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True love

von

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Nur einen Kuss – mehr will ich nicht von dir

Der Sommer war kurz, der Winter steht vor der Tür

Wenn du mich nicht küsst, bleibst du vielleicht allein

Und wer will schon im Winter alleine sein?

Ich bekam meinen Kuss und gab ihr mein Herz dafür
 


 

//Ist es schon zwei Jahre her, als ich Haido überredete, der Sänger von L’Arc~en~Ciel zu werden?//
 

Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Es war schwer gewesen ihn zu überzeugen, dass er die Klasse besaß ein Top-Sänger zu werden. Noch immer sehe ich seine entsetzten Augen, als ich ihm meinen Vorschlag unterbreitet hatte. Letztendlich gab er aber dann doch nach und ich behielt recht, dass das Energiebündel, das ich auf der Bühne gesehen hatte, die ideale Besetzung gewesen war.
 

Ich bin mir bis heute nicht sicher, warum ich meinen Freund unbedingt in der Band wollte. War es, weil ich überzeugt von seinen Qualitäten war oder, weil er mich schon da gefühlsmäßig total durcheinander brachte?
 

Damals war ich nicht sicher, was ich wirklich für ihn empfand. Im Nachhinein würde ich sagen, dass ich mich schon nach einem Auftritt von ihm als Gitarrist der Gruppe Jerusalem's Rod, in den Kleinen verliebt hatte.
 

Zwei Jahre ist das jetzt her. Seitdem wir zusammen in der Band spielen, hat sich unsere Kinderfreundschaft vertieft. Aber ich hatte nie den Mut ihm meine Liebe zu gestehen, dass wollte ich heute Abend endlich ändern.
 


 

Nervös drehte ich mein Whiskey-Glas in der Hand. Nun saß ich also hier an der Bar eines kleinen Nachtclubs und wartete auf den Mann, den ich so sehr liebte.
 

//Ich liebe deine Engelsflügel, Haido, die passen so gut zu dir. Wie oft habe ich versucht diese unabsichtlich zu berühren. Wie gern würde ich DICH berühren, deine Lippen küssen und dich einfach nur im Arm halten. Du hast ja keine Ahnung, was du für ein Feuer in mir entfachst, wenn du wieder einmal deine Zunge lasziv über deine Lippen fahren lässt.//
 

Unwillkürlich schüttelte ich meinen Kopf um meine Gedanken abzuschütteln.
 

Spontan hatte ich heute Morgen um 6.30 Uhr unseren Sänger angerufen. Wieder einmal konnte ich nicht schlafen, da mir Haido nicht aus dem Kopf ging. So konnte es einfach nicht weiter gehen. In der letzten Zeit schlief ich kaum noch. Meine Gedanken kreisten nur um diesen Mann und nun war es auch noch soweit gekommen, dass ich mich nicht mehr richtig auf unseren Job konzentrieren konnte.
 

Ich musste einfach Gewissheit haben. Wenn Haido nichts außer Freundschaft für mich empfand, musste ich lernen damit umzugehen. Dann konnte ich mir meine Träume verbieten und wie ich mich kannte, würde ich wieder meine ganze Kraft in unser Projekt L’Arc~en~Ciel stecken. Das würde der Band sicher gut tun.
 

Obwohl ich mir sicher war, eine Ablehnung zu erhalten, regte sich in mir immer noch ein kleiner Hoffnungsschimmer. Nur um diese Hoffnung begraben zu können, rief ich Haido heute Morgen an.
 

Wieder glitt ein Lächeln über mein Gesicht, als ich an das frühe Telefonat und die verschlafene Stimme Hydes dachte.
 

Schon heute Morgen, hatte ich ein bestimmtes Bild von Hyde vor meinem geistigen Auge, das sich jetzt wieder in meine Gedanken schob.
 

Haido, die Haare verstrubbelt, in einem gestreiften viel zu großen Pyjama, barfuß am Telefon stehend und sich verschlafen durch die Haare streifend.
 

In meiner Vorstellung sah er so süß aus, dass ich am liebsten sofort zu ihm gefahren wäre, um ihn zu umarmen.
 

„Ja, welcher Idiot weckt mich so früh? Tetsu, wenn du das bist, bring ich dich um. Kannst du mich nach dem gestrigen Auftritt nicht ausschlafen lassen? Wir haben heute keine Termine“, kam es verschlafen, aber leicht verärgert von dem kleinen Sänger.
 

„Ohayô gozaimasu ich bin es Tetsu“, erwiderte ich besonders fröhlich um die frühe Uhrzeit zu überspielen.
 

„Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe, aber ich habe nicht auf die Uhr geachtet. Aber etwas anderes, hast du nicht Lust heute Abend mit mir etwas feiern zu gehen? Der Auftritt gestern war ein toller Erfolg.“
 

Wieder versuchte ich so zu klingen, als ob es das Normalste auf der Welt wäre, dass ich morgens unseren Sänger weckte, nur um ihn einzuladen, obwohl die Band gestern doch lange gefeiert hatte.
 

„Ja, eigentlich gerne, wir haben ja jetzt erst mal keine weiteren Termine. Aber hättest du mir das nicht später sagen können?“ Dieses Mal klang Haido etwas belustigt.
 

„Soll ich die Band zusammen trommeln, oder machst du das?“ wollte er noch wissen.
 

Ein Schreck fuhr durch meine Glieder. Die Band? Die wollte ich doch gar nicht dabei haben. Ich wollte doch mit Haido reden. Was jetzt?
 

„Ach, ich glaube Ken und Sakura hatten gestern genug. Eigentlich wollte ich ja mal mit dir alleine reden, denn die Möglichkeit hatten wir in letzter Zeit so selten.“
 

Schnell schickte ich ein Stoßgebet nach oben, dass Haido nicht auf die beiden Bandmitglieder bestehen würde, denn wie hätte ich ihm dann mein Herz ausschütten sollen.
 

Jetzt lachte Hyde wirklich: „Hast du etwa die Nase voll? Du bist der Bandleader, du musst deine Crew bei Laune halten. Aber gut, du hast recht, richtig miteinander geredet über Dinge, die nichts mit der Band zu tun haben, haben wir wirklich lange nicht mehr.“
 

Mit einer tief traurigen Stimme meinte er noch: „Was ist nur aus unserer Freundschaft geworden? Wir reden ja nicht mal mehr miteinander.“
 

Nach einem gequält wirkenden Seufzer, fing er wieder an zu lachen.
 

Ich hatte gar nicht bemerkt, wie nervös und angespannt ich war, bis Haido zugestimmt hatte. Mir erschien es, als wäre eine tonnenschwere Last von meinem Herzen gefallen.
 

Als ich eine Weile nichts sagte, seufzte Hyde wirklich: „Tetsu, eigentlich müsstest du jetzt sagen, wo und wann wir uns treffen. Hast du dir nichts überlegt?“
 

Nein, das hatte ich wirklich nicht. Was sollte ich jetzt sagen? Und wieder blieb ich stumm.
 

„Tetsu, bist du noch da? Du machst mich wahnsinnig. Wie wäre es um 21.00 Uhr im Blue Moon?“
 

Haidos Stimme ließ mich endlich aus meiner Erstarrung erwachen. Schnell schüttelte ich mich: „Klar, um 9 im Blue Moon“, stimmte ich zu und legte ohne weiteres auf.
 


 

Ich saß jetzt also hier und wartete auf meinen Sänger.
 

Heute würde ich wissen, wie mein Weg weitergehen würde. Ob ich alleine bleiben würde oder ob meine Hoffnungen und Träume wahr werden würden.
 

Ich sehnte den Moment herbei, an dem ich Haidos Reaktion sehen würde. Gleichzeitig hatte ich aber riesige Angst davor.
 

Vielleicht wäre es besser weiter zu träumen? Vielleicht verliere ich meinen besten Freund? Vielleicht wendet er sich ganz von mir ab oder sogar von der Band? Das wäre wahrscheinlich der Untergang von L’Arc~en~Ciel. Für mich ist Haido für die Band unersetzbar und ich denke für die Fans ebenfalls. Sie würden es uns sicher übel nehmen.
 

Aber die Band, die eigentlich mein Lebenstraum ist, war plötzlich nur noch zweitrangig, denn das Gefühl ihn vielleicht zu verlieren war schmerzhafter.
 

//Ich werde einen Rückzieher machen. Ich werde nichts sagen.//
 

Ich kippte meinen Whiskey in einem Zug hinunter und bestellte sofort einen neuen, den ich auch in einem Zug herunter schluckte. Dem Barkeeper, der sich schon entfernen wollte, nahm ich die Flasche aus der Hand und schenkte mir selbst das dritte Glas ein.
 

Der Barmixer wandte sich den anderen Gästen zu und ich hielt mit der einen Hand die Whiskey-Flasche und mit der anderen das Glas fest. Mein Kopf senkte sich langsam zur Theke, als meine Stirn diese fast berührte, stoppte ich.
 

Für andere musste ich wie ein Betrunkener ausgesehen haben, was mir aber egal war. Ich wünschte mir Haido an meine Seite, doch in Gedanken sah ich ihn mit einem verschreckten Gesicht vor mir stehen und dann aus meinem Leben verschwinden.
 

In meinen Augen brannte es. Tränen? Ich war erstaunt, denn geweint habe ich zum letzten Mal als Kind.
 

Meine Gedanken wanderten zurück. Die letzten paar Monate war ich für die Band kaum noch der Leader, den L’Arc~en~Ciel brauchte. Alle Entscheidungen, egal wie wichtig sie auch waren, delegierte ich an die anderen.
 

Haido hatte mich deswegen vor drei Tagen angesprochen. Er meinte, dass sich die Bandmembers Sorgen machten und ob ich vielleicht eine Pause brauchte, Urlaub oder so.
 

Erst da habe ich realisiert, wie es wirklich um mich stand. Wenn ich nichts unternahm, würde ich meinen eigenen Lebenstraum in den Ruin treiben. Aber um ein guter Leader zu sein, brauchte ich die innere Ruhe wieder.
 

Sollte ich doch dem geliebten Sänger meine Gefühle mitteilen?
 


 

Während ich so da saß und zweifelte, hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir.

„He, ich dachte, wir würden zusammen etwas trinken und nun bist du schon betrunken, oder was?“
 

Dieses Lachen in der Stimme würde ich überall erkennen. Es war mein Haido. In diesem Moment war ich einfach nur glücklich ihn zu hören und drehte mich grinsend zu ihm um. Doch das Lachen blieb Haido im Hals stecken. Er sah mich überrascht an und ging einen Schritt zurück.
 

Was war mit ihm? War mein Lächeln etwa schief geraten, oder hatte er etwas bemerkt?
 

„Tetsu, was ist mit dir? Weinst du?“
 

Der kleine Sänger klang erschrocken und gleichzeitig besorgt. Bevor ich etwas sagen konnte, kam er aber auf mich zu und umarmte mich.
 

„Willst du reden?“
 

Wieder dieser besorgte Unterton in der Stimme meines süßen Engels.
 

Eigentlich hätte ich was sagen müssen, aber es kam kein Ton aus meinem Mund. Haido zog mich fest zu sich und dann geschah es. Ich konnte sie, meine Tränen, nicht mehr zurückhalten. Sie liefen mein Gesicht herunter und tropften schließlich auf die Schultern des Kleinen.
 

„Zahlen“, sagte er zum Barkeeper, zog sein Portemonnaie aus der Tasche und übernahm erst einmal meine Zeche.
 

Dann zog er mich von dem Barhocker, legte meinen Arm auf seine Schulter und seinen um meine Hüfte. So führte er mich durch die Straßen, bis wir an einem kleinen Park ankamen.
 

Haido steuerte ohne zu zögern auf eine Bank zu. Er musste diesen Park kennen, denn diese Bank war etwas abgelegen und von drei Seiten mit Büschen eingeschlossen. Ein paar Schritte weiter stand ein riesiger Ginkgo-Baum. Von den Parkwegen aus konnte man diese Bank nicht einsehen.
 

Als ich mich setzte, musste ich mich von meinem Freund aus Kinderzeiten lösen. Plötzlich fühlte ich mich um die Hüfte leer an und eine tiefe Traurigkeit machte sich in mir breit. Seine Wärme hat so gut getan und nun war sie fort. Ich begann zu frösteln.
 

„Ist dir kalt?“ fragte mich mein Mann mit den Engelsflügeln. Dabei zog er seine Jacke aus und legte sie um meine Schultern. Sofort umgab mich sein Geruch. Ich musste die Jacke enger um mich ziehen, um den Geruch tiefer in mich aufnehmen zu können.
 

//Verdammt. Haido, du riechst so gut. Es tut so gut, dass du da bist, dass ich dich sehen, dich riechen kann. Aber das macht es auch gleichzeitig so schwer. Was soll ich nur machen?//
 

Die Tränen, die auf dem Weg versiegt waren, brachen wieder hervor.
 

„Tetsu, wir sind doch Freunde, rede mit mir. Was ist los? Ist etwas mit deiner Familie?“
 

Ich schüttelte mit dem Kopf.
 

„Der Band?“ kam es zweifelnd von ihm und ich schüttelte wieder den Kopf.
 

„Was dann? Dass einzige was mir noch einfiele, wäre dass du unglücklich verliebt bist. Aber du hast nie eine Andeutung gemacht, also…“, überlegte der Kleine leise.
 

Mein Körper fing nun unter den heftiger werdenden Tränen zu zittern an. So hatte mich Haido noch nie gesehen. Liebevoll nahm er mich ihn den Arm.
 

„Schh, ist gut Tetsu, weine nur, lass alles raus“
 

Immer wieder wiegte er mich in seinen Armen und sprach beruhigend auf mich ein, bis ich nicht mehr weinte und das Gefühl hatte, dass alle Tränen, die sich in mir befanden, verschwunden waren.
 

