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Hintergrundrauschen

von

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Neutrinolose Doppel-Betazerfall

Ich spürte, wie mir die Knie weich wurden, als wir nach oben in mein Zimmer gingen. Wir hatten uns von unten eine DVD mitgenommen, die wir jetzt bei mir im Zimmer schauten wollten. Nur ich und Pascal. Allein. In meinem Zimmer.

Er schloss die Türe hinter sich und wir standen beide etwas unschlüssig im Raum. Wenn ich hätte sprechen können, hätte ich mich verlegen geräuspert und irgendwas dummes gestammelt. War vielleicht gerade besser, dass ich nicht reden konnte. Wir mussten irgendwas tun. Ich fühlte mich unheimlich dumm.

„Willst du mal die DVD einlegen?“

Ich blinzelte irritiert. DVD? Geniale Idee! Ich nahm ihm die Hülle aus der Hand und setzte mich gleich an den PC. Ich spürte Pascals Blick auf mir und war irgendwie verwirrt und fahrig. Als der PC endlich hochgefahren war, legte ich die DVD ein, wählte erst mal die falsche Option dafür aus und plötzlich wusste ich, wie sich Pascal fühlen musste, wenn er vor einem Computer saß.

Dieser stellte sich gerade hinter mich und ich hätte mich nur ein Stück zurück lehnen müssen, um ihn zu berühren. Ich ließ es. Ich fühlte mich zu unsicher.

„Funktioniert alles?“

Ich zuckte zusammen und drehte mich doch zu ihm um. Vermutlich schaute ich an wie ein verschrecktes Schaf. Wir sollten irgendwas tun, sonst würde ich wahnsinnig werden, da war ich mir sicher.

„Ah, es läuft. Setzen wir uns aufs Bett?“ Pascal lächelte erfreut und schaute dabei auf den Monitor. Mein Retter, mein Held? Eigentlich war er ja der Drache, der mich entführt hatte und dafür gesorgt hat, dass alles komisch war. Ich nickte kurz und stolperte elegant über das Stuhlbein beim Aufstehen. Ich konnte mich zum Glück kurz bevor ich mich wirklich auf die Schnauze legte, am Schreibtisch abfangen. Es wäre auch scheiß peinlich gewesen, wenn ich einfach hingefallen wäre, oder? Ich bemerkte eine amüsiertes Grinsen bei Pascal. Idiot.

Wir saßen beide auf meinem Bett und es war ein gesunder Abstand zwischen uns. Ich konnte mich kein Stück entspannen und saß nach vorne gebeugt auf dem Bett, anstatt mich an der Wand anzulehnen. Ich spürte seine Hand auf meiner Schulter und wie er mich zu sich zieht. Etwas erleichtert ließ ich mich gegen seine Schulter sinken und fühlte mich jetzt irgendwie besser. Er fuhr mir durch meine Haare und mir stellten sich die Nackenhaare leicht auf. Aber als ich zu ihm schaute, hatte er seinen Blick auf den Monitor gerichtet. Dann sah ich, wie er schluckte. Er war nervös, wenigstens war ich damit nicht alleine.

Ich grinste und beugte mich zu ihm, um ihn einen Kuss zu geben. Sonst würde das nichts mehr werden. Ich wollte sicher sein, dass es okay war mit dem Küssen. Es war ein schönes Gefühl, dass er den Kuss erwiderte und mich näher an sich zog. Ich fühlte mich total kribbelig und intensivierte den Kuss. Allerdings schob mich dann Pascal wieder von sich. Langsam nahm ich ihm das echt übel. Er lächelte mich entschuldigend.

„Ich denke, wir müssen das langsam angehen...“

Ich blinzelte ihn an, hatte immer noch ein leichtes Kribbeln in meinen Lippen. Langsam angehen? Ich dachte Küssen war okay, das war doch nicht zu schnell, oder? Verdammt. Pascal fuhr mir durch die Haare und ich hätte ihn am liebsten wieder geküsst. Auch dieser liebevoll verträumter Blick von Pascal schien einen förmlich dazu einzuladen.

