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Save me from the dark

ShinichixShiho
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Sorry das ihr so lange warten musstet. Ich hoffe das Kapitel entschädigt euch ein bisschen dafür. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hier kommt nun das letzte Kapitel von "Save me from the Dark". Aber keine Sorge! Es ist noch nicht ganz vorbei. Es folgt in den kommenden Monaten noch ein netter kleiner Epilog, damit ihr wisst, ob Shinichi und Shiho nun ein Happy End bekommen oder nicht.
Jetzt bedanke ich mich erst einmal bei allen Kommischreibern. Ihr seit die besten ♥ Und wünsche euch nun ganz viel Spaß beim lesen. Komplett anzeigen

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Tödliche Heimkehr

“Heute wurde der berüchtigte Serienmörder Takuma Takojaka, welcher dafür berüchtigt ist, Firmenchefs weltweit erfolgreicher japanischer Firmen zu töten, endlich gefasst.“
 

Die Stimme der Reporterin, welche aus dem alten Röhrenfernseher drang, hallte in dem großen und leeren Raum wieder. Das flackernde Bild von duzenden Polizeiautos, die sich hinter der hübschen Reporterin sammelten, war die einzige Lichtquelle in dem pechschwarzen Raum. Das, und das letzte Glimmen einer Zigarette, die gerade in einem Aschenbecher ausgedrückt wurde.
 

„Seit Jahren schon versuchte die Polizei in ganz Japan diesen Verbrecher zu fassen, nun ist es ihnen dank der Hilfe des berühmten Jungdetektivs Shinichi Kudo endlich gelungen.“
 

Ein kleines Feuerzeug erhellte den Raum einen winzigen Moment, während die hübsche Reporterin im Fernsehen an einigen der Polizeiautos vorbei ging und sich auf den Weg zu einem jungen Mann machte, der wohl kaum älter als 23 sein konnte. Das Licht des Feuerzeugs bot kurz die Möglichkeit, einen Blick auf den kleinen Raum zu erhaschen. Doch mehr als eine alte Matratze auf dem Boden, ein abgenutzter Sessel und der alte Fernseher war nicht zu erkennen. Nur die Umrisse eines Mannes, der in dem Sessel Platz genommen hatte und sich nun eine neue Zigarette anzündete, waren kurz zu sehen.
 

„Shinichi Kudo war bereits mit stolzen 17 Jahren dafür bekannt, ein sehr talentierter Schülerdetektiv zu sein. Ganz plötzlich verschwand er einige Zeit und es gab bereits Gerüchte, er sei umgekommen. Doch vor vier Jahren tauchte er plötzlich wieder auf und es stellte sich heraus, dass er längere Zeit eine Verbrecherorganisation beobachtet und verfolgt hatte, hinter der sogar FBI und CIA schon her waren.“

Die Begeisterung die in der Stimme der Reporterin mitschwang, ließ verlauten, dass auch sie Fan des jungen Detektivs war. Endlich kam sie auch bei dem jungen Mann mit den braunen Haaren an, der eben noch in einem Gespräch mit einem Polizisten war.
 

Er stellte sich als Shinichi Kudo vor, eben jener Detektiv, der auch diesen Fall wieder grandios gelöst hatte. Er musste einige Fragen beantworten und beendete das Interview schließlich mit seinem Standartsatz.
 

„Es gibt nur eine Wahrheit und ich finde sie.“
 

Der Mann vor dem Fernseher schnaufte verächtlich und drückte auch diese Zigarette in seinem überfüllten Aschenbecher aus, während die Kamera noch einmal auf die junge Frau schwenkte, die in Begleitung des Detektivs war. Diese stellte sich als Shinichis Ehefrau Ran Kudo heraus, welche ihn, laut der Reporterin, häufiger zu seinen Fällen begleitete.
 

„Wir sind jedenfalls sehr gespannt, wie die Erfolgsserie des jungen Detektivs weiter geht. Heute Abend sehen sie bei Tokio TV eine Sondersendung zu den besten Detektiven des Landes, unter ihnen der schlafende Kogoro Mori, welcher sich mittlerweile zur Ruhe gesetzt hat, des Weiteren der junge Heiji Hatori aus Osaka, welcher schon seit längerem mit Shinichi Kudo konkurriert und natürlich dem...“
 

Es gab ein leises Rascheln und der Bildschirm des Fernsehers wurde schwarz, noch bevor die hübsche Reporterin zuende gesprochen hatte. Im Raum war es nun gänzlich dunkel. Doch schon bald ertönte eine eiskalte Stimme, die wie verrückt zu lachen begann.
 

„Es ist bald aus mit deiner Wahrheit, Shinichi Kudo.“, verkündete der Mann in dem alten Sessel lachend und zündete sich erneut eine Zigarette an...
 

~*~
 

„Shinichi, du hast schon wieder nicht abgeschlossen.“, seufzte Ran, während sie die Wohnungstür öffnete, welche nur angelehnt war.

„Ich war halt eben in Eile.“, versuchte Shinichi zu erklären.

„Das bist du ja immer.“, kam es nur kopfschüttelnd von Ran, die den Eingangsbereich des Wohnzimmers betrat, gefolgt von Shinichi.
 

Beide zogen erst einmal ihre Schuhe und Mäntel aus und traten dann ins Wohnzimmer ein. Es war typisch japanischen eingerichtet und nichts in dem geräumigen Wohnzimmer deutete darauf hin, dass ein Detektiv in dieser Wohnung lebte.
 

Shinichi streckte sich erst einmal und blickte dann auf das Telefon, an welchem unablässig ein rotes Licht aufblinkte.

„Scheint so, als hätte jemand angerufen.“, stellte er fest und machte sich auf den Weg zum Telefon.

„Hoffentlich sollst du nicht schon wieder irgendwo irgendeinen Fall lösen.“, kam es etwas genervt von Ran, welche sich bereits auf den Weg zur Tür in ein anderes Zimmer machte, wo sie sich umziehen wollte.

„Wieso denn nicht?“, wunderte sich Shinichi.

„Immerhin bringt uns das fast jedes Mal eine Menge Geld.“, fügte er dann noch überzeugend hinzu. Immerhin wusste er ja, dass Ran gerne mal einkaufen ging.

„Ja schon.“, nickte Ran. „Aber sieh mal, wir wollten schon so lange das Kinderzimmer tapezieren und immer kommt etwas dazwischen.“, erklärte sie und legte bereits die Hand an die Türklinge zum Schlafzimmer.

„Das hat doch nun wirklich noch Zeit, du bist doch schließlich noch gar nicht schwanger.“, kam es kopfschüttelnd von Shinichi, welcher endlich die Taste des Anrufbeantworters drückte, der fünf neue Nachrichten verkündete.

„Das liegt aber sicher nicht an mir.“, gab Ran schmollend zur Kenntnisnahme und verschwand dann ins Schlafzimmer.
 

