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Übernatürlich...

Wenn man das zweite Gesicht hat...
von

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Milo Semiliah

Die ersten Tage spielte Milo Semiliah keine große Rolle für mich, denn, weder sprach ich mit ihm, noch sah ich ihn an. Doch irgendwie weckte er zunehmend mein Interesse.

Ich wollte unbedingt Kontakt zu ihm und sei es nur ein winziges Gespräch. Es war wie eine magnetische Anziehungskraft, die von ihm ausging und ich wusste nicht, warum das so war.

Bald ertappte ich mich öfter mal dabei, wie ich ihn verstohlen von der Seite her ansah.
 

„Du bist verknallt!“, meinte Amina bestimmt, als ich ihr davon erzählte. Es war Pause und sie saß auf einem Stuhl, den sie sich heran gezogen hatte, mir gegenüber an meinem Tisch.

Ich sah sie entrüstet an. „Was?! Nein! Niemals! Wie denn auch? Ich kann ihn doch nicht mal ansehen und ich hab doch gar nichts mit ihm zu tun!“, sagte ich.

Sie zeigte kurz mit dem Finger auf mich.

„Dann wird es bald so sein!“

Ich verstand nur Bahnhof.

„Hä?“

„Vielleicht gehört ihr ja zusammen und das Schicksal will dir ein bisschen auf die Sprünge helfen, möglich wär’s…“

Sie zuckte mit den Schultern.

„Nein, ist es nicht…“, sagte ich dumpf. Sie seufzte.

„Minty…“, sagte sie und schüttelte den Kopf leicht, „wir reden hier von UNSERER Welt! Unsere Welt ist nicht normal, also ist ALLES möglich“

Sie klang wie eine Mutter, die einem Kind erklärte, dass 1 und 1, 2 ergaben, weil 2 kleiner als 10 war.

Dennoch, irgendwie fand ich die Theorie zutreffend. In unserer Welt war alles möglich.

„Selbst wenn…“, sagte ich zweifelnd, „wie soll das denn funktionieren, wenn ich ihn nicht ansehen kann?“

Amina zuckte mit den Schultern.

„Wer weiß, vielleicht kannst du es ja…“, meinte sie.

„Was meinst du damit schon wieder?“

„Wenn du wirklich so einen Drang hast, Kontakt zu ihm aufzubauen, kann es doch wirklich sein, dass er besonders ist“, sie sah mich an, „ich meine bei Bengee und mir war es ja genauso…“

Ich nickte stumm. Bei Amina und Bengee war es genau dasselbe Gefühl gewesen und sie konnte ich ja schließlich ansehen…

„Und was soll ich jetzt deiner Meinung nach machen?“, fragte ich sie. Sie zuckte mit den Schultern.

„Sieh ihn an und schau, was passiert…“, antwortete sie. Einen Moment lang, dachte ich wirklich nach, ob ich das wagen sollte, aber dann schüttelte ich energisch den Kopf.

„Nein…“, meinte ich, „das Risiko ist einfach zu groß…“

Amina zuckte mit den Schultern. „Musst du wissen…“, sagte sie.

„Was muss sie wissen?“

Ich zuckte zusammen und fuhr zur Seite, sodass ich fast vom Stuhl fiel.

„Bengee! Oh Gott, du hast mich fast zu Tode erschreckt!“, sagte ich atemlos, während ich versuchte, zu verhindern, dass mein Stuhl umkippte.

„Tut mir Leid“, sagte er und setzte sich auf den Stuhl neben mir, „und was ist jetzt los?“

„Minty ist verknallt!“, sagte Amina grinsend und sah zu mir herüber.

„Das stimmt doch überhaupt nicht!“, sagte ich wütend und boxte Amina leicht an den Arm.

„Was? In wen?“, fragte Bengee und sah ebenfalls zu mir.

„In den Neuen…“, ignorierte Amina mich.

„Milo?!“

Amina nickte.

„Jetzt hör doch mal auf, solchen Mist zu erzählen!“, sagte ich ärgerlich.

Amina seufzte.

„Na okay…“, sagte sie, „noch nicht…“

Bengee sah verwirrt aus. „Hä?“, machte er. Amina schüttelte abwinkend den Kopf.

„Minty hat Schiss, Milo anzusehen…“, sagte sie.

Er sah immer noch verwirrt aus.

„Und wieso soll sie ihn überhaupt ansehen?“, fragte er.