„Ich hab darüber nachgedacht, viel nachgedacht. Und ich denke... es könnte eventuell funktionieren, wenn wir das langsam angehen. Also du dich an den Gedanken gewöhnen kannst, dass wir mal mehr machen, als uns zu küssen. Sonst wird das nichts mit uns beiden.“

Ich schluckte bei dem Satz. Mehr als nur zu küssen? Natürlich, dass wurde unweigerlich mal kommen. Vielleicht hatte Pascal recht damit, dass wir uns Zeit lassen sollten. Allein der Gedanke machte mich schwammig verwirrt und das war nicht positiv gemeint.

„Du solltest es mir nur nicht so schwer machen, okay? Ich bin auch nur ein Kerl.“ Er lächelte mich mit einem leichten Rotschimmer auf der Nase an und ich konnte nicht anders, als ihn irgendwie niedlich zu finden. Ich nickte allerdings. Ich würde mir Mühe geben, irgendwie, so weit es ging. Vielleicht wollte er mir auch nur sagen, dass er mir soviel Zeit geben würde, wie es eben braucht. Ich wusste doch, dass Pascal toll war. Aus einem Impuls heraus, umarmte ich ihn. Ich konnte einfach nicht anders.

Mit was ich nicht gerechnet hatte, waren Pascals flinke Finger an meinen Seiten. Er kitzelte mich! Ich japste und versuchte irgendwie seinen Fingern auszuweichen. Aber er war erbarmungslos! Ich hatte keine Chance. Ich konnte mich nur unter ihm winden und hoffen, dass er mit dieser Kitzelfolter aufhören würde.

„Ähm...“

Erschrocken fuhren wir auseinander und starrten Jana an, die plötzlich im Zimmer stand. Wo kam die denn her? Was machte die in meinem Zimmer? Warum hat sie nicht geklopft? Oder hatten wir es überhört? Argh. Auf jeden Fall sollte sie nicht hier in meinem Zimmer stehen und nicht so entgeistert gucken.

„Äh... hi!“ Pascal hatte sich ein gutes Stück von mir weggesetzt und schaute so schuldbewusst, als hätte er mich nicht nur ein bisschen gekitzelt.

„Stör ich?“, fragte sie schließlich und ich konnte geistesgegenwärtig, wie ich war, den Kopf schütteln.

„Nee, Quatsch, wir äh... gucken gerade nur einen Film.“, versuchte Pascal die Situation zu retten, eher erfolglos. Jana hob kritisch eine Augenbraue.

„Ich sehs...“ Sie beäugte uns immer noch mit diesem komischen Blick. Sie wusste es, oder? Ich sollte mit ihr reden, aber ehrlich gesagt, wollte ich das nicht und Pascal schien die Situation auch nicht aufklären zu wollen. Wäre auch alles noch zu früh. Aber wenn sie jetzt zu unserer Mutter rennen würde?

´Was willst du denn?´, fragte ich schließlich. Jana kam nie ohne Grund in mein Zimmer, außer natürlich als Victor noch bei mir zu Besuch war. Und vielleicht konnte ich sie ja so ablenken.

„Mama wollte wissen, ob ihr noch Bettzeug braucht.“ Warum schickte meine Mutter dafür Jana? Aber vielleicht war das besser so, es wäre unangenehm geworden, wenn jetzt hier meine Mutter stehen würde. Mit Jana konnte man reden. Irgendwie.

„Ich denk mal, oder Donnie?“ Pascal schaute mich fragend an und ich nickte nur irritiert. Die Situation war total skurril. Hoffentlich ging Jana gleich.

„Ihr habt doch was miteinander, oder?“ Sie lachte dabei und ich wusste nicht, ob sie das ernst meinte, oder uns einfach nur ärgern wollte. Ich tauschte einen panischen Blick mit Pascal aus und hoffte, dass er wusste, was zu tun war.

„Sicher.“ Argh. Pascal?! Nein! Sie... du.. ich... Ich fühlte mich außer Stande nicht total überfordert zu sein. Ich schaute zu Jana und wartete auf den kommenden Schock.

„Ja, klar.“ Sie glaubte uns nicht? Sie machte sich über uns lustig? Oder nur über mich... Weil Pascal lachte gerade mit ihr. So, als wäre das alles ein ganz großer Witz. Ich verstand überhaupt nichts mehr. Das machte keinen Sinn!

„Ich sag der Mama, sie soll euch noch eine Decke rauslegen.“ Und damit verschwand sie wieder. Ich starrte die geschlossene Türe noch etwas perplex an. Alles völlig absurd. Ich konnte Pascal neben mir erleichtert ausatmen hören.

