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Abenteuer an der Pokémon Akademie

von

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Wege, die zusammen führen

Es dauerte nicht lang, da hatte die junge Schülerin ihr Zimmer erreicht und den PC angeschmissen. Ein blinkendes Briefsymbol ließ keinen Zweifel daran, dass die elektronische Post angekommen war.

Als sie das Dokument öffnete, erlitt Paulas Enthusiasmus ein wenig Ernüchterung, denn es breiteten sich zehn klein beschriebene Seiten vor ihren Augen aus. Aber da sie sich ja entschlossen hatte, das Training ernst zu nehmen, machte sie sich an die Arbeit den Roman durchzulesen. Ihr Kampflehrer war eine Koryphäe auf seinem Gebiet und wenn er ihr nicht helfen konnte, war es vermutlich aussichtslos. Also versuchte sich die Trainerin daran, die Unmenge an Informationen zu lesen und zu merken. Besonders Letzteres erwies sich als äußerst schwierig. Das waren einfach ein paar Tipps zu viel auf einmal.

Nach der vierten Seite gab Paula genervt auf. Das konnte sie unmöglich alles umsetzen.

Aber wenn sie nicht anfing, würde Akarin vermutlich nie ne Attacke zustande bringen.

Also machte sie den Computer aus, schmiss alles Unwichtige aus ihrem Rucksack und lud Raupy wieder darin ein. Einem Ausflug war der Käfer sicher nicht abgeneigt und seine Trainerin brachte es auch nicht übers Herz die kleine Raupe allein in ihrem Zimmer zurückzulassen.

Paula musste Akarin mal eben in seinen Pokéball verfrachten, denn gleich war Mittagszeit und dann würde der Campus voller Leute sein, die sich über ein freilaufendes Pokémon aufregen konnten.

Schnell benachrichtigte sie noch Tifi, dass sie das Mittagessen heute ausfallen lassen wollte und dann ging’s auch schon los, sich einen geeigneten Übungsplatz zu suchen.

Am praktischsten war natürlich eigentlich die Trainingsarena, aber Paula hatte keine Lust sich den Blicken anderer Leute ausgesetzt zu wissen. Außerdem hatte Prof. Weston dringend empfohlen, dass es für Glumanda so wenig wie möglich Ablenkung geben sollte.

Also stand für sie der Entschluss fest, sich ein nettes Plätzchen im angrenzenden Wald zu suchen.

Dass es Schülern der ersten Klasse nicht gestattet war, in der ersten Woche allein die Gegend zu erkunden und sie damit massiv gegen die Schulregeln verstieß, war ihr in dem Moment nicht klar. Aber selbst wenn sie es gewusst hätte, wäre es ihr wohl völlig egal gewesen.

Nach der blöden Auseinandersetzung am Vormittag tat es ihr nun gut, die frische Luft zu genießen und einfach den Kopf frei zubekommen. Es war immer noch schön warm, aber die ersten Wölkchen hatte sich am Himmel verteilt, sodass die Sonne nicht mehr ganz so kräftig auf die Erde nieder brannte. Der Schatten der, nun schon kräftig grünen, Bäume sorgte für eine gleich noch viel angenehmere Atmosphäre.

Sobald die Studentin aus dem normalen Sichtfeld des Geländes heraus war, ließ sie ihren feurigen Freund wieder aus dem lästigen Gefängnis und auch Raupy durfte oben aus der Rucksacköffnung herausgucken.

Allen drein gefiel die kleine Unternehmung sehr gut und so wurde es erst einmal eher ein Spaziergang, als ein Training. Das unbeschwerte Umherwandern war einfach mal zu schön und so bemerkte Paula gar nicht, dass sie sich weiter als geplant von den Akademiegebäuden entfernte.

Erst als Akarin langsam anfing etwas schwerer zu atmen, wurde ihr bewusst, dass sie schon über eine halbe Stunde liefen. Und das ganz ohne zu wissen, wohin eigentlich...

„Ok, machen wir erst mal eine kleine Pause.“

Auch bei dem Mädchen machten sich allmählich die Knie protestierend bemerkbar. Außerdem wollte sie ihr Pokémon ja nicht schon vor dem Training überanstrengen.

Ebenfalls leicht erschöpft, ließ sie sich in das weiche Gras fallen. Akarin kam sofort heran und platzierte sich auf ihrem Schoß. Raupy nutze die Gelegenheit aus seinem Transportmittel herauszuklettern und sich an den Hals seiner Freundin zu schmiegen.

Paula musste unwillkürlich lachen: „Ok, ihr Zwei, dann machen wir jetzt erst mal ne kleine Kuschelstunde und dann geht’s los mit Training.“

Vergnügt legte sich die Schülerin ins Gras und umschlang ihre beiden Pokémonfreunde. Die kleine Erholungspause nach der anstrengenden Woche tat wirklich mehr als gut.

Doch der weite Fußmarsch, das Kuscheln und die Wärme, hatten noch einen anderen Effekt. Ohne es zu merken, versank Paula langsam aber sicher in einen dämmrigen Zustand. Sie genoss es viel zu sehr, einfach da zu liegen und Nichts zu tun , als dass sie sich groß dagegen wehrte, dass ihre Augen immer schwerer wurden und sie schließlich nach einiger Zeit mitten im Wald zu einem kleinen Mittagsschläfchen einnickte.
 

Als das Mädchen wieder aus ihren Träumen erwachte, sah sie sich verwirrt um. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis die Erinnerungen an ihr Trainingsvorhaben zurück kamen und sie wieder wusste, warum sie sich im Wald befand.

„Hey, ihr Schlafmützen, genug gepennt. Jetzt geht’s an die Arbeit.“, weckte sie ihre noch schlummernden Kameraden.

Noch etwas schläfrig streckten sich die Drei, bevor sie aufstanden, um sie endlich ans Werk zu machen.

Aber Paulas Müdigkeit war schnell wie weggeblasen, als sie erkannte, dass sich etwas an der Umgebung geändert hatte. Nicht das Umfeld direkt, aber etwas war nicht mehr, da wo sie es in Erinnerung hatte – die Sonne!

Ein Blick auf die Uhr bestätigte ihre Befürchtung. Es war schon um vier! Sie hatte also gute zwei Stunden einfach verpennt. Dabei wollte sie doch eigentlich schon auf dem Rückweg sein.

Aber jetzt ohne Training zurück zugehen, kam auch nicht in Frage.

Außerdem... wenn sie es sich genau überlegte... wo war eigentlich der Rückweg?

Etwas verwirrt sah sich Paula um. Irgendwie waren da überall plötzlich nur noch Bäume und ihr Gedächtnis ließ sie ziemlich im Stich, wenn es darum ging, an welchem Grünzeug sie vorbeigekommen war. Orientierung war noch nie so ganz ihre Stärke gewesen, zumindest wenn es darum ging, sich in Gebieten zurecht zu finden, wo alles rundherum gleich aussah.

Die Tatsache irgendwo im Wald zu sein und den Weg nicht zu kennen, beunruhigte sie zwar für einen kurzen Moment, aber sie hatte ja ihre Begleiter und irgendwie würde sie schon auch zurückfinden. Hoffte sie zumindest...

Doch der Gedanke wurde erst einmal zur Seite gelegt. Jetzt war es wichtig, endlich mal mit den Übungen anzufangen. Ein bisschen Aufwärmtraining war da schon mal die beste Grundlage, das hatte selbst sie schon mitbekommen.

Aber gerade als sie den Befehl zum Laufen geben wollte, zog etwas anderes Paulas Aufmerksamkeit auf sich.

Wenn sie nicht noch träumte, oder gar schon halluzinierte, hatte sie Geräusche gehört. Für einen Moment drang nur das Rascheln der Bäume an ihr Ohr, aber dann wurde ein erneuter Laut mit dem Wind herangetragen. Es klang fast so wie ein Knall, aber sehr leise und dumpfer. So richtig einordnen konnte sie diesen Ton nicht. Auf jeden Fall schien er für die Waldidylle eigenartig fremd.

Vermutlich war sie also doch nicht allein. Etwas in ihr, ermahnte das Mädchen zur Vorsicht. Es konnten ja immerhin wilde Pokémon sein, so wie das unfreundliche Ariados. Doch ein anderer Teil machte ihr klar, dass sie dann immer noch Akarin und Raupy zum Beschützen hatte und wenn sie das Risiko einging und dafür auf jemand menschliches traf, der ihr den Weg weisen konnte, hatte sie ein Problem weniger. Außerdem zupfte die Neugier auch heftig an ihrem Unterbewusstsein.

Also schnappte sich die Verirrte ihren Rucksack und ihre Pokémon, bevor sie behutsam in die Richtung des Geräuschs schlich. Je weiter sie in das Dickicht der Strauchzone vordrang, desto intensiver wurden die Laute. Fast meinte Paula eine Stimme zu erkennen, konnte aber weder ausmachen, wer es war, noch was gesagt wurde. Dafür wurden die hämmernden Töne immer deutlicher. Nun war die Schülerin erst recht neugierig.

Doch noch versperrte ihr das Gebüsch die Sicht. Erst, als sie einen kleinen Hang erklommen hatte, konnte sie durch die etwas lichtere Begrünung eine Gestalt ausmachen, die unten in der Senke stand. Aber sie stand mit dem Rücken zu Paula und war noch zu weit entfernt, um Näheres zu erkennen. Es war schon mal zum Glück kein wildes Pokémon, sondern ein Mensch, bei dem sie sich eventuell Hilfe holen konnte.

„Komm Akarin. Das sehen wir uns genauer an. Sei schön leise.“ Entgegen ihrer sonst eher direkten Art, entschied sich Paula erst mal noch eine Weile im Verborgenen zu bleiben. Wie ein Jäger pirschte sie sich immer weiter an das Ziel heran. Nach einigen Metern war die Schülerin so weit herangekommen, dass die Büsche ihr einen guten Blick auf das Geschehen unter ihr frei gaben.

Überrascht hielt sie den Atem an, während sie beobachtete, was da vor sich ging.

Ein kleines, rotes Etwas stürmte gerade auf die Gestalt zu, sprang ab und schoss mit gewaltiger Geschwindigkeit gegen einen klumpigen Gegenstand, den die Zielperson vor sich gehalten hatte. Diese machte zum Ausgleich ein paar wankende Schritte nach hinten, blieb aber auch nach Folgeattacken des Angreifers standhaft und setzte mit eigenen Kontern nach. Die rote Kugel wich denen erstaunlich behände aus, nur um gleich wieder auf seinen Gegner loszugehen.

Paula war von der Szenerie völlig perplex. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Und die Überraschung nahm noch zu, als sie begriff, dass sie die Person, die sich da unten gegen ein Feuerküken zur Wehr setzte, sogar kannte.

Das Mädchen war eine ihrer Mitschülerinnen!

Sie konnte sich im Moment nicht an ihren Namen erinnern, doch sie war dem Mädchen mit der lila Schuluniform sogar schon außerhalb des Unterrichts ein paar mal über den Weg gelaufen.

Irgendwie konnte Paula das trotzdem nicht so richtig glauben, denn die Person, die sich da grade das Duell mit dem Pokémon lieferte, hatte nicht im Geringsten etwas mit dem stillen Mädchen zu tun, dass ihr vor lauter Unscheinbarkeit kaum noch im Gedächtnis geblieben war.

