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Trigger Happy

von

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trash

Warst du schonmal so wütend, dass du nichts mehr gesehen hast? Nichts mehr gehört hast? Nur wie dir dein eigenes Blut durch den Kopf rauscht?
 

Warst du schonmal so wütend, dass du komplett durchgedreht bist?
 

So wütend, das du nur noch zerstören wolltest?

Egal was?
 

Egal was.
 


 

Mit 15 wollte mich meine Mutter zum Psychiater schicken. Meine eigene Mutter wollte mich zu einem gottverdammten Psychiater schicken. Ich war so geschockt, das mir gar nichts mehr einfiel was ich hätte sagen sollen.

Ich bin einfach nur weggerannt.

Weil nicht einmal meine eigene Mutter mehr an mich glaubte.
 

Weil ich wieder diese scheiss Wut spüren konnte.
 

Ein paar Stunden später sah ich meine Mutter wieder. Sie holte mich und Sasuke von der Polizei ab. Bei Gott nicht das erste Mal.

Wir sind doch mittlerweile Ehrengäste bei denen.
 

Ich glaube Mutter hat Recht. Ich und Sasuke, wir sind eigentlich ganz nette Jungs. Aber wir haben Probleme damit, uns zu beherrschen.
 

Mein Psychiater sagte dazu: aufgestaute Aggression.

Ich sagte dazu: Fick dich.
 

Das war Überhaupt das einzige, was er von mir zu hören bekam, nachdem er mich doch tatsächlich fünf Stunden lang zugeschwallt hatte.

Und dafür zahlte meine Mutter 50 Dollar. So eine verfickte Scheisse.
 

Sasuke hatte damals draußen auf mich gewartet. Er sah mein Gesicht, schnippte cool seine Kippe weg und dann gingen wir in die Stadt.

Für uns, absolute Sperrzone.
 

Für uns, der große Spielplatz der Welt.
 

Wisst ihr es gibt Menschen, die gehen irgendwo rein und werden irgendwie akzeptiert.

Es gibt auch Menschen, die gehen irgendwo rein und werden irgendwie ignoriert.
 

Und es gibt mich und Sasuke. Wir gehen irgendwo rein und alle hassen uns sofort.

Das kommt uns eigentlich immer ganz recht.
 

Ich und Sasuke, wir kennen uns seit unserer Kindheit.

Und wir sind eigentlich auch total verschieden.

Er ist der Ruhige. Der Coole. Der Grausame.

Während ich der mit der großen Klappe bin.

Der Draufgänger, der sich immer wieder in die Scheisse reitet.
 

Zu Anfang konnten wir uns gar nicht leiden. Es gab nicht einen Tag an dem wir uns nicht schlägerten. Und es war immer unentschieden.
 

Und irgendwann respektierten wir uns. Wir wurden wir Freunde. Dann unzertrennlich.

Weil uns etwas verband, was wir nicht zerschlagen konnten. Die Wut.
 

Brüder. Ja, das waren wir.

Rücken an Rücken. Frech dem Gegner zugrinsend.

Uns war jeder egal.

Uns war alles egal.

Wir waren die Rebellen. Die Anarchisten. Die Letzen unserer Art.
 

Wir kamen uns einzigartig vor.
 

Sasuke ist mein Bruder. Der mich beschützt. Den ich beschütze.

Wenn er da ist, bin ich nicht mehr ganz so wütend.

Wenn ich da bin, verschwindet die Kälte aus seinem Blick.
 

Wir sind unzertrennlich. Wir sind unantastbar.

Wir sind die Könige der Straßen.
 

Und wir machten jeden fertig, dem was dran nicht passte.
 


 

Als ich dann 17 war, schickten mich die Bullen schon wieder zu demselben Psychiater. Zu diesem Arschgesicht, der nur Geld dafür bekam geschwollene Scheisse daher zu reden.
 

Er gab mir eine kleine rote Puppe, mit großen hässlichen Knopfaugen.

Er sagte mir, sie hieß Reba.

Ich fragte ihn, ob er schwul wäre.

Er setze sich wieder hin und tippte sehr lange irgendwas in seinen Computer ein.

Also mir begann es langsam Spaß zu machen.
 

Reba sollte also, seinen Worten nach, meine neue beste Freundin werden. Jedes Mal wenn ich wütend wurde, sollte ich die Wut an ihr auslassen. Reba war sehr widerstandsfähig.
 

Reba lebte ganze vier Stunden lang.
 

Trotzdem blieb ich an dem Tag zuhause, weil Mutter wieder im Schlaf geweint hatte.

