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XLII. Wenn man weiß, wohin man gehört

Eine Woche nach dem furiosen Klassenerhalt ist Raphael zum Aktuellen Sportstudio des ZDF eingeladen. Zum ersten Mal und er schämt sich nicht dafür, dass er wirklich höllisch aufgeregt ist. Fast so sehr wie bei einem Elfmeter, auf den es wirklich ankommt und an dem alles hängt.

Er kann noch gar nicht richtig glauben, wie perfekt im Moment alles ist. Allein wegen Julian könnte er vor Glück vergehen. Dann ist da aber noch die Akzeptanz der Mannschaft, denn diese ist bereit, sie beide anzunehmen und in gewisser Weise auch zu beschützen und ihr Geheimnis zu wahren. Und dann ist da auch Chantal, mit der er wohl wirklich eine gute Freundschaft pflegen kann, auch wenn Julian ihr noch ein wenig skeptisch gegenübersteht.

Alles passt gerade einfach zusammen.

Und diese Zufriedenheit strahlt er auch aus, als er das Studio betritt. Der Moderator ist noch neu und jung und erst ganz frisch dabei.

Raphael setzt sich ihm gegenüber und nach der Begrüßung beginnt das Interviewspiel.

„Raphael, wie sieht es in Dortmund gerade aus? Der Klassenerhalt wurde durch das furiose Spiel gegen den FC Bayern letzte Woche geschafft; wird immer noch gefeiert?“, fragt der Moderator Andreas Mayer.

Raphael muss lachen. „So langsam lässt es nach, auch wenn die Stimmung immer noch unglaublich gut ist. Aber irgendwann kann man auch nicht mehr feiern.“

„Sie haben ja schon nach dem Pokalspiel gegen den BVB Klassenerhalt und Pokalsieg als Ziele genannt. Moment, wir haben die Bilder hier...“

Raphael grinst, als er sich selbst beim Interview sieht. „Wissen Sie, wir haben diese Themen vorher nicht angeschnitten. Gerade den Pokalsieg nicht. Und dafür bin ich in der Kabine echt aufgezogen worden. Aber ich hatte Recht!“

„Und wie!“ Mayer lacht. „Den FC Dortmund hatte als Pokalsieger wirklich keiner auf seiner Rechnung. Und dann noch gegen Werder Bremen. Wie war das?“

„Wenn ich jetzt sage, ein Spiel wie jedes andere, glauben Sie mir das vermutlich nicht, oder?“ Raphael nimmt einen Schluck Wasser. „Wissen Sie, in Bremen spielen tolle Leute, richtig liebe Kerle, aber in das Spiel bin ich natürlich als Dortmunder reingegangen, um für den FC zu gewinnen. Auch wenn ich zu dem Zeitpunkt nur von Werder ausgeliehen war.“

„Werder Bremen hat Sie ja recht genau vor zwei Jahren verpflichtet. Sie hatten einige Angebote aus dem In- und Ausland.“ Raphael nickt bei diesen Worten leicht und spielt mit dem Glas. Er weiß, worauf Mayer hinauswill. „Sie hatten da sozusagen Ihren ersten richtigen Höhepunkt, aber in Bremen hat dann ja gar nichts mehr geklappt. Woran lag das?“

Raphael runzelt die Stirn. „Das ist schwer zu sagen. Ich glaube, wenn wir das begriffen hätten, dann hätten wir etwas an der Situation geändert. Werder hat mit Diego und Torsten Frings zwei sehr kreative Spieler, die den Spielaufbau vorantreiben – und da kam ich nun als dritter hinzu. Es hätte klappen können, wenn wir ähnlich denken würden, aber das tun wir nicht. Und natürlich lassen sich die beiden nicht von so einem Jungspund wie mir die Butter vom Brot nehmen. Es hat beim FC ja auch gedauert, bis ich die Position spielen durfte, die ich am liebsten habe. In der Mitte, um die Fäden zu ziehen. Das ist mein Spiel und in Bremen ging das einfach nicht.“

Er schweigt einen Augenblick und gerade als sein Gegenüber zum Reden ansetzen will, spricht er weiter.

