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Es tevi mīlu

von

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Atzīšanās

Warum habe ich das getan?

Ich verstehe es nicht... ich verstehe mich nicht!

Egal, wie ich versuche, es mir zu erklären, so kann ich es einfach nicht. Ich hatte nicht mal im Ansatz einen Grund, so zu reagieren, wie ich es getan habe. Ganz im Gegenteil! Eigentlich bin ich ihm doch sogar dankbar... Und ich weiß doch, dass er es nicht für Sex tut – nicht mehr. Wir haben uns angefreundet...

Er ist doch mein Freund!

Wie konnte ich ausgerechnet ihn, der mir so sehr geholfen hat, so vor den Kopf stoßen?
 

Ich bleibe in meinem Auto sitzen bis es vollkommen ausgekühlt ist und ich nicht mehr damit aufhören, mit den Zähnen zu klappern. Also verkrieche ich mich für weitere Selbstvorwürfe in meiner kleinen Wohnung.

Einer meiner ersten Wege führt mich zum Anrufbeantworter. Vielleicht hat er ja....

Natürlich nicht.

Traurig sinke ich vor dem Telefon nieder.

Wieso habe ich das getan?

Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen. Ehrlich gesagt weiß ich nicht einmal mehr, was ich alles zu ihm gesagt habe... ich weiß nur noch, dass es ziemlich gemein war!

„Pah!“, stoße ich aus.

Von wegen gemein! Die Untertreibung des Jahrhunderts! Ich habe ihn beschimpft, habe ihm Sachen unterstellt, deren Wahrheit ich doch eigentlich kenne.

Wie konnte ich nur so verflucht blöd sein?
 

Wie Stunden kommt es mir vor, die ich einfach nur da sitze, bevor mir irgendwann wieder einfällt, weshalb ich eigentlich so sauer gewesen bin. Dass ich sogar den Grund vergessen habe, weshalb ich Andris so fertiggemacht habe, spricht nicht gerade für mich...

Mit dem Gefühl, schon wieder heulen und toben zu wollen, stehe ich auf, strecke meine steifen Glieder. Ich trotte ins Bad, statte der Dusche einen Besuch ab. Zitternd stehe ich unter dem heißen Wasser und höre Bruchteile von dem, was ich zu ihm gesagt habe.

Wie konnte ich ihn nur als Schwuchtel bezeichnen?

Wie konnte ich sagen, dass er nur Sex will?

Wieso habe ich das getan?

Ich strecke mein Gesicht den Wasserstrahlen entgegen, als könnten sie mich reinigen, mir die Schuld abwaschen... aber das klappt natürlich nicht. Stattdessen beginne ich zu husten, als das Wasser durch meinen geöffneten Mund meine Luftröhre herunter laufen will.

Ich drehe das Wasser ab und entsteige der Dusche. Noch immer zitternd schlinge ich den Bademantel um mich. Teilweise noch nass bis auf die Knochen gehe ich ins Schlafzimmer, lasse mich dort aufs Bett fallen und vergrabe meinen Kopf in einer der Decken.

Dunkelheit hüllt mich ein und ich lasse mich fangen. Mit ihr versuche ich die Bilder aus meinem Kopf zu vertreiben, die Erinnerungen an die ungerechtfertigte Wut, das Gefühl des höllischen Schmerzens.

Es gelingt nicht, aber irgendwann schlafe ich ein.
 

Mitten in der Nacht werde ich wieder wach, hellwach. Geschlafen, obwohl ich es gar nicht wollte, ist nun mein Schlafpensum erfüllt und ich schaffe es nicht mehr, auch nur ein Auge zuzutun. Stattdessen starre ich lange einfach nur in die Dunkelheit und versuche, nicht nachzudenken... bis ich eine Träne aus meinem Auge rinnen fühle.

Dies Gefühl verdrängend, rapple ich mich auf, ziehe mich an und verlasse meine Wohnung, nur mit einem Apfel bewaffnet, den ich in großen Bissen hinunterschlinge.