Sie gab sich die Schuld, das war klar. Vater konnte sie ja nicht die Schuld geben.

Niemand konnte einem Toten die Schuld geben.
 

Und ich stand vor der Tür und wusste nicht was ich tun sollte. Ich hab mich schon so oft entschuldigt. Und ich hab es jedes Mal ernst gemeint.

Aber Worte bringen nichts. Worte heilen nicht die Wunden unserer Opfer.

Worte heilen nicht die Wunden unserer Mütter.
 

Und dann muss ich manchmal daran denken wie glücklich sie ohne mich wäre. Und dann renne ich wieder weg. Zu Sasuke.

Weil ich immer zu Sasuke gehe, wenn ich solche Gedanken habe.
 

Er sitzt immer auf dem Dach und starrt in den Himmel. Und er hört immer dieselbe Musik.

Und er braucht nur in mein Gesicht zu sehen, schon weiß er was los ist.

Schon fühlt er, was ich fühle.

Schon fühle ich mich besser.

Wir liegen da und hören Musik. Und wenn die Sonne untergeht, gehen wir in die Stadt.
 

Seine Mutter sitzt dann immer auf der Veranda und sieht uns nach.

Sie sitzt auf der Veranda und liest ein altes kitschiges Buch. In dem alles noch heile Welt ist.

Und sie lächelt, wenn sie ihren Sohn sieht.

Genau wie meine Mutter lächelt, wenn sie mich sieht.

Weil wir nur noch uns haben. Weil wir nur noch uns haben.
 

An dem Tag, dem 23 September, da saß sie auch da und las ihr Buch. Sie winkte uns nach und lächelte, als ich ihr zurückwinkte.
 

18 Stunden später fand man sie in einem Müllcontainer. Nackt, vergewaltigt, erschlagen und weggeworfen.

Wie Müll.

Daneben lag ein Zettel.
 

Sie hat geschrieen, du Hurensohn.
 

Manchmal geht etwas so sehr kaputt – das man es nicht mehr reparieren kann.
 

Es war unsere Schuld, das konnte uns Niemand ausreden. Wir waren die, die all die Schlägereien ausgelöst haben. Wir waren Schuld an ihrer Rachsucht.
 

Und wir waren so dumm zu glauben, dass sie sich nicht an unseren Familien vergreifen würden.
 

An dem Tag klingelte mein Handy, es war Hinata die mich anrief. Sie redete hastig auf mich ein und stotterte nichteinmal. Das war das Erste was ich bemerkte. Das Zweite war das Bild von Sasukes verunstalteter Mutter, wie sie da zwischen den schwarzen Plastiksäcken lag.

Irgendein Teil meines Gehirns, welcher nicht gelähmt war, musste an die Bezeichnung sensationsgeile Fettsäcke denken.

Sasuke.

Dann ließ ich das Handy fallen und rannte in die Küche, in der gerade meine Mutter telefonierte. Sasuke. Ich riss ihr das Telefon aus der Hand und packte sie bei den Schultern.

SasukeSasuke.

„MUM, DU HÖRST MIR JETZT GUT ZU VERSTANDEN?! HÖR ZU!!“

Sie nicke hastig.

Sasuke.

„Du tust jetzt genau was ich sage! Du gehst jetzt mit mir zu den Nachbarn und da bleibst du auch! Bis ich dich abhole!! Verstanden?!“

SasukeSasukeSasukeSasukeSasuke.

„Aber Schatz, was ist denn...?“

„KOMM SCHON!!“
 

Sasuke.
 

Ich lieferte sie bei den Bensons ab.

Die Bensons waren eine Ansammlung der versnobtesten Snobs der Welt. Eine Ansammlung von sensationsgeilen Fettsäcken. Aber sie waren eine Ansammlung von sensationsgeilen Fettsäcken mit Alarmanlage, Notruf und Wachhund.
 

Natürlich wussten sie schon von Sasukes Mutter.

Natürlich sagten sie nichts.

Und meine Mutter blickte mir Schreckensbleich nach.
 

Ich brüllte um die Straßenecke. Ich brüllte den Schatten nach, die gerade um genau diese Straßenecke verschwanden.
 

Tut ihr was an und ich bring euch um. Ich bring euch alle um.
 

Dann rannte ich zu Sasuke.

Das er davon bereits wusste, stand außer Frage.

Ich hoffte bloß, dass er noch da war.

Aber was hätte ich ihm denn sagen sollen. Was hätte ich denn tun sollen?