Shinichi schmunzelte nur etwas und hörte dann die erste Nachricht ab, welche von seinen Eltern war, die eigentlich zu Besuch kommen wollten, aber die Reise nun doch verschieben mussten, weil seine Mutter ein wichtiges neues Angebot bekommen hatte. Shinichi nahm das achselzuckend hin.
 

Die zweite Nachricht war von Megure, welcher mittlerweile Chefinspektor der Polizei war und Shinichi mal wieder um seine Hilfe bei einem heiklen Fall bat, welchen Shinichi aber sicher schnell gelöst haben würde.
 

Die dritte Nachricht kam von Mori, welcher Shinichi für seinen Lehrling hielt und ihn ständig zu irgendwelchen Fällen schleppte, die er unter seiner Leitung lösen sollte und genau darum ging es auch wieder in diesem Anruf. Derweil wusste Shinichi ganz genau, dass Kogoro nur die Lorbeeren seiner harten Arbeit einsammeln wollte, aber da er ja nun sein Schwiegervater war, ließ er es sich seufzend gefallen.
 

Die vierte Nachricht kam von Heiji, welcher ihn zur Lösung des Falles beglückwünschte, aber betonte, dass er diesen Fall auch hätte lösen können, wenn er nicht im Moment in Osaka feststecken würde. Kazuha war hochschwanger und duldete es nicht mehr, dass Heiji sich einfach so Hals Überkopf in irgendwelche Fälle stürzte, schon gar nicht ohne sie.
 

Die fünfte Nachricht war von Professor Agasa. Was Shinichi etwas neugierig machte, da der Professor nur anrief, wenn er eine neue Erfindung gemacht hatte. Doch Shinichi konnte nicht bis zum Ende der Nachricht warten, da plötzlich ein Schuss ertönte. Ein Schuss der so laut war, dass er nur aus seiner Wohnung kommen konnte. Aus dem Schlafzimmer.
 