„Bremen ist nun einmal nicht Dortmund. Das Team ist großartig und bietet wirklich tolle Möglichkeit. Das ist ganz unbestreitbar. Aber Bremen ist eben nicht Dortmund. Und mein Herz ist einfach in Dortmund geblieben, verstehen Sie? Das hatte nichts mit einer rationalen Entscheidung zu tun, als ich mich entschlossen habe, nach Dortmund zurückzugehen. Die Presse hat es so dargestellt, als wenn der FC bei Werder für mich angefragt hätte. Es war aber anders. Ich war es, der Gerd Schaffhausen angerufen und gefragt hat, ob der FC ein Interesse an mir hätte.“ Er blickt auf das Glas in seinen Händen und lässt es zwischen seinen Fingern kreisen, ehe er es mit einem Ruck wieder abstellt. „Ich wusste sehr genau, wofür ich mich damit entschieden habe. Der FC ist anders als die meisten anderen Bundesliga-Clubs. Wechsel sind dort nicht an der Tagesordnung und man hat meinen von damals vor allem als Verrat verstanden.“ Er lächelt schwach. „Und das Vertrauen wieder zurückzugewinnen war nicht so einfach. Es war ein steiniger Weg, aber ich würde ihn jederzeit wieder gehen.“ Er kann Mayer ansehen, wie erstaunt dieser über seine Eröffnung ist. Aber warum es nicht ansprechen? Warum nicht und damit allen Gerüchten entgültig ein Ende machen?

„Wow. Das ist doch ungewöhnlich“, sagt Mayer schließlich.

Raphael lacht. „Vielleicht. Aber für mich war das genau richtig.“

„Das hat man an Ihrem Spiel gesehen. In der Rückrunde ging Ihre Formkurve beständig nach oben – genauso die des FC Dortmund. Sehen Sie da einen Zusammenhang?“

Raphael hebt die Schultern. „Ich will mir nicht anmaßen, darüber ein Urteil zu fällen, aber mir kommt es so vor, als wenn der FC und ich einander gut gebrauchen konnten.“

„Ich halte das für untertrieben.“ Mayer lächelt. „Wenn man sich die Spiele ansieht, so hat Ihre Einwechselung meistens den Unterschied gemacht.“

Erneut zuckt Raphael mit den Schultern und lässt sich zu keiner Stellungnahme hinreißen.

„Und was wäre mit der Nationalmannschaft? Jogi Löw nominiert in der kommenden Woche den endgültigen Kader für die Weltmeisterschaft in Südafrika...“

„Wenn er mich dabei haben möchte, werde ich ganz sicher nicht Nein sagen.“ Raphael muss lachen. „Allzu viele Erfahrungen in der Nationalmannschaft habe ich in der WM-Qualifikation ja nicht sammeln können. Es wäre sicher spannend, aber ich spekuliere nicht, sondern warte einfach ab. Machen kann ich ja eh nichts.“

„Und wie wird es bei Ihnen nun weitergehen? Zurück nach Bremen oder bleiben Sie in Dortmund?“

„Der FC hat mich schon im Dezember von Bremen gekauft. Ich bin seit Saisonende vollwertiger Dortmunder.“ Ein warmes Lächeln gleitet über Raphaels Gesicht, das mehr als deutlich macht, wie zufrieden er damit ist.

„Und...?“

„Wie lange der Vertrag läuft?“ Ein spitzbübisches Glitzern tritt in seine Augen. „Acht Jahre mit Option auf Verlängerung.“

„Wow!“ Mayer starrt ihn mit kugelrunden Augen an. Derartige Laufzeiten sind schließlich bei Bundesligavereinen absolute Seltenheit.