Alles was ich hätte unternehmen können, wäre komplett lächerlich gewesen. Unwichtig und bescheuert.

Mein Kopf war so verdammt leer.
 

Also konzentrierte ich mich nur darauf rechtzeitig anzukommen. Nur rechtzeitig ankommen.
 

Als ich das Haus sah fuhr der Polizeiwagen gerade weg. Die Bank auf der Veranda war kaputt. Ich riss die Haustür auf. Und ich war nicht zu spät.
 

Er stand direkt vor mir. Sein schwarzes Shirt war direkt vor meiner Nase.

Und ich traute mich nicht, den Kopf zu heben.

Ich traute mich nicht, den Ausdruck in seinen Augen zu sehen.

Ich traute mich nicht, mich zu bewegen.

Ich traute mich nicht, zu atmen.
 

Ich hatte unglaubliche Angst um mein Leben.
 

Er ging an mir vorbei und ich hörte wie er die Treppenstufen herabstieg. Wie er die Auffahrt herunter ging. Wie er über die Straße schritt.
 

Und das Geräusch, wie sein Baseballschläger über den Asphalt kratzte.
 

Er ging töten.
 


 

Manchmal geht etwas so sehr kaputt – das man es nicht mehr reparieren kann.
 

Als das Geräusch weg war, als ich wieder atmen konnte, ging ich in das Haus hinein und schloss die Tür. Ich ging ins Wohnzimmer. Vorbei an einem alten verblichenem Familienportrait.

Der einzige, der von den ernsten Gesichtern übrig geblieben war, war der kleine Junge, der trotzig in die Kamera blickte, während ihm seine Mutter liebevoll die Hände auf die Schultern gelegt hatte.
 

Ich versuchte nicht zu denken.

Nicht an sie.

Nicht an Sasuke.

Nicht an meine Mutter.

Ich versuchte nicht zu denken.
 

Ich schaltete den Fernseher an. Drehte ihn laut auf. Zog die Vorhänge zu und machte das Licht an. Überall.
 

Jetzt war ich Sasuke.

Und Sasuke setzte sich hin, ignorierte den Fernseher und starrte auf den Couchtisch – dort wo sein Handy lag. Stündlich rief er seine Mutter an, nur um ihre besorgte Stimme zu hören und wieder aufzulegen.

Draußen wurde es dunkel. Dann finster und dann wieder hell.

Sasuke tat nichts anders als dazusitzen und auf Schritte in der Einfahrt zu warten.
 

Der Wecker sagte 5:24. Der Fernseher zeigte Teleshopping. Mein Akku war fast leer.

Und die Tür ging auf.
 

Erschrocken zuckte ich zusammen und sprang vom Sofa auf.

Sasuke stand da und blickte mich schweigend an.

Den Baseballschläger hatte er nicht mehr in der Hand. Er hatte was Rotes dort.
 

Ich schluckte und hob meinen Blick. Er blickte zurück.

Und so standen wir da. Und ich brauchte gar nicht erst zu fragen.

Denn etwas war aus seinen Augen verschwunden. Kaputt gegangen. Nur Leere.
 

Unmenschlichkeit.
 

Ich flüsterte leise seinen Namen und er trat ein paar Schritte vor, sagte:
 

Danke, dass du mich gedeckt hast.
 

Das sagte er mir mal, als er mal verdächtigt wurde einen Lehrer geschlagen zu haben. Als ich allen eingeredet habe, das er mit mir unterwegs war.

Das sagte er mir mal, als wir zusammen Essen geklaut haben und erwischt wurden. Als ich den Bullen eingeredet habe, das ich ihn dazu angestiftet habe.

Das sagte er mir immer, wenn ich alles davor bewahrte, dass seine Mutter zuviel erfuhr.
 

Ich schluckte schwer.
 

„Was hast du mit ihnen angestellt...?“
 

Sasuke blickte mich eine Weile schweigend an, dann schlurfte er herüber zur alten Einbauküche und ließ Wasser über seine Hände laufen. Ewigkeiten, wie es mir schien.
 

„Soll ich gehen...?“
 

Als darauf wieder keine Antwort kam, drehte ich mich um und nahm mein Handy.

Ich hatte schon die Türklinke in der Hand, als er wieder begann zu reden.
 

Naruto. Pass auf deine Mutter auf. Und tu was sie sagt.
 

Ich nickte. Und dann kamen die Tränen.

Und Sasuke hielt seine wunden Hände unter den kalten Wasserstrahl.
 


 


 

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