„Sie weiß es, oder?“, fragte er schließlich.

Ich nickte nur. Es ins Lächerliche zu ziehen war wohl ihre Art damit umzugehen. Aber es hätte alles schlimmer kommen können. Immerhin war nicht meine Mutter reingekommen und es sah auch nicht so aus, als würde Jana petzen wollen.

Pascal ließ sich gegen die Wand fallen und stieß sich den Kopf dabei an. Er verzog sein Gesicht etwas und rieb sich den Kopf. Ich grinste ihn an. Wenigstens war ich nicht der Einzige, der heute exorbitant ungeschickt und bescheuert war.

„Du lachst über mich!“, kam es gespielt empört von ihm und ich grinste nur noch breiter. Ob Pascal überhaupt klar war, wie sehr ich ihn mochte?
 

Ich schenkte mir Kaffee ein und setzte mich zu Pascal an den Küchentisch. Meine Familie hatte schon gefrühstückt und gnädig, wie sie waren uns noch etwas Obstsalat übrig gelassen. Mein Vater war vermutlich wieder weg zum Arbeiten und meine Mutter beim Einkaufen. Was Jana tat, wusste ich nicht genau, aber ich hatte vage in Erinnerung, dass Victor gestern abend von seinem Skiurlaub zurück gekommen ist.

Anders gesagt, Pascal und ich hatte das Haus für uns und ich genoß die Ruhe. Er saß etwas verpennt am Tisch und aß ein Honigbrot, schaute dabei aber immer wieder in meine Richtung und grinste dämlich. So sollte das Leben sein, oder? Ich lächelte zufrieden und nahm wieder einen Schluck vom Kaffee.

„Und was haben wir heute noch so vor?“ Pascal hatte meinen Blick bemerkt und schien jetzt endlich wach genug zu sein, um zu reden. Ich zuckte aber nur mit den Schultern. Also ich für meinen Teil könnte hier auch noch den ganzen Tag sitzen und ihn dämlich angucken. Ich fühlte mich etwas, als hätte man mein Hirn ausgeschaltet. Das einzige was ich brauchte, war Pascal. Es war abartig kitschig, aber woher kam wohl dieser Kitsch immer? Es war sicher nicht meine Schuld, vermutlich lag es an den Hormonen. Die konnten einen ganz schön unfähig machen. Aber wer war ich, dass ich mich jetzt darüber beschweren wollte.

„Ich seh schon, wir haben heute großes vor.“

Wenn er den ganzen Tag auf dem Sofa rumgammeln, als was großes sehen wollte, dann definitiv. Aber ich hatte nicht das Gefühl, als würde es ihn stören, dass wir nichts vor hatten. Man konnte ja auch einfach die Gesellschaft voneinander genießen.

Ich hörte wie die Haustür ins Schloß fiel und ich wusste, dass meine Mutter vom Einkaufen zurück war. Ich hatte eigentlich gehofft, dass wir noch etwas länger, dass Haus für uns hatten. Aber besser meine Mutter, als mein Vater. Man konnte hören, wie sie ihre Autoschlüssel in die Schale in der Gaderobe legte, dann kam sie mit zwei Einkaufstüten bepackt in die Küche. Sie lächelte uns an.

„Pascal, hast du gut geschlafen?“

Ich fragte mich kurz, ob sie es wusste, schüttelte den Gedanken aber schnell wieder ab. Das war einfach eine Frage, die man standardmäßig stellte.

„Ja, super. Danke, dass ich hier übernachten durfte.“ Hm, man könnte fast meinen, dass Pascal so etwas wie Erziehung genossen hatte. Auf jeden Fall gab er sich Mühe, bei meiner Mutter einen guten Eindruck zu hinterlassen und es funktionierte.

„Ach, nach dem Hannes so oft bei euch ist, ist es auch mal schön, wenn du hier bist.“ Und ich hatte wirklich das Gefühl, dass meine Mutter das ernst meinte. Irgendwie beruhigte mich das, wenn sie Pascal mochte, dann würde alles gut werden. Immerhin hatten Frauen angeblich irgendwelche geheimen Kräfte über ihre Ehemänner. Somit müsste meine Mutter meinen Vater bestimmt irgendwann von Pascal überzeugen können, insofern ich sie von ihm überzeugen konnte. Ähm... irgendwie kompliziert. Ich wollte wieder hoch in mein Zimmer und Pascal für mich alleine haben.

