Erstes Date
24. Kapitel
Erstes Date
Tai erwachte aus seinem unruhigen Schlaf. Er hatte diese Nacht schreckliche Alpträume gehabt, doch es war nicht der Film, der ihn so zu schaffen machte, sondern die Beziehung zu Kari.
Er hatte geträumt, dass er verzweifelt mit ansehen musste, wie sie gequält, gedemütigt und zum Schluss umgebracht wurde und er konnte nichts dagegen tun.
Kurz schaute Tai auf die laut tickende Küchenuhr und stellte erschrocken fest, dass es gerade mal 8 Uhr am Morgen war. Normalerweise würde er noch gut 5 oder 6 Stunden weiterschlafen, bevor er überhaupt einmal ans Aufstehen dachte. Sie alle waren gestern sehr spät zu Bett gegangen, deswegen war Tai auch nicht weiter verwundert, dass noch kein Lebenszeichen aus einem der Zimmer kam. Er hatte sich freiwillig dazu bereit erklärt, solange auf der Couch zu schlafen, bis eine Lösung für Kari gefunden war; und er verfluchte sich dafür. Die Couch war mehr als unbequem und sein Genick verteufelte ihn bereits für diese glorreiche Idee.
Gequält und fluchend stand er auf und ging schlürfend in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen. Wie Tai allerdings die restlichen Stunden verbringen wollte, bis alle wach waren, wusste er noch nicht. Zuerst einmal wollte er klar im Kopf werden und die Müdigkeit aus seinen Knochen verbannen. Dazu war ein Kaffee nötig und eine kalte Dusche, das wusste er, doch dies würde nicht länger dauern, als maximal eine halbe Stunde, und danach?
Aber dann kam ihm ein begnadeter Einfall. Tai würde Sora anrufen und sie zum Frühstücken außerhalb einladen. Ja, diese Idee sagte ihm zu.
Schnell war der aufgewärmte Kaffe vom Vortag runter geschüttet. Jetzt brauchte er nur noch unter die Dusche springen und dann könnte er Sora anrufen. Tai wusste, dass sie den Vorschlag nie ablehnen würde, denn ihm war nicht entgangen, dass sie seine Nähe sehr schätzte und sich wohl mit ihm fühlte.
Als er allerdings in der Dusche stand, wurde Tai schnell klar, dass er in sein Zimmer musste um sich frische Kleidung anzuziehen. Aber auch das stellte für ihn kein Problem dar. Er hatte die Kniffe des sich auf leisen Sohlen Bewegens rasch gelernt, und so kam er auch bald mit seinen gewünschten Sachen wieder aus seinem Zimmer und zog sich um. Wegräumen konnte er später immer noch. Jetzt war er viel zu aufgeregt, als das er sich darüber noch großartige Gedanken machen konnte und wollte.
Die Nummer hatte Tai an die Pinnwand im Flur geheftet, für alle Fälle, wie er sich eine Zeitlang eingeredet hatte. Schnell war die Nummer gewählt und das erste Läuten des Signals, das frei war, ließen in fieberhaft von einem Bein auf das andere treten.
„Los, geh ran, Sora…geh ran….lo…..Oh, schönen guten Morgen. Hier ist Tai. Könnte ich bitte mit Sora sprechen?“.
„Äh, Tai? Ich bin schon dran. Was rufst du mich so früh an? Ist was passiert?“, fragte Sora verschlafen und man konnte deutlich hören, dass sie gerade gähnte.
Tai schmunzelte und unterdrückte sich ein Kichern, bevor er fortfuhr: „Tut mir Leid, wenn ich dich geweckt habe, aber ich dachte…nun, ähm…vielleicht willst du mit mir frühstücken gehen? Weißt du, nur du und ich….“.
„Ein Date?“, unterbrach ihn Sora aufgeregt und sie war froh, dass Tai nicht anwesend war, denn augenblicklich schoss ihr eine heftige Röte ins Gesicht.
Tai räusperte sich. „Ja, äh…ich glaube, dass ist dann ein Date, wenn du magst?“. Sora dachte, sich verhört zu haben, denn plötzlich schien Tais Stimme nur noch einem Flüstern zu gleichen. Nie im Leben hätte sie für möglich gehalten, dass dieser Tai, den sie als Spieler und arroganten Schnösel kennen gelernt hatte, so unglaublich schüchtern und süß sein konnte. Sie musste auch gar nicht lange nachdenken, ob sie wollte oder nicht.
„Klar möchte ich.“. „Schön, wann soll ich dich abholen?“. „So, in….hm, in einer Stunde?“. „Gut, dann bin ich in einer Stunde da. Ich freu mich…ach so, ich lade dich übrigens ein. Du brauchst also kein Geld mitzubringen.“, fügte Tai noch schnell hinzu und bemühte sich, seine Stimme nicht allzu doll überschlagen zu lassen.