Noch immer lag ich an seiner Brust, die ganz feucht durch meine Tränen war.
 

Seine Nähe, seine Stimme und sein rhythmischer Herzschlag taten mir so gut. Am liebsten wäre ich für alle Zeit hier an seiner Brust und müsste diesen Engel nie mehr los lassen.
 

Doch als Haido merkte, dass ich mich beruhigt hatte, drückte er mich etwas weg und sah mir in die Augen.
 

//Bitte frag nicht. Halt mich. Lass mich in deine Augen sehen, in sie versinken, für immer. Lass mich nicht gehen.//
 

Doch Haido fragte mich, hörte nicht meine stumme Bitte.
 

„Und jetzt rede. Tetsu, ich bin dein Freund, ich werde dir helfen. Sag mir, wer ist sie, in die du dich verliebt hast. Kenne ich die Frau?“
 

Seine Worte trafen mich wie ein Faustschlag in der Magengrube.
 

//Haido, welche Frau? Du bist es doch. Ich liebe dich. Oh Gott, wie soll ich dir das nur sagen?//
 

Haido musterte meinen Blick und sagte dann: „Es ist keine Frau, nicht wahr? Du bist und bleibst mein Freund, mir ist es egal, wenn du einen Mann liebst und ich glaube auch Ken und Sakura haben damit keine Probleme. War es das was dich so bedrückt hat? Wir könnten es vielleicht nicht verstehen. Tetsu, du müsstest uns doch besser kennen. Bring ihn doch das nächste Mal zu den Proben mit, dann können wir ihn kennen lernen….“
 

„Haido, du bist es, du bist es doch. Ich liebe dich doch schon so lange. Ich…“
 

Meine Stimme versagte, nachdem ich die Worte fast heraus geschrien hatte. Entsetzen machte sich in mir breit, als ich Haidos ungläubigen Blick sah. Seine Arme fielen herunter und ohne ein Wort zu sagen, stand er auf und ging.
 


 

Verzweiflung machte sich in mir breit. Ich hatte Haido für immer verloren. Seine Freundschaft und vielleicht auch als Sänger. Was sollte nun werden? L’Arc~en~Ciel ohne Haido, für mich unvorstellbar. Aber der Schmerz abgelehnt zu werden und seine Freundschaft für immer verloren zu haben, war für mich unerträglicher als dieser Gedanke. Noch lange saß ich auf der Bank und weinte, bis ich vor Erschöpfung einschlief.
 


 

„He, Leader, aufwachen.“
 

Nicht gerade sanft wurde ich geweckt. Wo war ich? Als ich meine Augen öffnete, konnte ich die Gestalt, die von der Sonne angestrahlt wurde, nicht erkennen. Wer war das? Leader, wieso Leader? Ah, die Gestalt musste entweder Ken oder Sakura sein. Ich schloss wieder meine Augen und rieb sie, damit ich besser sehen konnte.
 

//Was hab ich da in der Hand?//
 

Als ich meine Augen öffnete erkannte ich Haidos Jacke. Sofort stiegen mir wieder die Tränen in die Augen.
 

„Tetsu…?“
 

Diese Stimme. Es war Sakura.
 

//Klar, Haidos Freund//, ging es mir durch den Kopf und die Eifersucht stach in mein Herz.
 

Noch mehr Tränen, wie sollte ich diese vor dem Member verbergen?
 

//Du hast ihn immer noch als Freund. Ich hab ihn verloren, für immer.//
 

Jetzt war es endgültig um mich geschehen. Ich konnte die Tränen nicht zurück halten.
 

„Haido schickt mich. Er meinte, dass du hier sein könnest. Ich hielt ihn für verrückt, aber er hatte recht. Ich bring dich erst einmal nach Hause.“
 

Sakuras Stimme schien so unendlich weit weg. Wie eine Puppe ließ ich mich führen, zu einem Taxi, das uns zu mir brachte, und dann auch in meine Wohnung.
 

Ohne zu zögern zog Sakura mein T-Shirt und dann meine Hose aus. Willenlos und ohne ein Wort ließ ich alles geschehen, versuchte aber weiterhin Haidos Jacke festzuhalten.
 

„So, jetzt gehst du erst einmal ins Bett.“
 

Sakuras Worte waren bestimmend.
 

„Ich werde dir eine Kleinigkeit kochen. Wenn du später Hunger hast, kannst du es in der Mikrowelle warm machen.“
 

Noch immer sagte ich kein Wort.
 

Nachdem er mich ins Bett gebracht hatte meinte er: „Ich kann nicht die ganze Zeit bleiben. Wenn ich gekocht habe, muss ich gehen. Später kommt Ken vorbei um nach dir zu sehen. Wenn etwas ist und keiner von uns da ist, ruf an, verstanden?“

Ich nickte nur und schloss meine Augen, die immer noch von den vielen Tränen brannten.
 

„O-yasuminasai.“ (= gute Nacht, ist eigentlich ein Befehl: "Ruh dich aus")
 

Mit diesen Worten verließ Sakura mein Schlafzimmer.
 

Er hatte glücklicherweise nicht Haidos Jacke mitgenommen. Diese lag auf dem Stuhl bei meinen Sachen. Sofort stand ich auf, holte sie mir und verkroch mich dann wieder in mein Bett.
 

Fest umklammerte ich das Einzige was mir von ihm geblieben war. Immer noch roch sie nach meinem geliebten Engel. Weinend schlief ich wieder ein.
 


 

Furchtbare Träume quälten mich. Immer wieder sah ich Haido. Erst so liebevoll, dann verzog sich sein Gesicht. Erstaunen, Qualen, Unglaube und schließlich sah er aus, als würde er mich auslachen. Haidos Stimme kam von überall und nirgends.
 

„Ich liebe dich nicht“, hallte es immer wieder in meinem Traum.
 

Ein diabolisches Lachen erklang.
 

„Warum hat dir Freundschaft nicht gereicht?“ erklang es traurig.
 

„Wie konntest du nur hoffen, dass ich dich liebe?“
 

Diese Stimme klang so gefühllos und kalt. In meinem Traum fiel ich auf die Knie, versenkte mein Gesicht in meine Hände und spürte wieder meine heißen Tränen.
 

Haido stand plötzlich riesengroß vor mir, sah auf mich herunter, lachte und drehte sich um. Als er sich aufgelöst hatte, hörte ich immer noch das höhnische: “Ich liebe dich nicht.“ Schreiend und weinend erwachte ich.
 


 

Irgendjemand saß an meinem Bett und hielt meine Hand. In der anderen hatte ich immer noch die Jacke meines geliebten Mannes. Noch nicht einmal im Schlaf war ich bereit gewesen, diese loszulassen.
 

Wer war das, der hier saß? Es war so dunkel, dass ich ihn nicht erkennen konnte.
 

Nach der Dunkelheit zu urteilen, musste es mitten in der Nacht sein.
 

//Habe ich so lange geschlafen?//
 

Ach ja, fiel es mir wieder ein. Sakura sagte doch, dass Ken noch vorbei kommen wollte. Das musste er sein. Aber die Gestalt, die nun stand und mir beruhigend über den Kopf strich, konnte nicht Ken sein, denn die Größe stimmte nicht.
 

„Haido?“, krächzte ich.
 

„Ja, Tetsu. Ich bin es“, klang seine vollkommene Stimme an meinem Ohr, als er sich tief über mich beugte.
 

Seine Nähe, ließ mir einen Schauer über meinen Rücken fahren und ich bekam eine Gänsehaut.
 

„Haido, bitte…“
 

Doch weiter kam ich nicht. Der Mann, der für mich ein fleischgewordener Engel war, legte seinen Zeigefinger auf meine Lippen, um diese zu versiegeln. Bereitwillig gab ich nach, da ich eh nicht wusste, was ich hätte sagen sollen.
 

„Das fällt mir jetzt nicht leicht, also unterbrich mich nicht“, erklang wieder seine melodische Stimme.
 

„Als du gestern mit mir sprachst, wusste ich nicht was ich sagen sollte.
 

Ich war mir nicht sicher, was ich für dich empfand. Ich konnte mit deinem Geständnis nicht umgehen. Ich musste mir erst klar werden wie meine Gefühle dir gegenüber sind.
 

Tetsu, du bist mein bester Freund. Nie habe ich daran gezweifelt, dass du nur Freundschaft für mich empfindest, deshalb habe ich mich nie selbst hinterfragt.
 

Als ich über die letzten zwei Jahre nachdachte, wurde mir bewusst, dass das Vertrauen zu dir in dieser Zeit immer größer geworden war. Das kann aber auch bei einer guten Freundschaft so sein. Also dachte ich darüber nach, wie ich mich fühlte, wenn wir zusammen waren. Es stimmt, ich war immer gern mit dir zusammen, aber reichte das? Wie war es, wenn du mich berührt hast?
 

Ich musste zugeben, dass ich es immer mehr genossen habe, wenn ich eine deiner Berührungen spürte. Manchmal hatte ich den Wunsch, dich einfach zu umarmen.
 

Tetsu, nicht alle meine Berührungen waren zufällig oder Show. Es gab Momente wo ich dich fühlen wollte. Auch dass habe ich immer als Freundschaftsgefühle abgetan.
 

Aber gestern, als ich dich in die Arme nahm… ich weiß nicht, wie ich es sagen soll… aber gestern… es war so schön, obwohl ich dich doch zuerst nur trösten wollte…eigentlich wollte ich dich gar nicht mehr loslassen.
 

Tetsu, ich glaube, ich habe mich auch in dich verliebt und war nur zu blind, um es zu sehen.“
 

Schwer atmete Haido ein.
 

„Was jetzt Tetsu? Ich würde es gerne mit dir versuchen. Willst du mich auch?“
 

Wie konnte er da noch Fragen? Ich spürte, wie ich plötzlich strahlte, mein Herz machte einen Sprung und in diesem Moment war ich der glücklichste Mensch auf Erden. Mein Haido wollte zu mir gehören. Kann es ein größeres Glück geben? Nicht für mich. Ich erhob mich so schnell und nahm meinen Engel in die Arme, dass dieser nun doch überrascht war.
 

„Nicht so stürmisch Tetsu“, lachte Haido.
 

„Wir haben jetzt viel Zeit. Oder habe ich dich verkehrt verstanden?“
 

„Aishite imasu. Aishite imasu.“ (= ich liebe dich)
 

Immer wieder sprudelte dieser Satz aus mir heraus. Dabei küsste ich federleicht sein ganzes Gesicht. Haido lachte. Als ich gar nicht mehr aufhören wollte ihn so zu küssen, hielt er plötzlich meinen Kopf fest und sah mir lange in die Augen. Wieder versank ich in Seinen. Ich hatte das Gefühl, dass seine Augen, wie Treibsand, mich immer tiefer zogen und ich war nur zu bereit in diesem Treibsand zu versinken.
 

Langsam schloss er seine Augen und näherte sich meinen Lippen. Auch ich schloss nun meine und suchte vorsichtig seinen Mund. Als sich unsere Lippen trafen, durchfuhr es mich, als hätte ich einen kleinen elektrischen Schlag erhalten. Das Kribbeln, das seine Lippen auf meinen auslöste, breitete sich in meinem ganzen Körper aus.
 

Ich spürte, wie er vorsichtig an meiner Unterlippe sog, sie genüsslich ableckte und sie dann leicht mit seinen Zähnen bearbeitete. Nun ließ Haido seine Zunge an meiner Oberlippe spielen.
 

Ich wollte diesen Kuss tiefer, intensiver spüren und öffnete meinen Mund einen kleinen Spalt, um ihn einzuladen, aber nicht zu weit, so dass er diese Einladung auch ignorieren konnte. Aber Hyde wollte diese Einladung nicht ignorieren, denn seine Zunge schob sich durch den Spalt und begann nun vorsichtig meine Mundhöhle zu erforschen.
 

Als er diese zu seiner Zufriedenheit ausgekostet hatte, stupste er erst vorsichtig und leicht meine Zunge an. Sofort reagierte ich und umschlang seine Zunge mit meiner. Haido zog sich zurück, kam aber schnell wieder zurück und streichelte meine Zunge liebevoll mit seiner von allen Seiten.
 

Ich genoss die Liebkosungen seiner Zunge, hielt mich aber zurück, da ich merkte, das Haido die Führung übernehmen wollte und ich der passive Teil sein sollte.
 

Nach einer ganzen Weile lockte er meine Zunge nun in seine Mundhöhle und endlich durfte ich seinen wunderschönen Mund kosten und mit meiner Zunge in ihr versinken und erkunden.
 

Leicht spielte ich mit seiner Zunge, bis Haido den Kuss abbrach. Wie enttäuscht ich war. Aber Haido setzte sich nur zu mir auf das Bett, nahm mich in seine Arme und drückte wieder seine Lippen auf meine.
 

Dieses Mal war der Kuss nicht vorsichtig und leicht. Nein, dieses Mal küsste er mich wild und leidenschaftlich, ließ mich erschauern und kaum Luft holen. Der Kuss hatte zur Folge, dass sich mein ganzes Blut im Unterleib sammelte.
 

Nachdem Haido bemerkt hatte, welche Wirkung er auf mich hatte, musste er grinsen, sagte dann aber mit einem ernsten Ton: „Nein Tetsu, nicht heute. Ich brauche Zeit. Gib mir die Zeit, die ich brauche.“
 

„Mach dir keine Sorgen mein Engel, ich werde dich nie bedrängen. Lass dir alle Zeit der Welt ich kann warten. Ich werde auf dich warten und wenn es bis zum Ende der Zeit ist. Ich liebe dich. Ich werde nur das nehmen, was du mir freiwillig gibst.“
 

Mit diesen Worten gab ich ihm einen leichten Kuss. Ich werde auf ihn warten, dass war mein Versprechen an ihn, solange wie er braucht und solange wie er will.
 