Ich beginne in der Straßenlaternendunkelheit zu joggen.

Vor meinem Abi habe ich das fast täglich getan. Gegen Ende bin ich jedes Mal fast 10 Kilometer gelaufen, ohne müde zu werden... wieso habe ich eigentlich damit aufgehört?

Ich strecke den Kopf in die frische Luft und ziehe den Geruch des nassen Asphalts in mich ein. Ich mag das.

Kurz darauf wird er durch frischeren Geruch ersetzt, als ich in den Park komme.

Der Kies knirscht unter meinen Sohlen und ist ein angenehmes Geräusch in der verfluchten Stille. Kaum etwas anderes ist zu hören außer hier und da ein Auto.

Wieso bin ich eigentlich nie nachts joggen gegangen? Es ist ziemlich angenehm...

Bereits am Ende des Parks geht mir langsam die Puste aus. Wissend, dass dies noch nicht mal ein Viertel meiner früheren Strecke war, drehe ich um, langsamer als zuvor.

Ich sehe mich um, fast alles ist schwarz.

War es im Sommer, dass ich mit Andris hier war? Ich glaube schon... zur Prüfungszeit, als er mich für Grundlagen Nachrichtentechnik vorbereitete.

Wir haben so viel gelacht...

Mit dem bitteren Schmerz der Gewissheit, dies kaputtgemacht zu haben, versuche ich mich auf andere Dinge zu konzentrieren, doch fällt mir nur die andere Person ein, die mir nicht weniger Kopfzerbrechen bereitet...

Eine Zeit lang war er mit mir joggen, auch in diesem Park. Ich war mir nie einig, ob ich es lieber mochte, wenn er dabei war oder ich alleine ging. Für die Einsamkeit sprach die Zeit des Nachdenkens, aber ebenso sprach dies auch dagegen...

Den Kopf schüttelnd, wie um all diese Erinnerungen loszuwerden, verlasse ich den Park wieder. Immer langsamer werden meine Schritte, je weiter ich meinem Ursprung komme, doch ich weiß, dass ich weiterlaufen muss... wenn ich jetzt anhalte, breche ich zusammen.

Im stehenden Gehen schließe ich die Haustür auf, jogge die Treppe hinauf, und höre erst in meiner Wohnung auf, meinen Beinen den Befehl zum Bewegen zu geben.

Ich sinke in mein Bett, wie schon zuvor, und hoffe nun irgendwie die nächsten Stunden herumzubekommen, ohne viel Nachdenken zu müssen...
 

~ * ~
 

„Was... machst du denn schon hier?“, werde ich aus großen Augen angesehen, fünf Stunden nach meiner Joggingtour.

Ich grinse Nina an und zucke mit den Achseln.

„Auf euch warten?“

Sie greift mir an die Stirn.

„Okay...“, sagt sie dann langgezogen und lässt sich neben mir fallen. „Was ist los?“

„Nichts, was soll sein?“, streite ich ab, schaffe es aber nicht, sie lange anzusehen. Ob sie noch an gestern denkt?

„Seit dem ersten Semester warst du nicht mehr vor uns bei irgendeiner Vorlesung...“

„Es geschehen noch Zeichen und Wunder“, zwinkere ich, obwohl mir nicht danach zu mute ist.

„Scheint so.“ Ihr Blick ist noch immer skeptisch, wird dann aber von Florian in Besitz genommen, der durch die Tür tritt.

Er sieht mich ebenso ungläubig an.

„Hast du ihn bestochen?“, deutet er auf mich und sieht Nina an, die lachend den Kopf schüttelt. „Bist du krank?“, wendet er sich dann mir zu.

„Ihr seid doch echt gemein!“, schmolle ich gespielt. „Da ist man mal pünktlich...“

„Nicht man, DU!“ Florian sieht mich amüsiert an und lässt sich dann endlich neben Nina nieder.

Ich beobachte ihn aus den Augenwinkeln. Er fragt sich sicher noch, was gestern mit mir los war...

