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Novemberwind

...auf der Suche nach der wahren Liebe
von

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Neuanfang auf Umwegen

So schnell wie Fly in das große Klinikum gekommen war, wurde er auch wieder entlassen. Simon wirkte auf ihn besser als jede andere Medizin. Zumindest kommentierte es die Stationsärztin bei seiner Entlassung so. Simon und seine Mutter brachten Fly nach Hause, da Frau Uhlig kein Auto besaß und die Entfernung bis zu ihrer Wohnung doch erheblich war. Simon ließ es sich auch nicht nehmen Fly bis vor die Wohnungstür zu begleiten.
 

„Danke fürs Herbringen,“ sagte Fly und klingelte.

„Kein Thema. Und wenn was ist, rufst du mich an, ja? Egal wann,“ antwortet Simon. Fly nickte ehrlich. „Okay, wir sehen uns dann in der Schule ...“ bevor er ging, gab er Fly noch einen liebevollen Kuss.

Frau Uhlig öffnete bewusst erst, als sie sicher war, dass Simon das Haus verlassen hatte. Auch wenn sie noch lernen musste damit umzugehen, wollte sie Flys neu gewonnenes Glück nicht gefährden. Sie war auch Simon unendlich dankbar dafür, was er für ihren Sohn getan hatte.
 


 

Zu seiner eigenen Überraschung war Simon es selbst, der nach kaum vierundzwanzig Stunden bei Fly anrief. Doch statt ihm, war es seine Mutter, die abnahm.

„Oh, das tut mir leid, aber du hast ihn gerade verpasst. Florian hat sich eben auf die Weg zum Park gemacht,“ sagte sie. Dann wusste Simon, wo er den Kleinen finden würde.
 

Fly fand seine Bank an der Weide besetzt vor. Wenn er nicht so schüchtern gewesen wäre, hätte er die bereits sitzende Person gefragt, ob er sich dazusetzten könnte. Doch so stand er unschlüssig etwas abseits dahinter und drehte den Gurt seiner Gitarrentasche in den Fingern.

Ein Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des ‚Bankbesetzers’ aus.
 

„Willst du noch lange da stehen bleiben? Komm schon her, ich werde dich schon nicht beißen.“

„Simon!“ strahlte Fly augenblicklich und traute sich nun doch zu seinem Lieblingsplatz. „Was machst du denn hier?“ Simon grinste.

„Was wohl? Ich hab auf dich gewartet.“

„Was, echt? Aber woher wusstest du denn, dass ich hier bin?“ blinzelte Fly.

„Tja, ich habe da so meine Quellen,“ sagte Simon und sein Grinsen wurde nur noch breiter. „Jetzt komm schon her,“ er schnappte Fly am Ärmel und zog ihn auf die Bank und gleichzeitig in seine Arme.

„Waah!“

„Hab doch gesagt, ich lasse keine Gelegenheit aus, um dich singen zu hören. Außerdem hab ich dich vermisst ...“

„Was?“ staunte Fly und seine Wangen schimmerten ein wenig rot. „Aber wir haben uns doch gestern erst gesehen ...“

„Macht doch nichts,“ meinte Simon und tippte ihm mit dem Finger leicht auf die Nase. „Ich wollte dich eben unbedingt sehen.“ Fly kam gar nicht mehr dazu seine Gitarre auszupacken. Viel lieber saß er einfach nur da und genoss Simons Nähe. Oh man ... seufzte Simon. Wenn er schon jetzt diesen kurzen Entzug von Fly kaum aushielt, musste er wohl wirklich Liebe sein.
 


 

„Hey Florian!“ schrie Livia durch den gesamten Gang und überfiel ihn regelrecht mit einer Umarmungsattacke. „Man hab ich dich vermisst!“

„Na, nicht so übermütig, wenn ich bitten darf,“ grummelte Simon und zog Fly demonstrativ zu sich. Livia blinzelte von einem zum anderen und wieder zurück.

„Wie, Simon?“ sie zeigte mit dem Finger auf ihn und sah dabei Fly fragend an. Sie blickte drein, als stünde gerade ein Außerirdischer in geblümten Unterhosen mit gelben Lockenwicklern als Ohrringen vor ihr.

