|Geheime Gedanken|
Während Nami sich draußen austobte, hatte Sanji bereits begonnen, das Mittagessen vorzubereiten. Kopfschmerzen hin oder her, wenn er nichts zu Essen kochen würde, wäre er von ihnen garantiert von Ruffy befreit worden. Dieser hätte ihm nämlich gleich den ganzen Kopf abgerissen. Er hatte gehofft, das Kochen würde ihn ablenken können, aber er musste dauernd an Nami denken. In seinem Kopf schwirrten Tausende von Gedanken umher und in seiner Brust hatte sich ein undefinierbares Gefühl breitgemacht.
„Wenigstens gibt sie mir nicht die Schuld an allem. Immerhin kann ich mich auch nicht an die Nacht erinnern.“, dachte er, während er die Zutaten zusammensuchte. „Ihre Reaktion war aber auch wirklich übertrieben. Hasst sie mich so sehr oder wie soll ich das auffassen? Ich wette, Robin hätte das an ihrer Stelle lockerer gesehen… Aber ich will ja nicht Robin.“ Draußen wurde es allmählich still. Der Smutje seufzte und setzte die Arbeit fort. Dann fielen ihm Robins Worte ein: „Betrunkene Menschen tun und sagen oft Dinge, die sie in ihr Unterbewusstsein verdrängen.“ Konnte das denn wirklich der Fall sein? Aber dann wäre die Navigatorin nicht so in die Luft gegangen. Oder war der Grund, dass Robin ins Schwarze getroffen hatte? Nami war ein Rätsel. Erst diesen Morgen war er neben ihr im Bett gelegen. Diese Erinnerung ließ Sanjis Herz höher schlagen, aber gleichzeitig war die Wahrscheinlichkeit wohl gleich Null, dass er das jemals wieder erleben durfte. Es war wunderbar und gleichzeitig schrecklich bedrückend an die Diebin denken zu müssen. Sanji mochte sämtliche Frauen oder besser gesagt, er verehrte das weibliche Geschlecht, doch Nami war schon immer etwas mehr für ihn gewesen. Seine Annäherungsversuche hatte er immer als übliche Schwärmereien getarnt, weil er Angst hatte, dass Nami ihn abrupt abweisen würde und das die Freundschaft zerstören könnte. Diese war ja nach dem heutigen Morgen sowieso dahin. Wäre er nur nicht so betrunken gewesen.
„Na toll, jetzt gebe ich mir wieder selbst die Schuld.“, stellte er missmutig fest und pfefferte die Karotten auf den Tisch.
„Hey, lass mal die armen Karotten aus dem Spiel - die können doch nichts dafür.“ Die Stimme gehörte Zorro, der eben zur Küche reinkam. Klasse. Jetzt durfte er sich allerlei Kommentare von dem dämlichen Säbelrassler anhören.
„Dich hat, soweit ich weiß, keiner gefragt und außerdem bin ich hier der Koch, also erzähl mir nicht, wie ich Karotten zu behandeln habe!“ Sanji spürte, dass er seine Verzweiflung und Wut, die er in diesem Moment wegen Nami empfand, gleich an Zorro auslassen würde.
„Mach mal langsam. Ich will mich – jetzt pass auf – nicht mit dir streiten. Weißt du, ich fand Namis Show richtig ätzend und ich muss sagen, du tust mir wirklich leid.“ Der Smutje blickte ihn genervt an:
„Soll ich jetzt etwa sagen ‚Oh, vielen Dank für dein Mitleid, lieber Zorro!‘ oder was?“
„Wenn du so starrköpfig bist wie sie, dann vergiss einfach, dass ich dir zur Seite stehen wollte!“, entgegnete der Piratenjäger bissig und wollte wieder gehen.
„Warte, ich… ich bin gerade einfach total gereizt. Tut mir… leid.“
„Ach, egal. Ich meine, ich hätte an deiner Stelle wohl das Gleiche gesagt.“ Zorro kehrte wieder um. „Du solltest dich von der nicht so fertig machen lassen. Es gibt Tausende, nein, Millionen Frauen, die so aussehen wie sie und dazu einen guten Charakter haben. Bestimmt sitzt sie wieder in ihrem Zimmer und zählt ihr geliebtes Geld.“ Sanji sagte kein Wort. Einerseits ärgerte es ihn, dass der Schwertkämpfer so über Nami sprach, aber andererseits wusste er, dass jener im Grunde Recht hatte. Und das war das Schlimmste.