„Hast du noch ein Sudoku für mich?“, frage ich, um die Gedanken loszuwerden.

Zwei ungläubige Augenpaare schauen mich an.

„Er ist krank!“, kommt es im Chor.

„Eindeutig!“, nickt Nina, dies unterstreichend.

„Ach, seid doch still. Also?“

„Ja, warte.“

Florian holt seine Tasche hervor und hält mir zwei Blätter hin. Dankbar nehme ich sie an.

Anschließend lasse ich mich in ein Gespräch verwickeln, zumindest bis der Professor den Raum betritt und Stille einkehrt.

Ich wende meinen Blick der Tafel zu, merke aber recht schnell, dass ich mich wie erwartet nicht konzentrieren kann. Schon wieder wandern Bruchstücke meines Streits mit Andris durch mein Hirn... Ich höre förmlich meine schrecklichen Worte... sehe seinen mir zugedrehten Rücken, als er mich hinausschickte... seinen Blick am Fenster...

Schnell greife ich nach meinem Stift und beginne, Zahlen zu finden. Doch es ist schwierig, sich wirklich darauf zu konzentrieren, wenn die eigenen Gedanken doch eigentlich einen ganz anderen Weg einschlagen wollen.

Aber ich will es nicht! Ich will nicht darüber nachdenken, dass ich einen Freund verloren habe... und dass es ganz alleine meine Schuld ist!

Aber könnte ich nicht hingehen und mich entschuldigen?

Energisch setze ich den Stift erneut auf.

Auch darüber will ich nicht nachdenken!
 

„Du bist aber nicht sehr weit gekommen...“, deutet Nina auf mein oberes Blatt.

Nur ein Sudoku ist gelöst, bei dem zweiten habe ich irgendwann aufgehört... und ich muss zugeben, ich hab es eigentlich noch nicht mal wirklich gemerkt.

Ein dumpfer Schmerz sitzt mir in den Knochen, als ich aufstehe, und ich weiß, dass er nicht vom Joggen kommt.

„Ich weiß schon, warum ich’s nicht mag“, kommentiere ich und füge in Gedanken hinzu: Es fesselt mich nicht genug.

Dennoch stecke ich die Blätter in meine Tasche und folge meinen beiden sich lachend unterhaltenden Freunden aus dem Saal heraus.

„Bäcker?“, fragt Nina, zwischen uns herum sehend. „Ich könnte nen Kaffee gebrauchen.“

„Bin dabei!“, verkündet Florian und ich nicke gezwungenermaßen.
 

Beim Bäcker in eine Ecke sitzend, unterhalten Nina und Florian sich fast pausenlos und ich versuche, dem zu folgen. Während ich an meinem Kaffee nippe, sehe ich unschlüssig zwischen ihnen hin und her.

Wie schafft er es bloß, so normal mit ihr umzugehen? Ich weiß nicht, ob ich das könnte, wenn ich ihm meine Gefühle gebeichtet hätte... Okay, aber Nina macht es einem auch sehr leicht.

Ich sehe in ihr lachendes Gesicht mit den winzigen Sommersprossen.

Was hat sie bloß, dass ihn so anzieht?

Klar, sie ist hübsch und nett... aber wie er schon sagte, eigentlich ist sie gar nicht sein Typ – zumindest glaube ich das.

Um sie nicht zu lange anzustarren, sehe ich aus den Augenwinkeln zu Florian. Seine Augen strahlen während er spricht und gestikuliert.

Worüber reden sie eigentlich?

Ich kann dem nicht folgen...

Versunken in die Betrachtung von Florians Augen und den Vergleich zu Andris' Dunkelbraunen anstellend, merke ich nicht, dass das Gespräch verstummt. Erst eine Berührung auf meiner Hand lässt mich meinen Gedanken entkommen und fast verschütte ich meinen Kaffee über meiner Hose.

