geschaffen dafür Vater zu sein. Ich könnte mir keinen besseren Mann als dich vorstellen. Dein Baby kann sich glücklich schätzen so einen Papa zu bekommen. Wirklich.“
 

„Du kannst doch nicht einfach so gehen, Lena. Hast du mich überhaupt gefragt, wie ich mich entscheide?“, fragte der Mittelfeldspieler in Diensten des AC Mailands fast schon ein wenig wütend. Die ganze Zeit sprach sie davon zu wissen, was das Beste, das Richtige war, aber seine Meinung schien sie gar nicht zu interessieren. Er wollte Lena nicht gehen lassen, wollte nicht, dass sie eine Entscheidung traf, die er treffen musste – für die er sich jedoch zu schwach fühlte.
 

„Ich kenne dich Ricardo, vielleicht sogar besser als deine Ehefrau. Nein, bestimmt sogar besser als Caroline. Und ich weiß, dass du ein herzensguter Mensch bist, der niemandem absichtlich Weh tun will. In dieser Situation geht das aber nicht, also-“
 

„-also glaubst du eine Entscheidung für mich treffen zu können, ja?“
 

Lena wollte nicht streiten. Nicht jetzt, nicht hier. In diesem Haus hatte es so gut wie nie Streit gegeben, denn wenn sie hier gewesen waren, war die Zeit fürs Streiten zu kostbar gewesen. Und genauso sah die Psychologin es auch jetzt.
 

„Nein, du hast sie schon längst getroffen, bist es dir nur nicht bewusst geworden. Du hast sie in dem Moment getroffen, als Caroline dir von ihrer Schwangerschaft erzählt hat und du sie mir verschwiegen hast.“
 

Sie wollte wirklich nicht vorwurfsvoll klingen, das hatte sie hinter sich. Ihre Aufregung darüber, dass er es ihr verschwiegen hatte und sie es ausgerechnet von seiner Frau hatte erfahren müssen, war mittlerweile verraucht. Darum ging es nicht mehr. Jetzt ging es um wichtigere Sachen, auch wenn Ricardo nicht umhin konnte sich noch einmal dafür zu entschuldigen.
 

„Das tut mir Leid, ich wusste einfach nicht, wie ich es dir sagen sollte.“
 

„Genau. Tief in deinem Herzen hast du dich schon für deine Familie entschieden. Und damit meine ich nicht nur Caroline und das Baby, sondern auch deine Eltern und Verwandte. Glaubst du sie hätten akzeptiert, dass du deine schwangere Ehefrau für mich verlässt?“
 

Es war nur eine rhetorische Frage gewesen, deswegen sparte Ricardo sich die Antwort, denn sie beide wussten, wie sie hätte ausfallen müssen, wenn er ehrlich mit ihr war. Nein, er glaubte nicht, dass sie seine Entscheidung für Lena und gegen Caroline akzeptiert hätten. Sie hätten ihm den Rücken gekehrt. Sogar seine Mutter, die ihn über alles liebte, hätte ihm das nicht verzeihen können, denn ein anständiger Mann tat so etwas nicht. Ein anständiger Mann verließ seine schwangere Frau nicht, eigentlich betrog er sie gar nicht erst, aber das konnte keiner mehr rückgängig machen. Es wäre schon schwer genug geworden seiner Familie die Scheidung beizubringen, aber mit einer schwangeren Caroline wäre es für ihn unmöglich. Und nicht nur für ihn, sondern auch für Lena, die plötzlich die böse Ehebrecherin und Verführerin sein würde, die seine Beziehung zu Caroline kaputt gemacht hätte. Dabei war nichts davon wahr. Und doch würden sie alle genau das glauben. Und das würde ihre Beziehung zwangsläufig belasten.
 