„Tja, der Weihnachtsmann bin ich wohl eher nicht,“ amüsierte Simon sich über den irritieren Blick den Mädchens. Doch nach einer Weile lachte sie wieder.

„Mensch, das ist doch mal klasse! Gratuliere Fly!“ zwinkerte Livia. Fly lächelte glücklich zurück und Simon viel jetzt beinah das Gesicht auseinander.

„Sag mal woher weißt du denn so gut bescheid???“

Fly kicherte und kuschelte sich an ihn.

„Nicht eifersüchtig sein. Ich erklär dir das später, ja?“ versprach er.

Fast ausnahmslos wurde Florian von der gesamten Klasse begrüßt. Nur einer schnaubte verächtlich über diesen ‚Zirkus’ und wollte gleich wieder klare Verhältnisse schaffen.
 


 

In der großen Pause fing Julian Fly ab. Er lauerte ihm zwischen Mensa und Hauptgebäude auf, schnappte sich den wesentlich Kleineren und zerrte ihn um die Hausecke.

„...?“ Fly war komplett fassungslos.

„Tja, du bist jetzt wohl hier der große Star, was? Mit deinem Simon und der ach-so-traurigen Krankenhausgeschichte!“ fauchte er und hielt Fly gegen die Wand gedrückt.

„Ich sag dir gleich, bei mir zieht das nicht! Das ändert rein gar nichts an unserer Beziehung, klar? Das Beste für dich ist, wenn du dich wieder in dein Schneckenhaus verkriechst und da auch bleibst! Glaub mir, das ist viel gesünder für dich!“

„W-was soll das denn? Ich hab doch gar nichts gemacht!“ widersprach Fly wagemutig. Er wollte sich von Julian nicht mehr einfach fertig machen lassen. Doch der sah ihn so giftig an, dass seine Defensive sofort wieder zu blanker Angst zerfiel. Er merkte wie ihm wieder die Tränen in die Augen schossen. Aber er wollte ihm doch keine Angriffsfläche mehr bieten!!! Julian war einfach viel zu gut in seinem Psychoterror. Dagegen hatte Fly kaum eine Chance.
 

„So, und wenn du jetzt noch lange so weiter machst, brauchst du bald ein Schneckenhaus zum verkriechen!“ Simon packte Julian am Kragen und beförderte ihn scheinbar ohne Anstrengung einige Meter von Fly entfernt in die Grünanlagen.

Flys Kreislauf war durch seine immense Angst völlig aus der Bahn. Kraftlos sank er auf die Knie und versucht sich selbst zu beruhigen. Simon verfluchte Julian innerlich.

„Das hast du ja wieder richtig gut hin bekommen, du Nasenbär!“ beschimpfte er ihn und legte den Arm um Fly.

„Selber schuld,“ grollte Julian zur Antwort.

„Noch einmal und ich schick dich persönlich auf Nimmerwiedersehen zur Umlaufbahn des nächsten Kometen!“ Simon geriet richtig in Rage. Julian schmollte nur und sah zu wie Simon sich bemühte Fly zu beruhigen.

„Man, man, ich versteh dich einfach nicht! Warum kannst du ihn nicht in Ruhe lassen?“ Simon setzte sich neben Fly und legte sich seinen Kopf auf die Oberschenkel. Der Kleine schloss die Augen und versuchte seine Nerven zu beruhigen. Julian beobachtet diesen Vorgang mit unverhohlener Abscheu.

Auf Simons Frage hin verschränkte Julian nur die Arme vor der Brust und schmollte. Doch Simon lies nicht locker.

„Hast du dir jetzt vor Schreck die Zunge abgebissen oder was?“

„Kanns eben nicht!“ schnappte Julian.

„Ach komm! Das nehme ich dir nicht ab! Nur weil Fly, Fly ist kannst du doch nicht so einen fiesen Hass auf ihn haben. Das ist völlig abnormal! Niemand hat eine natürliche Abneigung gegen jemanden, der nicht hundert Prozent seinen Idealen entspricht. Tss, und wenn, dann nenn ich das ziemlich krank.“

Julian blickte ihn finster an. Doch seine Augen waren bei weitem nicht mehr so giftig, wie zu Beginn.