Das Mädchen da unten hatte einen unglaublich entschlossenen Blick, als sie ihr Flemmi erneut zum Angriff herausforderte. Auch in ihrer Körperhaltung war nichts von Schüchternheit zu entdecken. Nein, sie strahlte sogar eine unglaubliche Aura von Stärke, Selbstbewusstsein und Kampfbereitschaft aus, die Paula ihr nie zugetraut hätte.

Paula war einfach nur völlig fasziniert, auch wenn sie noch nicht so richtig begriff, was da eigentlich vor sich ging. Und so war es der Schülerin in ihrem Versteck nicht möglich die Augen von dem Schauspiel abzuwenden. Viel mehr entstand in ihr das Verlangen, alles noch besser einsehen zu können. Vor lauter Anspannung unvorsichtig geworden, schob sie sich einen Schritt nach vorn, um die letzten, störenden Äste aus ihrem Sichtfeld zu befördern. Ein lautes „Knack“ machte ihr erst bewusst, dass sie nicht auf Äste unter sich geachtet hatte. Erschrocken machte Paula einen Satz rückwärts. Doch der richtige Schreck kam erst, als sie merkte, dass hinter ihr nichts mehr war. Bei ihrer heimlichen Beobachtung hatte sie nicht mitbekommen, dass sich an diesen Teil des Hanges ein steiler Abhang anschloss. Und genau über dem hing sie gerade mit der Hälfte ihrer Schuhe. Verzweifelt versuchte die Schülerin noch etwas zu Fassen zu bekommen, bevor ihr Gleichgeweicht völlig versagte, aber ihre Hände griffen ins Leere.
 

Ein lautes Knacken im Gebüsch, gefolgt von einem spitzen Aufschrei, rissen Taja aus ihrem Training. Für einen Augenblick war sie einfach nur verwundert, denn sie hatte sich hier in völliger Abgeschiedenheit gewähnt, doch schnell übernahm der Verstand, der ihr sagte, dass Bäume wohl keine Schreie ausstießen und irgendjemand vermutlich ihre Hilfe brauchte. Blitzschnell hatte sie ihren Pokéball in der Hand, um Flemmli zurück zuholen. Wer auch immer das war, brauchte sicher nicht auch noch ein Pokémon, was sich vermutlich gleich auf ihn stürzen würde. Sicher war sicher.

Nachdem sie sich auch ihre Sachen geschnappt hatte, hastete die Trainerin den Hang hinauf. Je näher sie dem Rand kam, desto langsamer wurde sie. Immerhin hatte das Mädchen keine Ahnung, wer diesen Schrei ausgestoßen hatte und so ließ sie lieber Vorsicht walten. Behutsam spähte sie über die Grasnarbe, hinter der es gute drei Meter steil abwärts ging. Wer auch immer da runtergefallen war, hatte sich ausgerechnet die höchste Stelle ausgesucht.

Tajas nach unten wandernder Blick traf auf eine Gestalt, die am Boden lag.

Es war ein Mädchen in einer pinken Schuluniform der ersten Klasse, über der ein kleines Glumanda quer lag. Zu Tajas Verwunderung war ihr die Person sehr bekannt. Es war tatsächlich eine ihrer Mitschülerinnen. Paula, wenn sie sich recht erinnerte. Besonders das kleine Feuerpokémon, dass sich durch eine recht außergewöhnliche Kampfweise auszeichnete, war ihr bei der Beobachtung des Kampfunterrichts im Gedächtnis geblieben.

Was die Beiden allerdings hier zu suchen hatten, entzog sich dagegen ihrer Kenntnis.

„Alles in Ordnung bei dir?“, erkundigte sich Taja bei der Schülerin, die sich gerade wieder aufrappelte.

Die Angesprochene sah hoch und verzog wehleidig das Gesicht: „Ich bin ziemlich hart gelandet, aber es geht schon.“

Sie setzte ihr Pokémon von sich runter, stellte den Rucksack, den sie eben noch schützend vor sich festgekrallt hatte, bei Seite und stand, sich das schmerzende Teil reibend, auf. Keinen Sekundenbruchteil später sackte sie allerdings mit einem erneuten Schmerzenslaut sogleich wieder zusammen.

„Hast du dich verletzt?“, hakte Taja besorgt nach.

Auch wenn der Sturz aus keiner dramatischen Höhe erfolgt war, wenn sie ungünstig gefallen war, hatte sie vielleicht doch ernsteren Schaden genommen.

„Autsch, mein Knöchel tut weh.“, tönte es von unten.

Zwar schmerzten auch Paulas Knie, aber daran hatte sie sich mittlerweile so gewöhnt, dass es für sie noch nicht einmal der Erwähnung wert war. Außerdem machte sich das linke Fußgelenk gerade wesentlich mehr bemerkbar.

Das Mädchen versuchte noch einmal aufzustehen, aber der Schmerz ließ sich einfach nicht ignorieren, sodass sie sich gezwungener Maßen wieder hinsetzen musste. Besorgt kam Akarin heran, um sich nach dem Wohlbefinden seiner Freundin zu erkundigen.

„Also wenn du nicht aufstehen kannst, scheint dein Knöchel ziemlich angeschlagen zu sein. Ich komm runter und seh es mir an.“, kündigte die Mitschülerin an.

„Aber sei vorsich... .“ Doch noch bevor Paula die gut gemeinte Warnung aussprechen konnte, kam das Mädchen in der lila Schuluniform schon neben ihr auf dem Boden auf.

Etwas verblüfft sah Paula erst zu ihr, dann nach oben. Auch wenn der Abhang vielleicht nicht so riesig war, wie er ihr im Fall vorgekommen war, sie wäre da trotzdem niemals freiwillig runter gesprungen. Aber dem anderen Mädchen schien das überhaupt nichts auszumachen.
 

Ohne zu zögern wandte sich Taja der Verletzten zu. Das Corpus delicti leuchtete ihr bereits Feuerrot entgegen. Der erste Anflug einer Schwellung war ebenfalls leicht zu erkennen. Taja hatte zwar keine medizinische Ausbildung, aber mit Verletzungen, gerade an den Füßen, kannte sie sich nur zu gut aus.

Deshalb fiel es ihr nicht schwer eine Diagnose zu stellen: „Also der ist mit Sicherheit geprellt.“

„Na toll, das hat mir gerade noch gefehlt.“, seufzte Paula.

Ausgerechnet jetzt wo sie mal frei hatte. Und mit dem geplanten Training war es das dann auch erst einmal.

„Wenn wir es schnell kühlen, wird es nicht ganz so schlimm.“, versuchte das andere Mädchen sie zu beruhigen.

„Wie willst du hier was zum Kühlen finden?“ Verwirrt sah sich Paula um.

Außer Bäumen und Wiese konnte sie hier nichts entdecken und auch wenn es sich inzwischen etwas zugezogen hatte, war das noch lange nicht kühl.

„Meinst du, du kannst ein Stückchen laufen, wenn ich dich stütze?“, fragte ihre Mitschülerin freundlich.

Die Verletzte teste kurz ihren anderen Fuß, bevor sie zustimmte: „Ich denke, das dürfte gehen.“

Vorsichtig richtete sie sich auf. Bevor sie wieder wegsackte, stützte sie sich schnell an der helfend bereitgehaltenen Schulter ab.

„Kannst du vielleicht meinen Rucksack nehmen, ehm...“ Paula ließ den Satz bewusst offen, weil sie hoffte das Mädchen würde merken, dass sie ihren Namen gar nicht kannte.

„Klar, mach ich.“ Die Trainerin von Flemmli kam der Bitte nach.

„Ich bin übrigens Taja.“, fügte sie lächelnd hinzu.

Taja hatte nicht erwartet, dass irgendjemand aus ihrer Klasse sich ihrer Existenz bewusst war, geschweige denn nach einer Woche ihren Namen kannte.

„Gut, ich bin Paula und das da ist Akarin.“ Da sie sich nun beide endlich richtig bekannt gemacht hatten, war ihr gleich wohler.

Um sie nicht in Verlegenheit zu bringen, verschwieg Taja, dass sie Paulas Namen und den ihres Partners längst gekannt hatte und erwiderte nur: „Freut mich. Du musst schön vorsichtig sein, dass du deinen Knöcheln nicht belastest. Also wenn ich dir zu schnell gehe, sag Bescheid.“

„Ok, versuchen wir’s!“ Paula war zuversichtlich, dass es mit der Stütze schon gehen würde. Nach ein paar holprigen ersten Metern, passte sich Taja schnell an den Schritt ihrer Mitschülerin an und so kamen sie ganz gut voran.

Das kleine Glumanda wuselte vorweg und erkundete pflichtbewusst den Boden, damit seine Trainerin auch ja nicht über etwas stolperte. Auf der Wiese war das ja noch einfach, aber als sie in den dichteren Wald eintauchten, hatte die Echse ganz schön damit zu tun, auf alle Wurzeln oder sonstige Hindernisse hinzuweisen. Da Taja damit zu tun hatte, mit Paula das Gleichgewicht nicht zu verlieren, war ihr der selbsternannte Bodeninspektor eine große Hilfe.

Aber es dauerte auch gar nicht so lang, da wurden die Bäume um sie herum wieder lichter und das Gehen wurde leichter.

„Schau, da sind wir gleich.“ Mit der freien Hand deutete sie auf die Wiese vor ihnen.

Doch das war nicht das eigentliche Ziel. Als Paula ihren Blick weiter schweifen ließ, wurden ihre Augen groß.

„Wow!“ Dem sonst so redseligen Mädchen hatte es die Sprache verschlagen.

Vor ihnen erstreckte sich ein wunderschöner See, dessen Wasser im Sonnenlicht wie unzählige Bergkristalle funkelte. Zwischen den mit Schilf und kleinen Büschen bewachsenen Ufern tummelten sich einige Wasserpokémon. Ein größerer Baum warf seinen Schatten über die Umgebung. Alles wirkte so idyllisch wie aus einem Bilderbuch.

„Hübsch, nicht? Da kannst du deinen Knöchel kühlen.“

Mit diesem wohltuenden Ziel vor Augen, humpelte es sich schon wesentlich besser und so erreichten die beiden Schülerinnen das Ufer schneller als gedacht. Erschöpft ließ sich Paula am Ufer nieder. Die wilden Pokémon, die hier eben noch gespielt hatten, tauchten erschrocken unter, aber das störte die Verletzte momentan überhaupt nicht. Das Einzige was noch zählte, war die unglaubliche Erfrischung, die sie verspürte, als ihre Füße in das klare, kalte Nass tauchte. Die Schmerzen waren gleich viel erträglicher.

„Tut gut, was?“, erkundigte sich Taja bei ihr.

„Oh ja und wie.“ Bestätigte Paula genießerisch.

„Warte, ich werd es dir gleich noch angenehmer machen.“

Ohne auf eine Erwiderung zu warten, war das Mädchen im Wald verschwunden.

Paula sah ihr verwundert nach, machte sich dann aber doch nicht die Mühe sich den Kopf über das Vorhaben zu zerbrechen.

Sie saß lieber da und genoss zusammen mit Akarin und Raupy, dass sie nun endlich wieder aus dem Rucksack lassen konnte, die friedliche Atmosphäre.

Ein paar Minuten vergingen, dann vernahm das Mädchen Schritte hinter sich.

Ihre Klassenkameradin Taja war zurück gekehrt und hatte etwas mitgebracht. Ein paar gefleckte Blätter einer kleinen Pflanze lugten zwischen ihren Fingern hervor.

„Was ist das denn?“

„Das ist Arcantium sylvestre, ein Kraut, dass Entzündungen und Schwellungen lindert. Es wird dir sicher helfen.“, erklärte Taja ihr.