„Du hast dich für dein altes Leben entschieden, Ricardo“, stellte Lena nach einer längeren Pause fest, in der sie beide nichts gesagt hatten. Was denn auch, es hätte ja wahrscheinlich eine Antwort auf Lenas Frage sein müssen und die konnten sie beide nicht gebrauchen. Wieso sollte man auch etwas noch mal laut aussprechen, wenn es doch eh jeder wusste? Die Schmerzen konnten sie sich echt ersparen, es war ja nicht so, als gäbe es zwischen ihnen sonst nichts, was wehtun würde.
 

„Können wir beide nicht so weitermachen wie bisher?“
 

„Du kannst dir gar nicht vorstellen wie sehr ich mir wünsche, dass wir es könnten, aber es geht nicht.“
 

„Ist es nur wegen des Babys?“
 

Die kleine Schwester des „Lutschers“ hatte keine Ahnung, warum er sie ausgerechnet das fragte, wo doch ein Teil der Antwort auf der Hand lag. Ja, das Baby spielte eine große Rolle bei ihrer Entscheidung, aber Lena würde einen Teufel tun und Ricardo das sagen. Sie hatte in ihrer eigenen Kindheit erlebt, wie es war, wenn die Eltern einen nicht so lieben konnten, wie sie es eigentlich sollten. Sie hatte jeden Tag spüren dürfen, wie es war, für etwas die Schuld zu bekommen, wofür man nicht verantwortlich war. Eine solche Kindheit wollte sie Ricardos Kind ersparen.

Zwar war der Brasilianer nicht der Typ Mann, der seinem Kind deswegen Vorhaltungen machen würde, aber in Zorn sagten sich manchmal schnell Dinge, die man eigentlich nicht so meinte, die aber trotzdem tierisch wehtaten. Und Ricardo sollte gar nicht erst daran denken seinem Baby die Alleinschuld für das Ende ihrer Beziehung zu geben.
 

„Nein, nicht nur. Ich kann einfach nicht so weitermachen, Ricardo. Ich habe es die letzten Wochen ertragen, weil ich dich liebe und weil ich wusste, dass die Geheimnisse und Lügen bald ein Ende haben würden.“
 

Nachdenklich blickte die Blondine den Mittelfeldspieler an, der sich bisher nicht gerührt hatte. Wie gebannt starte er sie an und saugte jedes Wort auf, das ihre Lippen verließ. Sie selbst wanderte langsam auf leisen Sohlen durch den Raum, so als wollte sie niemanden stören – eine törichte Vorstellung, schließlich lebte in diesem Haus niemand außer ihnen.
 

„Aber jetzt hat sich das alles geändert. Caroline ist hier und sie wird hier bleiben. Nicht so wie früher, wo sie regelmäßig für längere Zeit fort war. Ich ertrage es einfach nicht euch bei jeder Gelegenheit zusammen zu sehen und so tun zu müssen, als würde es mir nichts ausmachen. Denn es macht mir etwas aus“ berichtete die Psychologin offen über ihr Gefühlsleben. Für Lena machte es keinen Sinn mehr ihre Eifersucht zu verschweigen, denn genau das war es nun mal, was sie für Caroline empfand: Eifersucht. Weil diese Frau den Mann hatte, den sie von Herzen liebte.
 

„Ich kann nicht lächelnd mit ihr über Babynamen reden, während ich daran denke, wie sehr ich ihren Mann liebe. Wir waren nie die besten Freundinnen, aber sie hat es nicht verdient, dass ich ihr so ins Gesicht lüge und-“
 

Mit einem Mal brach Lena ab und sah zu Boden. Sie haderte mit sich, ob sie die nächsten Sätze tatsächlich sagen sollte. Es fiel ihr schwer eine Entscheidung zu treffen, aber da sie bei Ricardo wegen seiner mangelnde Ehrlichkeit verletzt gewesen war, wollte sie nun selbst mit offenen Karten spielen. Sie konnte ja ohnehin nicht vor ihm verbergen, deshalb sagte Lena mit zitternder Stimme:
 