„RAN!“
 

Wie von der Tarantel gestochen, stürzte Shinichi durch das Wohnzimmer und stürmte zur Schlafzimmertür, welche er aufriss und sofort erblickte er das Blut an der Schlafzimmerkommode und auf dem Bett und auf dem Boden, wo sie lag. Sie, seine Frau Ran. Bewegungslos. Er wollte gerade zu ihr hinstürmen, als er etwas Hartes auf den Hinterkopf bekam. Alles um ihn herum wurde schwarz. Sein Körper stürzte bewegungsunfähig zu Boden und alles was er noch hörte waren Schritte, die in seinen Ohren hallten. Er vernahm ein Lachen doch dann wurde alles still. Totenstill...

~~~
 

Ich würde mich sehr über Kommentare freuen.
 

PS: Ich weis, am Ende geht alles etwas schnell, aber im Moment weis ich einfach nicht, wie ich es besser schreiben könnte, ich hoffe ihr verzeiht mir das.

Unschuldig, Schuldig?

Seufzend stieg Shiho in den ausladend wirkenden Fahrstuhl ein, und drückte den Knopf für den dritten Stock des Gebäudes. Überall hier roch es nach Reinigungsmitteln, Krankheit und Tod. Shiho wurde übel davon und wenn es nicht um so etwas – oder besser jemanden – wichtiges ginge, wäre sie wahrscheinlich sofort umgedreht und wieder zum Haus des Professors gefahren.
 

So hatte sich Shiho ihren kurzen Urlaub in Japan sowieso nicht vorgestellt. Sie war nur auf ersuchen des Professors überhaupt in den Semesterferien hier her gekommen. Sie hatte Japan und vor allem Tokio nicht umsonst den Rücken zu gekehrt, nachdem die Schwarze Organisation endlich vernichtet war.
 

Sie hatte ein neues Leben anfangen wollen. Sie hatte vergessen wollen, was in Tokio alles geschehen war, mit ihrer Schwester und mit IHM. Shinichi Kudo, mit welchem sie vor vier Jahren noch viel verbunden hatte. Zum einen natürlich die Schwarze Organisation – auch BO genannt – die irgendwie dafür verantwortlich war, dass sie beide geschrumpft wurden und natürlich, weil diese Leute sie gejagt hatten und unter allen Umständen ihren Tod wollten. Zum anderen aber, durch die Gefühle, die Shiho für Shinichi gehegt hatte, er aber nie so wirklich erwidern wollte. Sie war zwar irgendwann zu einer guten Freundin und willkommenen Hilfe für ihn geworden, aber dass war dann auch schon alles.
 

Shiho war nach New York gegangen und hatte begonnen zu studieren. Die Zeit mit den ‚Detectiv Boys’ hatte ihr gezeigt, dass sie doch sehr gerne mit Kindern zusammen arbeitet und so möchte sie nun Lehrerin werden. Das ist eine Aufgabe, die Zukunft hat, eine Aufgabe auf die sie sich ohne schlechtes Gewissen voll und ganz konzentrieren kann. Sie hatte in New York sogar schon etwas Anschluss gefunden, zwar waren die meisten ihrer Mitstudenten erst einmal etwas skeptisch, wegen ihrer zynischen Art und weil sie anfangs eher reserviert war, aber mittlerweile war sie auf dem Campus und in ihren Kursen gerne gesehen. Sie hatte sogar eine echte Freundin gefunden, ihr Name war Claire McCallister. Sie wusste als einzige richtig Bescheid über Shihos Vergangenheit und vor allem über ihre Gefühle für Shinichi.
 

Selbstverständlich hatte Claire ihr auch geraten, nicht nach Japan zu gehen, auch nicht für nur zwei Wochen und wenn sie schon unbedingt gehen musste, dann sollte sie Shinichi wenigstens aus dem Weg gehen so gut es ging, und genau das hatte Shiho Ursprungs auch vor gehabt, doch da hatte sie auch noch nicht gewusst, was für eine Tragödie sich hier ereignen würde...
 

Der Fahrstuhl öffnete sich und etwas frischere Luft kam Shiho entgegen. Offenbar hatte man sich auf dieser Etage erbarmt und in den Fluren einige Fenster geöffnet, doch da es später Herbst war und man jeden Tag mit dem ersten Schnee rechnete, war es auch entsprechend kalt in den Fluren und so fröstelte es Shiho etwas, während sie sich auf den Weg zur Station vier machte, welche kaum 50 Meter weiter, und an ein paar leeren Besucherbänken vorbei, hinter einer großen Glastür lag, welche sich nach dem Druck auf einen schweren Knopf kurz öffnete und ihr Einlass gewährte.
 

Erneut wurde Shiho übel, hier war der Geruch nach offenen Wunden und Desinfektionsmittel nur noch stärker und nirgends war ein offenes Fenster. Natürlich nicht, immerhin liefen die meisten der Patienten die hier laufen konnten nur in knappen Nachthemden herum. Zielstrebig machte sich Shiho auf zu dem Zimmer mit der Nummer 105, sie klopfte einmal kurz und öffnete dann einfach die Tür.
 

Sie war kaum eingetreten, da trafen ihre blauen Augen bereits auf die Shinichis. Er saß aufrecht auf der Bettkante war angezogen und trug sogar seine Straßenschuhe. Er wirkte so, als würde er jede Minute aufspringen und „Lass uns gehen!“, rufen. Doch sein Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass er zu solchem optimistischen Handeln im Moment nicht im Stande war.
 

„Du kommst spät.“, stellte er trocken fest und sah sie an.

„Na hör mal, ich bin kein Hund nach dem man nur Pfeifen muss, damit er sofort kommt.“, erklärte Shiho und stemmte etwas genervt die Hände in die Hüften. Sie war kaum richtig im Zimmer und schon meckerte er rum.

„Sofort? Ich hab dich vor über zwei Stunden angerufen.“, stellte Shinichi fest und klang nicht weniger genervt.

„Ich bin eine Frau, ich brauche meine Zeit. Außerdem hat die Besuchszeit noch nicht einmal angefangen.“

Shiho lehnte sich an die inzwischen geschlossene Tür.

„Was tust du hier eigentlich? Solltest du nicht im Bett liegen und dich ausruhen?“

Sie deutete auf den Verband um seinen Kopf.
 

Shinichi schwieg. Er berührte leicht den Verband um seine Stirn. Er war das, was ihn am meisten daran erinnerte, was an jenem verhängnisvollen Abend geschehen war. Er hatte diesen Schuss gehört und Ran blutend auf dem Boden liegen sehen. Noch bevor er sich umsehen konnte, hatte ihn jemand mit etwas hartem auf den Hinterkopf geschlagen und von da an, konnte sich Shinichi an nichts erinnern.
 

Man hatte ihm erzählt das die Nachbarn einen Schuss gehört und die Polizei benachrichtigt hatten. Takagi, der inzwischen Inspektor war, war natürlich sofort mit Sato in seine Wohnung gefahren und hatte dort alles genau so vorgefunden, wie Shinichi es in seiner letzten Erinnerung abgespeichert hatte. Er und Ran lagen bewusstlos auf dem Boden. Wobei Ran nicht bewusstlos war, sondern tot, was Sato sofort festgestellt hatte.
 

Er, Shinichi war mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht wurden, wo man ihn sofort operiert hatte. Nach der Operation war er noch eine ganze Woche in einer Art komatösen Zustand gewesen. Als er aufwachte war er umzingelt von Leuten. Ärzte und Schwestern stellten ihm Fragen über seinen Zustand, dann war da noch Professor Agasa der ihn besorgt musterte, Kogoro der ohne Pause und völlig unverständlich etwas gefaselt hatte und schließlich war da auch noch Chefinspektor Megure gewesen, der ihn am liebsten sofort befragt hätte.
 

Bis Shinichi klar geworden war, was passiert war, und was all diese Leute von ihm wollten, waren bestimmt noch gut zwei Stunden vergangen, und dann war es vorbei gewesen mit Shinichis starker Selbstbeherrschung. Er hatte geweint und geschrieen, um sich geschlagen und die anderen als Lügner bezeichnet. Er hatte sich benommen, wie ein Vierjähriger, dem man gesagt hatte, dass seine Mutter gestorben war und sie deshalb nie mehr wieder kommen würde.
 

Doch genau so hatte sich Shinichi auch gefühlt, wie ein kleines hilfloses Kind, dessen kleine Welt gerade zusammen gebrochen war. Die Ärzte hatten ihm sogar eine Beruhigungsspritze gegeben, die hatte ihm aber auch nur dabei geholfen, schneller wieder in den Schlaf zu finden. Sein Schmerz und seine bittere Verzweiflung waren allerdings geblieben.
 