„Geht es dir gut?“, trifft mich Florians besorgter Blick. „Du bist ganz blass...“

„Mir geht es gut!“ Hektisch springe ich auf, wende mich ab, spüre, wie meine Wangen garantiert nun nicht mehr so blass sind.

Ich stelle meine halbvolle Tasse in die Abgabe und trete ins Freie. Fest ziehe ich die kalte Luft ein und versuche, ruhig zu werden. Schwer ist dies, da mich sofort wieder etwas an der Schulter berührt.

„Irgendwas stimmt doch nicht mit dir. Du bist schon seit ein paar Tagen so komisch.“

„Bild dir doch nichts ein!“, fahre ich Florian an und dann trifft mich Ninas Blick. Ihren besorgten Augen sehe ich an, dass sie mehr als nur eine vage Ahnung davon hat, was los mit mir ist.

„Lasst uns gehen, sonst kommen wir zu spät“, setze ich mich in Bewegung, um dem zu entkommen.
 

Nach den heutigen Vorlesungen und als Florian sich verabschiedet hat, fragt Nina mich, ob ich noch etwas mit ihr machen will. Ich sehe sie an, sehe den Blick, der einen Teil schlechten Gewissens verrät, und lehne ab.

„Ich hab noch was vor“, lüge ich.

„Oh, schade... mit diesem Photonik-“

„Andris!“, unterbreche ich sie, während es mir einen Stich in die Brust gibt. Dann schüttle ich den Kopf und sehe demonstrativ auf die Uhr. „Nein, aber ich muss jetzt los.“

„Okay.“

Ich werde kurz in die Arme geschlossen und dann drehe ich mich um, zum Flüchten.
 

Der restliche Tag vergeht, wie der letzte geendet hat: mit Selbstvorwürfen, Liebeskummer und noch mehr Selbstvorwürfen. Um dies nicht bis in alle Ewigkeit weiterzutreiben, zwinge ich mich, endlich wieder etwas für die FH zu tun. Immerhin muss die Aufgabe bis Freitagnacht abgegeben sein...

So also vertiefe ich mich in den Programmiercode und versuche, meinen Kopf nur auf Problemstellung und -lösung zu konzentrieren. Doch weichen meine Gedanken nur allzu oft davon ab, weshalb ich nach fünf Stunden noch immer nicht sehr viel weiter gekommen bin.

Fluchend stehe ich auf, um mir etwas zu essen zu machen.

Während ich das Fleisch kleinschneide und anbrate, kommen natürlich noch mehr Gedanken in mir auf, und beim Kartoffelschälen schneide ich mir in den Daumen.

Wie lange soll dass denn jetzt so weiter gehen?
 

Später im Bett schaffe ich es nicht, einzuschlafen.

Eigentlich bin ich mir darüber im Klaren, dass es ganz und gar nicht so weitergehen kann. Es gibt zwei Dinge, die ich hinter mich bringen muss: zum einen sollte ich Florian trotzdem meine Gefühle gestehen, und zum anderen muss ich mich bei Andris entschuldigen.

Wieso ich letzteres noch nicht getan habe?

Mehrere Gründe, eigentlich... und doch zwei ganz einfache: Scham und Angst.

Zum einen ist es mir unglaublich peinlich, wie ich mich aufgeführt habe, wie ich mich so gehen lassen konnte... doch ich weiß auch, dass das nicht wirklich ein Grund ist, dass er mich schon viel peinlicher erlebt hat... dass es alles doch nur an meiner Angst hängt.

Ich habe Angst, dass er mir nicht verzeihen wird.

Bei dem, was ich zu ihm gesagt habe, könnte ich ihm nicht verübeln, wenn er nichts mehr mit mir zu tun haben will. Ich war doch ohnehin nicht gerade eine Bereicherung für ihn...

Wahrscheinlich ist er froh, mich los zu sein.

Bei diesem Gedanken grabe ich mich instinktiv tiefer in die Decken ein und versuche, mich von dem trauernden Schmerz in mir loszuringen... versuche, mich auf eine andere Frage zu konzentrieren.