„Weil sie unbedingt Kontakt zu ihm will“

„Wieso das?“

„Weiß ich nicht…“

Ich sah die beiden an.

„Könntet ihr mal bitte aufhören, über mich zu reden, als wäre ich nicht da?!“, brummte ich.

„Hast du auch gerade was gehört…?“, fragte Amina gespielt verwirrt. Bengee lachte. Ich grummelte.

„Ähm hey Leute…“, sagte eine Stimme direkt neben mir.

„Hm?“, machte ich und wandte den Kopf.

Als ich sah, wer da vor mir stand, zuckte ich so sehr zurück, dass ich wieder beinahe vom Stuhl gefallen wäre, wenn Bengee nicht da gesessen hätte, und mich aufgefangen hätte.

Milo Semiliah stand vor mir und sah mich seltsam an. „Alles okay…?“, fragte er mich. Ich nickte und rappelte mich auf.

Ich sah ihn an und vergaß völlig, dass er gar nicht zu meinen Freunden gehörte.

Ehe ich mich wegsehen oder sonst was tun konnte, wurde es schon schwarz um mich.
 

Es war eine sehr kurze Vision.

Ich war in einem Wald. Es war dunkle Nacht und am Himmel leuchtete ein klarer Vollmond. Keine Wolke war am Himmel. Alles war still. Jegliche Geräusche, die man vom Wald gewohnt war, fehlten. Keine einzige Grille schien unterwegs zu sein. Ich hörte nicht einmal das Rascheln eines Igels, der sich seinen Weg durch das Laub bahnte oder eine Eule, die mit leuchtenden Augen nach Futter suchte. Nichts.

Stille.

Plötzlich hörte ich in der Ferne einen Wolf heulen. Erschrocken drehte ich mich in die Richtung, aus der das Heulen gekommen war. Doch dann wurde es wieder schwarz.
 

Ich fand mich in meiner Klasse wieder. Neben mir saß Milo, der mich etwas besorgt ansah.

„Wirklich alles in Ordnung mit dir…?“, fragte er. Ich sah ihn ein paar Sekunden lang an und nickte schließlich.

„Ja, danke…“, sagte ich und spürte jäh wie ich rot wurde. In meinem Kopf war alles durcheinander. Das war doch keine richtige Vision gewesen. Ich hatte nicht einmal Milo selbst gesehen. Was hatte das zu bedeuten?

Milo lächelte. Er hatte ein sehr schönes Lächeln, wie ich feststellte. „Dann ist ja gut“, sagte er. Seine Sprache war makellos. Wenn man ihn ansah, meinte man, er könne kaum unsere Sprache, doch seine Aussprache war frei von jeglichem Akzent.

Ich lächelte und nickte.

„Ja…“, sagte ich. Plötzlich fiel mir auf, dass wir uns ansahen. Anscheinend konnte ich die Leute ansehen, nachdem ich eine Vision von ihnen gesehen hatte.

Ja, das machte Sinn…

Wir schwiegen eine Weile und sahen uns einfach nur an. Keiner schien recht zu wissen, was man sagen sollte. Dann blitzte für einen kurzen Moment Amina durch meinen Kopf und mir fiel ein, was ich sagen konnte.

„Ähm, das übrigens sind…“, begann ich und drehte mich zu Amina und Bengee um, doch ihre Sitze waren leer, „…ähm, waren Amina und Bengee“ Ich lächelte etwas verlegen. Er nickte und lächelte ebenfalls.

„Deine Freunde?“, fragte er.

Ich nickte.

„Ja, sie sind die Besten“, sagte ich.

Er schwieg kurz.

Dann sagte er aber: „Hmm, ja ich bin übrigens Milo“

Er streckte mir seine Hand hin. „Ja, ich weiß“, meinte ich.

„Ja, stimmt, dumm von mir…“, sagte er etwas verlegen und ich meinte einen Hauch rosa unter der dunklen Haut zu erkennen.

Ich lächelte, nahm seine Hand und sagte: „Ich bin Minty“

Er lachte kurz.

„Schöner Name!“, meinte er, „minzig…“ Er grinste mich schalkhaft an.

„Hahaha, den kannte ich noch nicht…“, sagte ich tonlos.

Er zwinkerte.

„War doch nur ein Scherz“

Ich lächelte.

„Ja, ich weiß, aber wenn man seit 14 Jahren Minty heißt, hört man den schon öfter…“, erklärte ich.

„Hmm, tut mir Leid, was war immer dein Spitzname?“

Ich seufzte leise.