Am nächsten Tag, hatte er Besuch bekommen, Professor Agasa war da und hatte ihm neue Sachen gebracht, die er extra gekauft hatte, weil er im Moment natürlich nicht ins Shinichis Wohnung durfte, doch er war nicht allein gewesen, er hatte Shiho mitgebracht, die zu Besuch war, wie Shinichi erfuhr. Die Beiden blieben eine Weile, auch wenn sie nicht viel redeten. Irgendwann kamen auch Megure und Mori. Die Beiden befragten Shinichi und während dieser Befragung, hörte Shinichi deutlich heraus, dass Kogoro ihm die Schuld an Rans Tod gab.
 

Wahrscheinlich hatte er sogar recht. Immerhin hatte Shinichi die Tür offen gelassen, er war Schuld gewesen, dass der Mörder ins Haus konnte, und dann war da noch etwas. Bei der ersten Untersuchung des Tatortes, hatte man einen kleinen Zettel im Wohnzimmer gefunden, mit einer Nachricht für Shinichi.
 

‚Du glaubst es ist vorbei Shinichi Kudo? Schlecht für dich, denn das Spiel fängt gerade erst an. Fang mich doch, wenn du kannst, ich warte auf dich!’, hatte auf dem Zettel gestanden und man ging davon aus, dass diese Nachricht vom Mörder stammte, wobei der Grund für diese Nachricht den Polizisten noch Rätsel aufwarf.
 

Shinichi, hatte jetzt jedenfalls entgültig die Nase voll davon, hier im Bett zu liegen und Däumchen zu drehen, während die Polizei nichts unternehmen konnte, weil sie den Tatort erst weiter untersuchen durften, nachdem irgend ein spezieller Polizist zu ihnen gestoßen war. Er musste endlich handeln und den Mörder seiner Frau finden, früher würde er keine ruhe geben.
 

„Shinichi? Hörst du mir eigentlich zu?“, erkundigte sich Shiho genervt, nachdem sie eine weile keine Antwort erhalten hatte.

Shinichi zuckte zusammen.

„Was?“, fragte er verwundert.

„Ich habe dich vorhin gefragt, warum du hier so rum sitzt und nicht im Bett liegst und dich ausruhst!“, erklärte die ältere schnaufend.

„Ich habe mich lange genug ausgeruht.“

Shinichi erhob sich, brauchte allerdings einen kleinen Moment um sein Gleichgewicht zu finden.

„Es wird Zeit, dass ich den Fall übernehme und Rans Mörder finde.“

Shiho sah ihn seufzend an.

„Aber du hast noch Bettruhe und außerdem hat Megure darauf bestanden, dass du dich da dieses mal raus hältst.“

„Es geht mir bestens, ich brauche keine Bettruhe und außerdem werde ich sicher nicht tatenlos rum sitzen, während die Polizei im Dunkeln tappt.“

Shinichi sah seine frühere Leidensgenossin entschlossen an.

Shiho ließ die Schultern sinken und blickte ihm nachgiebig an.

„Na schön, und was habe ich mit der ganzen Sache zu tun?“, wollte sie wissen.

„Naja, ich bin im Moment nicht im Stande Auto zu fahren. Also hatte ich gehofft du könntest mich zu meiner Wohnung bringen.“, erklärte Shinichi vorsichtig.
 

„Du spinnst.“, kam es todernst von Shiho. „Ich werde dich sicher nicht gegen den Willen der Ärzte aus dem Krankenhaus bringen und außerdem hat Megure dir verboten, in deine Wohnung zu gehen, bis der Fall geklärt ist.“

Entschlossen verschränkte sie die Arme vor der Brust.

„Vergiss die Ärzte! Und Megure kann ja wohl kaum etwas dagegen haben, wenn ich mir ein paar Sachen aus meiner Wohnung hole, oder?“

Shinichi hatte sich das alles schon sehr genau überlegt.

„Und ich bin sozusagen dein Alibi, weil du die nächsten Tage beim Professor leben wirst, sieht es so aus, als hätte ich dich aus dem Krankenhaus abgeholt und wir wären wirklich nur kurz in der Wohnung um ein paar deiner Sachen zu holen, sehe ich das richtig?“, fragte Shiho seufzend.

Shinichi nickte.

„Genau so ist es.“

„Vergiss es, Shinichi! Da mach ich nicht mit, such dir jemand anderen!“

Shiho drehte sich zum gehen um.

„Komm schon, Ai!“

Shinichi hatte sich nie abgewöhnt sie so zu nennen, und erstaunlicherweise zeigte dieser Name sofort Wirkung, Shiho blieb augenblicklich stehen.

„Im Moment gibt es niemand anderen der mir diesen Gefallen tun würde und es ist doch auch nur dieses eine Mal!“

Bittend sah er sie an.

„Na schön, du hast gewonnen.“, schnaufte Shiho nach einer kurzen Bedenkzeit.
 

Sie würde das wahrscheinlich bereuen. Sie würde es bereuen, wie die Tatsache, dass sie überhaupt nach Tokio gekommen war. Doch jetzt gab es kein zurück mehr. Sie war hier, hier zusammen mit Shinichi und das bedeutete, dass ihr Versuch seine Nähe zu meiden, absolut gescheitert war. So wie alles andere auch. Immerhin wollte sie nur zwei Wochen hier bleiben und nun war sie schon über drei Wochen hier und hatte letztendlich beschlossen, auch den Rest ihrer Semesterferien hier zu verbringen. Warum, wusste sie selber nicht so genau.
 

~*~
 

Shiho und Shinichi fuhren mit dem Wagen von Professor Agasa. Sie waren schon gut zwanzig Minuten unterwegs, doch sie hatten die ganze Zeit geschwiegen. Shinichi war wohl in seinen Gedanken bei Ran gewesen, das dachte zumindest Shiho und Shiho selbst fragte sich, wie sie aus diesem Desaster wieder raus kommen sollte. Irgendwann jedoch, begann sie diese Ruhe und das ergebnislose hin und her Gegrübel irgendwie als unangenehm zu empfinden, also beschloss sie, Shinichi in ein Gespräch zu verwickeln.
 

“Du solltest dieses mal aber etwas objektiver an die Sache ran gehen, Shinichi.”, riet Shiho ihm, während sie in die nächste Straße einbog.

„Wie meinst du das?“, wunderte sich Shinichi, der noch immer mit verträumtem Blick aus dem Fenster blickte.

„Ich gehe doch immer objektiv an die Sache ran.“

„Tust du eben nicht!“, wiedersprach Shiho ihm und hielt an einer Ampel.

„Du verdächtigst nie die Leute, die dir nahe stehen!“

„Natürlich tue ich das, aber nur wenn ich weiß, dass sie ein Motiv haben könnten.“, erklärte Shinichi, der fast etwas eingeschnappt wirkte.

„Na schön, und wen verdächtigst du im Moment?“, erkundigte sich Shiho interessiert.

„Niemanden Bestimmtes. Ich habe doch noch keinerlei Hinweise.“, antwortete Shinichi verwundert. Shiho wusste doch, wie das alles bei ihm vor sich ging.
 

„Warum verdächtigst du nicht mich?“, wollte Shiho wissen, als die Ampel endlich auf Grün umschaltete und sie weiter fahren konnten.

„Dich?“, kam es verdutzt von Shinichi.

„Jawohl, mich.“, nickte Shiho nur, während sie weiterhin konzentriert auf die Straße blickte.

„Ich bin an diesem Abend gegen 18.00 Uhr am Flughafen angekommen, habe mich mit dem Taxi in die Innenstadt fahren lassen und bin dann zu Fuß weiter gegangen. Vom Flughafen bis in die Innenstadt sind es ca. 20 Minuten Fahrt und auf dem Weg zu Agasas Haus bin ich auch zwangsläufig an dem Haus vorbei gekommen in dem ihr eure Wohnung habt. Das hätte vom meinem Ausgangspunkt aus höchstens 10 Minuten gedauert. Das heißt, dass ich um halb sieben in eurer Wohnung hätte sein können. Ihr seid 10 nach halb gekommen, nicht? Also hätte ich problemlos die Möglichkeit gehabt mich in euer Schlafzimmer zu schleichen, Ran zu erschießen und dich bewusstlos zu schlagen.“

„Und was ist dein Motiv?“, wollte Shinichi wissen, der ihre Ausführungen nur minderinteressiert verfolgt hatte.

„Eifersucht.“, war Shihos schlichte Antwort.

„Das ist ja wohl eines der besten Motive die es gibt, oder nicht?“, grinste sie dann und blickte kurz zu Shinichi rüber, der sie mit ernster Miene anblickte.
 

„Schön, aber warum hast du dann nicht mich umgebracht?“, wollte dieser wissen.

„Immerhin bin ich ja derjenige gewesen, der sich nicht für dich entschieden hat und Mord aus Leidenschaft, steht auf der Motivliste viel weiter oben.“

„Unsinn.“, schüttelte Shiho mit dem Kopf.

„Wieso sollte ich den Mann, den ich liebe, töten? Immerhin bist du jetzt wieder frei und ich könnte dich doch noch erobern.“

„Und wieso hast du mir diese Nachricht hinterlassen?“, erkundigte sich Shinichi, der nach wie vor eine todernste Miene aufgesetzt hatte.

„Um dich zu verwirren. Du sollst denken, dass der Mörder jemand aus deinen früheren Fällen ist. Jemand den du hinter Gittern gebracht hast oder ein Angehöriger von so jemandem. So würdest du nie auf mich kommen.“