Sollte sie jetzt nicht viel wichtiger sein?

Sollte ich mich nicht die ganze Zeit fragen, was ich nun mit Florian machen werde?

Was würde geschehen, wenn ich ihm jetzt die Wahrheit sagen würde?

Würde er es verstehen?

Würde er mich hassen?

Werde ich noch einen Freund verlieren?

Nein. Das kann ich mir nicht vorstellen... komischerweise weniger als je zuvor. Ob das daran liegt, weil er jetzt den Schmerz der unglücklichen Liebe kennt und wahrscheinlich unendlich froh ist, dass Nina so normal mit ihm umgeht?

Wahrscheinlich.

Ich wühle mich im Bett herum, bleibe mit allen Vieren von mir gestreckt auf dem Rücken liegen, eigentlich todmüde und doch hellwach.

Ich beschäftige mich mit den Gedanken, was es mir für Vorteile bringen könnte, wenn ich es Florian sage, nun da ich weiß, dass nicht das, was ich mir wünsche, dabei herauskommen kann.

Es kann mir helfen, loszulassen, würde Andris wahrscheinlich jetzt sagen.

Mehr nicht?

Obwohl... ist das nicht genug?

Ich werde einfach endlich loslassen können...
 

~ * ~
 

Am nächsten Tag schaffe ich es wie gewohnt, mich zu verspäten. Ich werde mit den Worten empfangen, dass wohl alles wieder normal ist, und zucke daraufhin die Schultern. Während der Vorlesung zwinge ich mit meinen Gedanken an einem ganz bestimmten Punkt fest: dem Geständnis.

Keine Ahnung, warum so plötzlich, aber irgendwas in mir sagt mir, dass es endlich geschehen muss.

Allerdings... So sehr ich auch gestern Abend darüber nachgedacht habe, es zu tun, weiß aber doch immer noch nicht wie.

„Hey Florian, ich bin schwul und in dich verliebt!“ - Viel zu plump und zu direkt...

„Florian, ich muss mit dir reden. Ich stehe auf Männer!“ – Besser, aber auch nicht das Wahre...

Aber was dann? Ihn einfach küssen? Oder ihm eine Mail schreiben?

Alles Schwachsinn, purer Schwachsinn!

Wie gerne ich doch Andris fragen würde, seinen Rat suchen... er wüsste bestimmt eine Lösung...

Ohnehin würde ich so gerne mit ihm reden.

Traurig sacke ich noch mehr in meinem Sitz zusammen, krakle auf dem Blatt herum und versuche, weiter an das Geständnis zu denken.

Ich vermisse ihn.
 

Als Florian, Nina und ich nach der Vorlesung zum Mittagessen in die Mensa gehen, gleitet mein Blick wie üblich über alle Sitze hinweg – dabei suche ich ihn doch gar nicht!

Irgendwie erleichtert, ihn nicht entdeckt zu haben, lasse ich mich mit meinem Tablett nieder. Ich habe einfach keine Ahnung, wie ich ihm gegenübertreten soll, wenn ich ihn das nächste Mal sehe...

Es ist der Moment, als ich den Blick hebe, um Florian lächelnd auf seine Frage zu antworten, als ich an ihm vorbei zum Nebentisch blicken kann: Dunkelbraune Augen treffen auf meine und ich habe das Gefühl, einen Baumstamm in den Magen gerammt zu bekommen.

Klappernd fällt mein Besteck aufs Tablett und erschrocken dem Geräusch folgend, wende ich kurz die Augen ab. Als ich sie wieder hebe, ist Bewegung am Nachbartisch aufgekommen. Ich sehe gerade noch, wie Andris sich mit finsterem Blick, wie ich ihn noch nie bei ihm gesehen habe, abwendet und davongeht.

Am liebsten würde ich ihm hinterher schreien, doch meiner Kehle entweicht kein Laut.

Ich habe das Gefühl, zu ersticken.
 