Deswegen stand ich auf vom Küchentisch auf und erwiderte den überraschenden Blick meiner Mutter, mit einer Geste, die so viel hieß, dass ich hochgehen würde. Ich möchte Gebärdensprache nicht, aber vermutlich war es normal, dass man sich mit der Zeit in einer primitiven Zeichensprache verständigte.

„Ihr geht in dein Zimmer?“ Klang sie etwa enttäuscht? Okay, wie ich meine Mutter kannte, würde sie Pascal wohl noch gerne eine Weile mit Fragen belästigen. Meine Mutter wollte immer alles wissen, von den Leuten mit denen ich zu tun hatte. Immerhin hatte sie auch schon mit Pascals Mutter telefoniert.

Ich nickte nur zur Antwort und verließ die Küche mit Pascal. Auf der Treppe nahm ich einfach seine Hand. Ich wollte eine Verbindung zwischen uns beiden haben. Ich wusste, dass er mich gerade überrascht anschaute, aber ich ging einfach weiter hoch. Es war doch kein großes Ding, oder?

Als er die Zimmertüre hinter sich geschlossen hatte, zog ich ihn zu mir und gab ihm einen kurzen Kuss. Es war eher aus einem Impuls heraus, aber es war schön, endlich wieder jemand zu haben.

Pascal strich mir ein Paar Haar aus dem Gesicht und lächelte mich an. Allein wie er mich gerade ansah, musste jedem klar sein, dass er mir einfach total verfallen war.

So einfach konnte es gehen, oder?

Ich umarmte ihn und genoß das sichere Gefühl, das eine Umarmung immer ausstrahlte. Endlich war alles mal gut. Ich verdrängte nagende Stimmen, die mir nicht glauben wollten, die darauf pochten, dass das hier so fragil und unsicher war, wie die Hoffnung auf meine Stimme. Es war mir egal. Man konnte sich nicht immer nur Sorgen machen und in Selbstmitleid ertrinken, irgendwie wo war auch einfach eine Grenze.

Ich war fast schon enttäuscht, als sich Pascal aus der Umarmung löste und sich einfach auf das Bett plumbsen ließ. Aber als ich ihn da so liegen sah, lang gestreckt an die Decken starrend, auf meinem Bett, kam ich nicht umhin etwas rot zu werden. Ich war gerade froh, dass er nicht in meine Richtung schaute, das wäre etwas peinlich gewesen. Mein Blick wanderte wie automatisch zu seinen Händen und ich musste schlucken.

Ich wusste nicht genau warum ich erst jetzt daran denken musste, aber vermutlich löste ein Pascal in meinem Bett ein gewisse Assoziation aus. Nicht das gestern noch soviel passiert war, aber ein bisschen... Naja, ein bisschen Gefummel eben. Tolles Gefummel... Argh, egal.

Erst jetzt bemerkte ich, dass sich Pascal wieder aufgesetzt hatte und mich dreckig angrinste. Er wusste ganz genau, an was ich gerade gedacht hatte. Oh Gott... im Moment hasste ich ihn dafür.

Ich drehte mich von ihm weg und ging zu meinem Computer, um über die Peinlichkeit hinweg zu täuschen. Nicht das es funktionieren würde, aber ein Versuch war es ja wert.

Ich schaltete den Computer an, war stolz auf mich, dass ich mich diesmal nicht wie Pascal vor einem PC benahm und stopfte eine Zeichentrickserie in die Playlist, die Pascal gestern noch mitgebracht hatte. Wir würden einen Cartoon-Marathon machen, hatte ich so eben sehr weise beschlossen. Pascal mochte Cartoons. Warum überraschte mich das nicht?

„Sieg für Zim!“, kam es vom Bett und ich drehte mich nur irritiert zu Pascal um, der begeistert auf den Monitor starrte. Zim? Ich verdrehte nur die Augen. Vielleicht doch keinen Cartoon-Marathon. Aber nur auf dem Bett sitzen und ... nichts tun, kam auch nicht so, fand ich jetzt.

Ich setzte mich zu Pascal, der mich sofort zu sich zog und mir einen kurzen Kuss auf die Stirn drückte. Hm... so konnte es echt bleiben.