Erklärte Shiho während sie vor dem Haus parkte in dem Shinichis Wohnung war.
 

„Alles schön und gut, Ai. Aber verrate mir doch mal, wieso du so blöd sein solltest, Ran umzubringen und auf eine gemeinsame Zukunft mit mir zu hoffen, wenn du doch sowieso weißt, dass der Fall gelöst wird? Immerhin wäre dir doch von Anfang an klar gewesen, dass ich nicht locker lassen würde, bis ich den Mörder gefunden hab. Und dann ist da ja auch noch Heiji, der sich ebenfalls einschalten könnte, in dem zweifelhaften Fall, dass ich die Nerven verliere.“, erklärte Shinichi und wartete gespannt auf die Antwort des ehemaligen BO Mitglieds.

„Vielleicht war ich verzweifelt? Wieso sonst sollte ich diesen Mord genau an dem Tag begehen, an dem ich hier ankommen und das, wo ich doch eigentlich nur den Professor besuchen wollte, und dich?“

Nun war es Shiho, die ihren Sitznachbarn fragend ansah.

„Du warst zu lange in der Organisation.“, schüttelte Shinichi mit dem Kopf und schnallte sich ab, nachdem Shiho den Motor abgestellt hatte.

„Was macht dich so sicher, Shinichi, dass ich es nicht doch war?“, wollte diese wissen.

„Ich kenne dich eben. Ich weiß, dass du keinen Menschen töten kannst.“, antwortete Shinichi.

„Früher hab ich es doch auch getan, oder nicht?“

Shiho legte den Kopf leicht schief, sie hatte zwar nie jemanden erschossen, aber ihr Gift hatte dennoch Menschen ermordet.

„Du hast dich mittlerweile geändert. Du bist ein guter Mensch und egal wie eifersüchtig du auf Ran warst, du mochtest sie, weil sie deiner Schwester ähnlich war. Das weiß ich, und genau deswegen, hättest du sie niemals töten können.“, erläuterte Shinichi, der hörbar hoffte, dass das Thema nun beendet war.

„Du bist unverbesserlich.“, seufzte Shiho und löste ebenfalls ihren Gurt und stieg dann aus dem Wagen, Shinichi tat es ihr nach.
 

„Eine Sache noch.“, begann Shinichi, als Shiho schon fast an der Haustür angekommen war.

„Wenn du mich so sehr liebst, dass du mich am Leben lassen und später heiraten willst, wieso gehst du dann das Risiko ein, mich möglicherweise lebensgefährlich zu verletzen, indem du mich mit einem Eisenrohr auf den Hinterkopf schlägst? Das würde doch nur jemand tun, dem es egal ist, ob ich überlebe oder nicht.“

„Hm, nicht schlecht Sherlock.“, grinste Shiho nur dazu und wartet darauf das Shinichi zu ihr stieß und die Wohnungstür öffnete.

„Willst du da wirklich rein gehen?“, fragte sie etwas besorgt, als sie vor der Wohnungstür standen, an der noch immer das Band der Polizei klebte.

Shinichi nickte.

„Ich muss, ich werde sonst niemals Ruhe finden.“

Entschlossen legte er die Hand an die Türklinke und öffnete sie. Sofort hörte er einige vertraute Stimmen sprechen. Interessiert lugten er und Shiho hinein.
 

„Kogoro, ich sage es ihnen nicht noch einmal, verlassen Sie sofort den Tatort!“

*Chefinspektor Megure, der mit Kogoro und Takagi im Eingangsbereich stand, wirkte ziemlich genervt.

„Und genau das wirst du dir auch anhören müssen.“, flüsterte Shiho ihrem ehemaligen Leidensgenossen zu.

„Psssst!“, entgegnete ihr dieser jedoch nur und beobachtete unbemerkt wie die Szene weiter ging.

„Nein, ich werde nicht eher gehen, bis Sie mir zugehört haben!“

Kogoro blickte seinen ehemaligen Kollegen entschlossen an.

„Mori, wann begreifen sie das endlich, Shinichi kann nicht der Mörder sein!“, seufzte Megure und lies kraftlos die Schultern sinken.
 

Shinichi zuckte zusammen, hielt Kogoro ihn etwa tatsächlich für Rans Mörder? Shiho zupfte an seinem Ärmel.

„Shinichi, wir sollten wirklich gehen!“, drängte sie.

„Nein, ich muss das hören.“, entgegnete ihr der junge Detektiv jedoch nur und achtete nicht auf das Augenverleiern seiner Freundin.

„Und wieso nicht?“, wollte Kogoro in der Zwischenzeit wissen.

„Weil er kein Motiv hatte. Er hat Ran abgöttisch geliebt, das hat uns jeder bestätigt.“, mischte sich nun Takagi ein, der bis eben noch eher ruhig neben den beiden Diskutierenden gestanden hatte.

„Tze, dass beweist noch gar nichts. Vielleicht hat Ran ja gesagt, dass sie sich trennt, wenn er sein Leben als Detektiv nicht aufgibt und aus lauter Wut hat er sie dann erschossen! Ran hat oft gesagt, dass es ihr nicht gefällt, dass Shinichi Detektiv ist.“, erklärte Kogoro und war weiterhin von seiner Meinung überzeugt.

„Jetzt machen Sie aber mal halblang. Mori! Wieso sollte Shinichi sich denn dann so viel Arbeit machen und einen Zettel schreiben, wo er doch einfach hätte sagen können, dass der Mörder ihn überrascht und Ran anschließend getötet hat?“, wollte Megure wissen.

„Und vor allem, wieso sollte er sich selbst mit einem Eisenrohr auf den Kopf schlagen?“, fügte Takagi hinzu.
 

„Weil er ein hervorragender Detektiv ist – natürlich, immerhin hat er ja bei mir gelernt – er wollte damit von sich ablenken. Sie sollten glauben, dass es ein völlig Fremder war.“

Beharrte Kogoro und klang recht überzeugend.

„Das ist völlig unmöglich.“

Sato kam plötzlich aus einem der Nebenzimmer, eine unbekannte Frau stand dicht hinter ihr.

„Und wieso?“, erkundigte sich Mori genervt.

„Weil Shinichi in einem Winkel auf dem Hinterkopf getroffen wurde, den er unmöglich selbst hätte erreichen können.“, antwortete Sato und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Dann hatte er halt einen Komplizen.“, verdrehte Kogoro genervt die Augen.

„Das ist doch lächerlich. Immerhin hätte Shinichi dieser Schlag auf den Hinterkopf umbringen können. So ein Risiko geht man doch nicht einmal ein, um sich vor dem Gefängnis zu bewahren.“

Sato blickte Kogoro mit einem deutlich überzeugten Blick an.

„Also schön, dann hat er sie eben nicht umgebracht, schuld an ihrem Tod war er trotzdem.“

Wütend stampfte Kogoro zu seinen Schuhen und schlüpfte hinein.

„Wenn er nicht immer einen auf Superdetektiv gemacht hätte, dann würde sich auch niemand an ihm rächen wollen und dann wäre meine Tochter jetzt noch am Leben. Er hat Ran zwar nicht selbst umgebracht, aber sie ist seinetwegen gestorben und es gibt niemanden, der mir das Gegenteil beweisen kann.“

Wütend drehte sich Kogoro zur Tür um und riss sie auf, er entdeckte zwar Shinichi und Shiho, ging aber wortlos an ihnen vorbei.
 

Shinichi stand wie angewurzelt da, wusste nichts zu sagen, nichts tu tun. Er fühlte sich mit einem mal schrecklich schlecht und damit meinte er nicht, die Übelkeit und den Schwindel, die von seiner Gehirnerschütterung verursacht wurden, sondern dieses schreckliche Gefühl der Leere und Kälte, das mit einem Mal seinen ganzen Körper durchzog.
 

Mit leeren Augen starrte er auf irgendeinen Punkt im Raum und reagierte weder auf die Blicke der Polizisten in seiner Wohnung noch auf Shiho die seinen Arm packte und ihn nach unten zog, zurück zum Wagen. Willenlos setzte sich Shinichi auf den Beifahrersitz und ließ keinen einzigen Protest hören, als Shiho ihm sagte, dass sie ihn erst zum Haus des Professors bringen würde, wo er sich ausruhen und erholen sollte.
 

Nach einer Weile in der eine unangenehme Stille in der Luft gelegen hatte, öffnete Shiho schließlich als Erste den Mund, um etwas zu sagen.

„Nimm dir das nicht so zu Herzen. Kogoro ist nur von seiner Trauer überwältigt. Ran war immerhin seine Tochter.“, versuchte sie ruhig zu erklären.

„Nein.“, schüttelte Shinichi mit dem Kopf.

„Er hat recht. Wenn ich kein Detektiv wäre, dann wäre das wahrscheinlich niemals passiert.“

„Das kannst du doch gar nicht wissen!“, protestierte Shiho.

„Doch das kann ich. Ich bin mir sehr sicher, dass der Mörder jemand war, der sich an mir rächen wollte, und das hat er getan, indem er mir das genommen hat, was ich am meisten liebte.“

Shinichi ließ den Kopf sinken und den Rest der Fahrt verbrachten die beiden wieder schweigend...
 

