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Tausend und 1 Nacht

von

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Kapitel 24

Kapitel 24
 

Irritiert, sah er auf. Raphael hielt ihn fest. Nicht sehr, aber es genügte um ihn auf der Stelle verharren zu lassen.

Als sich ihre Blicke trafen, durchfuhr Lian ein Schauer. Was war das für ein Blick? Und wieso sah er ihn ausgerechnet jetzt so an? Er hatte diesen Blick nur ein einziges mal gesehen. Es war noch nicht einmal so lang her. Es war an dem Tag an dem er Raphael von der seltsamen Begegnung im Wald mit Abat und Daeíon erzählt hatte. Es war nur ein kurzer Augenblick, doch in diesem Augenblick, wünschte er sich, diesen Blick immer sehen zu können. Natürlich erfüllte sich dieser Wunsch nicht. Raphael hatte ihn zwar in der ganzen Zeit nicht einmal besonders Feindseelig angesehen, doch mit der deutlichen Aufforderung sich nicht weiter in Dinge einzumischen, die ihn nicht interessieren sollten. Er hatte sich trotz allem eingemischt und war somit in eine Situation geschlittert, aus der er sich nicht mehr befreien konnte, wenn er jetzt nicht ging.

„Dort kannst du nicht lang gehen.“ Erwiderte Raphael und deutete vor ihn.

Erst eine Sekunde später wandte sich auch Lian um und prallte erschrocken ein Stück zurück, nur um erneut zusammen zu fahren. Er hatte vergessen dass der Vampir sich keinen Meter bewegt hatte.

„Tut mir Leid.“ Murmelte er mit hoch rotem Kopf.

Lian sah noch einmal nach vorn. Es ging ziemlich steil bergab. Wahrscheinlich wäre er nicht einmal mehr in einem Stück unten angekommen.
 

„Was soll das?“ fragte er nach dem ersten Schrecken.

„Ich war der Ansicht, dass du ganz froh wärest wenn ich verschwinden würde. Was hat deine Meinung geändert?“

„Ich habe meine Meinung nicht geändert. Und es war von gehen die Rede nicht von in den Tod stürzen.“

„Warum? Ob ich nun da runter gefallen wäre oder mich Daeíon mich an der nächsten Kreuzung aufgegabelt hätte, das Ergebnis würde sich nicht viel unterscheiden oder?“

„Bist du da ganz sicher? Daeíon hätte ein anderes Ergebnis gefunden und damit wärst du noch weniger einverstanden gewesen.“

„Weißt du das sicher?“

„Beantworte mir eine Frage. Du hast gesagt das du lieber sterben würdest, als mir zur Last zu fallen…was glaubst du, was Daeíon mit dieser Erkenntnis angefangen hätte, denkst du er würde dich tatsächlich sterben lassen?“

Plötzlich schluckte Lian. Daran hatte er nicht gedacht. Er hatte damit gerechnet, das Daeíon ihn umbringen würde, wenn er ihn jemals in die Finger bekäme, aber er hatte nicht einen Moment daran gedacht, das er ihm lebend viel nützlicher war, um sein Ziel zu erreichen.

„Erkennst du jetzt den kleinen Unterschied? Glaubst du dass du so enden möchtest? Ich habe dich gewarnt. Du hast bereits gegen die Regeln verstoßen, als du angefangen hast, etwas zu suchen was besser im Verborgenen geblieben wäre. Als du angefangen hast, mich zu suchen und wenn ich mich recht entsinne, lange bevor die ganze Stadt gegen dich war.“

„Woher weißt du das?“

Er tippte mit dem Finger gegen seine Stirn. Nur leicht, aber Lian verstand.

„Ich…“

Doch Raphael schüttelte den Kopf.

„Man muss keine Gedanken lesen können um es zu bemerkten. Ich möchte sie auch gar nicht lesen können, aber man sieht es dir einfach an.“

„Wie meinst du das?“

Raphael seufzte.

„Eine von vielen Geschichten, dessen Hintergrund ich doch sehr bezweifle. Ich kann genauso wenig Gedanken lesen wie Daeíon oder ein anderer, allein die lange Zeit die man einfach da ist reicht um die Unterschieden zu bemerken.“

„Aber warum sagtest du dann etwas über Schnecken?“ wunderte sich Lian, der ihn eindeutig überfordert ansah.

„Weil mir der Vergleich einfach in den Sinn kam.“ Sagte er und zuckte leicht mit den Schultern.

Die erste Regung die Lian verstand.