Der Cartoon war auffallend schräg. Absurd, skurril gezeichnet und einfach nur schärg. Er passte perfekt zu Pascal und ich musste zugeben, der Cartoon gefiel mir. Ich hätte nie erwartet, dass ich in meinem Alter noch anderen Zeichentrick als Simpsons oder Futurama gucken würde. Aber es war auch mal an der Zeit meinen Horizont zu erweitern, oder nicht?

Man sollte immer offen für Neues sein.
 

Ich öffnete etwas verschlafen die Augen, stellte fest, dass mir der Nacken weh tat und ich total unbequem auf Pascal eingeschlafen war, der wohl auch weggedämmert war. Sechs Stunden lang Zeichentrickserien im Original schauen war halt doch ein Stück.

Ich streckte mich träge und merkte, wie sich auch Pascal wieder regte. Er lächelte müde, als er mich sah. Vermutlich war er mindestens so ungünstig gelegen wie ich. Zumindest verzog er etwas das Gesicht, als er sich über den Nacken fuhr.

Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass wir es erfolgreich geschafft hatten, den Nachmittag zu verpennen. Es war jetzt knapp sechs Uhr. Pascal streckte sich neben mir und versuchte wohl die Verspannung von der schlechten Schlafpostion wegzukriegen. Er erinnerte mich an eine Katze, der erst nach dem Aufwachen auffällt, wie dämlich sie gelegen hatte.

Ich grinste ihn an und mein Grinsen wurde noch breiter, als ich seinen Magen knurren hörte. Er hatte Hunger, was mir entgegen kam. Mir ging es nicht anders und wir hatten das Mittagsessen verschlafen, also konnte man uns das nach sehen.

„Mein Magen droht mir.“, meinte er mit einem kritischen Blick auf seinen Bauch. Pascal konnte so niedlich sein. Ich beugte mich zu ihm und gab ihm einen kurzen Kuss. Es war schön, sowas einfach machen zu können. Ob ich das in der Öffentlichkeit auch machen würde? So wie mit Simone? Offen zu ihm stehen? Als ich ihn so anschaute, könnte ich es mir irgendwo vorstellen. Wo sollte da auch ein Problem sein? Zu so jemand wie Pascal konnte man doch ohne Schande stehen, oder?

„Du schmeckst zwar ganz toll, aber ich glaub mein Magen will was handfesteres.“

Idiot. Ich lächelte trotzdem und stand auf. Gut, würden wir uns halt auf die heroische Suche nach Essbaren machen. Sollte hier ja nicht so schwer sein, vor allem da meine Mutter ja erst einkaufen war.

Unten in der Küche hing ein Zettel am Kühlschrank, der uns mitteilte, dass meine Mutter nochmal los gefahren war, da sie etwas vergessen hatte, was sie unbedingt kaufen wollte. Sollte mir recht sein, solange Essen für uns da war. Ich war nur am Überlegen, was wir essen wollten. Meine Mutter würde vermutlich in einer Stunde sowieso anfangen zu kochen.

Ich entschied mich dafür, dass wir einfach ein paar Brote essen würden. Als ich den Kühlschrank öffnete, spürte ich, wie Pascal ganz dicht hinter mir stand. Er berührte mich noch nicht, war mir aber so nah, dass ich seinen warmen Atmen an meiner Wange spüren konnte. Ich bekam eine leichte Gänsehaut. Seine Nähe irritierte mich auf eine nette Art und Weise.

„Euer Kühlschrank ist ganz schön voll.“, stellte er schließlich fest. War es ihm egal, dass ich ihm so nahe war? Er sollte sich keine Gedanken um den Inhalt unseres Kühlschrankes machen... Er griff an mir vorbei nach unserem Zuckerrübensirup.

„Was ist denn das?“ Er war einen Schritt zurück getreten und musterte die braune Flasche etwas irrritiert. „Zuckerrübensirup?“ Er schüttelte den Kopf, als würde er sich darüber wundern, wie man so etwas haben konnte. Er drehte die Flasche in verschiedene Richtungen und schien fasziniert davon, wie zähflüssig das Zeug war.

Ich ignorierte ihn einfach und holte ein paar Sachen für unsere Brote aus dem Kühlschrank, die ich einfach auf den Küchentisch stellte. Als ich zum Geschirrschrank ging, um uns zwei Teller aus dem oberen Fach zu holen, umarmte er mich einfach von hinten. Etwas erschrocken, hätte ich die Teller beinahe fallen lassen.