Den restlichen Vorlesungstag lang ist jeglicher ernste Gedanke an das Geständnis Florian gegenüber wie ausgelöscht. Stattdessen bin ich damit beschäftigend, jegliche Gedanken an Schuldgefühle zu verdrängen und gleichzeitig in Trauer um den Verlust dieser wichtigen Freundschaft aufzugehen.

Hat mir sein Blick heute gezeigt, dass er nichts mehr mit mir zu tun haben will?

War ich doch nur für das eine gut?

Hat er mir seine Freundschaft nur vorgegaukelt?

Wieso tut es bloß so sehr weh?

Es ist schwer, sich zu zwingen, nicht darüber nachzudenken. Noch nicht mal das Geständnis schafft es, mich voll und ganz abzulenken. Zwar gehe ich verschiedene mögliche Worte durch, doch immer wieder spüre ich das Verlangen, Andris danach zu fragen... und kurz danach kommt das Stechen zurück, welches mir klar macht, dass es vorbei ist...

So also komme ich zu keinem sinnvollen Geständnis, egal wie lange ich grüble. Ich kann mich einfach nicht konzentrieren...

Dennoch frage ich Florian am Ende der letzten Vorlesung, wann er heute frei hat. Ich müsse mit ihm reden, ist meine Begründung, und zu meiner Erleichterung stimmt er zu.
 

Die Stunden bis zum Abend scheinen schleichend zu vergehen. Immer und immer wieder gehe ich nun mit mir selbst aufgezwungener Konzentration durch, was ich zu Florian sagen könnte, ohne doch eigentlich zu einem Ergebnis zu gelangen. Irgendwie bin ich nicht genug bei der Sache. Aber wieso nicht? Heute ist so ein wichtiger Tag!

Meinen Schrank zerwühlend, versuche ich mich auf die Klamottenwahl zu konzentrieren, was auch nicht funktionieren will. Dann irgendwann klappt gar nichts mehr und ich muss wieder an Andris denken... Was er wohl denken würde, wenn ich ihm sagen würde, dass ich es Florian heute endlich sagen werde.

Ein Lächeln strafft meine Lippen.

Wahrscheinlich würde er mich beglückwünschen!

Nein.

Das Lächeln verschwindet augenblicklich wieder.

Wahrscheinlich ist es ihm mittlerweile egal.

Ich schüttle den Kopf, will diese Gedanken von mir schleudern. Sie haben hier nichts zu suchen, jetzt geht es nur um Florian und mich!

Endlich die Klamottenwahl getroffen, schlüpfe ich ganz langweilig in Jeans und Shirt und warte eine endlose Zeit darauf, endlich losgehen zu können.
 

Vor Florians Wohnungstür angekommen, fühle ich mich grässlich. Mein Magen rumort, als wolle er alles, was ich je gegessen habe, von sich stoßen, und irgendwie ist mir schwindelig.

Nun also soll auch über meine andere Freundschaft entschieden werden?

Ich drücke die Klingel, mit allem Mut, den ich noch irgendwo verscharrt habe. Sofort wird geöffnet.

„Da bist du ja!“, grinst Florian und lässt mich rein.

Nervös gehe ich ins Wohnschlafzimmer und lasse mich aufs Sofa sinken.

„Was gibt es?“

„Ich muss mit dir... reden...“

„Das klingt nicht gut“, grinst er und am liebsten würde ich ihm das Grinsen aus dem Gesicht schlagen.

„Ist es auch nicht“, lasse ich den Kopf sinken und starre auf meine verschlungenen Hände. Ich muss direkt zur Sache kommen! Jetzt oder nie! „Es geht um... um meine Gefühle... für dich“, werde ich zum Ende hin immer leiser.

„Ich verstehe nicht?“, kommt es verwirrt.

„Ich...“ Ich schlucke den Kloß in meiner Kehle herunter, schließe die Augen.

„Er wird dich nicht hassen, bestimmt nicht. Dafür mag er dich zu sehr.“

Genau höre ich Andris’ Worte in meinem Kopf und fast wünsche ich ihn zu mir. Jetzt seine Hand halte, seine Wä-

„Lukas?“

Ich zucke zusammen, sehe Florian an.

