Satz Nr. 04 - Moldau
Mit einiger Verspätung schicke ich nun auch noch meinen Vorschlag ein.
Es ist etwas persönlicher als die drei vorherigen Geschichten, daher bitte ich um Verständnis. Meine Abiturexamen stehen an - so ist dieser Ausschnitt entstanden.
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Ohne Sprache gab es kein Denken, erinnerte sie sich, irgendwo gelesen zu haben, und versuchte, in ihrem Gehirn nur weisses Rauschen zuzulassen.
Weisses Rauschen ohne Form und Inhalt, ohne Rotation, Winkelgeschwindigkeit oder Funktion, ohne Je vous prie d’agreer, madame, monsieur,… und ohne To be or not to be.
Wenn sie spielte, wollte sie alles andere vergessen. Da gab es nur noch sie und ihre Violine.
Musik befreite sie von ihren beschwerenden Gedanken, die sich nur um Abitur und Stoffrepetition drehten und löste in ihrem Kopf dieses wunderbare Nichts aus.
Ein weisses Rauschen eben, getragen von Klängen und Lautstärke.
Ihre Finger glitten über das Griffbrett und der Bogen rutschte und tanzte über die Saiten. Sie strich, sprang und zupfte, genoss den Augenblick der beinahe absoluten Freiheit.
Dabei spielte es nicht einmal eine Rolle, ob ihr Spiel korrekt war oder nicht. Für sie war es unwichtig, ob sie die Töne auf den Millimeter genau traf oder ob sie die Bogenanweisungen auf dem Notenblatt exakt befolgte.
Sie wollte nur spielen und sich von den Gedanken losreissen, die sie tiefer und tiefer zogen.
Sie in Schlaflosigkeit trieben und sie gleichzeitig so ermüdeten.
Ihr jegliche Fantasie raubten.
Es sollte endlich vorbei sein.