 

Die kommende Zeit war die schönste in meinem Leben.
 

Nach einigen Problemen mit L’Arc~en~Ciel, lief unsere Karriere wieder gut.
 

Yukihiro der neue Drummer war schnell in der Band integriert und ich hatte meinen Liebling an meiner Seite. Ich durfte ihn halten, küssen und streicheln. So musste der Himmel sein.
 

Haido wurde zu meinem ganzen Glück, zu meinem Leben. Ich liebte seine Unbekümmertheit, seine Verrücktheit, seine Schüchternheit, seine wundervolle Stimme, einfach alles an ihm. Ich liebte es abends mit ihm einzuschlafen und morgens in seinen Armen aufzuwachen.
 

Ich dachte, dass es immer so bleiben würde und er von nun an immer ein Teil von mir wäre. Ich habe ihn nie bedrängt, aber er gab mir jeden Tag ein kleines Stückchen mehr von sich. Ich war mir meiner so sicher, was ihn betraf.

Bald darauf kam ein Fremder in unsere Stadt (Doch ich glaubte an die Liebe)
 

Ich weiß nicht, was sie in ihm gesehen hat (Und ich glaubte an die Liebe)
 

Sie begann sich sehr für ihn zu interessieren
 

Wir waren ein Paar, was sollte schon passieren?
 

Doch bald darauf wendete sich das Blatt
 


 


 

„Konnichi wa“
 

Freudestrahlend kam Haido zu mir an den Tisch in unserem Lieblingsrestaurant. Leicht drückte ich ihm einen Kuss auf die Lippen, bevor er sich zu mir setzte.
 

„Na, my Angel, was gibt es Neues? Du strahlst ja über das ganze Gesicht.“
 

Ich konnte nicht anders aber ich musste schmunzeln, als ich in das leuchtende Gesicht meines Lieblings sah.
 

„Rate mal, Tetsu. Aber das wirst du nie erraten. Errate, wer mich heute angerufen hat? Rate schon. Rate schon“
 

Haido überschlug sich regelrecht beim Reden. Ich musste immer mehr schmunzeln. Er sah so süß aus, wenn er so aufgeregt war.
 

„Ich kann das doch nicht wissen. Aber ich rate mal. Deine Haushälterin, sie hat gekündigt und hat dir dafür eine Jüngere, Hübschere geschickt. Richtig, hab ich es erraten?“
 

Ich musste ihn einfach etwas aufziehen.
 

„Ha, ha. Natürlich nicht und selbst wenn dem so wäre, das wäre mir doch egal, du weißt doch, dass ich nur Augen für dich habe.“
 

Aus Haidos Augen schossen kleine Blitze, denn er mochte es nicht, wenn ich versuchte ihn aufzuziehen.
 

„Aber jetzt mal im Ernst. Sagt dir der Name „Gackt“ etwas?“
 

„Sumimasen.“
 

Verärgern wollte ich meinen Süßen natürlich nicht, ernst fügte ich hinzu: „Klar, kenne ich Gackt. Wer hier nicht und was ist mit ihm?“
 

„Du weißt doch, dass ich seine Songs mag. Auf jeden Fall, rief er mich heute Morgen an. Er will sich mit mir treffen. Ist dass nicht toll? Ich frag mich was er von mir will.“
 

Gedankenverloren spielte er mit seinem Handy, das er plötzlich in seiner Hand hatte.
 

„Das weiß ich auch nicht. Aber vielleicht sollten wir erst mal etwas bestellen? Was hättest du denn gern.“
 

Ich freute mich ja für Haido, aber so abwesend, war er noch nie in meiner Gegenwart gewesen. Schon jetzt war ich eifersüchtig auf diesen Mann, der es schaffte nur durch ein Telefonat, meinen Haido von mir wegzuziehen.
 

//Ach du bist verrückt. Haido liebt dich. Er mag Gackt. Aber tun das nicht viele Japaner? Gackt ist nun mal ein Multitalent und ein Superstar. Gönn es ihm Tetsu. Freu dich für ihn. Gackt, egal für welches Projekt du mein Haido-chan gewinnen willst, er kann alles schaffen, sei dir dessen bewusst. Er ist eine Konkurrenz für dich.//
 

Jetzt musste ich wieder lächeln. Haido gehört mir und ein Projekt mit Gackt Camui wäre nur gut für die Karriere meines Lieblings.
 

„Ich nehm das Übliche. Kümmerst du dich bitte darum, ich muss nochmal telefonieren.“
 

Mit diesen Worten ließ er mich einfach stehen.
 

So war der Mann mit den Engelsflügeln noch nie zu mir gewesen. Ich musste den Kopf schütteln.
 

//Ich habe gar nicht gewusst, dass du so ein Fan von Gackt bist. Na ja, das wird schon wieder. Ist ja nur ein Projekt und danach wirst du ihn sehr wahrscheinlich eh nicht wiedersehen.//
 

Kurz nachdem ich die Bestellung aufgegeben hatte, kam mein Engel entspannt zum Tisch zurück.
 

„Na, Süßer, was gab es denn, dass du mich hier einfach so sitzen lässt?“
 

Nun war ich doch neugierig.
 

„Ach, nichts weiter, ich habe nur alles arrangiert, damit ich mich nächste Woche mit Gackt hier treffen kann“, kam es wie beiläufig von dem Älteren.
 

Das gab mir doch einen Stich in mein Herz, denn er traf sich mit ihm in unserem Restaurant. Dies tat weh.
 

Trotzdem versuchte ich zu lächeln, er freute sich doch so sehr. Ruhig aßen wir zusammen. Die Situation war schon eigenartig. Normalerweise, redeten wir, machten Unsinn und lachten viel, doch heute war alles anders.
 

Hyde schien nichts von meinen Gedanken zu bemerken, da er zu sehr mit Gackt Camui beschäftigt war.
 

Ich hatte es mir zu Hause auf der Couch richtig gemütlich gemacht und wollte durch die Kanäle zappen, als meine Wohnungstür krachend aufflog.
 

„Sumimasen“, hörte ich die volle Stimme meines Lieblingssängers.
 

„Hi, Haido, Honey, komm setz dich zu mir und erzähl, wie es war“
 

Ich setzte mich und klopfte auf den nun freien Sitzplatz neben mir. Haido setzte sich neben mich und lehnte sich an meine Brust.
 

„Tetsu, er ist fantastisch. Ich habe noch nie einen Menschen erlebt, der so selbstsicher, redegewandt und so überzeugend sein kann. Wir haben uns so gut unterhalten. Ich kam mir so wichtig vor und das bei ihm. Du weißt ja wie beliebt er ist. Schon als er das Restaurant betrat, kam es einem so vor, als ob die Sonne aufgehen würde. Der Mann ist einfach ein Genie.“
 

Hyde merkte gar nicht wie sehr er von Camui schwärmte. Jedes seiner Worte versetzte mir einen Pfeil in mein Herz. Dieser Mann brachte meinen Engel durch seine bloße Anwesenheit durcheinander. Was war das nur für ein Mensch?
 

Ich versuchte meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen.
 

//Haido gehört zu mir. Wir sind ein Paar. Camui, du hast keine Chance bei meinem Mann.//
 

„Und was für ein Projekt, möchte er nun mit dir machen? Eine CD? Eine Tournee? Oder was sonst?“ unterbrach ich ihn, nur damit ich seine Schwärmerei nicht mehr hören musste.
 

„Nichts dergleichen, er will einen Film mit mir drehen.“
 

„Einen Film?“
 

Jetzt war ich wirklich überrascht.
 

„Ja, stell dir vor, er sagte, als er das Buch für den Film geschrieben hatte und somit Kei kreierte, musste er sofort an mich denken. Ich dachte nur, der will wohl, dass ich seinen Film ruiniere. Du weißt ja, ich habe noch nie geschauspielert, also lehnte ich ab.“
 

Hyde schüttelte seinen Kopf, während mir ein Stein vom Herzen fiel. Haido hat abgesagt, dass heißt, er wird nicht irgendwo mit diesem Mann einen Film drehen, sondern bei mir bleiben. So erleichtert war ich schon lange nicht mehr.
 

„Oh, da war der Herr wohl sehr enttäuscht“, erwiderte ich beschwingt.
 

„Ja, war er. Aber ich hab dir ja gesagt, dass er sehr überzeugend sein kann. Camui wollte mich unbedingt. Die Rolle wäre mir wie auf den Leib geschrieben und er wäre sicher, dass ich die Rolle gut ausfüllen würde. Ich wäre sicher überzeugend als Kei.“
 

„Aber du hast abgelehnt?“ fragte ich ihn noch einmal.
 

„Zuerst ja… Aber schließlich sagte ich zu. Dass ist eine neue Aufgabe, sie reizt mich und von Gackt Camui kann ich noch was lernen. Außerdem war der Abend sehr schön, es wäre schade, wenn ich ihn nie wieder sehen würde. Ich würde ihn gern besser kennen lernen. Tetsu...“, brach mein Engel ab und sah mich endlich wieder an, bevor er, „wir werden uns während des Drehs nicht so oft sehen können. Wartest du auf mich?“ hinzufügte.
 

Ich zog ihn fester in meinen Arm.
 

„Baka, du weißt doch, dass ich auf dich warten werde. Ich habe es dir damals geschworen. Ich warte solange du willst. Ich liebe dich. Du bist alles für mich“, sprach ich immer leiser und näherte mich bei jedem Wort den heißgeliebten Lippen meines Angels, bis ich diese dann mit meinen Lippen versiegelte.
 

Haido der die ganze Zeit angespannt war, wurde wie Wachs in meinen Händen und gab sich bereitwillig meinem Kuss hin.
 


 

„Hi Tetsu, ich bin es. Es ist gigantisch hier. Die Leute am Set sind alle so nett. Die Umgebung ist toll und Gackt ist phänomenal“, drang es aus meinem Mobiltelefon an mein Ohr.
 

Aus jedem Wort sprach die Begeisterung und ich freute mich wirklich, dass es meinem Kleinen gefiel.
 

Nur als er Camuis Name nannte, wurde ich wieder eifersüchtig. Ich weiß nicht warum ich mich vor diesem Mann fürchtete.
 

Gackt hatte etwas, was meinen Engel anzog. Ich konnte es nicht verstehen und ich konnte meinen Sänger nicht beschützen.
 

„Tetsu, bist du da? Du sagst ja gar nichts.“
 

Er wirkte enttäuscht, wollte er etwa, dass ich auch über Gackt schwärmte, nein, dass war jetzt ungerecht, Haido wollte mich hören.
 

„Natürlich bin ich noch da. Bei meinem Engel lege ich doch nicht einfach auf. Es freut mich, dass es dir gefällt. Auf den Film bin ich gespannt. Du, mit den blonden Haaren, siehst richtig schnuckelig aus. Wie ein echter Engel.“
 

Ich hörte ihn lachen.
 

„Ein Engel, der ein Vampir spielt. Das ist mal was anderes. Weißt du was? Gackt möchte, dass ich beim Themenlied helfe. Ist doch großartig, oder, was meinst du?“

Schon wieder dieser Name.
 

„Ja, Süßer, das ist toll. Du machst das schon. Schließlich schreibst du die besten Lieder“, kam übertrieben fröhlich meine Antwort, nur um meine wahren Gefühle vor meinem Geliebten zu verbergen.
 

Er sollte sich auf seine Aufgabe konzentrieren können und sich nicht um mich sorgen müssen. Hyde schien wieder nicht zu bemerken, wie ich mich fühlte, fröhlich kam es von der anderen Seite des Telefons
 

„Ich leg jetzt auf, wir wollen noch zusammen etwas trinken gehen. Ich liebe dich. Bis Morgen.“
 

Und schon hatte er aufgelegt. Ich ließ mich auf die Couch fallen und seufzte tief. Mein Engel schien sich immer mehr von mir zu entfernen, was sollte ich, nein was konnte ich tun?
 

//Ich liebe dich Haido und wenn du dich in diesen Gackt Camui verlieben solltest, werde ich es akzeptieren. Ich will nur, dass du glücklich bist, notfalls auch ohne mich, auch wenn es mir das Herz zerreißen würde. Ich werde alles tun, nur dass es dir gut geht. Ich liebe dich, mein Engel.//
 

Mit diesen Gedanken ging ich an meine kleine Bar.
 

//Morgen, habe ich keine Termine.//
 

Ich nahm eine Flasche Wodka und eine Flasche Whiskey heraus und stellte sie auf den kleinen Tisch und legte die Roentgen CD ein. Nachdem ich meinen CD-Player auf unendlich wiederholen eingestellt hatte, setzte ich mich auf meine Couch.

Ich machte mir nicht die Mühe das Zeug in ein Glas zu schenken, sondern trank es direkt aus der Flasche. Meine Gedanken drehten sich nur um meinen Engel und die Tränen kämpften sich nach oben. Schließlich fing ich hemmungslos zu weinen an.
 


 

Die Anrufe meines Engels wurden immer kürzer und wenn er anrief, hieß es nur noch Gackt hier und Camui dort. Ich konnte seinen Namen nicht mehr hören. Ich wusste, dass ich meinen Engel schon an ihn verloren hatte, auch wenn Haido immer noch zu mir „ich liebe dich“ sagte.
 

Ich wusste nicht mehr, was ich zu ihm sagen sollte. Ich wünschte mir so sehr, dass mein Geliebter anrief. Aber wenn er anrief, konnte ich es nicht ertragen wie sehr er von Camui schwärmte. Jeder Tag, der verging wurde ich trauriger und verzweifelte, denn ich wusste, dass ich ihn schon verloren hatte.
 