„Woher weißt du das denn?“ Ihre Mitschülerin erstaunte sie schon wieder.

Bei all dem Grünzeug, was hier in der Gegend wuchs, hätte sie noch nicht mal ein Unkraut unterscheiden können.

Taja lächelte verlegen: „Das ist eigentlich nur Zufall. Ich musste die Pflanze bei Prof. Achiellas kleinem Suchspiel finden. Und da ich ihre Wirkung sehr nützlich fand, habe ich mir ihr Aussehen gemerkt. Ich hab sie hier selber schon ein paar mal verwendet. Gib mir mal bitte deinen Knöchel, dann kann ich dir helfen.“

Paula hatte keinen Einwand zu erheben, denn obwohl das kalte Wasser das Ganze wesentlich besser gemacht hatte, war der angeschlagene Fuß doch noch deutlich dicker als der Andere.

Taja besah sich die Verletzung noch einmal genauer an: „Sieht so aus, als hättest du auch Schürfwunden. Die sind zwar nicht so schlimm, aber zur Sicherheit sollten wir sie desinfizieren.“

„Desinfizieren? Mit was denn?“ Hatte das Mädchen etwa auch noch ein Kraut dafür parat?

„Na damit.“ Aus ihrem Rucksack zauberte Taja eine Falsche Desinfektionsmittel hervor.

„Wo hast du das denn her?“ Schon wieder musste sie ihre Mitschülerin verwundert ansehen.

„Von meiner Mutter. Sie ist etwas übervorsichtig und hat mich gleich mal mit einem Jahresvorrat eingedeckt.“, erklärte Taja den Besitz des Mittels.

„So schlimm?“, fragte Paula schmunzelnd.

„Naja, lass es mich so sagen, wenn man Desinfektionsmittel und Verbandmaterial essen und trinken könnte, würde ich wohl ohne Probleme eine Hungersnot überstehen.“, verkündete Taja stirnrunzelnd.

Paula konnte nicht anders, sie musste einfach losprusten.

Erstaunt sah Taja ihre Klassenkameradin an. Hatte Paula gerade wirklich gelacht? Also nicht sie ausgelacht, sondern über etwas gelacht, dass sie gesagt hatte? Die Bemerkung war gar nicht als Witz geplant gewesen und dennoch fand sie es witzig. Taja war völlig verwirrt. So etwas hatte es ja noch nie gegeben.

Das verdutzte Gesicht ihrer neuen Bekanntschaft, brachte Paula gleich noch mehr zum Lachen.

„Was hast du denn? Hab ich was falsch gemacht?“, wollte sie amüsiert wissen.

Mit diese Frage löste sie Taja aus ihrer Überraschungsstarre.

Zerstreut schüttelte die den Kopf: „Nein, nein, schon gut. Ich ehm, ach egal. Dein Knöchel ist jetzt wichtiger.“

Fürsorglich entfernte sie den restlichen Dreck aus den kleinen Schnittwunden. Paula zuckte ein paar Mal zusammen, zog scharf die Luft ein, als Taja zum Desinfektionsmittel griff, hielt den kleinen Eingriff aber tapfer durch.

„Jetzt nur noch das Kraut und ein Verband, dann müsste es wieder etwas besser gehen.“ Während sie schon erneut zu ihrem Rucksack greifen wollte, fiel ihr etwas auf: „Ah, das ist das Raupy von heute Vormittag, richtig? Woher hast du es denn?“

Erst jetzt hatte Taja den grünen Wurm in Paulas Arm bemerkt und wunderte sich, dass das Mädchen schon ein weiteres Pokémon besaß, obwohl erst morgen die offizielle Fang-Einführungsveranstaltung stattfinden sollte, bei der sie die ersten Pokébälle erhalten sollten.

„Ja, das ist es. Raupy ist mir heute Nacht praktisch zugelaufen.“

„Zugelaufen?“ Taja konnte sich nicht wirklich vorstellen, wie ein Pokémon einem mitten in der Nacht zulaufen konnte.

„Ist ne etwas längere Geschichte. Aber wenn du willst erzähl ich sie dir.“, bot Paula eifrig an.

„Wenn dein Raupy mir währenddessen beim Verbinden hilft, kannst du das gerne tun.“

„Helfen?“ Die Trainerin konnte sich nicht wirklich vorstellen, wie ihr Käferpokémon ohne Hände behilflich sein konnte.

„Lass dich überraschen.“ Die Amateurärztin lächelte zuversichtlich.

Während Paula gleich darauf anfing, die ganze Story über Akarins Verschwinden, das fiese Ariados, das damit zusammenhängende erste Treffen von Raupy und letztlich das Wiedersehen in der Nacht zu erzählen, legte Taja mit der Verarztung los. Paula plapperte scheinbar ohne Luft zu holen und Taja hörte aufmerksam zu. Obwohl die Schülerin mit der lila Uniform es eigentlich nicht mochte, wenn Personen unaufhörlich quasselten, machte es ihr durchaus Spaß den Ausführungen ihrer Klassenkameradin zu lauschen. Selbst als Paula auf ein anderes Thema umschwenkte und immer weiter und weiter redete, störte sie das überhaupt nicht.

So saßen die beiden Mädchen eine ganze Weile am See und genossen die friedliche Atmosphäre. Dabei merkten sie weder, wie die Zeit verflog, noch, dass die Wolken am Himmel langsam aber sicher eine immer dunklere Farbe annahmen.
 

„Und merkst du deinen Knöchel noch?“, erkundigte sich Taja, als mal eine kurze Erzählpause entstand.

„Mein Knöchel? Ehm nö, tut überhaupt nicht mehr weh.“ Selbst völlig überrascht, schaute Paula auf ihren Fuß, der nun in einem seidig glänzenden, weichen Kokon steckte, welcher sie noch viel mehr erstaunte, „Hat Raupy das gemacht?“

Taja nickte: „Ja, die Spinnseide von Käferpokémon eignet sich doch hervorragend zum Verbände machen. Da sich das Gewebe an das Gelenk anpasst, halten Bandagen perfekt. Außerdem speichern sie Kälte. Zusammen mit dem Arcantium-Kraut wird dein Knöchel sicher in wenigen Tagen wieder in Ordnung sein. Um sicher zu gehen, solltest du ihn aber noch mal von nem Arzt untersuchen lassen.“

„Vielen Dank. Woher weißt du das alles nur?“ Paula war wirklich erstaunt, worüber ihre Mitschülerin Bescheid wusste.

Die schaute bei der Frage allerdings etwas verdutzt: „Das mit der Heilpflanze war Zufall, aber von den besonderen Binden hat uns doch Schwester Joy bei der Führung durchs Pokémon Center erzählt.“

„Ups, das war mir wohl schon wieder entfallen.“, stellte Paula verlegen fest.

Sie konnte sich nicht mal Entferntesten daran erinnern, davon schon etwas gehört zu haben. Wo sie damals wohl nur mit ihren Gedanken gewesen war? Auf jeden Fall stellte sie fest, dass es doch durchaus von praktischem Nutzen sein konnte, wenn man während des Unterrichts mal aufpasste.

„Macht ja nichts. Aber sag mal, was machst du eigentlich hier draußen? Wir Erstklässler dürfen doch gar nicht allein in den Wald.“ Danach hatte Taja ihre Mitschülerin schon die ganze Zeit über fragen wollen, war aber irgendwie noch nicht dazu gekommen.

Aber Paula konterte geschickt: „Na das gleiche gilt dann ja wohl auch für dich. Was hast du denn gemacht?“

„Ich habe mit meinem Pokémon trainiert. Ich habe eine Sondergenehmigung von Prof. Weston, dass ich mir einen Trainingsplatz außerhalb des Geländes suchen durfte, damit Flemmli auch auf niemand anderen trifft.“, erklärte die Gefragte ruhig.

„Ach so. Naja, ich war auch gerade auf dem Weg zum Training mit Akarin. Und eigentlich habe ich auch so ne Art Genehmigung dafür.“

Gut, von einer Genehmigung auch in den noch verbotenen Gebieten zu trainieren, hatte zwar nichts direkt in der Anleitung gestanden, aber immerhin hatte Prof. Weston ihr schließlich zum Training in Abgeschiedenheit geraten und es hatte auch nichts drin gestanden, dass sie sich dafür keinen Extraplatz suchen durfte. Also würde es schon keinen Ärger geben. Hoffte Paula zumindest.

Aber jetzt wollte sie erst einmal etwas anderes erfahren: „Ich war ganz schön beeindruckt, als ich dich erst beim Training gesehen habe. Warum hast du denn gegen dein Pokémon gekämpft?“

Es dauerte einen Moment bis Taja etwas erwidern konnte, denn durch das Kompliment war ihr erst mal die Sprache entschwunden. Mit so was konnte sie überhaupt nicht umgehen. Was wahrscheinlich auch daran lag, dass sie normalerweise so etwas erst gar nicht zu hören bekam.

Nach ein paar Sekunden verlegenen Schweigens brachte sie schließlich doch noch etwas heraus: „Ehm, also wenn du dich vielleicht erinnern kannst, ist mein Flemmli ein wenig sehr kampfeslustig und hört nicht richtig auf meine Befehle. Deshalb hat mir Prof. Weston empfohlen, selbst richtig aktiv mit ihm zu trainieren, damit es sieht, dass ich ebenfalls kämpfen kann und mich ernst nimmt.“

„Und funktioniert es denn? Also ich hätte dich so auf jeden Fall ernst genommen.“, strahlte Paula ihre Mitschülerin an, die daraufhin verschüchtert zurückschreckte.
 

Paula musste schmunzeln. Das Mädchen vor ihr hatte nicht wirklich etwas mit der selbstbewussten Trainerin von vorhin gemein.

Schon wieder musste sich Taja sammeln, bevor sie eine Antwort geben konnte: „Es geht, solange wir allein sind, verhält es sich ziemlich unauffällig, auch wenn es im Kampftraining wirklich kaum zu bremsen ist. Aber ich denke mit der Zeit wird die Zusammenarbeit besser.“

„Ach klar, das schaffst du schon.“, wurde Taja von ihrer Klassenkameradin ermutigt.

„Ich hoffe es.“ So richtig glaubte sie aber selber nicht daran, dass sie Sakura jemals wirklich unter Kontrolle bringen konnte.

Ein wenig deprimierte Taja der Gedanke und so entstand eine kleine Pause des Schweigens, die aber schon nach wenigen Sekunden von einem dumpfen Grollen durchbrochen wurde.

Paula fasste sich an den Bauch und lächelte verlegen: „Sorry, ich hab’s Mittagessen ausfallen lassen.“

Eigentlich hatte sie ja gar nicht vor gehabt, so lange von der Zivilisation fern zu bleiben. Jetzt meldete ihr Magen starken Protest an.

„Ich glaube, da kann ich Abhilfe schaffen.“ Das andere Mädchen kramte aus ihrem Rucksack ein kleines Päckchen heraus und überreichte es der Hungernden, „Hier kannst du haben.“

Über Paulas Gesicht ging ein Strahlen: „Echt? Du bist aber auch auf alles vorbereitet.“

„Na ja, ne Eiszeit, nen Hurricane oder ne Alieninvasion würde ich damit sicher nicht überstehen, aber für ein paar Gelegenheiten bin ich schon ausgerüstet.“, versuchte Taja abzuschwächen.