„Wie soll ich sagen... Ich schwärme nicht nur für sie, verstehst du? Gefühle, auch wenn sie noch nicht so stark sind, kann man nicht einfach ignorieren oder ausschalten. So gern man es manchmal auch will.“, versuchte er zu erklären, doch sein Gegenüber schüttelte nur den Kopf:
„Nami ist keine schlechte Navigatorin oder Freundin, aber von richtiger Liebe hat sie, denke ich, keine Ahnung. Ich habe das nur zu dir gesagt, damit du rechtzeitig aufhörst, dir irgendwas zu erhoffen. Nachher wird es nur noch schlimmer, glaub mir.“
„Danke, ich… werde es versuchen.“, nickte Sanji geistesabwesend, denn er kämpfte gerade in seinem Inneren immer noch mit der Vorstellung, dass Nami gar keine Liebe für ihn empfinden könnte.
Nach dem recht stillen Mittagessen war die Bande wieder mal in der Stadt unterwegs. Nur Nami hatte sich vorgenommen, herauszubekommen, wie sie ihren Ring loswerden konnte. Sie verabscheute Sanji nicht – er war immerhin stets sehr freundlich und attraktiv… aber mehr? Eigentlich wusste sie es selbst nicht so recht, nur wollte sie mit keinem Mann verheiratet sein, der dauernd nach anderen Frauen Ausschau hielt. Welcher Frau gefällt sowas denn? Und die Masche „Ich ändere mich!“ kam ihr äußerst suspekt vor. Vielleicht hatte sie ein wenig übertrieben, aber sie musste klar und deutlich zeigen, dass da absolut nichts sein konnte. Es durfte einfach nicht sein, weil sie nicht enttäuscht werden wollte.
„Sanji, ich gehe jetzt in die Stadt und finde heraus, wo wir geheiratet haben – die sollen das wieder rückgängig machen. Du solltest mitkommen.“ Der Koch versuchte sie nicht deprimiert anzusehen.
„Meinetwegen. Wenn du das unbedingt willst, Namilein.“
„Ja, das will ich.“, bemerkte sie scharf.
„Und wie willst du herausfinden, wo wir gestern geheiratet haben?“
„Ganz einfach…“, grinste die Diebin wissend.
- 10 Minuten später -
„Könnten Sie uns vielleicht sagen, wo wir hier einen guten Priester finden? Wir sind so verliebt und wollen unbedingt heiraten.“, säuselte Nami, während sie sich an Sanjis Arm klammerte. Sie hatte ihm mit einem unauffälligen Ellenbogenhieb klargemacht, dass er mitspielen sollte, als sie eine unschuldige Passantin in der Nähe des Hafens ansprach. Natürlich machte er mit, wenn auch gezwungenermaßen. Insgeheim dachte er sich, wie blind die Navigatorin war, weil sie ihm einfach so hintereinander Schläge ins Gesicht verpasste. Wie realistisch ihre Worte klangen und doch wusste er am besten, dass sie schamlos log, nur um an ihr Ziel zu kommen. Warum empfand er denn überhaupt etwas für sie? War sie immer so? Nein, das wollte er einfach nicht glauben. Seine Meinung war, dass die Umstände sie zu dem gemacht hatten, was sie war und was sie vorgab zu sein.
„Ja, aber natürlich. Dort oben auf dem Hügel, unweit der Taverne, lebt ein Priester – er ist berühmt dafür, dass sich noch keines der Paare, die er getraut hat, sich hat scheiden lassen. Wenn ihr es also wirklich ernst meint, dann geht am besten gleich zu ihm!“, antwortete die Frau freundlich.
„Oh, danke vielmals, den werden wir gleich aufsuchen!“ Namis Lächeln verflog sogleich, als sie ihr den Rücken gekehrt hatte.
„Das ist wahrscheinlich der, den wir suchen… Die Taverne ist doch die, in der wir gestern getrunken haben.“ Sie biss sich verzweifelt auf die Lippe. Keines der Paare hatte sich bisher scheiden lassen. Ob das damit zu tun hatte, dass man die Ringe nicht abziehen konnte?
„Ach Quatsch! Wir bekommen diese verdammten Ringe runter, auch wenn der Priester das nicht will!“, dachte sie sich und ignorierte Sanjis Reaktion wieder einmal völlig. Dieser versuchte gerade die Hoffnung, die in ihm aufkeimte, erneut zu ersticken, was mit Namis Verhalten ganz gut gelang.
„Komm schon, Sanji, ich will das hinter mich bringen.“ Für den Koch klang das wie „Ich will dich hinter mich bringen.“ und das war alles andere als angenehm.