„Gut…ich verstehe…ich bin so gut wie tot.“

„Wenn du tatsächlich dort entlang gehst? Ja.“ War die knappe Bemerkung des Vampires, dann ließ er ihn los und wandte sich ab.

Lian sah ihm nach.

Dann blieb er stehen.

„Was ist? Willst du hier Wurzeln schlagen?“ fragte er nach ein paar Metern.

„Nein…“ murmelte Lian und folgte ihm in einiger Entfernung.
 

Seinen Blick ganz auf den Vampir gerichtet, fragte sich Lian wohin er ihn wohl führen würde. Erst viel zu spät bemerkte er das, Raphael stehen geblieben war und erste weiter lief, als der Junge aufgeschlossen hatte.
 

„Du hast das Buch nicht bis zum Schluss gelesen?“

Lian zuckte unmerklich zusammen. Das hatte er wirklich nicht, er konnte nicht…nein er wollte nicht.

„Nein, habe ich nicht.“

„Warum?“

„Ich denke es wäre nicht richtig gewesen weiter zu lesen.“

„Das hat dich vorher auch nicht davon abgehalten es trotzdem zu tun.“

Überlegte der Vampir. Er hatte das Heft bis zum Ende durch geblättert, hätte Lian es tatsächlich gelesen, so wüsste er mit hoher Wahrscheinlichkeit, was es mit Zerádes und Raphael auf sich hatte und wieso er ihn überhaupt gesucht hatte. Dann wüsste er allerdings auch dass er ihn gefunden hatte, und er wüsste auch, dass er ihn nicht dort gefunden hatte, wo er ihn vermutete.

Weiter hätte Lian erfahren wie er sich gefühlt hatte, als er zum ersten Mal als Wesen der Nacht erwacht war und wie es ihm ergangen war. Sein erster Versuch, lag darin, gleich zu Beginn diesem Leben zu entkommen, sogar seine ersten Gedanken sowie viele Empfindungen die auf ihn einströmten hatte er notiert. Wieso also fragte Lian nicht danach?

„Ja…ich weiß, und wahrscheinlich war das auch schon falsch. Ich möchte nicht lesen was damals war, es ist schon traurig genug wie es vorher war. Ich denke, wenn ich noch etwas anderes hätte wissen dürfen. Dann hättest du mehr erzählt. Obgleich ich immer noch glaube das es trotz allem eine Chance gegeben hätte.“

„Das heißt also, du möchtest aufgeben?“

„Nein, ich möchte nur nicht auf DIESE Weise weiter machen. Ich weiß schon jetzt zuviel, daher bleibt mir nur die Chance, zu hoffen, dass ich Daeíon nicht in die Arme laufe und mich auch sonst keiner findet. Im Grunde geht es hier im Moment nicht einmal um mich, sondern nur darum, wie ich dich schützen kann, sofern ich das tatsächlich kann. Und dieser Weg führt von dem Horst irgendwo anders hin.“ Erwiderte Lian traurig. Doch genau aus diesem Grund fiel Raphael, auf, dass er diese Worte nicht einfach so daher sagte, sie waren ernst gemeint. Er würde lieber sterben als ihn zu verraten, oder ihm zu schaden. Dabei war er viel verletzlicher als der Vampir. Sterben würde er sowieso irgendwann, sofern ihn Daeíon nicht vorher in die Finger bekam.
 

Innerlich seufzte er auf. Vielleicht war es an der Zeit, langsam aufzugeben, sich gegen ein bisschen Gesellschaft sträuben zu wollen. Andererseits war es für den Jungen so schon jetzt nicht unbedingt das, was man einfach nennen würde. Raphael glaubte im Moment nicht einmal mehr an ein Versehen, sondern vielmehr, dass es das war was Lian tatsächlich fühlte und mit dem er nicht sonderlich viel anfangen konnte. So wie es aussah, mochte er ihn tatsächlich und nahm dabei lieber sein eigenes Unglück in Kauf, nur um in seiner Nähe bleiben zu können. Das hieß, das tat er solang er es aushielt und hatte dabei nicht einmal Wunschvorstellungen die jeder Realität ferner nicht sein konnten. Er wusste dass er nur ein Mensch war und dass seine Zeit irgendwann abgelaufen war. Das unterschied ihn von anderen. Er war ein Mensch, dessen Aufrichtigkeit so ehrlich war, dass er darüber vergaß, dass er sein Ziel niemals erreichen würde. Selten genug waren ihn solche Menschen begegnet und wenn es doch einmal vorkam, so überwiegten die Zweifel ihrer Herzen, wenn sie erfahren hatten, was Raphael von anderen Menschen unterschied. Die wenigen die trotzdem blieben und es trotzdem hinnahmen, zerbrachen spätestens als sie sahen wie alt sie geworden waren, wenn sie sich selbst im Spiegel betrachteten, während er natürlich immer jung blieb, wenigstens der äußeren Erscheinung nach.

