Zum Inhalt der Seite

Assoziatives Schreiben

Kurzgeschichtensammlung
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Satz Nr. 01 - Es gab weder Klingel noch Türklopfer

Es gab weder Klingel noch Türklopfer.

Und auch keinen Briefkasten.
 

Lachlan runzelte die Stirn und warf erneut einen Blick auf den Zettel in seiner Hand.

Tatsache. Es war die richtige Wohnung.

Die blaue Tür vor ihm sah ziemlich massiv aus. Ob der Bewohner dieser Wohnung überhaupt sein Klopfen hören würde?

Unsicher hob der junge Mann die Hand. Er hatte die Tür noch nicht einmal berührt, als sie mit lautem Quietschen aufgerissen wurde und ihm eine monströse Stimme entgegen schrie:

„Was kann ich für Sie tun?“
 

Lachlan öffnete vorsichtig seine Augen wieder, die er bei dem stürmischen Ausbruch reflexartig geschlossen hatte. Eine Frau stand ihm gegenüber.

Und sie trug ein Hochzeitskleid.
 

„Ähm. Ich…“

Er kam gar nicht dazu weiter zu sprechen. Die Braut stampfte auf ihn zu.

„Du störst. Ich möchte nichts kaufen. Verzieh dich!“

Lachlan lächelte schief und schüttelte den Kopf. „Ich bin ein Postbote.“ Entschuldigend wies er auf sein Motorrad mit dem gelben Anhänger, das vor dem Haus brav auf ihn wartete. „Ich verkaufe nichts. Ich möchte Ihnen nur diesen eingeschriebenen Brief bringen und brauche dafür Ihre Unterschrift.“

Er reichte ihr das dicke Kuvert und das Formular mit einem Stift.

Die Frau in Weiss starrte ihn mehr als verwirrt an. Ihre Hochsteckfrisur sah alles andere als professionell aus, denn unzählige Strähnen ihres roten Haares standen ungeordnet nach allen Seiten ab. Sie schien nicht gewillt zu sein das Formular zu unterzeichnen. „Was soll ich damit?“, knurrte sie mit tiefer Stimme.

Lachlan seufzte. „Das ist ein eingeschriebener Brief, den ich ihnen persönlich überreichen muss. Daher die Unterschrift.“

Sein Blick fiel auf das Brautkleid. Überall waren kleine Risse zu sehen, kombiniert mit undefinierbaren braunen Flecken.

Eine seltsame Kundin.

Ihm kam eine Frage auf. „Warum haben Sie gemerkt, dass jemand vor der Tür stand? Es gibt ja keine Klingel und…“ Er biss sich auf die Lippen. Eigentlich ging es ihn ja nichts an. Er war nur der Postbote.

Sie starrte ihn an.

Und hatte immer noch nicht unterschrieben.

„Vergessen Sie die Frage, unterschreiben Sie einfach. Ich muss weiter.“

Er fror und spürte ihren eisigen Blick auf sich. Sie hatte Augen, die wie Gletschereis leuchteten.

„Was steht in dem Brief drin?“
 

Genervt schloss er die Augen um sich zu beruhigen.

„Das weiss ich nicht, ich habe ihn nicht gelesen.“ Er sah ihren überraschten Blick und fühlte sich sofort in seiner Ehre als Postbote verletzt. Er zischte: „Ich bringe die Post nur, ich lese sie nicht!“

Es war ja eines, dass man ihn mit einem dieser Haustürverkäufer verwechselte, obwohl er ständig mit dieser gelben Jacke wie ein Bienchen herumdüsen musste, aber dass man ihn verdächtigte fremde Post zu lesen, war der Gipfel der Unverschämtheit.

Sie reagierte allerdings auf seinen kleinen Ausbruch nicht, sondern überflog kurz das Formular, das er ihr schon vor einer halben Ewigkeit in die Hände gedrückt hatte.
 

Lachlan fuhr sich durch seine schwarzen Haare, kratzte sich am Kopf. Nach einer weiteren Welle des Schweigens meinte er schliesslich: „Wenn Sie nicht unterschreiben, muss ich den Brief wieder mitnehmen.“

Wie ein geängstigtes Kind starrte sie ihn plötzlich mit Riesenaugen an und ihr rundes Gesicht wurde kalkweiss.

„Nein…“ Ihre Stimme, die zuvor noch laut und brüllend geklungen hatte, verlor jegliche Stärke, wurde zu einem leisen Flüstern.

Lachlan wurde immer verwirrter. Was ging hier vor?

„Warum wollen Sie denn nicht unterschreiben?“, fragte er vorsichtig, in der Hoffnung, doch noch bald verschwinden zu können.

Sie trat etwas zurück und hielt noch immer das Formular und den Brief in der Hand.

Zwei Haarklammern fielen aus ihrer Frisur, landeten scheppernd auf dem Steinboden, als sie mit den Schultern zuckte.

Irgendwie sah sie sehr blass aus.
 

„Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“

Die Braut nickte vorsichtig, aber Lachlan hatte den Eindruck, als würde sie noch bleicher werden. Erneut versuchte er, endlich seine Unterschrift zu bekommen und seinen Auftrag erfüllen zu können. „Von wem ist der Brief denn?“

Als hätte er sie erst jetzt auf die Idee gebracht, suchte sie auf dem Kuvert den Absender.

Ihre Hände begannen zu zittern und sie liess den Brief fallen.

„Nicht von ihm…“ Sie schüttelte unwillig den Kopf, zupfte an ihrem Schleier herum.

„Hm…?“ Lachlan trat näher und besah sich den Absender.

Sie murmelte: „Er heisst Matthias, nicht Marc.“ Und dann bildeten sich Tränen in ihren Augen. „Er hat es doch versprochen…“

„Was hat er versprochen…?“, hakte er nach. Zu lange hatte er hier ausharren müssen – nun wollte er auch wissen was hinter der ganzen Sache steckte.
 

Die Rothaarige blickte ihn mit ihren hellblauen Augen traurig an. „Er wollte zurückkehren und mich heiraten.“ Ihre Lippen bebten.

„Es ist wohl zu spät. Er hat mich vergessen…“
 

In Panik sah Lachlan, wie sich die junge Frau vor ihm in Luft auflöste. Sie wurde durchsichtiger, wurde zu Nebel. Wie zu Eis erstarrt blieb er stehen, betrachtete die Stelle, an der sie zuvor noch gewesen war.

Ein kalter Wind blies durch das Haus und der Postbote zog irritiert den Jackenkragen höher.

Der Brief und auch sein Formular waren verschwunden.

„Und mein Lieblingskugelschreiber…“, grummelte Lachlan.

Er drehte sich um und verschwand rennend aus dem Haus.

Gruselgeschichten waren definitiv nicht nach seinem Geschmack.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (11)
[1] [2]
/ 2

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  IchBinLiebe
2008-05-05T14:56:09+00:00 05.05.2008 16:56
hier bei deiner ff weiß ich nicht so ganz was ich sagen bzw. wie ich es ausdrücken soll^^°

auf jdenfall gefiel mir das kap sehr gut es war mystisch und jagte mir gegen ende einen klaten schauer über den rücken auch war es sehr traurig^^



Zurück