Paula konnte nicht anders, als wieder loszuprusten, wobei sie beinahe die eben abgebissene Schnitte wieder ausgespuckt hätte. So verschluckte sie sich nur leicht an den Brotkrumen, was nen Hustenanfall auslöste. Das Problem war aber eher, dass das Mädchen sich nicht entscheiden konnte, was sie zuerst machen sollte, Lachen oder Husten. Deshalb vermischte sich beides zu einem seltsamen kichernden Gewürge.

„Alles in Ordnung bei dir?“, erkundigte sich Taja besorgt nach dem Wohlergehen ihrer Mitschülerin, während sie ihr vorsichtig auf den Rücken klopfte.

„Ja, ja geht schon.“, brachte Paula immer noch prustend hervor.

Sie konnte sich grad irgendwie nicht gegen den Lachkrampf wehren.

„Oh man, erst fällst du wegen mir nen Abhang runter und dann erstickst du wegen mir noch fast. Ich bring wirklich nur Unglück.“

Im ersten Moment konnte sich Paula das Lachen nicht verkneifen, aber als sie Taja’s deprimierten Gesichtsausdruck sah, wurde ihr bewusst, dass das Mädchen das anscheinend ernst gemeint hatte.

„So ein Quatsch. Beides war meine eigene Schuld und außerdem ist es auch gar nicht so schlimm.“, versuchte Paula sie zu beruhigen, „Außerdem hast du meinen Knöchel super behandelt und mich vor dem Verhungern gerettet. Hast du eigentlich schon was gegessen?“

Die Schülerin hielt es für ratsam ein anderes Thema aufzuwerfen.

Aber Taja machten die Schuldfrage für die Zwischenfälle immer noch zu schaffen, da war das letzte, woran sie jetzt dachte, etwas zu essen: „Nein, hab ich nicht. Ich hab keinen Hunger. Aber....“

Doch sie kam nicht mehr dazu, ihren Satz zu beenden, denn Paula hatte ihr mal eben einfach so eine Schnitte in den Mund gestopft. Taja machte darüber so eine verdutze Miene, dass ihr Gegenüber unwillkürlich wieder anfingen musste zu lachen.

Für Taja war die Situation aber auch äußerst seltsam. Sie saß hier schon ne halbe Ewigkeit mit jemanden zusammen, den sie eigentlich gar nicht richtig kannte, der sie permanent zu laberte, der auch noch über ihre Kommentare lachte, die eigentlich nicht beabsichtigt witzig formuliert wurden waren und der sie jetzt auch noch mit etwas zu Essen zu stopfte. Normalerweise hätte sich Taja schon lange etwas einfallen lassen um weg zu kommen, aber sie saß nur da und verspürte nicht den Geringsten Anflug von einem Fluchtgedanken. Und gerade das konnte sie irgendwie überhaupt nicht begreifen.
 

Ein erneutes Grummeln unterbrach Taja’s Grübelein. Aber dieses mal war es nicht Paulas Magen, sondern kam von weiter oben. Ein Blick in den Himmel verkündete ihr nichts Gutes.

„Oje, sieht aus, als zieht ein Gewitter auf.“, stellte die Schülerin besorgt fest.

„Dann müssen wir uns wohl schnell auf den Rückweg machen.“ Das war für Paula die logischste Schlussfolgerung.

Aber ihre Mitschülerin schien nicht viel von dem Vorschlag zu halten: „Ich glaube, du hast keine Ahnung, wie weit wir vom nächsten Gebäude weg sind. Das würden wir niemals trockenen Fußes schaffen.“

„Und was sollen wir jetzt machen? Du hast nicht zufällig auch noch zwei Regenmäntel dabei?“, scherzte Paula, obwohl ihr beim Anblick der immer schwärzer aufziehenden Wolken eigentlich gar nicht zum Scherzen zu Mute war.

„Nein, das nicht, aber ich kenne eine gute Möglichkeit zum Unterstellen. Wir sollten uns aber trotzdem beeilen.“

Ohne Antwort abzuwarten, packte Taja ihre Sachen zusammen und half Paula auf. Einen Augenblick hatte die noch Gleichgewichtsprobleme, aber durch den stützenden Verband konnte sie ihren Fuß sogar schon leicht belasten, sodass das Laufen nun wieder besser klappte.

„Ich hoffe, es ist nicht allzu weit.“ Zur Bewältigung großer Strecken fühlte sich Paula allerdings weniger in der Lage.

Aber Taja schüttelte nur den Kopf: „Nein, keine Sorge, das dürftest du ohne Probleme schaffen.“

Und sie sollte Recht behalten. Die beiden Zufluchtsuchenden mussten nur ein Stück in die Richtung, aus der sie gekommen waren, gehen, bevor sie dann nach links abbogen und einen kleinen, gut begehbaren Pfad einschlugen, der nach wenigen Minuten in der Ferne einen aufwachsenden dunklen Schatten erkennen ließ. Mit jedem zurückgelegten Schritt wurde dieser deutlicher als Höhleneingang identifizierbar.

„Die hab ich bei der Suche nach dem Trainingsplatz entdeckt. Ich denke, dort dürften wir sicher sein.“

„Das hoff ich doch mal.“ Das immer lauter werdende Grollen veranlasste Paula ungeachtet der Schmerzen ihre Schritte zu beschleunigen. Sie mochte Gewitter nicht und eins auch noch draußen erleben zu müssen, war eine sehr unbehagliche Vorstellung.

Der nun immer heftiger auffrischenden Wind zerrte an Kleidung und Haaren, als wolle er verkünden, dass Eile geboten war und sie dadurch voranschieben.

Doch dazu brauchten sie keine Windaufforderung, denn keine von Beiden hatte vor, noch länger die Vorboten des Gewitters zu genießen.
 

Gerade als sie den Höhleneingang passierten, entließen die mittlerweile pechschwarzen Wolkentürme die ersten Regentropfen. Keine Minute später war daraus ein prasselnder Vorhang geworden.

„Puh, da haben wir ja noch mal Glück gehabt.“ Paula war wirklich erleichtert jetzt im Trockenen zu sein, denn bei diesem Guss wären sie binnen Sekunden pitschnass gewesen.

„Allerdings. Und es sieht auch so aus, als würde es noch ein Weilchen weiter schütten.“, stellte Taja mit kritischem Blick in den düsteren Himmel fest.

Plötzlich jagte ein greller Blitz aus der Wolkenwand gen Erde. Er verwandelte die Umgebung in ein bizarres Gebilde aus gleißenden Licht und tanzenden Schatten. Ein mächtiges Donnergrollen unterstrich die Gewalt des Unwetters.

Paula zuckte zusammen. Obwohl es albern war Angst vor Gewittern zu haben, konnte sie ein leichtes Zittern nicht unterdrücken.

„Sollen wir weiter rein in die Höhle gehen? Da ist es geschützter und zieht nicht so.“ Taja liebte es zwar Blitzen dabei zu zusehen, wie sie über den Himmel schossen, aber ihr war das ängstliche Gesicht ihrer Klassenkameradin nicht entgangen und so verzichtete sie lieber auf dieses Schauspiel. Außerdem peitschte der wechselnde Wind auch immer wieder nasse Schauer zum Eingang, die sie nicht unbedingt abbekommen musste.

„Ja, wäre mir lieb.“, nickte Paula dankbar.

Auch Glumanda war das ganze nicht so geheuer und so drückte er sich ganz nah an seine Trainerin, als sie sich einige Meter weiter im Höhleninneren auf dem Boden niederließ.

„Du brauchst keine Angst haben, Akarin. Da ist nur ein Gewitter, nichts besonders böse, auch wenn es furchtbar laut ist.“, versuchte Paula ihr eigenes Unwohlsein zu verdrängen, indem sie ihren kleinen Schützling beruhigte, der so etwas scheinbar noch nie erlebt hatte.

Auch Taja wollte dazu beitragen, dass Trainerin und Pokémon sich wieder wohler fühlten. Deshalb fing sie an, eine kleine Geschichte zu erzählen, die sie sich als Kind selber ausgedacht hatte, um sich den Schrecken von Blitz und Donner zu nehmen: „Stell dir doch einfach vor, das da oben am Himmel zwei große Zapdos sind, die sich streiten. Sie wollen nur wissen, wer von beiden der Bessere ist und demonstrieren deshalb ihre Kräfte. Jeder möchte zeigen, dass er der Stärkere ist, weshalb sie mächtige Blitze über den Himmel schicken. Das Grollen sind ihre wilden Kampfesschreie, die den Gegner einschüchtern sollen. Anderen Pokémon wollen sie damit aber überhaupt nichts tun und wenn sie sich genug miteinander gemessen haben, dann fliegen sie einfach davon und alles ist wieder gut.“

Paula wusste nicht genau warum, aber die Art wie Taja die Geschichte erzählte, veranlasste sie tatsächlich wieder ein wenig ruhiger zu werden. Plötzlich kam ihr eine Idee

„Weißt du was, das da oben sind nicht zwei Zapdos, sondern nur eins und das kämpft mit einem riesigen Glurak. Aber das Zapdos hat natürlich keine Chance, auch wenn es versucht Glurak durch fiese Regenschauer zu schwächen. Glurak ist einfach viel zu stark, weicht den Blitzen geschickt aus und lässt sich auch von dem wichtigtuerischem Gebrüll nicht beeindrucken. Genau, und zum Schluss besiegt das Glurak Zapdos natürlich und ist der Herrscher des Himmels!“, berichtete Paula mit glänzenden Augen.

Taja musste lächeln. Das war natürlich auch eine Variante und wenn sie half Trainerin und Pokémon die Angst zu nehmen, ging sie glatt durch.

„Du bist wohl ein richtiger Glurak-Fan.“, wandte sich Taja an das in Gedanken immer noch vor sich hin strahlende Mädchen.

„Und wie. Alle Glu’s sind einfach nur genial. Am liebsten hätte ich ganz, ganz viele Glumandas, Glutexos und Gluraks. Und ich hoffe natürlich, das Akarin mal ein superstarkes Glurak wird. Ich liebe diese Pokémon einfach.“

So wie die Augen der Schülerin bei diesen Worten funkelten, nahm Taja ihr das ohne Weiteres ab. Das tobende Unwetter draußen war auf einmal vergessen. Paula war bei ihrem absoluten Lieblingsthema angelangt und erzählte munter weiter. Was sie alles so toll an diesen Pokémon fand, wie sie zu Akarin gekommen war und ihren Zukunftsträumen. Bei der Stelle, wie sehr sie sich schon immer ein Glumanda gewünscht hatte, schweifte sie auch in ihre restliche Lebensgeschichte ab, was dann ziemlich ausladend wurde.

Auch wenn es chronologisch kreuz und quer ging, hörte Taja fasziniert zu. Normalerweise hätte sie bei einem solchen Redefluss nach ein paar Sätzen abgeschaltet, aber bei Paula hatte sie das Gefühl auch noch unendliche Stunden weiter zuhören zu können, ohne, dass es langweilig wurde.

Während draußen die Tropfen monoton niederfielen, saß sie einfach nur im gemütlichen Flammenschein von Glumadas Schwanzspitze da und hörte gebannt zu.

Keine von Beiden merkte, wie viel Zeit dabei davon rann.
 

Irgendwann, als Akarin immer mehr Mühe hatte, die zunehmende Dunkelheit mit seinem Feuer auszugleichen, fiel Paula dann aber doch auf, dass sie schon eine ganze Weile hier in der Höhle verbrachten.