„Ich werde also vermutlich in Dortmund spielen, bis ich meine Karriere an den Nagel hänge. Aber ich habe noch eine Überraschung für Sie. Der Vertrag mit unserem Trainer Knieschewski wurde um zehn Jahre verlängert...“

„Das heißt...“ Mayer will gerade weiterreden, doch Raphael unterbricht ihn erneut.

„Dass er beim FC bleiben wird, bis er nicht mehr weitermachen will. Und glauben Sie mir, bei uns geht man noch wirklich gemeinsam durch alle Höhen und Tiefen.“

Nach diesen Worten weiß Mayer nichts mehr zu fragen, außerdem wird die Zeit langsam drängend. Also geht es zum unvermeidlichen Torwandschießen.

Sobald das Team erfahren hatte, dass Raphael heute hier sein würde, haben sie mit ihm gewettet. Bei sechs Treffern gibt es ein 3-Sterne-Abendessen für Julian und ihn, bei weniger zahlt er eine Lokalrunde in ihrem Lieblingsclub. Aber im Moment läuft alles so gut, dass er gar nicht verlieren kann. Und so versenkt er das Leder ganz lässig dreimal unten und dreimal oben.

Doch auch wenn gerade alles so perfekt ist wie in einem Märchen, so vergisst er nicht, wie es sich anfühlt, wenn alles schief geht. Das wird er nie vergessen. Er genießt das Glück, aber er weiß auch, dass er damit zurechtkommen wird, wenn wieder schlechte Zeiten kommen werden. Er kann auch sich selbst vertrauen und er hat Freunde. Freunde, von denen er weiß, dass er sie nicht nur für 90 Minuten auf dem Rasen hat, sondern für ein ganzes Leben lang.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Yuiki
2014-06-30T13:02:46+00:00 30.06.2014 15:02
Das war einfach wundervoll :)
Genau die richtige Mischung aus tollem Sport, verlässlicher Freundschaft und Telenovelamäßigen Beziehungskisten x3
Und das Ende war einfach überwältigend! In letzter Zeit geht der Trend ja leider bei vielen Autoren sehr in Richtung offenes Ende weil das mysteriöser wirkt und man sich als Autor nicht festlegen muss, daher macht es mich noch glücklicher hier ein wirkliches, volles Happy End zu finden, genau wie ich es mir gewünscht habe :)
*warm and fuzzy feelings*
Das ist befriedigend und erfüllt mich mit Glücksgefühlen x)
Auch wenn ich mir bei Raphael manchmal zwischendrin an den Kopf fassen wollte wie trottelig er sich anstellen kann xD
Aber das gehört wohl dazu..^^
Von:  CandyHolic
2008-07-27T17:31:50+00:00 27.07.2008 19:31
Meine Vorredner haben mir die Worte aus dem Mund genommen.
Das Ende ist wirklich super,ein richtig angenehmer Happy End,
wie man es sich gewünscht hat.Danke für diese wunderbare Geschichte.
Falls du demnächst noch weitere Fußballgeschichten
auf animexx hochlädst, schau ich sie mir unbedingt an.
Von:  Bluey
2008-07-17T17:47:16+00:00 17.07.2008 19:47
So, ich habe feddisch mit lesen^^
die Story ist super geworden, ich hab immer ganz ungeduldig gewartet, bis du wieder ein Stück weiter geschrieben hattest.
Dieses Auf und Ab in Raffaels Leben war ganz großes Kino. Manchma geht das Herz eben verschlungene Wege.
Aber toll, das er sich mit Julian doch noch zusammengerauft hat. Ich hab den beiden die Daumen gedrückt.

Super, du könntest eigentlich noch mehr solcher Geschichten Schreiben.
Greets Bluey
Von:  Hekate4444
2008-07-17T17:11:41+00:00 17.07.2008 19:11
Aaaaaaaaaaahhhh*seelischer Höhenflug*
Mein Internet war für lange Zeit nicht zugänlich da komm ich wieder und lese und lese und aaaahhh es ist toll. So wollte ich das haben. Ich schau bestimmt noch mal zum richtigen kommentieren vorbei^^


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