 

„Tetsu, wir müssen reden.“
 

Das war das Erste, was ich aus dem geliebten Mund hörte, als ich meinen Haido vom Flughafen abholte.
 

„Ja, ich hab dir auch viel zu erzählen. Lass uns warten, bis wir zu Hause sind.“
 

Warum hatte ich das jetzt so übertrieben fröhlich gesagt? Ich wusste doch schon, warum mich Haido sprechen wollte. Als mir Haido bei seiner Ankunft keinen Kuss auf die Lippen gedrückt hatte, waren meine letzten Hoffnungen zerstört worden.
 

//Jetzt würde er mit mir Schluss machen. Oh, Gott wie sollte ich das überleben? Wie sollte ich ohne dich weiter leben? Du bist doch mein Leben, mein Herz?//
 

„Nein, Tetsu, lass uns wo anders hingehen. Lass uns in den Park gehen. Den Park von damals.“
 

Leise, stockend aber bestimmt kamen diese furchtbaren Worte aus diesem süßen Mund.
 

//Nein, nicht dieser Park, der bringt mich jetzt um. Bitte Haido, nicht dort, mach nicht dort Schluss mit mir.//
 

Haido bemerkte nicht meinen flehenden Blick, meine unausgesprochene Bitte. Der Kleine wollte nach meiner Hand greifen, zog sie aber schnell zurück.
 

Wieder musste ich innerlich Stöhnen, diese Qualen waren unerträglich. Trotzdem versuchte ich unbekümmert zu wirken.
 

Noch immer war es für mich das Wichtigste, dass mein Engel glücklich war und wie es schien, war er jetzt glücklicher bei Gackt als bei mir. So sehr es mir auch wehtun wird, ich werde ihn ziehen lassen.
 


 

„Okay, gehen wir zu dem Park. Aber was ist mit deinem Gepäck?“ fragte ich meinen ehemaligen Geliebten.
 

„Dafür ist schon gesorgt“, sagte er nur trocken.
 

Mit einem Taxi fuhren wir schweigend zu dem besagten Park und schweigend gingen wir zur Bank, auf der ich ihm damals meine Liebe gestand. Meine Beine gaben nach und ich musste mich setzen. Ich wollte, dass Haido nicht meine Schwäche bemerkte.
 

//Sei stark Tetsu//, ermahnte ich mich.
 

//Haido wird dich verlassen, aber er wird glücklich sein. Ist das nicht das Wichtigste für dich? Egal was er sagt, biete deine Hilfe und Unterstützung an. Haido, du sollst wissen, dass ich für dich immer da sein werde, egal was kommt.//
 

Haido sah mich lange an. Nachdem er einen langen gequälten Seufzer von sich gegeben hatte, setzte er sich neben mich. Ich konnte ihn nicht mehr ansehen. Diese Augen, die mich immer in sein Innerstes gezogen hatten, luden mich nicht mehr ein. Ein Schatten hatte sich auf sie gelegt. Ich wandte mich von diesen Augen ab und schaute auf den Boden.
 

„Tetsu“, begann mein Engel leise.
 

„Glaub mir, es tut mir leid. Ich weiß, was ich dir bedeute und die letzten Jahre, waren die schönsten, die ich je erlebt habe, aber…“
 

Haido stockte und sah mich an.
 

Doch ich konnte nichts sagen und ihn erst recht nicht ansehen. Ich wusste, wenn ich in diese Augen sehen würde, könnte ich nicht mehr stark sein. Ich würde weinen, aber ich hatte mir geschworen, dass mein Engel nie wieder meine Tränen sehen sollte. Er sollte sich doch keine Sorgen machen. Also sah ich weiter auf den Boden und wartete auf die vernichtende Aussage meines geliebten Sänger.
 

Haido seufzte wieder. Auch er schaute nun auf den Boden und faltete seine Hände.
 

„Es fällt mir wirklich sehr schwer. Tetsu, du bist mir sehr wichtig, aber…“, wieder unterbrach er sich.
 

Ich spürte seinen bittenden Blick auf mich gerichtet, aber ich konnte ihm diesmal nicht helfen, denn dazu fehlte Kraft.
 

Als ich immer noch nicht reagierte, seufzte er noch einmal, bevor er endlich weitersprach.
 

„Ich habe mich verliebt…Gackt ist einfach ein wundervoller Mensch. Während des Drehs,…ich weiß nicht, aber bei ihm fühle ich mich so wichtig. Immer fragte er nach meiner Meinung, er gibt mir das Gefühl alles erreichen zu können. In seiner Gegenwart bin ich so selbstsicher…wie auch immer. Er liebt mich. Es tut mir wirklich leid Tetsu, aber…ich möchte mit ihm zusammen sein.“
 

Haido verstummte und sah mich verzweifelt an. Noch immer sprach ich nicht, denn ich bekämpfte mühsam meine Tränen.
 

„Tetsu, ich weiß, dass ich viel von dir verlange, aber…können wir weiterhin Freunde sein? ...Ich möchte dich nicht ganz verlieren. Kannst du das?“
 

Bittend sah mich mein kleiner Engel an.
 

Langsam hob ich meinen Kopf und sah meinen kleinen Sänger an.
 

„Ich werde dir nicht im Weg stehen“, sagte ich leise.
 

„Ich möchte, dass du glücklich bist und wenn du bei Gackt Camui glücklicher bist, als bei mir, werde ich dich gehen lassen. Haido, eins sollst du aber wissen, egal was passiert, ich werde immer für dich da sein. Nun geh zu Camui und werde glücklich.“
 

Meine Worte brannten wie ein Feuer in meinem Hals, aber als ich das freudestrahlende Gesicht meines Angels sah, wusste ich, dass ich mich richtig entschieden hatte, auch wenn es mir das Herz brach.
 

Hyde sprang auf.
 

„Tetsu, du bist wundervoll.“
 

Ich konnte seine Erleichterung aus diesen Worten hören. Haido wollte mich Umarmen, zog sich aber sofort zurück, bevor er mich berühren konnte.
 

„Danke Tetsu.“
 

Mit diesen Worten drehte sich mein Geliebter um und verschwand.
 

//Wie glücklich er aussieht//, dachte ich noch.
 

Doch dann verbarg ich mein Gesicht in meinen Händen. Jetzt da er fort war, durfte ich weinen. Ich durfte meinem Kummer und meinem Leiden freien Lauf lassen.

Als mein Gesicht tränennass war, schlief ich wie damals vor Erschöpfung, aber ohne die Jacke meines Lieblingssängers, ein. Dieses Mal gab es kein Happy-End für mich.

Beim ersten Schnee waren wir nicht mehr zusammen (Doch ich glaubte an die Liebe)
 

Weil der fremde Mann kam und sie mir wegnahm (Ich glaubte trotzdem an die Liebe)
 

Ein paar Wochen lang nur strahlte sie vor Glück
 

Dann ging er fort und sagte, er sei bald zurück
 

Sie wartete noch, als schon der Frühling kam
 


 


 

Haido hatte mich verlassen. Es tat weh, aber ich steckte meine ganze Kraft in meine Arbeit. Von morgens bis abends war ich im Studio, übte, organisierte und gab mein Bestes als Leader der Band. Haido war professionell. Während der Aufnahmen, Konzerte und Interviews benahm er sich wie früher, aber wenn wir alleine waren, zog er sich zurück. Mein Engel wich mir, wo er nur konnte, aus, und das tat so unendlich weh.
 

//Hatte er nicht gesagt, dass er Freundschaft wollte? Wie willst du so mein Freund sein?// dachte ich traurig.
 

Doch hatte ich nicht den Mut ihn darauf anzusprechen. Schien er sich unbeobachtet von mir zu fühlen, sprach er mit Ken und Yukihiro über Gackt. Er schien kein anderes Gesprächsthema mehr zu haben.
 

Gackt Camui, ich wollte ihn hassen, dafür, dass er mir meinen Liebling genommen hatte, aber ich konnte es nicht. Immer wenn ich an ihn dachte erfüllte mich eine nie gekannte Traurigkeit über die sich das strahlende und glückliche Gesicht Haidos schob.
 

Ich beobachtete den Kleinen wann ich nur konnte. Kein Interview, keine Show und keinen Promotion-Auftritt versäumte ich, nahm jede Sendungen auf, egal ob ich sie sehen konnte oder nicht und bemerkte immer dieses Strahlen, das von unserem Sänger ausging, wenn er über IHN sprach oder nur an ihn dachte.
 

Ich wünschte mir für meinen Engel, dass es für ihn immer so bliebe, wenn es mich auch innerlich zerriss.
 


 

Ich hatte es mir auf meiner Couch bequem gemacht, um wieder einmal eine Aufnahme meines Engels zu sehen. Wahllos zog ich eine DVD aus meinem Stapel und legte sie ein. Es war eine Sendung, in der mein geliebter Mann zusammen mit Camui interviewt wurde.
 

In Gedanken sah ich Haidos Rücken mit seinen tätowierten Engelsflügeln und der unbändige Wunsch diese jetzt berühren zu können wuchs in mir. Ich schüttelte meinen Kopf, um diesen Gedanken abzuschütteln. Ich würde diese nie mehr berühren dürfen. Ich musste mich damit abfinden.
 

Ich versuchte mich auf die Sendung zu konzentrieren.
 

Gackt Camui erzählte gerade von ihrem ersten gemeinsamen Billardspiel und ein Lächeln umspielte kurz meine Lippen.
 

Ich hatte auch versucht gegen den Kleinen zu gewinnen und hatte nicht die geringste Chance gehabt. Haido konnte sehr gut spielen, obwohl er immer seinen Scheffel unter das Licht stellte.
 

Ich holte mir eine Flasche Whiskey aus meiner Bar.
 

//Komisch seitdem ich weiß, dass Camui Wodka bevorzugt, hatte ich keinen mehr gekauft//, durchfuhr es mich.
 

Ich setzte mich wieder auf die Couch und spulte die DVD zurück. Als ich an die Stelle kam, an dem mein Engel lächelte, hielt ich die DVD an, so dass ich Haidos Standbild betrachten konnte.
 

Für die Menschen die Haido nicht so gut kannten, wirkte er ernst und auf das Interview konzentriert, aber ich sah das Glück, welches von ihm ausging, besonders als Gackt von seiner Stärke im Billardspiel sprach.
 

Ich öffnete die Flasche und setzte sie an meine Lippen. Ich nahm einen großen Zug und sah wieder auf den Bildschirm. Mein Herz wurde schwer, aber Haido wirkte glücklich und nur das zählte für mich, schließlich liebte ich den Kleinen immer noch und werde das wohl auch immer tun. Auch heute würde ich die Flasche leeren, wie so oft in letzter Zeit.
 


 

Es war heiß in dieser Nacht, also entschloss ich mich nur in einer Pyjamahose schlafen zu gehen. Mein Kopf war schwer und dröhnte schon leicht.
 

//Wieder zu viel Alkohol//, dachte ich, //aber was macht das schon, es stehen momentan keine wichtige Termine an.//
 

Mit diesen Gedanken ließ ich mich auf mein Bett fallen. Immer noch hielt ich die nun leere Whiskeyflasche in der Hand, ließ sie aber einfach auf den Boden fallen.
 

Mit den Gedanken bei Haido und seinem lächelnden Gesicht vor meinem geistigen Auge schlief ich im halben Rausch ein.
 

Ich schlief unruhig und merkte, dass ich mich im Bett hin und her wälzte und keine Ruhe fand. Lag das an der Hitze? Ich wusste es nicht und war überrascht, dass ich, obwohl ich doch schlief, alles bewusst wahr nahm.
 

Plötzlich ertönte mein Lieblingssong, 'Hello', von meinem Hyde. Ich zuckte zusammen. Wo kam diese Musik her? Kerzengerade saß ich in meinem Bett und immer noch ertönte das Lied. Erst jetzt realisierte ich, dass der Song mein Handyklingelton war. Verschlafen und verkatert sah ich auf die Uhr mit den Leuchtziffern, die neben meinem Bett stand. Sie zeigte 3:36 Uhr.
 

Welcher Idiot rief mich um diese Zeit an?
 

„Ja“, murrte ich in mein Handy.
 

„Tetsu?“
 

Diese verweinte Stimmte kannte ich, sofort war ich hellwach.
 

„Haido, was ist los? Ist was passiert?“
 

Dieses Mal schmerzte mein Herz vor Sorge um meinen Süßen.
 

„Tetsu, ich weiß, dass ich dich in der ganzen Zeit geschnitten hatte, aber… Tetsu, du bist doch noch mein Freund, oder?“
 

Diese verweinte, ängstliche Stimme, die ich von meinem Engel vernahm, schnürte mir die Kehle zu.
 

„Natürlich bin ich noch dein Freund. Ich hatte es dir doch versprochen. Du kannst immer auf mich zählen. Was ist Haido? Was ist los?“
 

Meine Stimme spielte durch den Alkohol und der Sorge nicht so richtig mit, so dass meine Worte mehr ein Krächzen waren, als alles andere. Aber Haido musste mich wohl trotzdem verstanden haben.
 

„Tetsu, kannst du zu mir kommen? Ich brauche dich. Bitte komm, bitte Tetsu, komm.“
 

Ich hörte das Weinen meines kleinen Engels und wusste, dass ich sofort zu ihm musste.
 

„Natürlich komme ich. Ich komm so schnell ich kann. Hältst du es solange aus?“

Besorgnis schwang in meiner Stimme mit.
 

„Ja, Tetsu. Nur komm so schnell du kannst. Ich warte auf dich.“
 

Haidos Stimme wurde von seinen Tränen erstickt.
 