„Sag mal, wie spät ist es eigentlich?“

Taja hielt ihre Uhr in die Nähe von Akarins Schwanzspitze. Mit einiger Mühe konnte sie schließlich Ziffern darauf ablesen: „Oh, es ist schon halb acht.“

„WAT?“, entfuhr es Paula entsetzt.

Damit hatte sie nun irgendwie gar nicht gerechnet. Wo war nur schon wieder die Zeit hin? Irgendwie hatte die Schülerin das untrügliche Gefühl, dass sie außerhalb der Unterrichtsstunden immer wesentlich schneller schwand. Aber das war jetzt ihr geringstes Problem.

„Ich glaub, ich sollte langsam mal meine Freunde verständigen, die machen sich sonst noch Sorgen.“ Eilig und doch vorsichtig, weil Raupy sich inzwischen friedlich schlafend zusammen gekuschelt hatte, suchte sie in ihrem Rucksack nach dem Messenger. Doch so sehr sie auch kramte, das pinke Teil ließ sich nicht blicken.

„Wo ist der nur wieder?“, fragte sie mehr zu sich selbst und verfluchte, dass für das Gerät keine Extratasche im Rucksack vorgesehen war. In Gedanken ging Paula noch einmal durch, was sie vor ihrem Aufbruch damit getan hatte. Aus dem Rucksack genommen, um Tifi ne Nachricht zuschicken, auf den Schreibtisch gelegt und dann...

„Asche!“, fluchte sie leise.

Und dann war sie losgegangen, ohne das Kommunikationsgerät mitzunehmen.

„Was ist denn?“ Taja hatte mitbekommen, dass scheinbar etwas nicht stimmte.

„Ich hab meinen auf dem Schreibtisch liegen gelassen. Kann ich vielleicht deinen mal kurz benutzen?“, erkundigte sich die Vergessliche hoffnungsvoll bei ihrer Kameradin.

„Na klar, kein Problem.“ Taja suchte das schmale, lila Kästchen heraus.

„Oder vielleicht doch. Ich glaub der Akku ist alle.“, ergänzte sie verlegen.

„Eh, na toll. Das heißt, wir können keinen verständigen.“ Paula gefiel der Gedanke nicht so richtig, denn der Regen hatte immer noch nicht nachgelassen und das hieß, dass sie hier wohl noch etwas festsitzen würden. Hoffentlich hatten ihre Freunde nicht schon ne groß angelegte Suchaktion nach ihr ins Leben gerufen.

„Oje, das gibt sicher Ärger.“, murmelte sie mehr zu sich selbst.

Aber Taja vernahm es trotzdem und fühlte sich sogleich schuldig: „Tut mir wirklich leid. Ich hab nicht auf die Anzeige geachtet, weil ich es eigentlich nicht wirklich brauche.“

Sie hatte immerhin keine Freunde, bei denen sie sich abmelden konnte, wie ihr eben mal wieder schmerzlich bewusst wurde.

„Na was soll’s. Kann man nicht ändern. Die werden schon nicht gleich ne Vermisstenmeldung abgegeben haben.“, meinte Paula scherzhaft.

Wenn das Mädchen allerdings gewusst hätte, dass ihre Freunde nach vergeblichen Warten ihres Erscheinens zum Abendbrot genau das im Begriff waren zu tun, hätte sie das Ganze wohl nicht so locker gesehen.

„Entschuldigung. Ohne mich wärst du...“, begann Taja schuldbewusst, doch Paula schnitt ihr sogleich das Wort ab.

„Wäre ich immer noch im Wald und pitschnass. Schon bevor wir uns getroffen haben, hatte ich keine Ahnung wo ich überhaupt war. Ich hätte nichts anderes machen können, als einfach nen Weg zu raten und bei meinem Glück, wäre es der Falsche gewesen und ich würd jetzt allein durch den Regen stiefeln. Da find ich es trotz geprelltem Knöchel tausend mal besser hier mit dir im Trockenen zu sitzen. Also hör auf dir nen Kopf zu machen.“, versuchte Paula ihre Mitschülerin aufzumuntern.

Sie sah das Ganze auch wirklich nicht so dramatisch.

„Ok, ich hoffe nur das gibt keinen Ärger.“ So richtig beruhigt war Taja immer noch nicht.

Aber Paula zuckte nur mit den Schultern: „Und wenn, das bin ich mittlerweile gewöhnt.“

Taja brauchte nicht lange, da fielen ihr so einige Situationen der letzten Woche ein, in denen sie ihre Klassenkameradin auf Konfrontationskurs erlebt hatte. Nicht zu letzt heute im Koordinatorenunterricht. Taja hatte das zwar immer nur von Ferne beobachtet, aber Paulas Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen gegenüber den Lehrern hatte sie sehr beeindruckt. Nicht, dass Taja diese Fähigkeiten nicht auch besaß, sie konnte sie nur nicht immer zeigen und schon gar nicht gegenüber Autoritätspersonen. Darum beneidete sie ihre Mitschülerin ziemlich.

„Dann können wir wohl nur abwarten. Vielleicht dauert es nicht mehr lang, bis der Regen aufhört. Ich glaube, es ist schon etwas besser geworden.“ Taja sah hoffnungsvoll nach draußen, wo der Guss zwar immer noch stark, aber nicht mehr sinnflutartig war.

„Ach klar, das wird schon und so lang quatschen wir einfach noch ein bisschen.“ Paula war inzwischen wieder guter Laune und begann auch gleich fröhlich die nächsten Storys aus der ersten Schulwoche zu erzählen, die Taja die Sorgen auch schnell wieder vergessen ließen.
 

„Aber weißt du, was ich überhaupt nicht verstehe?“, fragte Paula plötzlich, als sie sich gerade über die Unterrichtsfächer unterhielten.

„Nein, aber du wirst es mir sicher gleich sagen.“, erwiderte Taja leicht belustigt, womit sie das Mädchen schon wieder zum Lachen brachte.

Als sie sich wieder gefangen hatte, beugte sich Paula vor und sah mit, selbst in dieser Düsternis, leuchtenden blauen Augen direkt in die von Taja.

„Ich versteh nicht, wieso sich so ein nettes und tolles Mädchen wie du, ständig von der Klasse abgrenzt?“

Diese Frage kam so unvermittelt und, dass sie dabei auch noch ein strahlendes Lächeln aufsetzte, war zu viel für Taja. Zu ihrem Glück war die Höhle durch Glumandas Feuer sowieso in einen rötlichen Schimmer getaucht, sodass ihre plötzlich wechselnde Gesichtsfarbe nicht ganz so auffiel. Taja schnappte nach Luft. So viel Nettigkeit und Interesse an ihrer Person war sie einfach nicht gewohnt. Und Paulas direkte Art überforderte sie auch ein wenig, auch wenn sie die entgegen ihrer sonstigen Meinung gar schlimm fand. Nur war sie eben etwas überlastet damit.

Was sollte sie denn bloß darauf antworten? Fieberhaft überlegte sie, doch in Tajas Kopf hatten sich alle Gedanken zu einem riesigen Knäul zusammengeballt und jedes Mal wenn sie den Anfang einer Antwort gefunden hatte, bleib der Rest im Wirrwarr stecken.

Es gab für ihre Zurückhaltung gegenüber den Klassenkameraden ungefähr tausend Gründe, aber viele davon waren zu privat und für jemand anders sicher auch zu verwirrend. Außerdem war sie sich noch nicht sicher, inwieweit sie Paula vertrauen konnte und wollte, denn damit hatte Taja generell Probleme, was wiederum schon mal einer der Gründe war. Es dauerte einen für sie fast unendlich langen Moment des inneren Ringes, bevor sie schließlich antwortete: „Ehm, na ja, also zum Einen bin ich einfach schon von Klein auf kein so geselliger Typ. Ich hatte nie richtige Freunde und deshalb bin es einfach gewohnt allein zu sein. Außerdem bin ich auch niemand, mit dem Leute gerne ihre Zeit verbringen. Ich bin den meisten einfach zu langweilig. Ich versteh das ja auch, ich bin nun mal nicht witzig, besonders klug und hab keine auffallenden Talente. Ich interessiere mich auch meist nicht für Dinge, für die sich alle anderen interessieren, also kann man auch keine vernünftigen Gespräche mit mir führen. Es macht für andere einfach keinen Unterschied, ob ich da bin oder nicht, also kann ich es auch sein lassen. Ich bin einfach niemand, den man mögen kann. Außerdem ist da ja auch noch Flemmli, das sich auf alles stürzt was sich bewegt. Du kannst dich doch sicher noch an unsere ersten Probekämpfe erinnern. Wäre Prof. Weston nicht dazwischen gegangen, wäre sicher was Schlimmes passiert. Solange ich es nicht kontrollieren kann, muss ich es fern von allen halten. Und die Blicke der Klasse nach dem Kampf haben mir auch gesagt, dass sie lieber nichts mit mir zu tun haben wollen. Aber das ist schon ok, wie gesagt, ich bin es gewohnt.“

Als Taja geendet hatte, war sie selber erstaunt darüber, wie viel sie gesagt hatte und wie ehrlich diese Antwort unbeabsichtigter Weise doch geworden war.
 

Für einen Moment hatte es selbst Paula die Sprache verschlagen. Wenn Taja das Ganze nicht mit so trauriger Stimme und ernstem Gesichtsausdruck erzählt hätte, hätte sie es glatt für einen Scherz gehalten, denn das war ja wohl der größte Unsinn, den sie je gehört hatte. Und auch wenn es nicht besonders feinfühlig war, knallte sie ihrer neuen Bekannten genau das auch an den Kopf: „Du spinnst ja!“

„Wieso? Das ist doch wahr.“ Taja senkte betreten den Blick.

Irgendwie bereute sie auf einmal, dass sie so viel von sich preis gegeben hatte. Ihre Mitschülerin würde ja doch nur darüber lachen.

Und Paula lachte auch, aber nicht auf die überhebliche und „ich-halte-sie-für-völlig-durchgeknallt“- Art wie Taja es befürchtet hatte, sondern mit einer nicht aufzuhaltenden freundlichen Ehrlichkeit.

„Das ist echt völliger Schwachsinn. Wie kommst du denn nur darauf? Also wenn du nicht klug bist, dann kenne ich wohl niemanden, der es ist. Wenn du das mit dem Grünzeug und der Raupy-Seide nicht gewusst hättest, dann hätte ich jetzt einen mordsmäßig dicken Knöchel, der sicher ne halbe Ewigkeit zum Heilen gebraucht hätte. Und was heißt nicht witzig? Du hast mich heut schon so oft zum Lachen gebracht, dass ich schon richtig Bauchschmerzen davon habe. So wie ich dich mit Flemmli trainieren gesehen habe, hast du auch definitiv Talent zum Kämpfen. Ich bin wirklich froh, dass ich dich heute kennen gelernt habe und ich könnt mich auch stundenlang mit dir unterhalten, ohne das mir langweilig wird. Ich find dich richtig toll.“

Während sie das sagte, lächelte sie Taja mit so einer unbeschreiblichen Herzlichkeit an, dass die gar nicht wusste, wie ihr geschah. Mit so einer offenherzigen Sympathiebekundung hatte das Mädchen nicht im Geringsten gerechnet.

„Ist, ist das wirklich dein Ernst?“ Sie konnte einfach nicht glauben, dass ihre Mitschülerin ihr gegenüber so positiv eingestellt war.