~~~
 

Einen großen Dank an die Kommischreiber Yuiji_Sarutobi, MichiruKaiou und Tribe-tha-Dragon. Es freut mich, wenn euch die Geschichte gefällt.
 

* Siehe Feuerteufel in der Charakterbeschreibung

Erste Ermittlungen

Zuerst einmal vielen liebe dank an Tribe-tha-Dragon für den Kommentar und ich würde mich wirklich freuen, wenn auch andere Leser ein Kommi hinterlassen. Ein kurzes 'Das Kapitel gefällt mir' (oder auch nicht), würde mir schon reichen.
 

Jetzt aber zum Kapitel:
 

Es war fünf Uhr am Morgen. Shiho hatte einen sehr schlechten Schlaf, seit sie wieder hier war und so hatte sie nun entgültig beschlossen, dass es nichts mehr brachte, weiterhin versuchen zu wollen, wieder einzuschlafen. Sie würde nach unten gehen und sich einen starken Kaffee machen.
 

Doch sie war nicht alleine in der Küche. Shinichi saß bereits dort. Eine Tasse mit dampfenden Kaffee war in seiner Hand, all zu lange war er wohl auch noch nicht auf gewesen. Wortlos ging Shiho an ihm vorbei. Er blickte abwesend in seine Tasse. Er dachte sicher gerade an Ran, dachte sich Shiho und seufzte innerlich. Sie kannte das, wenn überall wo das eigene Spiegelbild sein sollte, plötzlich das, der geliebten toten Person auftaucht. Es würde lange dauern, bis das aufhörte. Vielleicht würde es sogar nie aufhören.
 

Shiho nahm sich eine Tasse Kaffee und setzte sich zu Shinichi an den Küchentisch. Er hatte gestern kein Wort mehr gesagt. Sogar die Standpauke vom Professor, weil er sich einfach selbst entlassen hatte, hatte er sich schweigend angehört. Danach war er einfach in das Zimmer gegangen, dass für ihn vorgesehen war, und war nicht wieder raus gekommen. Vermutlich hatte er geweint. Shiho fand das nicht schlimm. Auch Männer mussten einmal weinen, vor allem, wenn sie so etwas wichtiges verloren hatte.
 

Vermutlich war Shinichi gestern sogar erst so richtig klar geworden, was wirklich passiert war. Shiho hatte Mitleid mit ihm, sie wollte ihm gerne helfen, doch sie wusste nicht wie. Sie konnte Ran nicht mehr zurück holen und sie wusste auch nicht, wer sie Umgebracht hat, so das sie Shinichi sagen könnte, an wem er Rache nehmen kann. Nein, sie hatte nichts zu bieten, mit dem sie Shinichi in dieser schweren Zeit helfen konnte. Er würde da wohl alleine durch müssen, genau so wie sie damals, als sie ihre Schwester verlor.
 

„Ich werde heute wieder dorthin gehen und dieses mal werde ich nicht weglaufen.“, verkündete Shinichi nach einer langen Zeit, die er schweigend seinen Kaffee angestarrt hatte.

Shiho sah ihn erst verwundert an, nickte dann aber.

„Ich hab nichts anderes erwartet.“

Es war ihr klar gewesen, dass es nicht eher ruhen würde, bis der Fall in seiner Hand lag.

„Würdest du mich begleiten?“, fragte Shinichi und schlürfte nun endlich seinen ersten Schluck aus der Tasse.

„Als Ausrede dafür, dass du in die Wohnung gehst, obwohl es dir Megure verboten hat oder als dein Chauffeur?“

Shiho hatte eigentlich keine Lust auf solche Spielchen. Aber andererseits war das vielleicht das einzige, was sie für ihn tun konnte.

„Nein.“

Shinichi schüttelte mit dem Kopf.

„Als meine Partnerin.“

Wieder erhielt er einen überraschten Blick von Shiho. Die aber absolut nicht zu wissen schien, was sie darauf erwidern sollte.

„Ich hab nachgedacht, über das was du gestern gesagt hast, und ich glaube, ich brauche vielleicht wirklich jemanden, der mich ab und an daran erinnert, die Sache als Detektiv zu sehen und nicht als Ehemann des Opfers.“, gab Shinichi zu und er tat es nicht sehr gern, dass sah man ihm deutlich an.

„In Ordnung. Ich weiß zwar nicht, ob ich dir wirklich helfen kann, aber ich werde mein bestes tun.“, nickte Shiho und lächelte ihm kurz zu, er erwiderte ihr Lächeln selbstverständlich nicht.
 

Die beiden schlürften ihren Kaffee zuende und verschwanden dann nacheinander im Bad um ihre Morgentoilette zu verrichten. Als sie fertig angezogen waren, trafen sie sich in Agasas Wohnzimmer. Dieser kam gerade gähnend aus seinem Schlafzimmer.
 

„Wieso seit ihr den schon so früh auf?“, wunderte er sich und blickte die beiden verschlafen an.

„Wir haben etwas wichtiges zu erledigen.“, erklärte. Shinichi. „Bis später!“

Er hatte kaum zuende gesprochen da war er auch schon an der Haustür.

„Ich nehme noch einmal Ihren Wagen, Professor.“, sagte Shiho noch, schnappte sich die Autoschlüssel und war dann mit Shinichi auch schon aus dem Haus.