„Haido, ich muss jetzt auflegen. Ich muss ein Taxi rufen, um zu dir kommen zu können. Schaffst du es wenn ich auflege? Hältst du das aus? Kannst du warten bis ich bei dir bin, oder soll ich dich gleich nach dem Anruf in der Taxizentrale wieder anrufen?“
 

Meine Besorgnis steigerte sich bei jedem Wort mehr und mehr.
 

„Du kannst auflegen, aber bitte beeil dich.“
 

Haido klang wirklich furchtbar.
 

„Also gut, bis gleich. Warte auf mich.“
 

„Hai. Bis gleich.“
 

Hyde hatte aufgelegt.
 

Noch nie in meinem Leben hatte ich so schnell eine Telefonnummer gewählt.
 

Nachdem ich das Taxi bestellt hatte, zog ich mich schnell an. Duschen fiel heute gänzlich flach und meine Haare ordnete ich nur kurz, indem ich mit meinen Fingern durch sie strich. Schnell steckte ich meinen Schlüssel und mein Portemonnaie ein und lief auf die Straße, denn in meiner Wohnung hielt mich nichts mehr. Ich musste noch auf das Taxi warten. Obwohl ich nur fünf Minuten warten musste, erschien mir diese Zeit wie eine Ewigkeit.
 

Nachdem ich dem Fahrer die Adresse genannt hatte und wir eine Weile unterwegs waren, wollte ich Haido anrufen, zu groß war meine Sorge, um meinen Sänger.
 

Verdammt, wo war mein Handy? Das lag noch ruhig auf meinem Bett, ich hatte es vergessen. Was jetzt? Zurück? Aber wir waren schon so weit gefahren. Ich entschloss mich für das Weiterfahren, ich wollte keine Zeit verlieren. Ich schickte ein Stoßgebet nach oben mit der Bitte, dass Haido nicht in der Zwischenzeit versuchen möge mich anzurufen.
 

Während die Zeit des Wartens auf das Taxi für mich schon eine Ewigkeit war, erschien mir die Fahrt nun wie die Unendlichkeit.
 

„Können sie nicht schneller fahren?“ knurrte ich den Fahrer an.
 

„Ich muss mich an die Verkehrsregeln halten“, kam es unbeeindruckt vom Taxifahrer.
 

Er hatte ja recht, aber die Sorge um meinen Angel machte mich halb wahnsinnig.
 

Endlich, nach einer unendlichen Zeit standen wir vor Haidos Wohnung. Ich zog mein Portemonnaie und bezahlte die Fahrt, gab noch ein großzügiges Trinkgeld, da ich mich für meinen kleinen Ausbruch von eben entschuldigen wollte. Der Fahrer hatte ja keine Schuld an der Situation. Mit großen Schritten legte ich die Entfernung zwischen dem Taxi und der Eingangstür zurück. Ich drückte auf den Klingelknopf mit der Aufschrift Takarai Hideto. Wieder kam es mir endlos vor, bis mein heißgeliebter Sänger endlich die Tür öffnete.
 

//Haido, wie siehst du nur aus?//
 

Entsetzen machte sich in mir breit. Ich hatte mir schon gedacht, dass mein Engel schlimm aussehen musste, aber was ich zu sehen bekam, verschlug mir die Sprache. So schlimm hatte ich es nun doch nicht vermutet.
 

Haidos Haare, auf die er immer viel Wert legte, waren zerzaust, seine Kleidung wirkte schlampig, als hätte er sie schon mehrere Tage hintereinander an. Sein Hemd, das nur teilweise und auch noch falsch zugeknöpft war, besaß Flecken. Auf seiner zerrissenen Hose, machten sich dunkle Rotweinflecken breit. Haido stand barfuß und zitternd vor mir.
 

Aber das Schlimmste war sein Gesichtsausdruck. Seine Augen waren blutunterlaufen und dunkle Ringe machten sich darunter bemerkbar. Diese Augen, die auf mich immer wie Treibsand wirkten, waren leer und vermittelten nun eine tiefe Traurigkeit. Sein Gesicht war von unendlich vielen Tränen gekennzeichnet.
 

//Haido, my angel.//
 

Ich konnte nicht anderes, bevor ich auch nur die Tür schließen konnte, hatte ich meinen Sänger in meine Arme geschlossen. Ich sagte kein Wort und Haido zitterte noch mehr in meinem Arm.
 

„Tetsu…“, kein weiteres Wort kam aus dem süßen Mund meines Lieblings.
 

Er weinte und seine Tränen durchnässten mein T-Shirt.
 

Vorsichtig hob ich ihn auf und schloss die Tür mit meinem Fuß. Haido legte seine Arme um meinen Hals, legte seinen Kopf an meine Schultern und ließ seinen Tränen freien Lauf. Ich trug meinen süßen, kleinen Sänger zu seiner Couch im Wohnzimmer.
 

Überall standen leere Rotwein-, Whiskey- und Wodkaflaschen. Der Aschenbecher quoll vor Zigarettenstummeln über und im Raum stand der kalte Rauch. Erst jetzt bemerkte ich, dass Musik aus seiner Anlage kam. Ich kannte diesen Song. Woher nur?
 

//Gackt. Last Song. War er Schuld an dem Zustand meines Engels?//
 

Zorn stieg in mir auf.
 

//Wenn das wahr wäre, dann…//
 

Ich musste mich jetzt beruhigen, Haido brauchte mich. Ich setzte mich auf die Couch und ließ Haido auf meinen Schoß hinunter. Immer noch schüttelte sich der kleine Körper in meinen Armen. Ich wiegte ihn, streichelte über seinen Kopf und flüsterte beruhigende Worte in sein Ohr.
 

Lange Zeit saßen wir einfach nur da und ich ließ meinen Liebling weinen, so lange bis seine Tränen trockneten. Ihn so zu sehen schmerzte mich mehr als alles andere, sogar mehr, als damals, als er mit mir Schluss gemacht hatte. All mein Bestreben war gewesen, diesen Mann glücklich zu sehen, wofür ich ihn hab gehen lassen. Und nun das.
 

//Haido, wer hat dir das angetan?//
 

Verzweiflung machte sich in mir breit, aber ich musste jetzt stark sein, stark für die Liebe meines Lebens.
 

„Tetsu…er meldet sich nicht mehr… er hat doch gesagt, dass er mich liebt. Warum meldet er sich nicht mehr…Tetsu, was hab ich falsch gemacht…ich liebe ihn doch so sehr…warum meldet er sich nicht...“
 

Wieder fing mein Lieblingssänger an zu weinen.
 

„Haido, wo ist Gackt?“ fragte ich fest die kleine Gestalt auf meinen Schoß.
 

„Er hat gesagt, dass wir uns in der nächsten Zeit nicht so oft sehen könnten, wegen seiner Karriere…ich hab das ja verstanden… aber...., aber…“
 

Eine neue Flut von Tränen brach aus ihm heraus.
 

„Du bist doch selbst Musiker, du weißt doch, dass man manchmal sein Privatleben hinten an stellen muss.“
 

Ich verstand immer noch nicht ganz das eigentliche Problem.
 

„Schon, Tetsu... aber, aber … seit zwei Monaten habe ich gar keinen Kontakt mehr zu ihm“, kam es nun gequält aus dem süßesten Mund der Welt.
 

„Ihr könnt doch telefonieren, wenn ihr euch nicht sehen könnt“, versuchte ich ihn zu trösten.
 

„Das hab ich doch probiert“, kam es zornig von dem Leadsänger, aber sofort fiel er wieder in sich zusammen.
 

„Ich kann ihn nicht erreichen…Entweder ist sein Handy aus, oder… irgendjemand sagt mir, er hätte im Moment keine Zeit und ich solle es später noch einmal versuchen“, mühsam und unter vielen Tränen kamen diese Worte von meinem Liebling.
 

„Mach dir keine Sorgen, Haido, du weißt doch wie stressig der Job sein kann. Er wird sich bestimmt bald melden. Er liebt dich doch.“
 

Ich glaubte selbst nicht, was ich da sagte.
 

„Glaubst du? Tetsu, glaubst du das wirklich? Hat er wirklich nur zu viel um die Ohren? Liebt er mich noch immer?“
 

Hoffnung machte sich in meinem Engel breit. Was sollte ich sagen?
 

„Haido, jeder muss dich lieben, du bist doch unser aller Engel, dass weißt du doch. Er meldet sich bestimmt bald. Keiner kann dich zu lange warten lassen, dass weißt du doch.“
 

Ich war mir sicher, dass dies nicht so war, aber ich konnte den Kleinen nicht mehr leiden sehen. Was hätte ich sonst tun sollen?
 

„Tetsu, du bist der beste Freund den man haben kann.“
 

Haido wollte jedes Wort glauben, dass ich sagte.
 

Seine Lippen näherten sich meinen Mund. Wollte er mich jetzt etwa küssen? So sehr ich mir das auch wünschte, wehrte ich es jedoch ab.
 

„Haido, ich bin nicht Camui. Heb dir deine Küsse für ihn auf.“
 

Auf keinen Fall würde ich die Situation für mich ausnutzen. Hyde öffnete verwirrt seine Augen.
 

„Oh“, meinte er nur verlegen.
 

„Ich bring dich jetzt ins Bett, du musst schlafen. Du brauchst doch deine Kraft, wenn dein Geliebter wieder kommt“, sagte ich nun bestimmt zu dem kleinen Mann, der immer noch auf meinem Schoß saß.
 

Hyde nickte nur und wollte aufstehen, aber ich hielt ihn fest, ich wollte, aber konnte ihn noch nicht loslassen.
 

„Ich trag dich, sonst fällst du mir vielleicht noch unterwegs um.“
 

Haido sah es glücklicherweise als ein Scherz an.
 

„Hai“, antwortete er darauf, als ein Lächeln seine Lippen umspielte.
 

Bereitwillig ließ er sich von mir zu Bett bringen. Woher sollte er auch wissen, dass ich ihn nicht einfach loslassen wollte?
 

Nachdem ich ihm beim Entkleiden geholfen hatte und er im Bett lag, deckte ich ihn zu. Wie leer fühlte sich mein Schoß und meine Arme an.
 

„Tetsu,…kannst du bei mir bleiben? ...Ich kann jetzt nicht allein sein…bitte bleib bei mir… ich kann sonst bestimmt nicht einschlafen.“
 

Wie könnte ich je eine Bitte meines Süßen ablehnen?
 

„Natürlich bleib ich, solange du willst. Schlaf jetzt, du brauchst noch deine Kraft. Ich werde noch da sein, wenn du wieder wach wirst. Ich verspreche es dir.“

Ich streichelte liebevoll über seinen Kopf.
 

Nachdem ich mir einen Stuhl geholt hatte, setzte ich mich neben sein Bett.
 

Haidos Hand suchte meine und ich legte meine bereitwillig in seine. Nachdem ich sie leicht gedrückt hatte, begann ich sie mit meinem Daumen zu streicheln, während ich sie weiterhin festhielt. Mit der anderen Hand strich ich ihm sanft über sein Haar.
 

Dankbar sah er mich an und schloss dann seine Augen. Meine Gedanken wanderten zu Camui, während ich meinen geliebten Mann ansah. Wie konnte er es nur wagen meinen Engel zum Weinen zu bringen? Wieder stieg der Zorn in mir hoch. Wenn er meinen Engel leiden lassen würde, würde es ihm noch Leid tun.
 

Aber jetzt zählte erst einmal Haido. Er brauchte meinen Beistand, meine Kraft, ich durfte diese jetzt nicht mit Rache, Zorn oder ähnlichem verschwenden. Haido brauchte mich jetzt zu 100 Prozent.
 

Während seines Schlafes, wälzte er sich unruhig in seinem Bett. Immer wieder stöhnte er und rief gequält Camuis Namen. Meine Berührungen und mein Streicheln konnten ihn nicht wirklich beruhigen. Ich kam mir so hilflos vor. Wie konnte ich nur eine Stütze für den Engel ohne Flügeln sein, wenn ich ihm noch nicht mal helfen konnte, einen ruhigen Schlaf zu finden? Aber wie versprochen blieb ich bei ihm und durch litt mit ihm die Nacht.

Das Gras wurde grün, sie wurde dünn und blass (Denn sie glaubte an die Liebe)
 

Weil sie jeden Tag weinend am Fenster saß (Viel zu groß war ihre Liebe)
 

Ob sie wohl an ihn dachte, als sie schließlich starb?
 

Ich legte eine rote Rose auf ihr Grab
 

Sag mir, worauf ist in dieser Welt Verlass?
 


 

Die Zeit verging und Haido ging es immer schlechter. Für die Öffentlichkeit, hatte sich nichts verändert. Haido war wirklich ein perfekter Schauspieler. Seine dunklen Augenringe deckte er immer mit einer dicken Schicht Make-up ab und sein Gesicht wurde zu einer Maske. Selbst sein Lachen wurde schief und schrill, da es nicht mehr echt war. Nur wenige Menschen erkannten, wie schlecht es um meinen Sänger wirklich stand. Während der Arbeit, war er Profi, aber sobald es privat wurde, zog er sich zurück. Niemand kam mehr an ihn heran, auch mir gegenüber wurde er immer verschlossener.
 

Wo war mein geselliger, lustiger, für jeden Unsinn zu habender und redseliger kleiner Haido geblieben? Er hatte sich zu einer Puppe verwandelt, die nur noch funktionierte. In der ersten Zeit rief er fast jeden Tag an und suchte Trost bei mir, aber mit der Zeit wurden seine Anrufe immer seltener. Ich machte mir solche Sorgen um meinen Engel, aber Camui meldete sich nicht. Kein Anruf, keine Nachricht. Obwohl ich wütend und zornig auf den Sänger war, überdeckte die Angst um den Kleinen dieses Gefühl. Ich versuchte wiederholt Gackt zu erreichen, aber er ließ sich immer verleugnen. Haido quälte sich und ich konnte nichts tun. Mit jedem Tag der verging wurde mein Herz schwerer, da ich seinem Leiden kein Ende setzen konnte.
 