„Du riechst toll.“, hörte ich ihn leise sagen und ich wusste nicht, wie ich mit so einem albernen Kompliment umgehen sollte. Jungs sollten keine Komplimente kriegen, sie sollten welche machen. Aber dann gäbe es ja in unserer Beziehung gar keine Komplimente. Eine Beziehung mit Pascal, es klang komisch, aber irgendwie aufregend. Ich mochte den Gedanken.

Aber immer noch etwas peinlich berührt von dem Kompliment schob ich Pascal einfach von mir weg und ging zum Tisch, um ihn fertig zu decken. Immerhin hatte ich Hunger und Pascals Magen auch, sowas sollte man nicht ignorieren.

Bevor er sich allerdings neben mich auf seinen Stuhl setzte, zog ich Pascal einfach zu mir und gab ihm einen Kuss. Er sollte wissen, wie wichtig er mir war und wie sehr ich seine Nähe genoß.

„Johannes!“ Die Stimme war dunkel, laut und wütend und ich schubste Pascal, wie aus Reflex von mir weg. Ich sah noch, wie er erschrocken zurück taumelte und sich an der Theke abfing, bevor mein Vater zu uns stürmte und mich am Kragen packte. Ich schluckte. Verdammte Scheiße. Schlimmer hätte alles gar nicht kommen können. Mein Vater schüttelte mich, während er irgendwas auf mich einschrie. Allzu viel verstand ich nicht, ich war viel zu sehr durch den Wind.

Erst als er mich los ließ und sich zu Pascal drehte, setzte mein Gehirn irgendwie wieder ein.

„Scheiß Schwuchtel! Lass deine dreckigen Finger von ihm! Ich wusste, dass du nur Ärger machst! Ich wusste es!“ Mein Vater brüllte weiter unsinniges Zeug und ich konnte nur zu schauen, wie Pascal nur völlig überfordert den Kopf schüttelte, nichts erwidern konnte. Ich konnte ihm nicht helfen, ich hätte es nicht mal gekonnt, wenn ich sprechen könnte. Ich wusste nicht, was mehr weh tat, die Reaktion meines Vater und meine eigene. Ich schaffte es nicht mal, mich zwischen meinem Vater und Pascal zu stellen.

„Verschwinde aus meinem Haus! So jemand wie dich, will ich hier nie wieder sehen!“ Mein Vater zeigte auffordend nach draußen und Pascal blickte mich hilefesuchend an. Das war zu viel. Ich musste hier weg, weg von meinem Vater und weg von meiner Feigheit. Ich stürmte einfach nach draußen ohne die beiden noch zu beachten. Es ging einfach nicht, ich war dem ganzen Scheiß nicht gewachsen. Ich war der Beziehung mit Pascal nicht gewachsen. Wie hätte ich denken können, dass ich einfach zu ihm stehen könnte? Ich schaffte es nicht einmal vor meinem Vater. Ich war so ein Idiot. Es brannte eine Wut und Enttäuschung in mir, die ich das letzte Mal gespürt hatte, als ich fest stellen musste, dass ich nicht mehr sprechen konnte. Ich war so ein verdammter Vollidiot.

Ich blieb heftig atemend an der Bushaltestelle stehen. Hier war ich auch immer hingeflüchtet, wenn ich früher mit meinem Vater Stress gehabt hatte. Was relativ häufig der Fall gewesen war. Irgendwie hatten wir nie einen richtigen Draht zueinander gehabt und jetzt schien es mir, als wäre er völlig abgekappt.

Ich zitterte und fühlte mich einfach nur total zum Kotzen. Mein Vater war ein Arschloch, ich war ein Idiot und es war einfach alles nur zum Scheitern verurteilt. Ich hörte Schritte, die sich mir näherten. Pascal. Im Moment wusste ich nicht, ob ich ihn überhaupt bei mir haben wollte, war aber irgendwie froh, dass er es war. Ein Blick in sein Gesicht sagte mir, dass er mir nichts übel nahm, dass er mich nicht dafür verabscheute, dass ich nicht zu ihm stehen konnte. Er hatte Verständnis für mich und ich fühlte mich noch miserabler. Ich hatte das nicht verdient... ich war ein Feigling, ein verfickter Feigling, der kein Stück Verständnis verdient hatte.