Genaugenommen, gab es davon nur 2 die seinen Weg kreuzten, doch auch die liefen lieber vor dem unvermeidbaren davon solang sie es konnten. Lian schien dies allerdings zu wissen, er musste es sogar wissen, er wusste schließlich soviel mehr das er es anders niemals verstanden hätte und trotzdem änderte es rein gar nichts an seinen Gefühlen. Wahrscheinlich fasste er den Entschluss zu gehen nur, um ihn, Raphael, diese erneuten Erinnerungen zu ersparen. Doch wollte er das überhaupt noch? Wollte er das Lian ging und nicht mehr zurück kommen würde? Hatte er nicht schon viel zu viel Zeit mit den Jungen verbracht und darüber vergessen, dass er ihn am Anfang gar nicht hier haben wollte? Und war er durch Lian nicht wieder viel zu tief in das vorgedrungen, was irgendwann mal der Mensch in ihm war, oder eher sogar, der noch immer präsent war? Würde er überhaupt damit leben können, wenn er ihn jetzt in den sicheren Tod, oder in die sichere Verderbnis gehen lassen würde? War es nicht an der Zeit eine lang überfällige Entscheidung zu treffen? Nein, das konnte er nicht. Der Mensch in ihm, konnte den Jungen nicht ziehen lassen, und der Vampir gab dem nach.
 

Unvermittelt blieb Raphael stehen. Nur einen Moment später und der Junge wäre wieder gegen ihn gerempelt. Hastig trat Lian einen kleinen Schritt zurück, ohne ihn dabei allerdings aus den Augen zu lassen. Im nächsten Moment wandte sich der Vampir um und sah ihn an.

„Ich habe eine Frage. Denk nicht weiter darüber nach, sondern antworte einfach.“ Sagte er. Lian nickte.

Raphael hatte eine Frage? Wie mochte die wohl aussehen?

„Warum bist du nicht vorher schon gegangen?“
 

Der Junge sah ihn einen Moment lang irritiert an, doch dann fing er sich wieder.

„Ich wollte nicht gehen und ich möchte auch jetzt nicht gehen. Doch ich kenne den Preis den es dich und mich kostet. Während du noch sehr lange Leben wirst, werde ich älter und sterben. In all den Jahren, die du hier bist, sind sicher auch dir viele Menschen begegnet und all die Menschen waren plötzlich wieder fort. Für dich war das, was für sie ein ganzes Leben war, sicher nur ein Moment, denn dein Leben ist eben ewig. Sicher klingt es reizvoll, doch zu welchem Preis? Ewig leben zu können, doch ständig wieder alles verlieren? Ich glaube nicht dass ich dir mehr davon antun möchte. Wenn ich bleibe, wirst du vielleicht irgendwann nicht mehr versuchen mich vom Gegenteil zu überzeugen, doch meine Zeit läuft. Ich werde immer älter und irgendwann werde ich nicht mehr da sein, während du noch immer hier verweilst Ich könnte durchaus damit leben, aber, verzeih wenn es anmaßend klingt, ich möchte es dir ersparen.“ Antwortete er wahrheitsgemäß und war selbst überrascht wie schwer ihm diese wenigen Worte gefallen waren. Ob Raphael es bemerkt hatte?
 

Der Vampir hatte sich also nicht getäuscht. Er ging nicht etwa, weil ihn der Reiz verlassen hatte, sondern weil er sich um ihn sorgte. Davon gab es, zugegebener maßen, nach seinem Vater keinen mehr.

„Warum fragst du mich so etwas?“

Raphael sah ihn an.

„Ich wollte nur sicher gehen.“ Antwortete er unbeteiligt, wie immer.

„Du hast Recht damit. Es ist tatsächlich so, wenn man lange lebt. Menschen kommen und gehen und es macht nicht mehr als einen Augenblick aus. Es ist ein Kreislauf dem man in einem Leben, wie meinem, immer wieder begegnet. Es ist wie ein Zyklus den es in deinem Leben nicht gibt, denn ein Menschenleben ist dafür zu kurz.“

„Und? Was ist mit deinen Geschwistern? Konnten sie an einem solchen Zyklus bewusst teilnehmen?“

„Geschwister?“

„Zerádes, Joël, Adáliz und Pélage. Ihnen wurde dieses eine Leben schon nicht gewährt.“

„Das stimmt, doch sie haben es sicher nicht vermisst. Wie sollten sie auch? Schließlich kannten sie es gar nicht.“ Lian nickte. Raphael klang traurig.