„Minty Drop Atemfrisch…“

Milo lächelte. „Na, der ist doch nicht so schlimm…“, sagte er. Ich zuckte mit den Schultern. „Ja, kann sein“, entgegnete ich gleichgültig.

Ich sah auf meinen Tisch, ohne ihn wirklich anzusehen, ich sah einfach durch ihn hindurch ins Leere.

„Milo the Vamp“, sagte Milo.

Ich sah auf.

„Bitte?“

Er lächelte.

„So wurde ich immer genannt“

„Warum?“, fragte ich.

Er grinste breit, sodass seine Zähne zum Vorschein kamen. Mir fiel auf, dass seine Eckzähne ziemlich ausgeprägt waren. Ich lächelte.

„Ah, verstehe…“, meinte ich.

Er zuckte mit den Schultern.

„Ja, ich hab mich nie sonderlich dran gestört…“

Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück, legte den Kopf in den Nacken und streckte sich.

„Na, müde?“, fragte ich lachend. Er nickte.

„Du glaubst nicht, wie müde…“, meinte er, ließ die Arme sinken und gähnte kurz.

Er sah nach links und ließ seinen Blick über die Klasse schweifen.

Plötzlich fiel mir etwas an seinem Hals auf.

Es waren drei oder vier feine Striemen, leicht rötlich gefärbt. Sie sahen aus wie feine Kratzer.

„Was ist denn das da?“, fragte ich. Er wandte mir den Kopf zu und machte: „Hm?“

Ich zeigte auf seinen Hals und er fuhr sich mit den Fingern über die Stelle.

„Ach, das…“, sagte er lächelnd, „das ist eine Narbe oder so… keine Ahnung, wo ich die her hab…“

„Das sieht aus, als wäre dein Hals halb aufgerissen…“, sagte ich leicht verängstigt.

Er lächelte. Plötzlich streckte er die Hand aus, nahm meine Hand und führte sie zu der Stelle an seinem Hals. Ich merkte wieder, wie ich rot wurde.

Ich strich mit den Fingern über die Striemen. Seine Haut fühlte sich warm und glatt an. Ich sah, wie meine Finger die Striemen berührten, doch ich fühlte sie kaum. Es fühlte sich an, als seien sie einfach nur auf seine Haut aufgesprüht worden. Es fühlte sich aber auch nicht wirklich nach einer Narbe an. Eher wie ein Mal, das schon immer dort und ein Teil von ihm gewesen war.

Er ließ meine Hand los und ich zog sie rasch zurück.

Er lächelte.

„Siehst du?“

Ich nickte und lächelte auch wieder.

Die Pausenglocke läutete, die Pause war vorbei.

Er zwinkerte mir zu und huschte dann auf seinen Platz.
 

Ms. Jones, unsere Deutsch- und Geschichtslehrerin, betrat die Klasse.

„Guten Morgen“, sagte sie freundlich.

Ms. Jones war eine junge, recht hübsche Frau. Sie hatte langes braunes Haar und immer ein freundliches Lächeln auf den Lippen. Ich mochte sie eigentlich recht gern.

Ms. Jones’ Unterricht zu folgen fiel mir irgendwie schwer. Ich konnte mich einfach nicht konzentrieren. Etwas spukte immerzu in meinem Kopf herum.

Gedankenverloren zog ich mein Portemonnaie hervor und sah auf die Fotos von Amina und Bengee, als mir plötzlich etwas auffiel.

Ich holte Aminas Foto heraus und musterte es.

Ihre Augen.

Etwas stimmte nicht mit ihren Augen.

Ich sah ihr täglich an die tausendmal in die Augen, also wusste ich, dass ihre Augenfarbe grün war. Doch auf diesem Foto waren sie bräunlich-rot. Ich wischte mit dem Ärmel einmal kurz drüber, um sicher zu gehen, dass es kein Fleck oder so was war. Doch die Augenfarbe änderte sich nicht.

Das ist schon seltsam…, dachte ich und steckte das Foto wieder weg.
 

Den folgenden Unterricht grübelte ich nur über alles nach. Das Foto, Milo, die Katze, Bengee, einfach alles.

In der nächsten Pause ging ich also zu Amina und sagte: „Sieh dir das an!“ Ich klatschte das Foto vor ihrer Nase auf den Tisch. Sie musterte das Foto. „Und?“, machte sie.

„Achte auf die Augen!“, sagte ich.

Amina besah sich das Foto genau. „Sind die nicht eigentlich grün?“, fragte sie schließlich verwirrt. Ich nickte.