Konzentration!, schreie ich mich innerlich an.

Wieder öffne ich die Lippen zum Sprechen. Bring es endlich hinter dich, verdammt!

„Seit mehr...“ Meine Stimme zittert, doch ich kann nichts dagegen tun. „Seit mehr als drei Jahren... liebe ich dich.“

Es ist raus.

Ich kneife die Augen zusammen und verkrampfe meine Hände, auf den großen Ausbruch wartend. Doch er bleibt aus. Stattdessen ist es vollkommen still.

Ich blinzle, sehe zunächst meine Hände, hebe dann aber meinen Blick. Florians ist starr. Nur ein wenig überrascht, nur mäßig erstaunt... zumindest deute ich es genau so.

Dafür spricht wohl aus meinem Blick die Ungläubigkeit. Wüsste ich es nicht besser, würde ich schon fast bezweifeln, etwas gesagt zu haben.

Ich springe auf, Florians Blick folgt mir.

„Hast du mich nicht gehört?“, frage ich verzweifelt.

„Doch...“, kommt es langsam.

„Ich... aber wieso... ich will doch...“

Florian steht nun auch auf und sieht mich an. Was erwartet er denn jetzt von mir, verdammt? Er kann doch nicht einfach so da stehen!

„Schrei mich an! Werd wenigstens sauer...“, bringe ich heraus. Ich packe ihn am Arm, sehe ihm fest in die Augen. „Wenn du es nicht tust, kann ich mich nicht entschuldigen! Dann kann ich dir nicht sagen, wie leid es mir tut!“

Pure Verzweiflung spricht aus mir, zusammen mit meiner Angst. Ich beginne zu zittern, habe das Bedürfnis, ihn zu schlagen oder wegzurennen. Natürlich tue ich nichts davon.

Im nächsten Moment zieht er mich an sich.

Vollkommen erstarrt lasse ich es geschehen. Sein Kopf vergräbt sich an meinem Hals.

„Seit drei Jahren?“, fragt er mich brechender Stimme.

Ich nicke, traue mich, die Arme auf seinen Rücken zu legen, als er seinerseits seine Finger in meinem Pulli vergräbt.

„Wieso sagst du es mir erst jetzt?“

„Ich... aus Angst.“

„Wovor?“

„Dass du mich... hassen könnest.“

Der Griff wird stärker.

„Wie könnte ich dich je hassen? Doch nicht deshalb... nicht deshalb...“

Nun vergrabe ich meinen Kopf in seinen Haaren, ziehe ihren Duft ein, klammere mich stärker an den festen Körper.

Er hasst mich nicht!, erfüllt es meinen Kopf. Und es war gar nicht so schlimm. Andris hatte Recht... und das werde ich ihm noch nicht mal sagen können.

Ich kann nicht anders, als die Lippen kurz zu einem traurigen Lächeln zu verziehen, bevor ich mich noch fester in die Umarmung lehne.

Es ist, als wäre mir der gesamte Grand Canyon vom Herzen gefallen.
 

ENDE KAPITEL 5



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Kommentare zu diesem Kapitel (12)
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Von: abgemeldet
2008-10-12T19:33:34+00:00 12.10.2008 21:33
*sprachlos ist*
OMG. Alles schlechte hat auch etwas gutes. Nun, aber ich muss jetzt noch wissen ob, oder viel eher wann, bei Lukas der Groschen fällt!
Von:  midoriyuki
2008-06-08T10:37:44+00:00 08.06.2008 12:37
*text anstarr*
Das ist genial o_o
Im Ernst ich bin grad wirklich geplättet...Das is omg ich lieeebe Lukas*_*
Das ist wirklich total toll geschrieben und die Storyline ist super*_*
*fan desu*
Also zack auf die Favo-Liste und ich freu mich schon aufs nächste Kapitel*___*
lg

Von:  Mel_Vineyard
2008-06-06T17:04:59+00:00 06.06.2008 19:04
so jetzt hat er das endlich hinter sich!
und was ist mit andris?