Der Professor sah ihnen nur verwundert nach.
 

~*~
 

Shinichi und Shiho hatten sich einfach in die Wohnung geschlichen. Shinichis Schlüssel funktionierte schließlich noch, warum sollte er ihn also nicht verwenden? Es war immerhin auch seine Wohnung. Wenn jemand kommen würde, konnten sie ja immer noch behaupten, sie würden nur ein paar Sachen holen.
 

„Ich würde gerne wissen... wie weit sie schon mit den Ermittlungen sind.“, murmelte Shinichi, während er den selben Weg zurück legte, wie am Tag des Mordes.

Er ging zum Telefon und bemerkte sofort, dass sie Kassette aus dem Anrufbeantworter entnommen wurde, was im Grunde lächerlich war, niemand von den Leuten die darauf gesprochen hatten, konnten es gewesen sein. Megure selbst, fiel ja schon mal weg. Kogoro würde sich eher selbst erschießen als seine Tochter. Seine Eltern waren in Amerika und hatten sowieso keinen Grund das zu tun. Heiji steckte in Osaka fest und auch ihm traute Shinichi so etwas natürlich nicht zu. Naja, und Agasa, der angerufen hatte um Bescheid zu sagen, dass Shiho zu Besuch war, wie Shinichi mittlerweile wusste, war es sicherlich auch nicht. Das er selbst und Shiho ebenfalls nicht in Frage kamen, hatten sie am Tag zuvor auch schon geklärt.
 

Shinichi hatte also alle ausgeschlossen, von denen er sich sicher war, dass sie es nicht waren und wieder kam er nur auf eine Schlussfolgerung. Der Mörder war niemand aus ihrem näheren Umfeld. Doch ein ganz fremder war es sicher auch nicht, denn wieso sollte ein Fremder Ran töten? Raubmord war es nicht, denn es wurde absolut nichts gestohlen. Nicht einmal der Teure TFT Fernseher, den sich Shinichi zur letzten Weltmeisterschaft zugelegt hatte. Es konnte also nur jemand sein, der Rache wollte.
 

„Du wirst schlecht fragen können.“, antwortet Shiho ganz plötzlich auf die Frage, die Shinichi eher an sich selbst gerichtet hatte.

Sie war eine kleine Runde durch die Wohnung gegangen, wobei sie das Schlafzimmer – welches deutlich als Tatort gekennzeichnet war – bisher gemieden hatte.

„Habt ihr Nachwuchs erwartet?“, fragte sie schließlich.

Sie war gerade aus einem Zimmer gekommen, dass so aussah, als wolle man draus mal ein Kinderzimmer machen. Zumindest deuteten die alte Wiege und das Schaukelpferd, sowie die verschiedenen Tapeten mit Kindermustern an der Wand, darauf hin.

Shinichi schüttelte, fast bedauernd, mit dem Kopf.

„Nein.“, seufzte er. „Wir hatten welchen geplant. Aber nun...“

Ja, nun war es vorbei. Es würde keine Kinder mehr für ihn und Ran geben. Shinichi fühlte sich plötzlich noch schlechter als vorher. Ran hatte sich so sehr ein Kind gewünscht. Wenigstens diesen so einfachen Wunsch, hätte er ihr doch wenigstens noch erfüllen können. Aber er war ja immer so beschäftigt gewesen. Er hatte ihren Kinderwunsch auch nicht wirklich ernst genommen. Er hatte gedacht, sie hätten noch alle Zeit der Welt.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht daran erinnern.“, sagte Shiho als sie merkte, dass er irgendwie getroffen aussah.

„Schon gut. Es ändert ja nichts.“

Shinichi versuchte tapfer zu wirken, aber es war schwerer als er zuerst angenommen hatte. Gerade hier, in der Gemeinsamen Wohnung von Ran und ihm. Überall waren Sachen, die schmerzhafte Erinnerungen in ihm hervor riefen. Aber er musste sich zusammenreißen. Er brauchte einen klaren Kopf, wenn er diesen Fall lösen wollte.
 

Shinichis Blick fiel auf die Schlafzimmertür. Er würde da rein gehen müssen. Ob er wollte oder nicht. Um nachzuvollziehen, was geschehen war, musste er den Tatort sehen und versuchen alles genau zu analysieren. Mit zitternden Knien und erschreckend langsam, ging er auf das Schlafzimmer zu.
 

„Shinichi, vielleicht solltest du das lieber lassen.“

Shiho sah ihn besorgt an. Sie befürchtete, dass er das nicht verkraften könnte.

Doch Shinichi schüttelte entschlossen mit dem Kopf.

„Es muss gehen.“

Seufzend folgte ihm Shiho und irgendwann waren sie wirklich im Schlafzimmer angekommen.

„Großer Gott...“, entfuhr es Shinichi, als er sich im Raum umsah.

Er konnte sich gar nicht daran erinnern, dass hier so viel Blut war. Er wusste, jetzt wo er genauer darüber nachdachte, auch gar nicht mehr, wo genau Ran der Schuss getroffen hatte. Na toll, wie sollte er den so diesen Fall lösen?

„Megure hat neulich im bei der Befragung vom Professor erwähnt, dass es ein Schuss mitten zwischen die Augen war. Das würde auf jeden Fall das Blut erklären.“

Shiho kniete sich zu der Stelle runter, die als der Ort markiert war, wo Ran gelegen hatte, sie sah nicht, dass Shinichi zusammen gezuckt war.

„Es könnte aber auch gut sein, das etwas von dem Blut von dir war. Deine Kopfverletzung ist ja sicher nicht ganz ohne Spuren geblieben, oder?“

Sie sah ihn an, er war leichenblass.

„Shinichi. Wenn du damit nicht umgehen kannst, dann wirst du diesen Fall nicht lösen können.“, stellte Shiho seufzend fest und blickte ihn an.

Shinichi räusperte sich.

„Es geht schon.“, presste er tapfer hervor und blickte sich im Raum um. „Gehen wir davon aus, dass der Mörder geplant hat, Ran umzubringen.“

„Das sollten wir besser nicht.“, wiedersprach Shiho. „Er könnte es genau so gut, auch auf dich abgesehen haben.“

„Warum dann der Brief?“, erkundigte sich Shinichi. „Er muss mit PC geschrieben worden sein, sonst hätte die Polizei ja die Handschrift vergleichen können. Und er wird die Nachricht sicher nicht erst hier auf meinem Laptop geschrieben haben, oder?“

„Vielleicht hat er ihn ja einfach geschrieben, für den Fall, dass er statt dir, Ran erwischen sollte?“

Auf jeden Fall, war es gut möglich, dass es dem Täter egal war, welchen von beiden er traf. Nicht zuletzt, wegen der Verletzung von Shinichis Kopf, die ja auch hätte tödlich enden können.
 

Shinichi schüttelte mit dem Kopf.