„Und wohin sind sie gegangen?“

„Dahin wohin sie alle gehen.“ Sagte der Vampir.

Wieder nickte der Junge nur zur Bestätigung, auch wenn er diese Worte selbst, noch nicht ganz verstand.
 

Lian blickte auf. Im Mondlicht konnte er einen Weg ausmachen. Jetzt war es also soweit, wofür er nicht bereit war.

„Dann endet dieser Weg hier für mich, oder?“ fragte er unbewusst.

„Das entscheidest du allein.“ War die Antwort des Vampires und Lian begriff, das er seine Frage laut ausgesprochen hatte. Er nickte stumm.
 

Gerade als er einen kleinen Schritt nach vorn ging, blieb er stehen. Konnte er so gehen? Wollte er so gehen? Widerwillig drängte er seine Zweifel zurück und lief langsam weiter.
 

Raphael war hin und her gerissen. Er hatte nun genau zwei Möglichkeiten. Entweder er wandte sich ab und ging einfach zurück ohne einen weiteren Gedanken an den Jungen zu verschwenden, und lebte sein Leben weiter wie bisher, auch wenn das vermutlich gerade am Anfang ein wenig schwierig werden würde, oder er beließ sein Leben beim jetzt und handelte.

Natürlich forderte der Vampir in ihm das „normale“, einsame leben. Doch diese Forderung verstummte sehr schnell wieder, denn im Moment wollte er gar nicht mehr allein sein. Der Mensch in ihm, begehrte sich streng genommen schon auf, als Lian aus seinem Zimmer gelaufen war. Und vielleicht war es nicht richtig auf ihn zu hören, doch was war schon richtig an seinem Sein?

Als er wieder aufblickte, war Lian schon ein ganzes Stück gegangen.

„Ich fass es nicht….“ Murmelte Raphael bevor er ihm folgte, oder eher ziemlich schnell an seiner Seite war. Es kostete ihn nicht einmal einen Lidschlag.

„Lian…Warte.“ Hielt er ihn auf. Der Junge zuckte unmerklich zusammen, er hatte gar nicht bemerkt, dass Raphael ihm gefolgt war. Verdutzt drehte er sich um und sah ihn an.

„Hast du was vergessen?“ fragte er ihn irritiert.

„Allerdings.“ Erwiderte der Vampir.

„Dich.“ Sagte er nach ein paar Sekunden leise, als er vor ihm stand.

„Wenn du Leben möchtest, dann bleib hier und geh mit mir zurück, wenn du den Tod vorziehst spring von der Klippe, dort drüben, oder sag es einfach und ich befördere dich eigenhändig dort hinunter.“

Lian sah ihn perplex an. Hatte ihm der Bolzen am Ende den Verstand vernebelt? Hatte Raphael ihn tatsächlich gerade gebeten zu bleiben?

Eigentlich war er kurz davor zu fragen ob es ihm gut ginge, doch für den Moment beließ er es bei einem verdatterten Blick, aus Sorge, Raphael könnte es sich in letzter Sekunde noch einmal anders überlegen. Er wandte sich ganz zu ihm um und schloss auf. Der Vampir sah ihn mit einem undefinierten Blick an, doch er wirkte irgendwie zufrieden. Gemeinsam liefen sie zurück.
 

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Thx für´s lesen.

Kritik, Anregungen oder fragen wie immer.

*Kuchen, Kekse und Tee hinstell*

Lg Kio ^^



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  ReinaDoreen
2008-11-28T20:41:34+00:00 28.11.2008 21:41
Ich fand es schon traurig, dieses Kapitel. Lians Überlegungen, das er einmal stirbt und Raphael dadurch wieder einsam ist. Für Lian ist es keine Option sich wandeln zu lassen.
Reni
Von:  midoriyuki
2008-11-28T19:52:25+00:00 28.11.2008 20:52
*anstrahl*
Ich mag das Kapitel :)
*chaka*
Find ich sehr sehr gut,dass Raphael nimmer son Dickschädel ist xD
Okay ist er schon noch aber mh...Weisst wie ichs mein gell xD
Naja freu mich auf jeden Fall drauf wies weitergeht:)



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