„- und ich habe es nicht verdient überhaupt lügen zu müssen, Ricardo. Diese letzten Wochen waren wunderschön, solange wir nur hier waren. Sobald wir draußen waren, hat sich alles verändert. Ich habe keine Kraft mehr für dieses Versteckspiel. Ich würde ganz langsam daran zugrunde gehen euer Glück zu beobachten und zu wissen, dass es für mich nie mehr als ein paar gestohlene Momente geben wird. Das kann ich nicht mehr, Ricardo. Das kann ich einfach nicht mehr. Ich weiß nicht, wie ich ehrlich zu mir sein und dich lieben soll.“
 

Mit einem Mal konnte Ricardo sehen, was sie damit meinte. Vorher waren ihm die tiefen Augenringe nie aufgefallen oder er hatte einfach nur nicht darauf geachtet. Dabei sah er sie so gerne an, nur scheinbar nicht richtig. Nicht so, dass er bemerkt hätte, dass sie zu wenig schlief. Oder gar nicht erst schlafen konnte. Wenn sie zusammen im Bett lagen, hatte Lena immer tief und fest geschlafen, doch augenscheinlich auch nur dann. Und ihm fiel auf, wie dünn sie in den letzten paar Wochen geworden war. Fast schon beängstigend dünn und zerbrechlich. Das war nicht die Lena aus Istanbul, zumindest nicht äußerlich. Er erinnerte sich an ihr Lächeln, nicht an das, dass sie ihm geschenkt hatte, wenn sie allein gewesen waren, sondern an das, das sie in der Öffentlichkeit zur Schau getragen hatte: Es hatte nie ihre Augen erreicht, hatte ein bisschen verkrampft gewirkt. Es ging der Frau, die er über alles liebte, nicht gut. Ganz und gar nicht. Und er war schuld daran.
 

„Also ist das jetzt das Ende?“
 

„Wir haben beide gekämpft bis zum Schluss, aber manchmal reicht es einfach nicht. Wir können beide so nicht weiter machen, das schaffen wir nicht, Ricardo. Egal, wie sehr wir es uns auch wünschen. Manchmal ist Liebe einfach nicht genug. Da kommt einem das Leben in die Quere. Aber vielleicht bedeutet Liebe eben auch lernen, jemanden gehen zu lassen, wissen, wann es Abschied nehmen heißt. Nicht zulassen, dass unsere Gefühle dem im Weg stehen, was am Ende wahrscheinlich besser ist für die, die wir lieben.“
 

Darauf wusste Ricardo nichts zu erwidern, weshalb er sie einfach nur wieder in den Arm nahm und an sie drückte. Er brauchte jetzt ihre Nähe, mehr als alles andere. Er wollte sie nicht gehen lassen.
 

To be continued
 

Ja, Lena wird weich, sie kann einfach nicht lange auf Ricardo wütend sein. Schon gar nicht in so einer emotionalen Situation. Es ist für sie beide wahrlich nicht einfach.

Lena ist verletzt, sie leidet und sie weiß, dass es für sie so nicht weiter gehen kann. Weil sie selbst nicht in der Lage dazu ist so weiter zu machen, aber auch, weil sie weiß, dass es nicht fair wäre. Dann würde am Ende noch das unschuldige Kind verletzt werden und das will Lena natürlich unter gar keinen Umständen. Also muss eine Entscheidung her. Aber wird Ricardo ihre Entscheidung akzeptieren? Oder hat sie sich gar nicht richtig entschieden, sondern erzählt nur das, was sie meint, was richtig wäre zu sagen? Ist das jetzt das endgültige Ende geht es vielleicht doch noch weiter?

Ich hoffe, dass in diesem Kapitel wirklich klar geworden ist, wie viel Lena Ricardo bedeutet und dass sie immer mehr war als nur irgendeine Frau. Er braucht sie und will sie nicht verlieren, aber wie Lena schon sagte: Manchmal reicht Liebe allein halt nicht. Und was haltet ihr im Allgemeinen von ihrer Einstellung zur Liebe und warum sie ihn gehen lassen würde?