Auch wenn Paula nicht ganz verstand, wieso jemand so extrem erstaunt darüber sein konnte, gemocht zu werden, bestätigte sie dies gern noch einmal: „Ja, klar. Ich mag dich total.“

‚Ich mag dich’ ... Dieser Wortlaut hallte tausend mal in Tajas Kopf wieder, als wolle er verhindern, dass er ungehört verklang. Aber sie hatte ihn gehört und war nun gleich ganz und gar hinüber. Ihr Verstand war nicht mehr in der Lage die Geschehnisse zu verarbeiten. Sie fühlte sich eher wie in einem ihrer Wunschträume. Jemand mochte sie tatsächlich?

Das konnte doch auch gar nicht real sein. Nicht nur, dass es dieses Mädchen mit nur einem einzigen Satz geschafft hatte, den Aufzug der Dunkelheit in ihrem Innern Einhalt zu gebieten, nein, sie hatte ihr auch noch einen richtigen Sonnenstrahl geschenkt. Ihre Gefühle schwankten gerade zwischen ungläubigen Staunen, unbändiger Freude und übermächtiger Rührung. Die Schülerin musste sogar einen Moment gegen Tränen ankämpfen.

Sie musste sich wirklich erst einige Augenblicke lang sammeln, bevor sie in der Lage war wieder etwas aufzunehmen.

„Und ich bin mir sicher, wenn du ein bisschen offener wirst und auf andere zu gehst, wirst du auch noch schnell viele andere Freunde finden.“, ermutigte Paula sie weiter.

Offener werden und auf andere zu gehen... Paula hatte ja keine Ahnung, wie schwer das für Taja war. Die Angst vor Fehlern machte ihr jedes Mal einen Strich durch die Rechnung, wenn sie mit anderen kommunizieren wollte. Wenn es nötig war, konnte sie sich zwar mit anderen unterhalten, doch niemals ein wirklich ungezwungenes Gespräch führen.

„Sag mal, ist das mit Flemmli eigentlich wirklich so schlimm? Ich muss gestehen, ich hab das mit dem Probekampf gar nicht so richtig mitbekommen.“, lenkte Paula auf etwas anderes über, als sie merkte, wie hilflos ihr Gegenüber nach Worten sann.

Auf diese Frage konnte Taja wenigstens wieder einigermaßen problemlos antworten: „Naja, mir gegenüber ist es nicht mehr aggressiv, aber ich fürchte andere Trainer und Pokémon würde es immer noch sofort angreifen. Ich hab mir zwar heute früh eine Heilpflanze geholt, die es ein wenig beruhigen soll, aber ich bin noch nicht dazu gekommen sie zu testen. Vermutlich wird es sowieso nicht so eine große Wirkung haben, dafür sitzt ihr Hass irgendwie zu tief.“

„Ach was, das weißt du erst, wenn du es ausprobiert hast. Also los!“, forderte Paula ihre deprimierte Klassenkameradin auf.

Die sah sie wieder völlig perplex an: „Wie? Jetzt und hier?“

„Na klar. Akarin und ich würden gern mit Flemmli Bekanntschaft machen, also lass es einfach raus und wir schauen mal, wie es sich verhält.“

Schlagartig nahm das flaue Gefühl in Tajas Magen wieder zu. Ob das wirklich eine gute Idee war? Und auch wenn ihr Kopf ihr zuschrie, sie solle es lieber lassen, färbte Paulas Unbekümmertheit auf sie ab und ohne, dass das sonst so vorsichtige Mädchen lange überlegte, hatte sie auch schon den Pokéball in der Hand.

Mit der Anderen fischte Flemmlis Trainerin ein Blatt des Sedaruskrauts aus der Vordertasche ihres Rucksacks und zerrieb es behutsam zwischen den Fingern, woraufhin sich ein süßlicher Duft in der Höhle ausbreitete.

„Ok, aber bitte nimm Akarin zurück und pass auf ihn auf. Ich kann für nichts garantieren.“, warnte Taja noch einmal vor.

„Ach, es wird schon nichts passieren.“ Sie wusste zwar selber nicht warum, aber Paula war zuversichtlich, dass alles gut verlaufen würde.

Einen Moment noch zögerte Taja, denn ihr war der Gedanke gekommen, wie groß das Risiko war. Wenn sich Sakura gleich auf Akarin stürzen würde und ihn verletzten, würde Paula sicherlich nie wieder ein Wort mit ihr wechseln. Aber wiederum würde sich sicherlich keine bessere Gelegenheit ergeben, die Wirkung des Beruhigungsmittels zu testen.

„Ok, also dann los! Sakura, komm raus!“ Als sie den Pokéball warf, spannte sich jede Faser ihres Körpers aufs Äußerste an. Alle Sinne waren geschärft, denn wenn es nur das geringste Zeichen von Aggressivität geben sollte, musste sie schnell handeln.

Gespannt wartete Taja, dass sich die Umrisse des Feuerkükens aus dem roten Strahl verdichteten und ihr Pokémon erschien.
 

Wie immer ging es sofort in eine angespannte Haltung und sondierte seine Umgebung genau. Das kleine Wesen spürte die nervöse Anwesenheit seiner Trainerin. Doch da waren auch noch zwei andere Existenzen, die in der herrschenden Dunkelheit schwerer auszumachen waren. Aber Flemmli hatte in vielen tiefschwarzen Nächten seine Sinne geschärft und so fand es die Position der Anderen sofort. Besonders der Geruch des fremden Pokémon drängte sich ihr förmlich auf. Sakuras Nackenfell stellte sich auf. Sie wusste, was sie zu tun hatte - Kämpfen. Gerade als sie nach vorn schnellen wollte, um diesem Bedürfnis freien Lauf zu lassen, merkte sie, dass da noch etwas anderes war. Etwas, dass sie zurück hielt. Erst jetzt machte sich der andere Duft, der durch die Lüfte wehte, intensiver bemerkbar. Er war seltsam, aber nicht unangenehm und ließ sie vergessen, was sie eigentlich gerade noch gewollt hatte.

„Flemm?“ Etwas verwirrt, schaute das Feuerküken seine Trainerin an.

Wenn es nicht zum Kämpfen hier war, was wollte sie denn dann von ihr?
 

Die Antwort bekam Sakura auch prompt.

„So ist es brav, meine Kleine. Du brauchst nicht kämpfen, alles ist gut. Wir wollen nur, dass du uns etwas Gesellschaft leistest.“, erklärte Taja ihrem ratlos dreinblickenden Pokémon.

Es funktionierte! Ihr fiel wirklich ein Stein vom Herzen. Flemmli sah zwar nach wie vor sehr angespannt in die Runde, aber wesentlich weniger feindselig. Taja getraute sich sogar leicht über Sakuras Kopf zu streicheln. Das hatte sie zwar sonst auch schon ein paar mal zugelassen, aber unter diesen veränderten Bedingungen war das schon ein ziemlicher Erfolg.

Auch Paula schien sichtlich zufrieden mit dem kleinen Experiment: „Siehst du, hat doch super geklappt.“

„Zum Glück. So, darf ich dir vorstellen, mein Flemmli Sakura.“, übernahm Taja die Bekanntmachung.

„Das ist aber ein schöner Name.“ Paula zeigte sich begeistert, „Hallo, Sakura. Ich bin Paula und das hier ist Akarin.“

Auch wenn das Feuerpokémon ruhig schien, verzichtete sie lieber erst einmal darauf es durch Streicheln eventuell zu reizen. Es musste, wie seine Trainerin, schließlich auch erst mal Vertrauen fassen.

Diese Vorsichtsmaßnahme hätte Paula aber auch lieber ihrem Pokémon mitteilen sollen, denn Akarin mit seiner unbekümmerten Art, ließ es sich natürlich nicht nehmen, gleich mal freudestrahlend seinen potenziellen neuen Freund zu begrüßen und eilte ungehalten auf Flemmli zu.

„Akarin nicht!“

Doch Paulas Warnung kam zu spät.

Ehe sich das kleine Feuerküken versah, wurde es von der orangnen Echse durch eine stürmische Umarmung zu Boden geworfen und unter dem nicht viel größeren, aber schwereren Körper begraben. Es strampelte zwar heftig mit den Krallenfüßen, aber zu mehr Gegenwehr war es nicht in der Lage. Dazu war es viel zu verblüfft. So etwas hatte sich auch noch kein anderes Pokémon bei ihm getraut. Aber aus irgendeinem Grund, war der Drang es anzugreifen mit einem Mal weg.

Auch die beiden Trainerinnen sahen ungläubig auf das Pokémonknäul herab. Besonders Taja konnte es nicht fassen, dass sich ihr sonst so aggressives Flemmli von Glumanda gerade zu Boden knuddeln ließ und das auch noch ohne großartig zu protestieren.

„Akarin, geh von Flemmli runter! Du erquetschst es ja noch.“ Amüsiert hob Paula ihr Pokémon von dem Überfallenen herunter.

Sakura sprang schnell wieder auf, brachte sich hinter den Beinen seiner Trainerin in Sicherheit und lugte nur argwöhnisch dahinter vor. Dieses Ding mit dem Feuerschwanz war ihr ein wenig zu suspekt.

„Schon gut, Sakura, Akarin will sich nur mit dir anfreunden.“, versuchte Taja zu vermitteln.

Aber sie war schon zufrieden, dass Flemmli angesichts der Fremden so ruhig blieb. Dass sie wahrscheinlich nicht auf Paula losgehen würde, hatte sich Taja schon gedacht, denn die war ein Mädchen, aber, dass ihr schwieriger Schützling ein anderes, noch dazu männliches Pokémon in ihrer Nähe dulden würde, hatte sie in ihren kühnsten Träumen nicht erwartet. Sie musste Mike und Knilz unbedingt dafür danken, dass sie sie auf das Sedaruskraut aufmerksam gemacht hatten.

Was Taja allerdings nicht vermutete, war, dass das verbesserte Verhalten nicht nur auf das Beruhigungsmittel, sondern zum Teil auch auf die unumgänglich ausatrahlende Herzlichkeit von Glumanda und seiner Trainerin zurückgeführt werden konnte. Für Sakura war das zwar etwas ganz Neues, aber sie spürte einfach keine Bedrohung von den beiden Fremden ausgehen.

„So, das mit Flemmli wäre auch geklärt.“, verkündete Paula vergnügt.

Taja konnte nur nicken, denn es hatte ihr mal wieder die Sprache verschlagen. Sie konnte es einfach nicht fassen, wie sich eins ihrer größten Probleme durch die Anwesenheit dieses Mädchens einfach mal so in Luft aufgelöst hatte.

„Uwahhhhh. Ich glaube dieses Zeug beruhigt nicht nur Pokémon.“, gähnte Paula auf einmal.

Etwas verwundert sah Taja sie an: „Also ich merke nichts.“

Sie spürte nur Verwunderung, aber keine Müdigkeit.

„Na dann liegt es wohl daran, dass ich wegen Raupy so ne kurze Nacht hatte. Wenn du nichts dagegen hast, mach ich ne Runde die Augen zu. Es regnet ja immer noch. Ich darf doch?“

„Ja, natürlich.“, antwortete Taja automatisch, ohne zu vermuten, dass sich der letzte Teil der Frage nicht auf das Vorhaben des Schlafens bezog.

Denn Paula rutschte plötzlich ganz nah an sie ran, ließ sich zur Seite kippen und lehnte ihren Kopf gegen Tajas Schulter.

Für einen Augenblick setzte bei der Schülerin in der lila Uniform der Herzschlag aus. Das Paula ihr gesagt hatte, dass sie sie mochte, war schon fast zu viel des Begreiflichen gewesen, aber dass sie jetzt auch noch einfach so vertrauensvoll an ihrer Seite ruhte, war für sie nicht im Geringsten zu erwarten gewesen. Tajas Herz schlug außergewöhnlich schnell. Alles war so befremdlich und doch fühlte sie sich ausnahmsweise nicht unwohl.