Auch Ken und Yukihiro bemerkten natürlich die Veränderung unseres Sängers. Haido sprach nicht mehr über Camui, eigentlich sprach er nur noch wenn es etwas Wichtiges wegen der Band gab. An einem Tag kamen sie auf mich zu. Haido war schon gegangen und wir waren allein im Studio.
 

„Tetsu, du bist doch Haidos Freund, hat er dir nicht erzählt was er hat?“, Besorgnis schwang in der Stimme Kens mit.
 

„Ist es wegen Camui? Er spricht nicht mehr über ihn? Hat er sich mit ihm gestritten, oder was ist los?“, fragte mich Yukihiro.
 

Unwirsch drehte ich mich um und tat so als gäbe es nichts Wichtigeres als meinen Bass in den Koffer zu legen.
 

„Tetsu, hör auf damit. Wir sind eine Band und Freunde. Wir kennen uns schon zu lange, als dass du mir etwas vor machen könntest. Du weißt, was mit Hyde ist. Sag schon, haben wir Recht? Ist es wegen diesem Camui, dass es Haido so schlecht geht?“, verärgert nahm mich Ken an der Schulter und drehte mich um, damit er mich ansehen konnte. Tränen glitzerten in meine Augen und Ken war sichtlich erschrocken. Seit unserer Kindheit hat er mich nicht mehr weinen gesehen. Im ersten Reflex wollte er seine Hände zurückziehen, tat es dann aber doch nicht, sondern zog mich stattdessen in seine Arme.
 

„Du liebst ihn immer noch“, stellte er fest. „Das habe ich nicht gewusst. Du wirktest so, als hättest du es überwunden. Tetsu, leidest du auch?“, seine rechte Hand streichelte langsam meinen Rücken.
 

Ich konnte nicht antworten, meinen Tränen, die ich so lange zurückgehalten hatte, ließ ich nun freie Bahn. Ich hielt mich an Ken fest und weinte, weinte wie ein Kind. Unaufhaltsam liefen meine Tränen meine Wangen hinunter und hinterließ eine feuchte Spur auf Kens T-Shirt. Wie in einem Nebel bemerkte ich, wie Ken Yukihiro mit ein Wink zum Gehen veranlasste.
 

„Schhh, Tetsu schhh. Ich bin da, es ist gut, schhh“, flüsterte mein alter Freund in mein Ohr und wiegte mich in seinen Armen.
 

Es tat so gut mal nicht der Starke sein zu müssen, weinen und einfach mal schwach und traurig sein zu dürfen. Ich wusste nicht wie lange wir so da standen, ich fest geklammert an Ken als wäre ich kurz vor dem Ertrinken und er so stark als könnte er mich vor all dem Leid beschützen. Nachdem meine Tränen getrocknet waren, löste sich Ken von mir. Zuerst wollte ich mich nur noch fester an ihn klammern, riss mich aber sofort zusammen, ich war lange genug schwach gewesen, ich musste wieder stark sein, stark für meinen Engel. Aber Ken hatte meinen Reflex bemerkt und löste sich nur so weit von mir, so dass er mich zur Couch, die im Studio stand, führen zu können. Vorsichtig und leicht drückte er mich auf das Möbelstück und nahm neben mir Platz. Er setzte sich so, dass sein Rücken von der Armlehne gestützt wurde und sein rechtes Bein hatte er untergeschlagen, um mich besser ansehen zu können. Ich hatte meine Arme auf meine Beine angewinkelt abgestützt, so dass ich mein Gesicht mit meinen Händen verbergen konnte.
 

„Tetsu, du darfst dich nicht so verrückt machen.“
 

Ich wollte aufbegehren, aber Ken hielt mich sofort zurück.
 

„Ich weiß, das hört sich platt an. Aber so kannst du Haido nicht helfen. Zuerst einmal, es ist wegen Gackt, habe ich recht?“
 

Ich nickte nur.
 

„Er hat unseren Sänger verlassen?“
 

Zorn stieg in mir auf.
 

„Wenn es nur das wäre. Ken, er hat keinen sauberen Schnitt gemacht. Kann ja sein, dass er Haido nicht mehr liebt oder ihn nie geliebt hat. Aber er hat es noch nicht einmal für nötig gehalten, mit Haido zu sprechen. Hat sich einfach aus dem Staub gemacht. Meldet sich nicht mehr, lässt sich verleugnen, sogar vor mir und Haido… Du siehst selbst, was das für eine Wirkung auf ihn hat. Er ist so verzweifelt, so unglücklich, all meine Qualen, die ich durchgemacht hatte, als ich ihn damals gehen ließ, waren umsonst. Ich wollte doch nur, dass er glücklich wird, nur deshalb habe ich damals nicht gekämpft und jetzt, jetzt kann ich ihm nicht helfen. Ken, was soll ich nur tun? Was kann ich nur tun? Es tut so weh, ihn so leiden zu sehen“, wieder brach ich in Tränen aus.
 

„Du hast Haido damals gehen lassen, weil du geglaubt hattest, dass er mit Gackt glücklicher werden würde als mit dir?“ ungläubig sah mich mein langjähriger Freund an.
 

Ich nickte nur.
 

„Du bist unglaublich Tetsu. Du liebst den Kleinen wirklich“, sprach Ken, während ich wieder nur nicken konnte, „und auch jetzt versuchst du noch alles, um ihn glücklich zu machen, sogar wenn du selbst darunter leidest. Du bist wirklich unglaublich.“
 

Ken zog mich wieder in seine Arme: „Du bist der beste Mensch, den ich kenne, so selbstlos.“
 

Ken brauchte etwas Zeit um das Gehörte verarbeiten zu können. Schließlich drückte er mich wieder etwas von sich weg und sah mir in die Augen. „Du willst Haido wirklich helfen?“ fragte er mich eindringlich.
 

„Nichts ist wichtiger für mich“ bestätigte ich ihm.
 

„Gut. Weißt du, wie Hyde empfindet? Hat er verstanden, dass ihn Camui verlassen hat, oder hofft er immer noch, dass er zu ihm zurück kommt?“ Kens Stimme die eben noch so weich und mitfühlend klang, war wieder fest.
 

„Haido hofft immer noch. Jeden Tag geht er x-mal zu seinem Briefkasten, um nach einem Brief von ihm zu suchen, sieht unzählige Male auf sein Handy in der Hoffnung auf eine SMS, checkt sooft seine E-Mails, dass ich mich manchmal fragte, warum er seinen Computer herunterfährt, wenn er diesen doch gleich wieder startet. Er macht sich verrückt, Ken. Ich sehe ihn nur noch weinen und immer wieder hört er diesen verdammt Song von ihm. Ich kann es kaum noch ertragen. Sag mir was kann ich machen um ihm zu helfen?“
 

Ich musste sehr verzweifelt ausgesehen haben, denn Ken legte seine Hand auf meine Wange und wischte eine unsichtbare Träne weg.
 

„Du bist der einzige, den er an sich ran lässt. Nur du kannst ihm die Wahrheit klar machen. Hast du schon mit ihm geredet? Hast du ihm gesagt, dass Gackt ihn verlassen hat?“ leise kamen die Fragen aus dem Mund meines Freundes.
 

Ich schüttelte meinen Kopf: „Nein, ich wollte, dass er nicht noch mehr leidet. Ich habe ihm immer Hoffnung gemacht. Gackt würde sich bestimmt bald melden und so einen Schwachsinn. Aber es schien ihn immer zu beruhigen, gab ihm wieder Kraft die nächste Zeit zu überstehen. Ich weiß, dass das ein Fehler ist, aber ich konnte nicht anders.“
 

„Damit musst du sofort aufhören. Mach ihm beim nächsten Mal die Wahrheit klar. Wie soll er sonst mit der Sache abschließen können? Versteh mich jetzt nicht falsch, ich kann dich gut verstehen. Denn den Menschen, den man liebt, will man beschützen und nicht leiden sehen. Aber wenn du ihm jetzt nicht die Wahrheit sagst, wird es ihn auffressen. Er wird immer verzweifelter und nie mehr die Person sein, die er einmal war. Du musst ihm die Wahrheit sagen.“
 

Das Gesagte klang wie ein Befehl und ich wusste, dass Ken Recht hatte.
 

„Schaffst du das?“ fragend sah mich mein Freund an.
 

Ich nickte und musste dann schlucken.
 

„Wenn du Hilfe oder einfach wieder mal eine Schulter zum Anlehnen und Ausweinen brauchst, dann komm zu mir, denn ich bin dein Freund,. Versprich es mir, dass du zu mir kommst“, diesmal klang seine Stimme bittend.
 

Auch diesmal nickte ich nur. Ken drückte mich noch einmal kurz und meinte dann: „So ich glaube, jetzt sollten wir erst einmal einen trinken gehen. Was meinst du dazu?“
 

„Aber ich bezahl heute die Zeche“, sagte ich beim Aufstehen.
 


 

Während der Probe war Hyde wieder einmal ganz der Profi. Sein Gesang war voll, aber in seiner Stimme schwang die Trauer mit. Oder bildete ich mir das nur ein, da ich wusste, wie es um meinen Liebling stand? Ich wusste es nicht, aber es war auch nicht wirklich von Bedeutung. Ich hatte mich endlich dazu durchgerungen Kens Ratschlag umzusetzen.
 

Haido litt immer mehr und ich wollte, konnte es nicht mehr mit ansehen. Wenn ich mit ihm geredet hätte, wäre die kommende Zeit sicher noch einmal schmerzhaft, aber dann könnte er abschließen, könnte wieder unser Haido sein. Diese Hoffnung gab mir Kraft mein Vorhaben auszuführen. Hyde wollte gerade gehen, als ich ihn zurück rief.
 

„Haido, komm bitte noch einmal.“
 

Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie Ken Yukihiro am Arm fasste und ihn nach draußen zog. Haido drehte sich fragend um. „Was gibt es? Ist es wegen der Band? Wenn nicht, dann lass mich bitte gehen, ich möchte nur noch nach hause.“
 

„Nein, es ist nicht wegen der Band. Hast du heute etwas vor?“ fragte ich vorsichtig.
 

Hyde zog eine Augenbraue hoch: „Ja, ich habe was vor, wie jeden Tag, wie jeden Abend und jede Nacht. Ich werde mich betrinken, bis ich nichts mehr spüre“, kam es verbittert aus seinem Mund. Dieser Mund der doch so süß war, war nur noch ein verbitterter kleiner Strich.
 

//Oh, Haido, wie sehr hast du dich verändert.//
 

Es tat weh ihn so zu sehen.
 

„Gut, ich komme heute zu dir und werde mich mit dir betrinken. Keine Widerrede um 8 Uhr komme ich und öffne ja die Tür, sonst trete ich sie ein.“
 

So bestimmt war ich schon lange nicht mehr zu ihm gewesen. Haido zuckte nur mit den Schultern, murmelte so etwas wie mach was du nicht lassen kannst und ging.
 


 

Ich schaute auf meine Armbanduhr. Punkt 8.00 Uhr. Unruhig ging ich noch ein paar Mal unentschlossen vor Haidos Tür hin und her, als plötzlich die Tür aufging.
 

„Pünktlich wie die Feuerwehr“ hörte ich die Stimme meines Lieblings, als er zur Seite trat, um mich einzulassen. Er hatte eine halbleere Wodkaflasche in der Hand und nach seinem Aussehen, war diese nicht seine erste Flasche für diesen Abend. Aus dem Wohnzimmer klang wieder „Last Song“ von Gackt, leere Flaschen standen in dem Raum überall herum, einige halbleer gegessene Schachteln von verschiedenen Lieferservices standen herum und der kalte Rauch stand in der Wohnung.
 

„Hast du keine Haushälterin?“ entfuhr es mir angeekelt.
 

Am liebsten hätte ich mir sofort auf die Zunge gebissen, als ich Haidos Blick sah.
 

„Ich hab ihr frei gegeben. Ich wollte Ruhe. Wenn es dich stört, da hat der Maurer das Loch gelassen“, zischte er mich an und zeigte auf die Eingangstür.
 

„Nein, nein schon gut. Was hast du da?“
 

Irritiert sah mich der Kleine an.
 

„Na, wir wollten uns doch heute zusammen betrinken, deswegen bin ich doch gekommen. Also, was hast du zu trinken da?“
 

Ich versuchte unbekümmert zu wirken, aber ich glaube nicht, dass ich wirklich überzeugend war. Haido schien es aber egal zu sein, aus welchen Beweggründen ich wirklich kam.
 

„Wodka. Vielleicht noch Rotwein, keine Ahnung, schaue nach, du weißt doch wo die Flaschen stehen“, nur widerwillig gab mir der Kleine überhaupt eine Auskunft.
 

So wie es hier aussah, war ich mir nicht sicher, ob die Flaschen wirklich in seiner Bar standen oder sonst irgendwo. Natürlich sagte ich ihm das nicht, aber auf dem Tisch stand eine halbleere Flasche. Wodka, sofort gingen meine Gedanken wieder zu Camui und heftig brennender Zorn stieg in mir auf. Was hat dieser Mann nur aus meinem Liebling gemacht? Ohne zu zögern nahm ich die Flasche in die Hand, öffnete sie und nahm einen großen Schluck. Haido hatte sich einen Stuhl an das Fenster gezogen und sah hinaus. Sein Blick schien so weit weg, aber seine Lippen formten lautlos:
 

Furitsuzuku kanashimi wa masshiro na yuki ni kawaru
 

Zutto sora o miageteta
 

Kono karada ga kieru mae ni ima negai ga todoku no nara
 

Mou ichido tsuyoku dakishimete
 

(=Die unendliche Traurigkeit
 

Verwandelt sich in weißen Schnee
 

Ohne Unterlass blicke ich hinauf in den Himmel
 

Solange, bis dieser Körper vergeht
 

Jetzt, wenn mein Wunsch dich erreicht
 

Halte mich fest)
 

Das durfte doch nicht wahr sein, Gackts „Last Song“, ausgerechnet damit drückte er seine Gefühle aus.
 