„Hey...“ Pascal blieb neben mir stehen, einen verletztenden Abstand weit weg von mir. Ich musste mich irgendwie von der Situation ablenken, deswegen griff ich in meine Hosentasche nach den Kippen. Mein Vater hatte es schon immer gehasst, dass ich rauchte. Vielleicht machte ich es ja deswegen.

Ich nahm eine Kippe zwischen meinen Lippen und hielt das Feuerzeug an die Zigarette. Ein Klicken. Nichts. Nochmal an dem Rädchen gedreht und gedrückt, wieder nichts. Das passierte doch jetzt nicht ernsthaft, oder? Ich drehte noch mal panisch an meinem Feuerzeug, merkte wie meine Hand dabei zitterte und wie ich kurz davor war, einfach nur zu heulen. Das Feuerzeug musste doch funktioniern, wenigstens das! Es klickte nochmals und immer noch keine Flamme. Ich wollte was treten, auf was einschlagen. Ich schmiss das Feuerzeug mit voller Wucht auf den Boden.

„Scheiße!“ Und hörte es splittern.

Jetzt war es komplett still, rein gar nichts war zu hören. Ich schaute zu Pascal, der mich nur mit großen Augen anstarrte und mir plötzlich um den Hals fiel. Er küsste mich.

Und ich hätte echt nicht erwartet, dass meine Stimme so beschissen klingen würde.
 


 

Ende.



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Kommentare zu diesem Kapitel (18)
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Von:  Luca191
2011-04-18T11:54:45+00:00 18.04.2011 13:54
Hmmmm, also ich finde die Geschichte echt super klasse. Du hast einen tollen Schreibstil, was das Lesen echt angenhem gestaltet hat. Es war bis zum letzten Kapitel einfach nur klasse.
Aber was ich leider sagen muss, das mich das Ende enttäuscht hat.
Die ganze Zeit wartet man darauf, dass man erfährt, warum er seine Stimme verloren hat und dann doch ein so, wie soll ich sagen, unspektakulärer Grund? Im Endefekt hätte ja dann seine Ex wissen müssen, was denn passiert ist. Und ich denke bei so etwas schwer wiegendem hätten die Eltern von Jo sie auch selber gefragt. Und auch wenn der Epilog ein bisschen was erklärt, hätte ich mit mehr gewünscht. Wie reagiert seine restliche Familie dass er schwul ist.
Er redete von vielen Problemen in der Beziehung, welche? Wie hat sich Beziehung im allgemeinen entwickelt? Wie gesagt, die Geschichte an sich einfach klasse, bis auf das Ende. Nichts für Ungut.
LG Luca

Von:  Pepsi67
2010-09-06T21:53:30+00:00 06.09.2010 23:53
Hab Deine Geschichte entdeckt und in einem Rutsch gelesen, da ich einfach
immer wissen wollte, wie es weitergeht, wann er wieder sprechen kann, an was es gelegen hat,ob er mit Pascal zusammenkommt usw. Eigentlich fand ich ihn auch gar nicht so ignorant sondern durch seine eigene Problemem, die ja für ihn gravierend waren, nicht offen für seine Mitmenschen. Was ich im Übrigen sehr gut verstehn kann. Ein bisserl schade fand ich allerdings schon, dass man nicht noch mehr darüber erfuhr, wie andere darauf reagierten, dass er plötzlich wieder sprechen konnte. Auch hätte ich noch gerne über das Trauma gelesen. Nichts desto trotz hat mir die Geschichte super gefallen und werde deine anderen Geschichten auch noch lesen.
lg, Pepsi
Von:  Litschie
2009-12-05T22:03:11+00:00 05.12.2009 23:03
Also ich finde die Geschichte echt toll, aber du hast noch ziemlich viele fragen offen gelassen. Wieso hat er jetzt eig. seine Stimme verloren? das hab ich noch ned so wirklich verstanden. Aber so an sich, ne echt geile Story, auch wenn du die Kussszenen en bissl mehr ausschmücken hättest können ;3 Ich mochte deine Vergleiche und dein Schreibstil ist auch supi. Ich fand es bemerkenswert wie oft das Wort Fuck und Scheiße drin auftauschte- jetzt ned negativ gemeint ^^
Ach und noch eine brennende Frage: Was sin das den für Kapitelüberschriften? das interessiert mich total *Q* Würd mich über ne Aufklärung freun. Achja, schade, das das Ende so schnell und abrupt kam ôO