Als auch noch Akarin kam, sich glucksend über die beiden Mädchen warf, bevor es sich ebenfalls in das Land der Träume entführen ließ, und sich auch Sakura an der anderen Seite ihrer Trainerin niederließ, war die Idylle perfekt.

Taja fühlte sich zwar auch ein wenig erschöpft, aber sie wollte keine Sekunde des wunderbar warmen Gefühls, das sie gerade durchströmte, verpassen und so blieb sie munter, um über den friedlichen Schlaf ihrer neuen Gefährten zu wachen.
 

„Hey, Paula, aufwachen.“

Ein sanfter Ruf schallte durch Paulas Träume und holte sie in den Wachzustand zurück.

„Was denn los?“ Etwas verschlafen sah sie sich um.

Es war zwar nur ein kurzes Nickerchen gewesen, aber dafür unglaublich erholsam. So gut hatte sie fast die ganze Woche nicht geschlafen.

„Der Regen hat endlich aufgehört.“, verkündete Taja lächelnd.

Sofort war Paula putzmunter: „Echt? Na dann nichts wie los!“

Auch wenn sie das kleine Höhlenabenteuer genossen hatte, so langsam tat ihr alles weh und auch ihr Magen machte sich mal wieder bemerkbar.

Rasch packten die Beiden alles zusammen und machten sich dann auf den Weg nach draußen.

Zu ihrer Überraschung musste Paula feststellen, dass zum Einen ihr Fuß wirklich kaum noch weh hat und, dass es zum Anderen schon verdammt dunkel geworden war. Sie wollte lieber gar nicht mehr wissen, wie spät es war.

Aber den beiden Schülerinnen war auch so klar, dass es auf jeden Fall Ärger geben würde.

„Akarin, bitte versuch uns den Weg zu beleuchten.“, wandte sich seine Trainerin an die Feuerechse.

„Ach warte, mir fällt grad ein, ich hab auch das hier.“ Aus ihrem Rucksack zauberte Taja eine Taschelampe. Ihr war gerade eingefallen, dass sie die für Notfälle auch immer eingepackt hatte. Aber in der Höhle hatten sie sie ja auch nicht wirklich gebraucht.

„Das ist super, ich bin nämlich nachtblind und seh so schon kaum was.“, erklärte Paula.

„Oh, ok, dann werd ich dich führen.“ Taja stützte sie ja eh, aber mit dem Wissen konnte sie noch besser dirigieren.

Trotz unwegsamen, regennassem Gelände, spärlicher Beleuchtung und Paulas Verletzung, kamen sie ganz gut voran. Ab und zu mussten sie eine Pause einlegen, weil Paulas anderes Bein durch die stärkere Belastung schmerzte und Taja sich auch erst mal orientieren musste. Sie war den Weg zwar nun schon ein paar Mal gegangen, aber in der alles verändernden Schwärze der Nacht, fiel es ihr nicht ganz leicht die richtige Richtung zu bestimmen.
 

Gerade, als Taja ein wenig länger brauchte, um sich zu erinnern, ließ ein Schrei die beiden Nachtwanderer aufschrecken.

„Was ist das?“ In Paulas Stimme schwang ein wenig Angst mit, denn sie konnte nur eine schemenhafte Gestalt erkennen, die sich undeutlich vom immer noch wolkenverhangenen, dunklen Himmel abzeichnete.

„Das ist ein Golbat und unsere Rettung!“, erklärte Taja, die in der Nacht doch erstaunlich gut sehen konnte.

„Wieso unsere Rettung?“ Ihre Mitschülerin verstand nicht ganz, wie ihnen ein wildes Golbat helfen sollte.

„Das ist nicht irgendein Golbat, es trägt einen roten Schal und gehört deshalb zum Vermisstensuchtrupp der Akademie. Es gibt hier einige Pokémon, die speziell dazu ausgebildet werden, im Notfall den Schülern zur Seite zu stehen. Das Golbat hat uns entdeckt und wird uns nun führen.“

Mal wieder verblüffte Taja Paula mit ihrem Wissen und auch damit, dass sie überhaupt einen roten Schal bei dem Flattervieh erkennen konnte. Aber eigentlich war ihr das auch egal. Sie wollte nur endlich wieder zurück und die Beine hochlegen.

Also machten sich die Mädchen unter der Führung des Fledermaus-Pokémons auf den nun auf jeden Fall richtigen Weg. Es dauerte zwar noch ein kleines Weilchen, aber irgendwann kamen sie auf einen gut begehbaren Pfad, der hoffnungsvollen Ausblicke auf in der Ferne glitzernde Lichter gab. Golbat flog vor, um Nachricht zu geben.

„Wir haben es gleich geschafft.“, ermutigte Taja ihre Klassenkameradin, der es nun doch sichtlich Mühe bereitete vorwärts zukommen.

Aber Paula biss die Zähne zusammen.
 

Als sie immer näher an die Akademiegebäude heran kamen, wurden zwei größere Lichtkugeln deutlich, die sich auf die Beiden zu bewegten. Dahinter zeichneten sich zwei Silhouetten ab, die Taja bald schon ziemlich vertraut vorkamen. Prof. Ambers wirre Hochsteckfrisur und Prof. Westons scharfe Gesichtszüge waren auch mit wenig Beleuchtung gut zu identifizieren. Paula erkannte die beiden erst, als Prof. Amber schon ganz nah herangeeilt war, um sie in Empfang zu nehmen.

„Paula! Giratina sei Dank, dir geht es gut. Wir haben uns schon ernsthaft Sorgen gemacht. Deine Freunde haben mich informiert, als sie zum Abendessen immer noch kein Lebenszeichen von dir hatten. Wir haben dich schon überall gesucht. Draußen, bei diesem Gewitter, da hätte sonst was passieren können. Wozu haben wir euch eigentlich einen Messenger gegeben?“ Vor lauter Erleichterung redete ihre Klassenlehrerin ohne Luft zu holen.

„Entschuldigung, den hab ich aus Versehen in meinem Zimmer liegen gelassen, als ich zum Training ging.“, erklärte sich Paula.

„Hach, die Dinger sollten wohl am Besten eine automatische „Vergiss-mich-nicht“-Funktion haben.“, seufzte die Lehrerin, „Aber egal, nun kommt erst mal mit und erzählt was passiert ist. Taja, was machst du überhaupt hier?“

Ihr war jetzt erst aufgefallen, dass sich eine weitere ihrer Schülerinnen bei der Vermissten befand.

Irgendwie war es Taja klar gewesen, dass niemand speziell nach ihr gesucht hatte.

„Das ist eine wirklich sehr gute Frage, der eine ebenso gute Antwort von ihnen Beiden gebührt, denn wenn ich mich recht entsinne, haben Schüler der ersten Klasse zu so später Nachtzeit nichts mehr außerhalb ihrer Schlafgemächer zu suchen und schon gar nicht, abgesehen von Ihnen, Taja, in einem Wald zu dessen Betreten sie ebenfalls keine Befugnis haben. Mich verlangt es nach einer guten Erklärung, einer sehr Guten sogar.“ Prof. Westons Ton ließ keinen Zweifel daran, dass ihnen gleich ziemlicher Ärger bevorstand. Besonders Paula, denn sie hatte gleich gegen zwei Schulregeln verstoßen, oder drei, wenn man das Freiherumlaufenlassen von Akarin noch mit dazurechnete.

Aber der war es momentan schnuppe, ob sie wieder Aufsätze schreiben musste, sie wollte einfach nur noch in ihr Zimmer und sich aufwärmen, denn inzwischen war es verdammt frisch geworden. Also setzte sie zur Erklärung der Ereignisse an.
 

Doch dieses Mal war Taja schneller im Ergreifen des Worts: „Es tut mir wirklich unglaublich Leid. Das Ganze ist meine Schuld. Als ich zum Training mit Flemmli ging, bin ich zufällig Paula begegnet, die ebenfalls trainieren wollte. Also dachte ich mir, es wäre eine gute Gelegenheit Sakuras Fortschritte zu testen und hab Paula deshalb mit zu meinem Trainingsplatz in den Wald genommen. Aber leider hat sie sich durch einen kleinen Unfall den Knöchel geprellt. Nachdem ich ihn versorgt habe, ist leider dieses Gewitter aufgezogen und wir mussten in einer Höhle Zuflucht suchen. Da Paula nicht gut laufen konnte, wollten wir nicht riskieren, dass sie bei dem durchweichten Boden stürzt und haben deshalb so lang abgewartet, bis es aufgehört hatte. Verzeihen sie die ganzen Umstände, aber das war wirklich nicht unsere Absicht.“

Etwas verdutzt sah Paula Taja an. Das war natürlich auch eine Version und bis auf Kleinigkeiten noch nicht einmal gelogen, aber wesentlich vorteilhafter für sie.

Prof. Weston ließ seinen strengen Blick über die Beiden gleiten, bevor er sich räusperte: „Nun gut, dann scheint dies wohl eine Verkettung unglücklicher Umstände gewesen zu sein. Taja, sie hatten zwar nicht die Ermächtigung jemand anderes entgegen der allgemeinen Regeln mit in den Wald zu nehmen, doch ich will darüber noch einmal hinweg sehen. Nach meinem Ermessen betrachte ich eine Strafe heute einmal für unnötig.“

Zwar hatte der Kampflehrer das untrügliche Gefühl, dass seine Schülerin die Geschehnisse ein wenig zurecht gebogen hatte, um sie ins rechte Licht zu rücken, aber da sie damit gerade den Kopf für ihre Mitschülerin hingehalten hatte, ließ er ausnahmsweise mal Gnade vor Recht walten.

Taja und Paula glaubten allerdings nicht richtig zu hören. Keine Strafe von Prof. Weston? Keinen noch so kleinen Aufsatz?

Und Prof. Amber machte auch keine Anstalten, etwas dergleichen zu verkünden: „Ich denke auch, wir sollten es auf sich beruhen lassen, denn es war mehr die Schuld des Gewitters als eure. Also los, jetzt schnell rein. Prof. Weston wird inzwischen den Rest des Suchtrupps benachrichtigen.“

Erleichtert folgten die beiden erschöpften Schülerinnen ihrer Lehrerin, während der Professor in eine andere Richtung verschwand.

Sie waren wirklich besser weggekommen, als sie es geglaubt hatten.

Und die Erleichterung wuchs ins schier Endlose, als endlich das Wohngebäude in Sicht kam. Das kleine Abenteuer war doch anstrengender gewesen, als sie es zunächst mitbekommen hatten.
 

„Prof. Amber, ich habe Paulas Fuß zwar notdürftig versorgt, aber ich glaube es ist besser, wenn es sich ein richtiger Arzt noch mal ansieht.“, erwähnte Taja.

„Tut es denn sehr weh, Paula?“, erkundigte sich die Frau daraufhin fürsorglich.

Aber Paula schüttelte den Kopf: „Ach was, ich merk es kaum noch.“

„Dann reicht eine Untersuchung morgen früh aus. Ich werde dir einen Arzt ins Zimmer schicken. Jetzt solltet ihr beide erst einmal schlafen.“

Damit waren Beide einverstanden. Denn die ersehnten Betten waren auch gar nicht mehr weit. Der Eingang zum Wohngebäude war schon erreicht. Treppensteigen war für Paula zwar schwierig, aber da sie ein Ziel vor Augen sah, war es erträglich.