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  sunny12
2012-09-22T16:51:27+00:00 22.09.2012 18:51
Hey :)
Leider komme ich erst jetzt wieder dazu, das Kapitel zu kommentieren...
Aber es hat mir sehr gut gefallen. Die Gefühle von Lena und Ricardo sind echt sehr gut rübergekommen und man konnte alles super nachvollziehen.
Durch Lenas eigene Geschichte kann ich sie auch gut verstehen, dass der Vater bei seinem Kind sein soll und dass sie nicht möchte, dass das Kind die Schuld für ihre Trennung von Ricardo bekommt. Aber sie tut mir so leid :( Ich hoffe, dass sie bald eine neue Liebe findet (hoffentlich wird es Per). Das hat sie sich nach diesem Unglück, finde ich zumindest, wirklich verdient. Und Per ist vermutlich auch jemand, der sie zu schätzen weiß.
Alles in allem finde ich aber auch, dass Lena mit ihrem Vorhaben, sich von Ricardo zu trennen, die richtige Entscheidung getroffen hat, auch wenn es ihr schwer gefallen ist. Sonst wäre sie jetzt wahrscheinlich immernoch unglücklich. Entweder, weil sie immernoch nur die zweite Frau in Ricardos Leben ist und sie alles geheim halten müssen oder weil er wegen ihr seine Familie verletzen musste.
Es hat mir also wieder richtig gut gefallen und ich bin schon auf das nächste Kapitel gespannt.
LG sunny12
Von: abgemeldet
2012-09-16T17:58:29+00:00 16.09.2012 19:58
Oh Mann, ich weiß noch gar nicht, was ich schreiben soll, weil meine Gedanken grad noch so durcheinander gehen.Sie kennt Ricardo echt verdammt gut... besser als er sich selbst und so wie du es beschreibst, wie könnte man da ihre Gedanken udn auchs eine nicht nachempfinden?! Sie tun mir beide grad so schrecklich leid. Liebe ist schon was seltsames, oder? Es gibt bestimmt Leute, die sagen würden, Liebe schafft alles, aber im Endeffekt ist das nur möglich, wenn man sein Verantwortungsgefühl abstellt. Klar, wenn sich Ricardo nicht für sein kleines Baby verantwortlich fühlen würde und es ihm auch egal wär, seiner Familie, die ihn großgezogen hat, den Rücken zu kehren, könnten sie zusammen sein. Vielleicht. Aber dann wär er nicht der Mann, den Lena liebt...sie trifft die richtige Entscheidung, für sich selbst und auch für ihn, schon allein, dass sie ihm die Entscheidung abnimmt, zeigt wieder, wie viel er ihr bedeutet. Ich hätte heulen können, vor allem, als Ricardo dann bemerkt, wie sehr sich Lena verändert hat und dass es ihm nie aufgefallen ist, wie sie leidet. Das kann er auch nicht zulassen, dafür liebt er sie wirklich viel zu arg. Ja, ich hab mich über ihn geärgert, als es ihm nur darum ging, dass Lena bei ihm bleibt und er gar nichtd rüber nachgedacht hat, was das für Lena bedeuten würde, aber das hat sich zum Ende hin gelegt und das Gefühl ist verschwunden. Nicht jeder denkt so weit voraus und aus so vielen Blickwinkeln... das Wichtige ist, dass er es schlussendlich gemerkt hat.
Ach Mann, ich will die beiden am Ende immer noch irgendwie glücklich sehen! Seine Familie kann doch mit den Jahren auch nicht blind sein und glücklich darüber sein, wenn es ihr Sohn nicht ist! Und Scheidung heißt ja nicht, dass er sein Kind im STich lässt! Vor allem, wenn es erst so weit kommt, wenn das Kleine schon paar Jahre alt ist und kein Baby mehr! Caroline kann doch in so ner Ehe auch nicht glücklich sein! Aaaaah...aber dass Lena das alles irgendwann vergessen will und auch wieder glücklich sein will , vielleicht mit Per, kann ich auch verstehen! Aber ob die Gefühle genauso intensiv sein werden.... hmm... danke für die beiden tollen neuen Kapitel!!! Endlich ist die Sommerpause vorbei ;))


Zurück