„Haido…?“
 

Mein ehemaliger Geliebter reagierte nicht, noch immer starrte er in die Dunkelheit. Mein Engel nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche in seiner Hand. Verzweiflung machte sich in mir breit. Trinken, trinken und nochmals trinken, war das alles was Hyde noch konnte. Ich musste ihn in die Realität zurückholen jetzt, sofort, keine Sekunde sollte er mehr in dieser selbstzerstörerischen Traumwelt bleiben. Ich musste dem ein Ende machen.
 

„Haido“, diesmal war meine Stimme fest, doch mein Liebling legte nur einen Zeigfinger auf seine Lippen und deutete dann auf seine Stereoanlage und versuchte mich damit zum Schweigen zu bringen. Das hat das Fass zum überlaufen gebracht, ich stand wütend auf und schaltete die Musikanlage aus. Doch bevor sich Hyde überhaupt beschweren konnte, stand ich schon vor ihm, ging in die Knie und nahm sein Gesicht zwischen meine Hände.
 

„Haido, es ist genug. Hör auf damit. Du zerstörst dich nur selbst. Sieh es endlich ein, Gackt will nichts mehr von dir. Er hat dir den Laufpass gegeben. Hör auf ihm nachzulaufen, das ist deiner nicht würdig. Er ist nicht würdig, dass du ihn liebst. Hör auf, hör endlich auf…“, meine Stimme die zuerst zornig geklungen hatte, wurde immer weicher, bittender und verzweifelter und wieder einmal liefen mir Tränen über das Gesicht. Ich wollte doch nur meinen alten Haido wieder.
 

Hyde riss sich von mir los und sprang auf. Seine Wodkaflasche fiel aus seiner Hand und der Restinhalt hinterließ einen großen Fleck auf dem Teppich. Wut und Enttäuschung glitzerten in seinen Augen. Wie ein gehetztes Stück Wild lief er durch das Wohnzimmer.
 

„Ausgerechnet du Tetsu? Ausgerechnet du, sagst mir, dass ich mich irre? Hast du mir nicht immer Hoffnung gemacht, dass Gackt nur keine Zeit hätte, dass er mich liebt, dass mich einfach jeder lieben muss. Waren das nicht deine Worte? Und jetzt, jetzt willst du, dass ich nicht mehr an ihn denke, dass ich ihn vergessen soll. Der einzige der sich irrt bist du. Gackt liebt mich, er liebt mich, hast du das jetzt endlich verstanden? Er wird sich melden. Er wird sich melden, sobald er Zeit hat. Glaub mir, ich weiß es, er wird sich melden, ich muss nur warten“, zornig funkelte mich der Ältere an.
 

„Nein Haido. Glaub mir, es ist vorbei. Ich wünschte ich könnte dir weiter Hoffnung geben, aber das wäre gelogen. Ich weiß schon lange, dass er sich nicht mehr melden wird, ich wollte dich nur nicht noch mehr leiden sehen. Aber du hast dich so sehr verändert. Diese unerwiderte Liebe zerstört dich. Ich kann das nicht mehr mit ansehen. Auch Ken meint…“
 

„Ken? Du hast mit Ken gesprochen? Über mich? Das kann doch nicht wahr sein. Ich habe dir vertraut und du hast nichts Besseres zu tun, als Ken alles zu erzählen? Habt ihr wenigstens gelacht? Gib es zu, ihr habt über mich, den kleinen dummen Hyde, gelacht, der noch an die wahre Liebe glaubt und auf den Mann, den er liebt, wartet.“
 

Noch nie hatte ich meinen Engel so zornig gesehen.
 

„Nein, so war das nicht. Ken und Yukihiro haben selbst bemerkt, wie es um dich steht. Sie machen sich Sorgen um dich, genauso wie ich. Ken wollte nur helfen. Er hat dieselbe Meinung wie ich Haido, Gackt wird nicht wiederkommen. Bitte Haido, tu dir nicht noch mehr weh, sieh es ein. Ich bin bei dir. Ich stehe zu dir. Ich werde dir helfen, nur lass ihn endlich aus deinem Herzen, bitte Haido.“ Meine Stimme brach bei den letzten Worten.
 

„So ist das also“, erklang leise die Stimme meines Engels. Ein merkwürdiger Unterton schwang darin, den ich nicht richtig einordnen konnte.
 

„Gib es zu Tetsu, du willst nur, dass ich mit Camui Schluss mache, weil du mich noch liebst. Du willst mich zurück haben, ist es nicht so? Bist du so allein, dass du eine glückliche Beziehung zerstören willst? Reicht es dir wenn du alles zerstört hast oder willst du mich zurück? Nein, ich weiß was du willst, du willst mich nur wieder in deinem Bett haben, gib es zu, nichts anderes willst du. Du willst nur meinen Körper.“
 

Zornig lief ich auf den Kleinen zu, erhob meine Hand und gab ihm eine Ohrfeige. Haido legte seine Hand auf die Stelle, an der ich ihn getroffen hatte. Unglaube machte sich auf seinem Gesicht breit, dann Entsetzen und schließlich der pure Hass. In dieser Schrecksekunde gingen mir 1000 Gedanken durch den Kopf. Was hatte ich nur getan? Ich habe meinen Engel geschlagen. Wie konnte das nur geschehen? Entsetzt sah ich die Gefühle auf dem Gesicht meines Lieblings. Am liebsten hätte ich alles rückgängig gemacht, aber ich hatte nicht die Macht dazu.
 

„Raus. Raus Tetsu und komm niemals mehr wieder. Ich will dich nie mehr sehen“, schrie mich Haido zornig an, hob einen vollen Aschenbecher auf und warf ihn mir entgegen. Bevor ich mich aus meiner Starre gelöst hatte, traf der Aschenbecher meine Stirn. Meine Haut platze auf und ich spürte wie mein Blut aus der Wunde trat.
 

„Haido, bitte…“
 

Hyde unterbrach mich sofort, er wollte nichts mehr hören.
 

„Raus hab ich dir gesagt“, kam es gefährlich aus dem Mund, den ich so sehr liebte.
 

Resigniert gab ich auf, drehte mich um und ging ohne ein weiteres Wort. Das letzte was ich von meinem Engel sah war dieser zornige Ausdruck in seinen Augen. Wie ein geprügelter Hund verließ ich die Wohnung. Als ich die Tür hinter mir zuzog, hörte ich in einer ohrenbetäubenden Lautstärke Gackts „Last Song“.
 

Meine Kraft verließ mich und ich lehnte mich an die Eingangstür, rutsche diese schließlich langsam herunter bis ich auf dem Boden saß. Immer noch die Tür im Rücken und diesen furchtbaren Song in den Ohren, spürte ich wieder das Blut, das langsam aus meiner Wunde quoll. Automatisch führte ich meine Hand an die Stelle, betastete sie vorsichtig und sah sie mir an. Meine Finger waren von meinem Blut überzogen. Ungläubig sah ich meine Finger an und Tränen stiegen mir in die Augen. Ich ließ ihnen freie Bahn und meine heißen Tränen vermischten sich mit meinem Blut, das sich schon einen Weg über meine Wangen gebahnt hatte. Wie lange ich so da saß. wusste ich nicht, aber irgendwann hörte ich zu weinen auf und suchte mir ein Taxi um nach hause zu fahren. Es hatte jetzt eh keinen Sinn, wenn ich nochmal versuchen würde mit dem kleinen Engel zu reden, das wollte ich später nachholen, wenn sich unsere Gefühle gelegt hatten.
 


 

„Tetsu, hier ist Yukihiro. Weißt du wo Hyde ist? Wir haben doch in 15min ein Interview und er ist immer noch nicht da. Hat er dir etwas gesagt? Was soll ich tun, wenn er nicht kommt?“, Yukihiros Stimme hatte einen besorgten Unterton.
 

„Ich weiß auch nicht wo er ist. Ich werde ihn suchen gehen. Du gibst notfalls das Interview allein. Wenn Haido nicht kommt, lass dir eine Ausrede einfallen“, gab ich meine Instruktionen durch mein Handy an das Bandmember.
 

„Ich melde mich sobald ich was weiß. Mach deine Sache gut, ich verlass mich auf dich.“ Mit diesen Worten legte ich auf.
 

Auch in mir machte sich die Sorge breit. Wo war unser Bandsänger? Egal, wie schlecht es ihm gegangen ist, aber im Job war er immer der zuverlässige Profi, meldete sich, wenn er etwas nicht schaffte. Dies alles passte nicht zu dem Kleinen. Ken brauchte ich erst gar nicht anzurufen, er hatte heute auch einen Promotionauftritt. Ich tippte die Handynummer in mein Handy, doch es ertönte nur die bekannte Stimme, die mitteilte, dass der Teilnehmer nicht zu erreichen wäre. Eigenartig, Haido hatte immer sein Handy an, in der Hoffnung Camui würde sich bei ihm melden.
 

//Dann seine Festnetznummer//, dachte ich.
 

Unzählige Male ließ ich das Telefon klingen, aber auch hier keine Reaktion von Haido. Was jetzt? Ich entschloss mich bei ihm zu Hause vorbei zu fahren, vielleicht hatte er ja endlich akzeptiert, dass Gackt ihn abserviert hatte und wollte jetzt nur nicht ans Telefon. Also stieg ich in mein Auto und fuhr zu der Wohnung meines kleinen Engels. Als ich ankam, lief ich mit schnellen Schritten zu der Eingangstür und hörte von drinnen das vertraute Lied „Last Song“ herausdringen. Haido musste da sein, also klingelte ich. Haido reagierte nicht, also klingelte ich Sturm, um den Kleinen zum Aufmachen zu bewegen. Immer noch keine Reaktion meines Lieblings.
 

„Haido, öffne, ich bin es. Wenn du jetzt nicht bald öffnest, trete ich die Tür ein. Mach jetzt endlich auf“, versuchte ich den Kleinen zu überreden, aber nichts geschah.
 

Jetzt machte ich mir doch Sorgen, Haido hätte geöffnet. Ihm musste was passiert sein, also trat ich ohne zu zögern die Tür wirklich ein. Ein undefinierbarer Geruch stieg mir in die Nase. Alkohol, kalter Rauch und Essensreste konnte ich ausmachen, aber da war noch etwas, etwas, das ich nicht zuordnen konnte. Eine Angst um meinen geliebten Engel ergriff mein Herz und schien es zerdrücken zu wollen. Schnell lief ich in das Wohnzimmer.
 

“Haido, wo bist…“ meine Worte gefroren auf meinen Lippen, als ich das Bild vor mir sah. Haido lag in einer Blutlache auf dem Boden. Nein, wollte ich schreien, aber kein Laut kam aus meinem Mund. Voller Entsetzen sah ich auf meinen geliebten Mann. Er lag auf seinem Bauch mit dem Gesicht dem Boden zugewandt. Neben ihm lag ein blutverschmiertes Messer.
 

Endlich konnte ich mich aus meiner Starre lösen, lief so schnell ich konnte zu ihm und drehte ihn auf den Rücken. Haidos Augen waren leer und geöffnet, kein Treibsand zog mich mehr in sein Innerstes. Ich zog ihn in meine Arme, der kleine Körper war schon ganz kalt und steif. Nein, das konnte, das durfte nicht wahr sein. Ich schüttelte meinen Geliebten, schrie ihn an und drückte ihn schließlich an mich, als ich keine Reaktionen von ihm bemerkte.
 

Mein Engel war tot. Er kam nie mehr zurück, jetzt hatte ich wirklich alles verloren. Ich schrie mein ganzes Leid aus mir heraus, schrie ihn an, dass er zurück kommen sollte, dass ich ihn liebe, ich schrie und schrie, bis meine Stimme versagte und ich nur noch weinen konnte. Den kleinen Körper fest an mich gedrückt wiegte ich mich hin und her, küsste sein kaltes Gesicht und bedeckte es mit meinen Tränen. Im Hintergrund lief immer noch der Song von Gackt. Ich kann die Tränen, die du mir am Ende zeigtest nicht auslöschen, sang er gerade und zum ersten Mal verstand ich diesen Song wirklich.
 

Ich wusste nicht, wie lange ich auf dem Boden gesessen hatte und den toten Engel in meinen Armen gewiegt hatte. Irgendwann legte sich eine Hand auf meine Schulter und ich hörte jemanden meinen Namen nennen. Mit einem tränenverschleierten Blick drehte ich mich so, dass ich die Person erkennen konnte. Ken stand neben mir und sah mich mit einem traurigen Blick an.
 

„Tetsu, lass ihn los. Du kannst ihm nicht mehr helfen. Lass ihn los“, sprach Ken, in dessen Stimme so viel Trauer lag.
 

Er versuchte mich von Haido zu lösen, aber ich klammerte mich nur noch fester an ihn. Schließlich gab es Ken auf. Er stellte die Stereoanlage aus und ging nach draußen, um zu telefonieren. Nach einer Weile kam er wieder in den Raum.
 

„Tetsu. Ich habe die Polizei angerufen, sie kommen bald. Sie bringen auch einen Arzt mit. Tetsu kannst du Haido nicht loslassen, er ist tot, lass ihn doch bitte los.“ Auch über Kens Gesicht liefen nun die Tränen.
 