Mel
Von: abgemeldet
2008-06-06T16:30:10+00:00 06.06.2008 18:30
Nicht deshalb hassen? Warum dann? DAs bringt mich jetzt zum grübeln... Die Szene mit Andris und dem Baumstamm finde ich toll, heftige Gefühle. Ich kann mir die Augen und den Zorn richtig vorstellen. Sowie beim Sex and the City Film wo Carrie Big die Rosen um die Ohren haut und sagt `Das du mich so demütigst!` seufz...hihi. Da hab ich noch dran zu knabbern. Ansonsten finde ich gut das Lukas sich beruhigt hat und sich durchringt das zu tun was er seit drei Jahren tun will. Einsicht ist der beste Weg zur Bessserung. Das nimmt eine Last von der Seele. bin gespannt was Florian jetzt fühlt und denkt und will.
Von:  UmbrellaXD
2008-06-06T14:44:19+00:00 06.06.2008 16:44
Q_________Q

so schön.. und traurig.. und schön... und wieder traurig...
und ich hab das gefühl ich schrieb in jedem kommi dasselbe XDD
...
...
ich glaub es wird zeit, dass cih die ff als favo speicher ° A °;

<3
Von:  RayDark
2008-06-06T14:43:08+00:00 06.06.2008 16:43
Oh mann... zumindest ist das Geständnis jetzt raus, jetzt muss sich Lukas nur noch um die Entschuldigung kümmern und ich hoffe Andris verzeiht ihm... auch wenn es schwer ist - sehr schwer...
Von:  Yumicho
2008-06-06T14:22:20+00:00 06.06.2008 16:22
Ist das traurig :(
Ich hoffe, dass alles wieder gut wird... Zwischen Andris & Lukas.. mein ich jetzt. ._.
-nod-

Mal wieder tolles Kapitel :)
LG
Von: abgemeldet
2008-06-06T13:22:29+00:00 06.06.2008 15:22
Also, damit hätte ich jetzt gar nicht gerechnet. Das Kapitel ist wieder sehr gut gelungen. Ich mag es, wie du die Wendungen einbaust. Nur der arme Andirs tut mir leid. Hoffen wir mal, dass das wieder gut wird. Und das Lukas sich so schlecht fühlt, hat er wirklich verdient. So geht man nunmal auch nicht mit Freunden um. Na ja, es freut mich dafür aber das Florian so gut reagiert hat. Vielleicht wird ja alles noch gut.
Von:  Rees
2008-06-06T12:51:54+00:00 06.06.2008 14:51
hallöchen^^
man das war mal wieder was. dieses geständnis. es war ja irgentwie klar, dass flo nich sauer ist, oder so. ich bin gespannt wie es mit den beiden weiter geht.
ich hoffe, dass lukas noch lange schuldgefühle hat. die hat er auch wirklich verdient. andris tut mir immer noch so leid. die szene mit der kantine war schon hart. aber er hat es wirklich nicht anders verdient.
ich hoffe ja immer noch, dass lukas mit andris ne beziehung anfängt.
freu mich auf das nächste kap
lg Rees
Von: abgemeldet
2008-06-06T12:07:32+00:00 06.06.2008 14:07
Oh bitte bitte bitte bieg das mit Andris wieder hin! Das mit dem Geständnis hat geklappt und jetzt wird er es doch hinbekommen, sich für die äußerst dämlichen Äußerungen gegenüber Andris zu entschuldigen! BIIIITTE! Ich mag Andris viel zu sehr, als das ich ihn jetzt immer nur ärgerlich erleben will...
Aber ich glaube es ist mal an der zeit für ein allgemeines Lob: Die FF ist genial! Ich freue mich jedes Mal riesig, wenn ich sehe, dass du was neues hochgeladen hast :) So, das musst einfach mal raus^^
LG cada :)


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