„Na und? Ich kann solche Subjekte eben nicht ab!“

„Und warum?“ Julian schmollte wieder. Simon begann die Geduld zu verlieren.

„Du setzt dich jetzt her und erklärst es mir, sonst werd ich wirklich ungemütlich! Und du hast das schon einmal erleben dürfen. Allerdings kann ich diesmal dann für nichts garantieren. Gut möglich, dass du dann mehr als nur einen Zahn verlierst,“ drohte Simon und meinte es vollkommen ernst. Der Typ kotze ihn einfach nur an!

„Is ja gut,“ Julian hob abwehrend die Hände. „Reg dich ab ...“ Er kam recht eingeschüchtert auf Simon zu und setzte sich seufzend.

„So, und jetzt raus damit: Was stört dich an Fly?“ Julian zog die Schultern hoch.

„Na ja ... ich... es ist ja nicht, dass ich ihn total verachten würde. Ich mag es eben nicht, wenn Leute glauben ihre Probleme damit lösen zu können, indem sie ihnen aus dem Weg gehen und... sich selbst verletzen. Das ist doch absolut dumm!“

„Ok, du hasst Emos. Alles klar, aber kannst du mir auch verraten warum?“ harkte Simon nach.

„... das... ist ne lange Geschichte...“

„Kein Problem, die Pause ist lang genug, um sie zu erzählen.“ Julian blinzelte ihn kurz an.
 

„Na von mir aus...,“ seufzte er erneut. „Ist noch gar nicht so lange her, da ging hier ein Mädchen mit uns in die Klasse. Sie war genauso ein halbes Hemd wie er. Nichts für ungut, Fly,“ setzte er nach, als der Kleine ihn verstört ansah. „Sie hieß Mirijam. Eigentlich war sie eine ziemlich nette normale Schülerin. Bis vor zwei Jahren... Wir bekamen drei Neue, vielleicht erinnerst du dich noch an sie Fly. Finstere Typen... Emos... Mit denen freundete sie sich an und rannte auch ständig mit ihnen rum. Sie veränderte sich. Irgendwann war sie genauso schwarz wie diese Kerle. Hatte auf nichts mehr Lust, schwänzte ständig und so... Hatte damals keinen von uns so richtig interessiert. Bis ich sie schließlich an einem Nachmittag hinter der Sporthalle gefunden habe. Total betrunken...“ Julian machte eine kurze Pause. Die Erinnerung daran schmerzte ihn sehr.

„... sie hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten... Wir hatten das schon länger bei ihr beobachtet. Da war das immer harmlos gewesen. Doch an dem Tag... ich dachte sie wäre tot. Doch der Notarzt konnte sie reanimieren; zum Glück. Seitdem ist sie in einer Spezialklinik... in einer Anstalt,“ Julian schnaubte. Simon nickte.

„Und deswegen hast du... ?“

„Ich wollte doch nur, dass Fly nicht auch so endet! Er sollte anfangen sich zu wehren, sollte stärker werden!! Aber ich habe es wohl ziemlich übertrieben... tut mir leid“

Simon überlegte kurz.

„Du magst sie,“ sagte er kurzerhand.

„Was?“

„Mirijam.“ Julian sah auf seine Hände. „Verdammt Simon! Wie könnte ich nicht?! Sie ist doch meine Schwester!“

Da sah selbst Fly auf. Das hatte auch er nicht erwartet.

„Sieh an... Hast du sie denn seitdem schon mal besucht?“ Simon bekam ein leichtes Kopfschütteln zur Antwort.

„Warum nicht?“ ohne es zu ahnen hatte Simon da einen empfindlichen Punkt in Julian getroffen.

„Na weil… „ setzte Julian an, brachte den Satz aber nicht zu ende. Er konnte es selbst nicht sagen. Noch nie hatte er sich ernsthaft Gedanken darüber gemacht. Seine eigene Ratlosigkeit überbrückte er mit einem einfachen Schulterzucken.