Kaum in den Gang zu ihrem Zimmer eingebogen, wurde Paula auch schon ungeduldig empfangen.

Tifi kam gleich herangestürmt und umarmte ihre vermisste Freundin erleichtert. Auch Manja und Gonni brachten, etwas weniger stürmisch, ihre Erleichterung zum Ausdruck. Alle Drei belagerten sie gleich mit Fragen, aber Prof. Amber setzte dem wilden Geschnatter sogleich ein Ende, denn für alle anderen war schon längst Nachtruhe angesagt.

„Ihr geht jetzt erst mal alle auf eure Zimmer. Paula wird euch morgen alles erzählen. Sie braucht jetzt Ruhe.“, wies die Professorin freundlich, aber bestimmt an.

Unter leisem Maulen, verabschiedeten sich die Schüler von einander und trollten sich in ihre Zimmer.

„So, schlaf gut Paula, alles andere klären wir dann morgen.“

„Ja, vielen Dank, ich wünsche Ihnen auch eine gute Nacht und dir...“ Damit wollte sie sich eigentlich an Taja wenden, aber von dem Mädchen war plötzlich keine Spur mehr.

„Taja ist schon in ihr Zimmer gegangen.“, erklärte Prof. Amber, als sie Paulas suchenden Blick sah.

„Ach so, ok.“ Sie war zwar ein wenig enttäuscht, dass sie sich nicht hatte von ihrer neuen Freundin verabschieden können, aber ihr jetzt hinterher zu rennen, hatte auch keinen Sinn. Also begab sie sich in ihr Zimmer, schlüpfte aus den Sachen und warf sich mit Akarin und Raupy aufs Bett, wo sie vor Erschöpfung auch sofort einschlief.
 

Jemand anderes lag in dieser Nacht trotz Mattigkeit noch lange wach.

Taja war ebenfalls gleich in ihr Zimmer gegangen, doch auf sie hatte niemand gewartet. Es war zwar sicherlich nicht richtig gewesen, einfach so abzuhauen, aber als sie Paula im Kreise ihrer Freunde gesehen hatte, hatte sie sich irgendwie überflüssig gefühlt und war gegangen, ohne sich zu verabschieden. Paula brauchte sie ja jetzt nicht mehr und was hätte sie auch schon groß sagen können.

Nach all den Ereignissen des heutigen Tages wusste Taja nicht mehr, was sie denken sollte. Dieses Mädchen war schon irgendwie seltsam. Sie war gleich so freundlich und vertrauensvoll gewesen und das, obwohl sie sich gerade einmal ein paar Stunden kannten.

Und Paula hatte ihr auch noch einfach mal so gesagt, dass sie sie mochte. Für jeden anderen mochte das zwar ganz gewöhnlich sein, aber Taja hörte so etwas nicht gerade sehr oft und so bedeutete ihr dieser Satz so unglaublich viel.

Nach Paulas fast durchgängigem Geplapper erschien Taja sie Stille, die sie nun wieder umgab auf einmal so extrem geräuschlos. Dieser Gedanke war für sie selber fast absurd, weil sie Ruhe schon immer gewöhnt war, aber nun, nun wirkte sie auf einmal bedrückend.

So rief sie sich immer wieder Teile ihres Gespräches in den Sinn um die quälende Stille zu vertreiben.

Besonders ein Satz wiederholte sich in ihrem Geiste immer und immer wieder, denn erst jetzt fiel ihr etwas daran auf, auf das sie im ersten Moment nicht geachtet hatte.

‚Wenn du ein bisschen offener wirst und auf andere zu gehst, wirst du auch noch schnell viele andere Freunde finden.’

‚...schnell viele andere Freunde finden.’, ... ’...viele andere Freunde...’, ....’andere Freunde’...

Wenn Paula noch von ‚anderen’ Freunden gesprochen hatte... bedeutete das, ... bedeutete das etwa wirklich, ... dass sie schon Freunde waren?

Der Gedanke kreiste nur wirr in Tajas Kopf herum. Denn eine wirkliche Antwort würde ihr wohl nur Paula geben können und ob sie jemals den Mut dazu haben würde, sie danach zu fragen, bezweifelte Taja stark.

So blieb es irgendwo ungewiss, ob ihre heutige Bekanntschaft in ihr wirklich schon eine Freundin sah.

Aber als Taja dann doch irgendwann einschlief, tat sie es mit einem wundervollen Gefühl im Herzen, das ihr sagte, dass sie die Antwort tief in sich drin schon kannte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  tifi
2009-11-12T19:42:19+00:00 12.11.2009 20:42
Eins vornweg: das ist wirklich nen etram langes kapitel (und hast du schon mal geschaut wie lang die gesci schon ist?? Auf word comi sans ms 10 sind das schon über 200seiten!!!!) aber verdammt gut und interessant!!!!


Sie haben sich endlich kennengelernt, auch wenn es mehr ein versehen der verschlafenen paula war *grins*
Ich kann mir da schon was bildlich vorstellen: paula stolpert immer in etwas rein und taja steht dahinter und erläuter oder hilft mit ihrem wissen *schmunzel*
Sehr gutes zeichen, wenn paulas geplapper taja nicht stört ^^
War iregndwie klar das paula taja was in den mund stopfen würde, wenn sie sagt das sie noch nichts gegessen hat XDDD
Paula ist so süß!!! Ich kann mir richtig das glitzern in den augen vorstellen, wenn nicky das erzählen würde, während sie die zapdos geschichte umdichtet
Was steht jetzt einer poteziellen freundschaft noch entgegen, wenn sich sogar flemmlie knuddel lässt? *total süß vorstell* <33
Das nenn ich doch mal ein wohlig, mühsames erlebnis ^_____^
Für das abhauen und die doofe frage von taja wird man mit dem letzten satz sehr gut entschuldigt – bin gespannt was ihr zwei chaotinnen noch so anstellt *grins*

weiter weiter weiter!!!!! >____<
aber erst arbeit schreiben ;P
Von:  -Nicky-
2009-08-17T19:19:40+00:00 17.08.2009 21:19
>> Nach der vierten Seite gab Paula genervt auf.

verständlicherweise ~.~ so viel text...

>> aus ihrem Rucksack und lud Raupy wieder darin ein.

ja *_* der muss doch überall hin mit

>> , die sich über ein freilaufendes Pokémon aufregen konnten.

find das affig -.- glumandas gehören nicht in den pokeball...

>> sie damit massiv gegen die Schulregeln verstieß, war ihr in dem Moment nicht klar.

oh man XD.... hilfe...

>>„Ok, machen wir erst mal eine kleine Pause.“

noch nicht mal angefangen und nach pause schreien oo na das hab ich gern XD

>> Paula war von der Szenerie völlig perplex. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Und die Überraschung nahm noch zu, als sie begriff, dass sie die Person, die sich da unten gegen ein Feuerküken zur Wehr setzte, sogar kannte.

TAMDAM *_* ENDLICH!!!

>> "Alles in Ordnung bei dir?“, erkundigte sich Taja bei der Schülerin, die sich gerade wieder aufrappelte.

is die frage ernst gemeint XDD?

>> „Kannst du vielleicht meinen Rucksack nehmen, ehm...“ Paula ließ den Satz bewusst offen, weil sie hoffte das Mädchen würde merken, dass sie ihren Namen gar nicht kannte.

XD... ja... den trick verwend ich ständig XDD

>> Das kleine Glumanda wuselte vorweg und erkundete pflichtbewusst den Boden, damit seine Trainerin auch ja nicht über etwas stolperte.

Sweet +_+

>>Da Taja damit zu tun hatte, mit Paula das Gleichgewicht nicht zu verlieren, war ihr der selbsternannte Bodeninspektor eine große Hilfe.

akarin der bodeninspektor XDDDDDD....... *bildlich aka mit lupe vorstell* XD

>> „Wow!“ Dem sonst so redseligen Mädchen hatte es die Sprache verschlagen.

asche ist das schön *_*

>> „Von meiner Mutter. Sie ist etwas übervorsichtig und hat mich gleich mal mit einem Jahresvorrat eingedeckt.“, erklärte Taja den Besitz des Mittels.

manchmal ist es gut so ne mutter zu haben XDD

>> „Na ja, ne Eiszeit, nen Hurricane oder ne Alieninvasion würde ich damit sicher nicht überstehen, aber für ein paar Gelegenheiten bin ich schon ausgerüstet.“, versuchte Taja abzuschwächen.

ne sinflut auch nicht XDD

>> Doch sie kam nicht mehr dazu, ihren Satz zu beenden, denn Paula hatte ihr mal eben einfach so eine Schnitte in den Mund gestopft. Taja machte darüber so eine verdutze Miene, dass ihr Gegenüber unwillkürlich wieder anfingen musste zu lachen.

schön AAA sagen XDDD hier kommt das tauboss XDD

>> und zum Schluss besiegt das Glurak Zapdos natürlich und ist der Herrscher des Himmels!“, berichtete Paula mit glänzenden Augen.

genau *_* GLURAK!!!! *fahne wedel*

>> Auch wenn es chronologisch kreuz und quer ging, hörte Taja fasziniert zu. Normalerweise hätte sie bei einem solchen Redefluss nach ein paar Sätzen abgeschaltet, aber bei Paula hatte sie das Gefühl auch noch unendliche Stunden weiter zuhören zu können, ohne, dass es langweilig wurde.

XD... arg... irgegendwann weiß paula nix mehr zu erzählen XD dann wird es taja auch langweilig XDD

>>„Asche!“, fluchte sie leise.

MEH ;_; ich hab mein handy nur einmal verloren... das is kein dauerzustand bei mir ><

>> „Ich hab meinen auf dem Schreibtisch liegen gelassen. Kann ich vielleicht deinen mal kurz benutzen?“, erkundigte sich die Vergessliche hoffnungsvoll bei ihrer Kameradin.

XD... okay... gut das teil is doch noch da

>> „Ich versteh nicht, wieso sich so ein nettes und tolles Mädchen wie du, ständig von der Klasse abgrenzt?“

paula ist echt direkt XD.... so schlimm wirklich XD?


>> Das konnte doch auch gar nicht real sein.

man muss taja mal in den hintertreten oder ihre ohren durchpusten damit das auch wirklihc bei ihr ankommt XDD

>> Die sah sie wieder völlig perplex an: „Wie? Jetzt und hier?“

ne erst in einem jahr XDD oder was? na klar hier und jetzt! XD

>> Sakura sprang schnell wieder auf, brachte sich hinter den Beinen seiner Trainerin in Sicherheit und lugte nur argwöhnisch dahinter vor. Dieses Ding mit dem Feuerschwanz war ihr ein wenig zu suspekt.

*lachanfall hat* XDDDDDDDDDDDDDD

>>„Das ist nicht irgendein Golbat, es trägt einen roten Schal und gehört deshalb zum Vermisstensuchtrupp

>< nein sie werden vermisst ><

>> Etwas verdutzt sah Paula Taja an. Das war natürlich auch eine Version und bis auf Kleinigkeiten noch nicht einmal gelogen, aber wesentlich vorteilhafter für sie.

arg XD.... taja bringt sich in schwierigkeiten damit wenn das wer mal rausfinden ><... aber im moment XD war das echt lieb



so und nun ne schlussbemerkung *_* ENDLICH BEI KAPITEL SONSTWIEVIEL TREFFEN SIE ZUSAMMEN *_*
JETZT KANNS RICHTIG LOS GEHEN *_*




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