„Okay. Dann bis in einer Stunde.“. „Bis dann.“. Mit wahnsinnigem Herzrasen legte Tai auf. Er verstand die Welt nicht mehr. Noch nie zuvor überschlug sich sein Herz regelrecht, wenn er ein Mädchen zum Essen einlud oder es auf ein Date bat. Vielleicht lag es auch daran, dass Tai zuvor eigentlich kaum mal ein Mädchen eingeladen hatte, ohne dabei an das zu denken, was danach passieren könnte und immer wieder passiert war. Irgendwie hatte er immer diese Mädchen kennen gelernt, die auch von ihm nur das eine wollten und damit war er sehr zufrieden gewesen. Überhaupt, seine ganzen Beziehungen hielten oft nicht länger als 3 oder 4 Wochen, wovon er mindestens 1 Woche alleine mit dieser Person im Bett verbrachte; nicht am Stück, aber die Wochenenden waren oft nur dafür bereit gehalten worden und diese verbrachte er fast ausschließlich im Bett.
Zwischendurch waren dann auch immer wieder One Night Stands aufgetreten, ohne, dass Tai etwas anderes für diese Mädchen empfand als Lust und Begehren. Wenn er jetzt so drüber nachdachte, war er niemals wirklich verliebt gewesen, sondern suchte nur seine körperliche Befriedigung.
Doch für Sora schien Tai viel mehr zu empfinden, als reines körperliches Verlangen. Er mochte sie, aufrichtig und rein; bei ihr konnte er so sein, wie er war. Er hatte in ihr eine gute Freundin, oder so etwas Ähnliches und Sora zwang ihn auch zu nichts oder belästigte ihn mit kranken Anrufen.
Tai war unglaublich aufgeregt und obwohl eine Stunde in der Regel schnell vorbei ging, so zog sie sich in seinen Augen nun ins Unermessliche. Die Zeit schien sich regelrecht einen Spaß daraus zu machen nun extra langsam und schleppend zu vergehen. Tai hatte nun auch nichts mehr zu tun und wirkliche Ablenkung konnte er trotz dem eingeschalteten Fernseher nicht finden, da seine Aufmerksamkeit und Konzentration nur der Uhr galten.
20 Minuten brauchte er bis zu Sora und dennoch ging er bereits 30 Minuten eher los, weil ihn seine Aufregung dazu zwang, hin regelrecht nach draußen peitschte, so wie der Wind, der just im selben Moment, als er die Tür hinter sich schloss kalt um seine Nase spielte.
Doch dieser Umstand störte ihn nun nicht weiter; sein Herz flattert und es wurde im fast augenblicklich heiß, als er vor Soras Apartmentblock stand. Tai hatte noch gut 15 Minuten Zeit; er verfluchte sich so schnell gelaufen, ja fast gerannt zu sein.
Nun stand Tai etwas deplaziert vor Soras Haustür und fror langsam aber sicher durch. Zuerst kroch die Kälte durch seine Schuhe, fraß sich seine Beine hinauf und zauberte letzten endlich eine unangenehme Gänsehaut auf seinem Oberkörper.
New York war im Sommer einfach wunderbar, doch der Winter war immer erschreckend kalt. Tais Zeitverständnis spielte ihm ohnehin ab jetzt einen Streich, denn er war fest der Meinung anhaltend länger zu warten, als seine Armbanduhr ihm weiß machen wollte.
Unruhig ging er den Gang entlang und zitterte am ganzen Leib. Wenn Tai Fußball spielte kam es ihm nie so eisig vor, wie gerade jetzt. Die Wirkung, die das Laufen am Anfang noch auf ihn gehabt hatte, verließ ihn langsam und auch seine Jacke schien ihn nicht mehr auch nur im Geringsten warm zu halten.
Aber, wie alles mal ein Ende nahm, so war auch bald die Zeit wieder auf seiner Seite und er konnte endlich klingeln.
Mit zittrigen Fingern, die einerseits durch die Kälte und andererseits durch die Aufregung ausgelöst wurden berührte er die Klingel.
Sora brauchte nicht mal ein paar Sekunden um die Tür aufzumachen, denn auch sie saß die letzen 15 Minuten wie auf glühenden Kohlen.
Tai wunderte es zwar, dass sie so schnell an der Haustür angekommen war, dennoch verkniff er sich zu fragen, warum.
„Guten Morgen, Sora. Ich hoffe, du hast ausreichend Hunger?“, begrüßte er sie und sah, wie Soras Wangen sich leicht rosa färbten.
„Ja, ich habe noch nichts gegessen. Äh…wo gehen wir denn hin?“, fragte sie und schloss die Tür hinter sich. „Warst du schon mal im „Seeju“? Die machen echt absolut geiles Frühstück, also, wenn du magst, können wir dort hingehen?“.