„Weiß nicht… ich kann es einfach nicht. Immer habe ich es mir vorgenommen und war auch schon in der Klinik, aber ich habe es einfach nicht geschafft in ihr Zimmer zu gehen. Sie sah so schrecklich aus, als man sie eingeliefert hat.“

„Du hast Angst,“ kommentierte Simon nüchtern.

Julian blickte ihn etwas erschrocken an

„Ganz ruhig, das sollte keine Beleidigung sein. Aber für mich ist das die einzige plausible Erklärung. Deine Angst Mirijam am Boden zu sehen hindert dich daran ihr als Bruder beizustehen. Stattdessen stempelst du sie als „Subjekt“ ab, das es nicht wert ist, dass man daran denkt. Dafür reagierst du dich hier an Fly ab. Ich muss schon sagen, eine wirklich gelungene Taktik!“

Geschlagen senkte Julian den Kopf. Für Simon eine eindeutiges Zeichen dafür, dass er mehr als Recht hatte.

„Klingt hart, was“

Julian nickte.

„… und stimmt noch dazu. Aber, was soll ich machen? Fly erinnert mich eben an Miri, mehr als du ahnst.“

„Aber glaubst du damit, dass du hier andere drangsalierst, hilfst du deiner Schwester? Du hilfst nur dir und deinem schlechten Gewissen!“

„Schon möglich…“

„Man, was für eine verfahrene Sache!“ Simon überlegte eine Weile. Irgendwie musste dieses Problem doch gelöst werden! Er hatte es satt ständig wie ein Schießhund hinter Julian herzulaufen!
 

„Pass auf: wir müssen eine Lösung finden, denn das kann so nicht weiter gehen. Das nützt weder Fly und mir, noch dir selbst. Wenn du meine Meinung hören willst, gibt es nur einen Weg,“ sagte Simon. „Du musst einfach deine Angst überwinden und deine Schwester besuchen gehen. Das bist du ihr als Bruder schuldig, egal was passiert ist.“

Julian überdachte den Vorschlag. Ja, das war der einzig richtige Weg. Er war es doch auch leid, immer seine fiese Seite zu zeigen. Um seine Zustimmung zu signalisieren, nickte er nun kurz, aber bestimmt.

„Das werde ich wohl müssen…“

„Nein!“ warf Simon herrisch ein und beide, Julian und Fly, fuhren zusammen.

„Was denn“

„Nix da mit ‚werde ich müssen’! Du wirst, egal ob du es willst oder nicht! Und wenn ich persönlich dahinter stehen muss!“

Julian wirkte ein wenig eingeschüchtert.

„Ja, ist ja gut. Ich werde Mirijam besuchen gehen. Noch diese Woche, versprochen!“

„Ich komme auch mit,“ meldete sich Fly kleinlaut zu Wort.

Simon und Julian sahen ihn verwirrt an.

„… will doch nur helfen…“ rote Flecken erschienen augenblicklich auf seinen Wangen. Julian lächelte und nahm Flys Hand.

„Danke, das bedeutet mir sehr viel,“ meinte er ehrlich.

„Hey, Erde an Julian!“ drängte sich Simon energisch dazwischen.

„Was?“

„M-E-I-N-S, meins, merk dir das!“ er blickte finster drein und zog den Kleinen sehr bestimmt an sich.

„Hm? Oh! Tut mir leid,“ Julian wich etwas zurück und hob abwehrend die Hände. „Ich wollte nicht…“ Fly lachte über Simons kindisch- eingeschnappte Mine

„Ich wusste gar nicht, dass du so eifersüchtig sein kannst,“ kicherte er und hatte damit die doch sehr geladene Situation ungemein entspannt - und das auf längere Sicht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  midoriyuki
2008-12-04T22:31:28+00:00 04.12.2008 23:31
Mhhh...Julian ist also gar net so schlimm wie vermutet:P
Eine eher überraschende Wende aber find ich gut:)
Auch, dass Simon so eifersüchtig ist...SüßxD
Freu mich auf jeden Fall drauf, wenns weitergeht:)



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