„Nein“, schrie ich ihn an, „lass mich in Ruhe“, mehr wollte, mehr konnte ich nicht sagen. Ken kapitulierte und setzte sich auf Haidos Couch. Irgendwann kam die Polizei zusammen mit einem Arzt. Mit sanfter Gewalt lösten sie den toten Körper aus meinen Armen. Ken führte mich zu der Couch und setzte sich neben mich. Ich sah der Polizei bei der Arbeit zu, noch immer liefen mir die Tränen das Gesicht hinunter. Wie durch einen Nebelschleier bekam ich die folgenden Geschehnisse mit. Völlig apathisch ließ ich mir ein Beruhigungsspritze geben, überließ es Ken, alle Fragen der Polizei zu beantworteten und sah wie mein Haido schließlich in einem Zinksarg abtransportiert wurde. Ken brachte mich schließlich nach Hause, legte mich ins Bett und blieb die Nacht über bei mir. Ich musste irgendwann eingeschlafen sein, denn als ich das nächste Mal meine Augen öffnete, saß Yukihiro und nicht Ken an meinem Bett.
 

„Wo ist Ken?“ fragte ich den Drummer.
 

„Ken kümmert sich um die Presse“, kam es gedrückt von ihm.
 

Ich merkte, dass er sich unwohl in meiner Gegenwart fühlte, merkte, dass er nicht wusste, was er sagen sollte.
 

„Ist schon gut Yuki. Du kannst mich ruhig etwas alleine lassen, geh dir mal die Beine vertreten. Wenn Ken wiederkommt kannst du ihn zu mir schicken.“
 

Wieder musste ich stark sein, diesmal für den Banddrummer, obwohl ich mich so schwach fühlte und gar nicht stark sein wollte. Seine Erleichterung konnte man an seinem Gesicht ablesen.
 

„Wenn du dir sicher bist. Ich werde Ken nachher zu dir schicken, aber ich bleib im Wohnzimmer, falls du mich brauchst.“
 

Ich nickte ihm nur leicht zu und schloss meine Augen, damit er gehen konnte. Als er die Tür hinter sich zugezogen hatte, öffnete ich wieder meine Augen. Wie lange ich die Decke anstarrte, wusste ich nicht, da ich jegliches Zeitgefühl verloren hatte. Leise wurde die Tür geöffnet und Ken trat in das Zimmer.
 

„Oh, du bist wach? Ich dachte du schläfst noch. Möchtest du etwas essen? Ich hab eine Suppe gekocht?“
 

Ken war wirklich besorgt um mich. Ich schüttelte meinen Kopf. Mein langjähriger Freund setzte sich auf den Stuhl der neben meinem Bett stand. Beruhigend strich er mir über die Haare.
 

„Was hat die Polizei gesagt? Wie,…warum…?“ ich brach ab.
 

„Das hat doch noch Zeit. Wir reden später, wenn es dir besser geht“, wollte mich unser Gitarrist vertrösten.
 

Ich schüttelte mit meinem Kopf.
 

„Es wird mir nie wieder besser gehen Ken. Sag es mir jetzt. Was weißt du?“ wollte ich wissen.
 

Ken atmete tief ein und ließ dann einen Seufzer hören.
 

„Gut, wenn du es so willst. Haido konnte es sich nicht vorstellen, ohne Camui zu leben. Er hat sich die Pulsadern aufgeschnitten. Haido musst schon etwa 10 Stunden tot gewesen sein, als du ihn fandest“, erklärte Ken, während in seinen Augen Tränen glitzerten.
 

Ich nahm Ken in die Arme und diesmal liefen ihm die Tränen und nicht mir. Ich konnte nicht weinen, es war so, als ob irgendetwas in mir mit meinem Engel gestorben wäre. Ohne jegliche Empfindungen strich ich über Kens Rücken, um ihn zu trösten, konnte aber kein Wort hervorbringen. Trotzdem schien es Ken zu helfen. Nach einer Weile hörte er auf zu weinen und ich ließ ihn los. Mit seinen Händen wischte er sich die Tränenspuren aus seinem Gesicht.
 

„Ich hab noch was für dich. Warte hier einen Moment.“
 

Ken stand auf und verließ mein Zimmer. Ich wollte gar nicht wissen was Ken für mich hatte, es war mir egal, denn nichts würde Haido zurück bringen. Als der Gitarrist wieder eintrat, hatte er einen Zettel in der Hand, den er mir überreichte. Erstaunt sah ich den Zettel an. Flecken waren darauf zu sehen.
 

//Rote Flecken, Blut, Haidos Blut// durchfuhr es mich.
 

„Es ist Haidos Abschiedsbrief. Frag mich nicht warum ich ihn jetzt schon habe und nicht mehr die Polizei.“
 

Kens Stimme brach und wieder liefen ihm die Tränen. Ich sah mir den Brief genauer an. Da stand nur: „Tetsu Du hattest recht. Es tut mir leid. Dein Hyde.“
 


 

Ich wusste nicht, wie Ken es geschafft hatte, dass die Öffentlichkeit nicht an der Beerdigung teilnahm. Es tat gut nur Haidos engsten Freundeskreis dort zu sehen, keine Paparazzi, keine Fans keine ungeliebten Zaungäste. Während der Zeremonie suchte ich nach Gackt Camui. Ich wollte ihm keine Vorwürfe machen, ich wollte nur sehen, dass er an Haido interessiert war, dass er nicht so gefühllos war, sondern, dass es ihm Leid tat, was passiert war. Aber ich suchte ihn vergebens, er kam nicht. Jetzt konnte, jetzt durfte ich diesen Mann hassen, der den wichtigsten Menschen in meinem Leben auf dem Gewissen hatte.
 

Ken hatte die Beerdigung arrangiert und sie war sehr schön. Er hatte es sogar geschafft, dass „Last Song“, das wichtigste Lied im letzten Lebensabschnitt meines geliebten Engels, gespielt wurde. Als sich die Gesellschaft schließlich auflöste, ging ich noch einmal zu dem Grab meines geliebten Mannes. Mein verlässlicher Freund stand plötzlich neben mir.
 

„Nun hat dein Engel echte Flügel“, sagte er und drückte mir einen Gegenstand in die Hand. Es war ein Messer, das Messer mit dem sich Haido… Ungläubig sah ich Ken an, woher wusste er, dass ich dieses Messer unbedingt haben wollte und wieso hatte er es und nicht die Polizei?
 

„Frag nicht“, sagte er nur, drehte sich um und ließ mich alleine an dem frischen Grab. Ich sank auf meine Knie und sah das Messer an. Ich wollte weinen, trauern um meinen Geliebten, aber keine einzige Träne stieg in mir auf, als ob jegliches Gefühl, außer diesem unbändigen Hass auf Camui, in mir mit meinem Engel gestorben wäre. Ich merkte, wie sich der Irrsinn langsam in mir breit machte.



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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Von:  chicchai
2008-12-01T20:17:33+00:00 01.12.2008 21:17
Hmm ... Also erstmal vornweg: Danke, dass du mir so lieb über GB Bescheid gesagt hast, dass du dein neues Kapitel hochgeladen hast. Ist natürlich nicht schlimm, dass es etwas länger gedauert hat (:
So und ... ehm ... Ich schreibe dir natürlich auch wie immer gern einen Kommentar, nur ob dir dieser dieses Mal gefallen wird, ist fraglich. Aber ich will ehrlich sein, ja? >w<
Also ganz ehrlich: Ich -hasse- Charakterdeath in Fanfictions. Daher lese ich auch -nie- welche, wo es vorkommt, nur bei deiner wusste ich es nicht und die Kapitel 1-3 waren ja auch richtig klasse. Aber von Kapitel 4 bin ich eben wegen Hydes Tod richtig enttäuscht, weil ich es vor allem hasse, wenn HYDE stirbt, weil ich ihn so mag. Dann dieser Grund, unerwiderte Liebe, wo er doch Tetsu und Ken und Yuki hat, diese Blindheit ... An sich gut dargestellt, aber allein die Handlung, die Tatsache, dass Hyde sich umbringt, spricht mich überhaupt nicht an. Wirklich nicht. Und ganz ehrlich finde ich es schade, dass du dieser tollen Fanfiction kein Happy End mit Haitsu gibst, ich hatte es mir nämlich sehr gewünscht und irgendwo ausgemalt, dass Haido zu Tetsu zurückkommt. Ich mag zwar auch Sad Endings, aber wie gesagt OHNE Death. Also bin ich, was das angeht, wirklich ziemlich erschüttert. Dein Stil ist natürlich immer noch genauso toll wie in den anderen Kapiteln, trotzdem hat mir der Handlungsverlauf ehrlich gesagt die ganze Lust an der Fanfiction selbst geraubt. Ich kann mir au8ch vorstellen, wies weitergeht, nämlich dass Tetsu Gackt nun mit dem Messer (und eventuell sich selbst danach auch noch) umbringt. Na ja ... wie gesagt, schöner Stil, aber die Handlung gefiel mir ganz und gar nicht. Und das nächste Kapitel wird mir dann wohl auch nich so gefallen, weil Hyde tot ist.
Trotzdem positive Aspekte: Mir hat es gefallen, dass du nicht nur mit Tetsu und Hyde bzw. über die beiden, sondern auch Szenen mit Ken und Yuki geschrieben hast und Tetsus Verhalten ist durchaus nachvollziehbar, was die Story dann realistischer wirken lässt.
Aber nochmal: Mir versaut Hydes Selbstmord die ganze Story .___. Sorry. Ich hätt mir so gewünscht, dass es anders gelaufen wär.
Von:  chicchai
2008-09-24T14:22:00+00:00 24.09.2008 16:22
Uah ._. Wie kannst du Tetsu das nur antun? Dass er Hyde versuchen muss klarzumachen, dass Gackt ihn liebt und dass er für ihn da ist und dann will Hyde ihn auch noch küssen und Tetsu muss es abblocken und Hyde dabei helfen, wieder zu glauben, dass Gackt ihn liebt ... das ist ja schrecklich .___. Tetsu ist viel zu nett, das kannst du ihm doch nicht antun ûu
Na ja ... Ich bin gespannt, ob Gackt sich wirklich nur nicht melden konnte, weil er keine Zeit hatte, oder Hyde tatsächlich nicht mehr liebt und schon jemand anders hat ... (Määh, ich hasse das wenn Gackt immer so als Arsch dargestellt wird xD) Auf jeden Fall bin ich gespannt und freue mich aufs nächste Kapitel ;_; <3
Von:  chicchai
2008-09-06T14:56:30+00:00 06.09.2008 16:56
Oh Gott ._. Ich hab eben deinen Gästebucheintrag gelesen und hab gleich nach dem neuen Kapitel geschaut. Aber ... mein Gott v_v Wie kannst du nur sowas trauriges schreiben? Ich liebe Gakuhai und es ist einfach wahnsinnig süß, was Hyde über Gackt erzählt und dass sie sich so gut verstehen, aber du kannst doch nicht ernsthaft sowas schreiben und Tetsu das Herz brechen? ;_; Ich hab grad ernsthaft geheult, als ich das so gelesen hab, auch wenn es natürlich offensichtlich war, dass Hyde sich in Gackt verliebt und später von Tetsu trennt >_< *seufz*
Na ja, ich hoffe es geht bald weiter und auch, wenn Tetsu sein Happy End sicherlich nicht gleich im nächsten Kapitel bekommt, lass ihn nicht so traurig enden T^T
Von:  Mamitasu
2008-09-02T09:37:32+00:00 02.09.2008 11:37
Irgendwie erinnert mich das Kapitel an eine meiner FanFics... Damit will ich dir nichts unterstellen, denn lediglich die Idee ist sich ähnlich... Umsetzung und Schreibstil unterscheiden sich...

Gespannt wie es weitergeht bin ich an sich auch, jedoch mag ich Fanfictions, die in der Ich-Perspektive geschrieben sind, nicht sonderlich und werd somit kaum weiterlesen...
Mich interessiert wie du eine GakuHai einbaust, wenn es aus der Sicht Tetsus geschrieben ist....

Mit deiner Interpretation von Hyde zu diesem frühen Stadium von L'Arc~en~Ciel geh ich nicht konform... Zu Beginn ihrer Karriere kommt Hyde eher unsicher, naiv auf der Bühne rüber und noch nicht selbstsicher und cool mit lasziven Einlagen...
Aber jeder sieht es anders, ne?

Um mich auf Kiritos Kommentar zu beziehen: Als One-Shot eignet sich dieses Kapitel nur, wenn das Ende wegfallen würde. Denn dieses deutet noch einiges an Geschehen an...
In diesem Sinne evtl. bis zum nächsten Kapitel...
Von:  chicchai
2008-09-01T18:20:39+00:00 01.09.2008 20:20
Ich musste echt eben nachgucken, ob deine Fanfiction nicht ein One-Shot war, weil das Ende super niedlich war. Na ja, ich finds fast schade, dass du erst 16% fertig hast, weils dann sicherlich noch Drama gibt ... >_< Aber dafür ist das erste Kapitel unglaublich süß~ <3 Mich wunderts, dass das so wenig Kommentare hat ... Ich hätte nur ein paar (nicht störende aber dennoch vorhandene) Rechtschreibfehler zu bemängeln und mich hat es ein bisschen gestört, dass du etwas vom Japanischen (Gute Nacht und Ich liebe dich) in die Fic reingebracht hast, weil ich ja immer noch der Meinung bin, wenn Deutsch, dann ganz und WENN japanisch, dann auch ganz. Aber das ist wohl Geschmackssache ^^
Ansonsten wie gesagt super süß geschrieben und eigentlich wär ich schon zufrieden, wenn die Fic jetzt vorbei wär, aber ich bin auch gespannt, wies weitergeht =3 *nick* Und dein Stil gefällt mir auch sehr x3


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