„Genau das meine ich!“

Bengee trat zu uns.

„Was gibt’s?“, fragte er. Amina gab ihm das Foto und sagte: „Welche Farbe haben meine Augen?“

Er musterte sie.

„Grün!“, meinte er bestimmt. Amina seufzte.

„Nicht hier, sondern auf dem Foto, du Blitzbirne!“

Er musterte das Foto genau.

„Grün!“, sagte er nach einer Weile.

„Bitte?!“, riefen Amina und ich, wie aus einem Munde.

„Grün…?“, wiederholte er etwas verdutzt.

„Wieso sieht er grün…?“, fragte ich zu Amina gewandt.

Diese schüttelte den Kopf.

„Keine Ahnung…“, antwortete sie nachdenklich.

„Vielleicht weil sie grüne Augen hat?!“, warf Bengee ein.

„Ja, aber auf diesem Bild nicht…“, meinte ich etwas abwesend und besah mir das Foto.

„Hallo!“, sagte eine Stimme direkt hinter mir. Erschrocken fuhr ich herum und wäre fast wieder gestürzt. Milo Semiliah stand vor mir.

„Hi!“, sagte ich etwas piepsig.

Milo lächelte matt.

Eine peinliche Stille trat ein, doch dann fasste Amina sich ein Herz und brach das Schweigen.

„Hi, ich bin Amina. Wir kennen uns noch nicht…“, sagte sie und streckte ihm eine Hand entgegen. Milo nahm ihre Hand und nickte.

„Minty hat mir schon von dir erzählt“, meinte er.

„Hat sie das, ja?“, fragte Amina und wandte sich mit einem viel sagenden, etwas kalten Blick zu mir.

„Ja“, sagte Milo, „ich bin Milo“

Amina nickte.

„Ja, ich weiß!“, antwortete Amina bestimmt.

„Hehe, ja natürlich weißt du das…“, murmelte Milo lachend und da war er wieder, dieser verlegende Blick.

Süß…, dachte ich unwillkürlich und ein Hauch rosa zierte mein Gesicht. Ich spürte Bengees Blick und hob die Hand, als würde ich mir eine Haarsträhne zurecht rücken, damit er mein Gesicht nicht sah.

„Ich bin Bengee!“, sagte Bengee aus dem Schweigen heraus, als meine er, das müsse mal gesagt werden und streckte Milo die Hand entgegen.

Amina musterte ihn abwertend und sagte: „Ach, dich gibt’s auch noch…?“ Bengee lächelte sarkastisch zu ihr, doch er wusste, dass sie es nicht böse meinte.

Milo schüttelte seine Hand.

„Milo“, sagte er lachend.

Die Pausenglocke läutete. Politik und Wirtschaft mit Mr. Smith stand an.

Ich sah noch mal kurz zu Milo, der mir frech zuzwinkerte und ging dann auf meinen Platz.

Ich vergrub mich wieder in meinen Gedanken.

„…Werbung setzt immer auf bestimmte Zielgruppen, ist das richtig, Minty?!“, drang Mr. Smiths Stimme zu mir durch. Er sprach meinen Namen gezielt aus.

Aufgeschreckt von der gezielten Ansprache des Lehrers auf mich, wusste ich nicht mehr so recht, was ich sagte.

„Ja! Genau! Spielgruppen! Auf jeden Fall!“, meinte ich verwirrt und blickte natürlich zur Tafel und nicht zu Mr. Smith.

Meine Mitschüler lachten und ich spürte die Röte in meinem Gesicht.

„Tja, und kannst du denn auch diese SPIELGRUPPEN nennen?“, fragte er und betonte das vorletzte Wort genau, um mich zu ärgern.

Ich hatte natürlich keine Ahnung, wovon er redete.

„Altersgruppen, Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senioren…“, murmelte Greg, mein Tischnachbar mir zu.

„Na ja, Altersgruppen halt. Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senioren…“, zählte ich auf und es klang, als ob ich das tatsächlich hatte sagen wollen.

Mr. Smith nickte.

„Gut, aber pass das nächste Mal besser auf…“, sagte er.

Ich sah in Gregs Richtung, an ihm vorbei an die Wand, murmelte „Danke…“ und lächelte dabei dankbar.

Unwillkürlich wanderte mein Blick zu Milo, er saß in der zweiten Reihe. Unsere Blicke begegneten sich und Milo grinste, zwinkerte und sah wieder nach vorne.



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