>Ich geh überall hin, Hauptsache du bist mit dabei< dachte Sora, doch verkniff es sich, dies auch zu sagen. Aber insgeheim fuhr ihr Magen im Moment eine imaginäre Achterbahn mit ihr und konnte sich nicht entscheiden, ob es tief und schnell abwärts ging, oder er noch darauf wartete, hinter dem nächsten Hügel hinunter zu fahren.
Es fiel ihr unglaublich schwer, überhaupt einen einigermaßen vernünftigen Satz zu bilden, ohne dabei den Rekord im „Rotwerden“ zu brechen oder völlig hilflos zu stottern.
„Ja, klar….äh, ich meine….hm, ja lass uns dort hingehen!“, stammelte Sora und sah etwas verschämt zu Boden. Tai grinste über dieses Verhalten stumm in sich hinein und deutete Sora an, dass, wenn sie heute noch Frühstück haben wollten, sie jetzt am besten gingen.
Auf dem ganzen Weg dorthin wusste Sora nicht so recht, was sie jetzt sagen sollten und Tai schien dasselbe Problem zu haben, dennoch war er der erste, der die Stille durchbrach.
„Ganz schön kalt, was?“, bemerkte Tai beiläufig und hätte sich für diesen Kommentar gleich am liebsten eine geohrfeigt.
„Ja, das ist es. Ich frage mich, wann es wieder wärmer wird. Jetzt, da Weihnachten vorbei ist, könnte es ruhig Frühling werden.“, fuhr Sora zum Erstaunen Tais das Gespräch fort.
„Magst du Weihnachten?“. „Ich? Ja, ich liebe Weihnachten. Ich weiß nicht, warum, aber irgendwie ist es trotz der Kälte immer so warm und heimisch, weißt du was ich meine?“. „Ja, weiß ich. Hm, ich mag Weihnachten, mal abgesehen von dem Essen nicht wirklich.“, schmunzelte Tai.
Eigentlich gab es mal eine Zeit, als Tai Weihnachten noch wirklich mochte. Die Geschenke, das Zusammensein der Familie und nicht zuletzt das Essen waren für ihn immer etwas Besonderes, doch nachdem sein Vater gestorben war, ist das alles weg gebrochen und seitdem hasste Tai Weihnachten.
„Na ja, es gibt viele Menschen, die Weihnachten nicht mögen. Warum magst du es denn nicht?“, erkundigte sich Sora und sah von weitem bereits die Initialen von dem Restaurant, zu dem Tai sie einlud.
„Hm, weiß nicht. Aber ist jetzt auch egal. Schau, wir sind da.“, jubelte Tai regelrecht und hielt Sora die Tür auf.
>Ui, was für ein Gentleman<, kicherte Sora in Gedanken, doch wurde sie bereits kurz darauf wieder von Tai zurückgeholt. „Gefällt dir der Tisch? Oder soll ich einen anderen aussuchen?“, erkundigte er sich nach ihrem Empfinden.
Tai hatte einen Zweiersitz ausgesucht, der auch noch ein Stück von der roten Couch, die sich an der Fensterfront entlang räkelte beherbergte.
„Bitte setz dich.“, wies Tai Sora höflich an und rückte ihren Stuhl zurück, damit sie Platz nehmen konnte.
„Du musst nicht so übertrieben reagieren, Tai.“, schmunzelte Sora ein wenig über sein Verhalten und beschwor damit eine leichte Röte auf seinem Gesicht hervor, die Tai allerdings durch ein unbeholfenes Lachen und Räuspern versuchte zu überspielen.
„Was darf ich Ihnen denn zu trinken anbieten?“, wand sich ein junger Kellner an sie beide und wartete auf die Bestellung.
„Ähm…für mich bitte einen Kakao.“. „Und für mich einen Pott Kaffee.“, schloss Tai ab. Der Kellner nickte und ging dann in die Küche, um ihre Wünsche abzugeben.
„Warum hast du mich denn eingeladen?“. Mit großen und hoffnungsvollen Augen sah Sora ihn an. Sie wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als dass Tai zugab, sie sehen zu wollen.
Sie musste sich einfach eingestehen, dass sie von ihm mehr wollte, als Freundschaft, doch ihre Hoffnung wurde durch Tai je zerstört.
„Nun, die anderen schliefen alle noch, als ich aufgewacht bin und da mir langweilig war, dachte ich, dass ich dich einlade.“, gab Tai unumwunden zu.
>Na, wenigstens ist er ehrlich<, dachte Sora, doch konnte sie es nicht vermeiden etwas enttäuscht zu seufzen.