MfG und weiter so,
Sachiyo
Von: abgemeldet
2009-02-03T12:44:46+00:00 03.02.2009 13:44
die story war super und das ende passt perfekt ^^
freu mich schon auf den epilog und die neue story!
Von:  chrishe
2009-02-02T09:19:45+00:00 02.02.2009 10:19
Yeeeeehhhhh, er kann wieder sprechen. Aber das ist wohl im Augenblick nicht sein größtes Problem. Bin gespannt auf den Epilog.
Super Geschichte. LG
Von:  Evilsmile
2009-02-01T20:51:27+00:00 01.02.2009 21:51
Na das ist ja mal ein cooles Ende! Aber die ganze Geschichte war toll!
So authentisch, er könnte wirklich der Junge von nebenan sein.

Dass die Schwester reinplatzen würde, war so klar! ^^
Und hat der Vater denn gewusst, das Pascal schwul ist und ihn deswegen die ganze Zeit nicht leiden leiden können? Der soll lieber froh sein dass er jetzt wieder sprechen kann.
Ja...dass sein erstes Wort nichts romantisches war, hätt ich mir denken können, das passt zu deinem Stil! Wenn die ganze Story nicht kitschig war, wäre es am Ende unpassend gewesen.
Jetzt wüsste ich wirklich noch gern woher genau Jo sein Trauma hat!
lg
Von:  Sparrowlicious
2009-02-01T17:45:49+00:00 01.02.2009 18:45
Oh wow. Weißt du Mo, irgendwie kam mir das alles jetzt sehr schnell vor. Obwohl die Geschichte so viele Kapitel hat und so viel passiert. Na ja, liegt wohl an mir.
Interessant auf jeden Fall. Bin auf den Epilog gespannt. Und aufs Nachwort allemal.
Hab ich dir eigentlich jemals gesagt, dass sich deine Sachen toll lesen, Mo? Ich meine, also, den Lesefluss. Vielleicht kommts mir deswegen auch so schnell vor, obwohls so schön anspruchsvoll ist. So was hat man auch irgendwie bei veröffentlichten Sachen nicht oft. D:
Von:  robo123
2009-01-31T18:28:06+00:00 31.01.2009 19:28
ich finds voll schade das die geschichte schon rum is ;__; will mehr >o<
aber ich hätte eher damit gerechnet das er seine stimme romantisch wieder bekommt...und man danach noch liest wie die familie reagiert ö.ö nicht so, mit dem wunderbaren wort "scheiße" xP
aber so ein blöder vadda >_____<
..der arme hat jetzt ne stimme die ihm nicht passt xD aber ich freu mich ja für ihn :D
aber was der auslöser jetzt war weiß man immer noch nicht
vllt im epilog
obwohl es mir sehr schwer fallen wird den zu lesen >_>
dann sind die charaktere meist so alt
...aber vllt (was ich bezweifle) geht der ja gar nciht so in die zukunft
ein jahr :D
oder yaoi lD
jaja ich sollte weiter träumen gehn >___>

frei mich schon total auf deine neue geschichte ~ ♥

Von:  ReiRei-chan
2009-01-31T13:48:54+00:00 31.01.2009 14:48
Damit hätte ich nicht gerechnet... aber es ist kein romantisches stimme wiederfinden geworden, so wie du es mir ja gesagt hattest und ich bin wirklich froh, dass es so und nicht anders gekommen ist. T^T Blöder Vadder... aber meiner wäre auch dagegen... zwar nicht sooo krass, aber auch dagegen... Ich könnte mich aber auch nicht mit meinem Dad schreiben, ich denke das ist eher ein Verhalentsmuster als ein nicht zum Partner stehen können.
Wobei ich den Pasi mitgenommen hätte, statt alleine loszurennen xD
Aber ich finde es traurig, dass es so schnell schon vorbei ist--- echt traurig... aber ich bin noch auf den Epilog gespannt.
Von: abgemeldet
2009-01-31T13:46:04+00:00 31.01.2009 14:46
wow....wer hätte gedacht das johannes seine stimme SO wiederbekommt! xD
is das toll...ein sehr schönes kapitel...un die antipathie gegen Jo´s vater...war mehr als begründet....nja wie auch immer....ich freu mich schon seeeeeehr auf den epilog ^^
man is diese geschichte zoll (gewesen)
iwie kommt das ende so..plötzlich..*schnief*
aber nja besser als keines ^^


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