„Warum? Was dachtest du denn?“. „Äh? Ich? Ach, nichts. Ich wollte es nur wissen.“. Soras Körper konnte ihre Lüge allerdings nicht so untermauern, wie sie es eigentlich wollte, denn augenblicklich färbten sich ihre Wangen Purpurrot. Deswegen war sie auch umso erleichterte, als der nette, junge Kellner mit ihren Getränken zu ihnen gab.
„So, ihre Bestellung. Wissen Sie denn schon, was sie essen wollen?“. Tai musste dafür nicht lange überlegen, sondern bestellte einfach das, was er hier immer aß, nur mit einer besonderen Nebenbedienung. „Könnten Sie das „Spezialmenü“ auch für zwei Personen machen?“. „Na klar, sicher doch.“, nickte der Kellner und notierte sich kurz das Gewünschte.
„Tai? Was ist dieses „Spezialmenü“?“. „Etwas Leckeres. Es wird dir schmecken, keine Sorge.“
Bis ihre Bestellung ankam, unterhielten sich Tai und Sora über alles Mögliche. Sora interessierte vor allem, das Verhältnis zwischen ihm und seiner Schwester und Tai gab unumwunden zu, dass Kari nun einen Freund hatte und er damit wohl oder übel umgehen müsste, wenn er sie glücklich sehen wollte. Doch auch Tai war sehr daran interessiert, wie er das Verhältnis zwischen ihr und Izzy einzuschätzen hatte, was Sora am Anfang etwas verwunderte.
„Wir sind nur Freunde. Irgendwie mag ich ihn, aber eben nur rein freundschaftlich. So ist er absolut nicht mein Fall.“. „Ach so. Okay. Ah, unser Essen.“. Tai war seit knapp 10 Minuten immer unruhiger geworden. Zum einen, weil er wirklich einen Bärenhunger hatte und zum anderen, weil er sowieso ganz schlecht auf Dinge oder Ereignisse warten konnte.
„So, einmal das „Spezialmenü“ für zwei Personen. Ich wünsche guten Appetit.“
„Also….das da sind Brötchen, Crossaints und Baguette. Dazu gibt es Marmelade, Jogurt, Ei, Wurst, Käse, Schokocreme, Gemüse, Obst…äh, ja, ich glaub, das war’s.“, grinste Tai und stürzte sich zugleich auf eines, der Brötchen.
Sora schmunzelte über Tais Verhalten. Er verhielt sich manchmal wie ein Kleinkind in der Spielzeugabteilung.
Sie selbst ging das Essen gesitteter an und bediente sich zurückhaltend. „Du kaschnst ruhisch zugreifm.“, nuschelte Tai durch ein Meer aus Teigwaren und Marmelade.
„Mit vollem Mund spricht man nicht, Tai.“, lachte Sora und sah das gespielt zornige Gesicht von ihm.
Nach 1 Brötchen, 1 Stück Baguette und 1 Crossaint konnte Sora dann allerdings nicht mehr und überließ Tai den Rest, was dieser dankend annahm.
„Ich platz gleich.“, stöhnte sie und wunderte sich, dass Tai wirklich so extrem viel essen konnte. Er musste wirklich einen Magen wie eine Sau haben. „Äh, Tai? Du hast da ein bisschen Schokolade kleben.“, deute Sora ihm an, doch ihre Hand schien wie fremd gesteuert zu sein. Sie kam Tais Mundwinkel immer näher und ihre langen Finger wischten zugleich zärtlich das Zeugnis ihres Frühstückes weg.
Gerade, als Sora ihre Hand wieder entfernen wollte, hielt sie Tai am Handgelenk fest und küsste sanft ihre Fingerkuppe. „Danke.“.
Sora errötete heftig und ihr Magen pulsierte zugleich durch einen Ozean tanzender Schmetterlinge.
„N-Nichts zu d-danken.“, stotterte sie etwas unbeholfen, bevor sie nun wirklich ihre Hand wieder zurücknahm und Tai dabei beobachtete, wie er den letzten Rest Jogurt löffelte.
„Lecker. Jetzt bin ich erstmal für die nächsten zwei Stunden satt.“. Tai lehnte sich zurück und setzte ein zufriedenes Lächeln auf.
„Also reicht es, bis wir bei mir zu Hause sind?“. Tais Augen weiteten sich über Soras Aussage und er sah sie verwundert an.
„Wie? Bei dir zu Hause?“. „Äh, ich dachte, du willst vielleicht noch mit rein kommen?“. Sora sah etwas unsicher auf die Tischdecke und bereitete sich bereits innerlich darauf vor, dass Tai ablehnte.
„Okay, wenn du magst. Ich habe heute nichts weiter vor.“. Soras Gesichtszüge entspannten sich und sie freute sich schon wie wahnsinnig darauf, Tai bei sich zu Hause zu wissen