„Das glaube ich nicht.“

Er ging zum, noch immer geöffneten Schrank, der und dessen Inhalt ebenfalls voll war, mit Rans Blut.

„Ich gehe davon aus, dass er hier im Schrank auf Ran gewartet hat. Ich meine, es ist ja allgemein bekannt, dass Frauen sich immer als erstes umziehen, wenn sie von irgendwo nach Hause kommen.“

Shinichi fing sich einen bissigen Blick von Shiho ein, die das irgendwie als Beleidigung aufgefasst zu haben schien, sie sagte aber nichts, sondern blickte ihn nur weiterhin gespannt an.

„Also. Ran hat den Schrank geöffnet, um sich neue Sachen raus zu nehmen und den Moment ihrer Überraschung, als sie diese fremde Person im Schrank entdeckte, nutzte er um sie zu erschießen. Ob der Schuss direkt zwischen die Augen nur geplant oder ein Zufall war, lasse ich mal dahingestellt.“

Er sähe zumindest keinen Grund dafür, jemanden absichtlich gerade dort zu erschießen. Außer vielleicht, dass man sich dann sicher sein konnte, dass das Opfer auf jeden Fall nicht wieder aufstand, geschweige denn gerettet werden konnte. Aber da gab es auch noch andere Stelle dafür.

„Dann...“

Shiho erhob sich und ging zur offnen Tür.

„Dann musste er damit rechnen, dass du angestürmt kommst. Er hatte also nicht viel Zeit. Er stürmte also aus dem Schrank und versteckte sich vermutlich hinter der Tür, die ja nach innen aufgeht und ihn somit verdecken würde.“

Sie sah sich kurz um.

„Er muss das Rohr also bereits zuvor da hin getan haben, den so schnell, konnte er unmöglich irgendwie ein Eisenrohr her nehmen.“, schlussfolgerte sie und erhielt ein Nicken seitens Shinichi.

„Er hat nicht geschossen, weil er mich ja nicht unbedingt umbringen, sondern nur bewusstlos machen wollte. Lange genug, damit er abhauen konnte aber möglichst so, dass ich überlebe, damit ich unter Rans Tod leiden kann.“, erkannte Shinichi seufzend. Das war das erste Mal seit langem, dass es ihm keinen Spaß machte, den Tathergang zu rekonstruieren.

„Es musste aber jemand gewesen sein, der dich sehr gehasst hat und dem es auch egal gewesen währe, währst du doch an dieser Verletzung gestorben. Denn es ist ja allgemein bekannt, dass ein Schlag mit einem harten Gegenstand auf den Hinterkopf lebensgefährlich sein kann.“, überlegte Shiho.
 

Sie blickte kurz hinter die Tür, dort war nichts zu erkennen, was ihnen weiter helfen könnte.

„Ich frage mich nur, wie kann man einfach so mit einer Waffe und einem Eisenrohr in der Hand aus einem Haus stürmen, indem gerade ein Schuss gefallen ist?“

Das wollte ihr irgendwie nicht so ganz in den Kopf gehen.

„Vermutlich hat der Mörder beides zwischen seiner Gürtelschnalle und der Hose befestigt. Wenn er dann eine lange Jacke drüber gezogen hat, dann fiel es sicher nicht so auf. Vermutlich musste er auch nicht weit fliehen. Er hatte sicher irgendwo ein Auto.“, überlegte Shinichi.

„Er hat also die Nachricht für dich, irgendwo hier abgelegt, hat dann alles so präpariert, wie du es gerade gesagt hast und ist schnurstracks geflüchtet. Doch vermutlich hat er alles getan um nicht auf zu fallen. Er wird also möglicherweise ganz normal durch die Gegend gelaufen sein, als er das Haus verlassen hat.“

Nur so konnte sich Shiho jedenfalls erklären, wenn es kam, dass niemand einen verdächtigen bemerkt hatte, weder im Haus, noch auf der Straße.

Shinichi nickte. So in etwa musste es wohl abgelaufen sein. Doch das brachte sie nicht wirklich weiter. Irgendwie musste er aus Megure oder Takagi die Beweise rauskitzeln. Vielleicht sollte er auf die Tränendrüse drücken? Aber vor all den Leuten? Nein, sicher nicht noch einmal. Es reichte schon, dass er im Krankenhaus so ausgerastet war.
 

„Hey! Was macht ihr hier?!“

Erklang plötzlich die eiskalte Stimme einer Frau, die Shiho sofort erstarren ließ.

Shinichi drehte sich um. Vor ihm stand eine bildhübsche blonde Frau mit eiskalten blaugrauen Augen. Ihr hübsches Gesicht zierte im Moment eine wütende Miene.

„Das hier ist kein Tatort und kein Spielplatz.“

Die Fremde Frau verschränkte die Arme vor der Brust und blickte Shinichi abwartend an, die verschreckte Shiho ignorierte sie gekonnt.

Shinichi rappelte sich auf.

„Ich bin Shinichi Kudo. Der Mann von der Frau, die hier ermordet wurde.“, erklärte er.

„Verstehe. Mein Name ist Lillian Brown - FBI Agentin.“, sagte die Frau mit ihrer kalten Stimme.

„FBI?“, wunderte sich Shinichi.

„So ist es.“, nickte Lillian. „Wir glauben, dass das hier kein Gewöhnlicher Mordfall war. Wir vermuten dahinter eine totgeglaubte Verbrecherorganisation. Daher wurde ich hier her geschickt um das zu überprüfen.“

Shinichi musterte die Frau einen Moment misstrauisch. Sie sah nicht aus wie eine FBI-Agentin. Sie erinnerte eher an ein europäisches Topmodel. Obwohl ihr Gesichtsausdruck schon an den eines FBI-Agenten erinnerte, der schon viel erlebt hatte, trotzdem. Shinichi hatte irgendwie das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmte und Shiho schien das ähnlich zu sehen, wenn Shinichi sie so betrachtete.
 

„Geht es Ihnen nicht gut? Sie zittern ja.“

Lillian hatte sich nun doch an Shiho gewandt, die keinen Ton hervor zu bringen schien.

„Warten Sie, ich bringe ihnen ein Glas Wasser. Das ist Ihnen doch recht, oder? Es ist ja schließlich ihre Wohnung.“

Die FBI-Agentin blickte Shinichi kurz an, doch dieser nickte nur und so verschwand sie kurz und kam mit einem Glas voll Wasser zurück, welches sie Shiho fürsorglich reichte.

„Also!“, begann sie dann. „Was genau tun Sie hier? Wollen sie etwa irgendwelche Beweise vernichten?“

Shinichi schüttelte den Kopf.

„Nein, ich bin Detektiv und ich will herausfinden, wer meine Frau ermordet hat. Versuchen Sie nicht, mir das ausreden zu wollen! Ich habe mich entschieden und egal wie sehr sie auch versuchen mich zu behindern, ich werde den Mörder meiner Frau finden.“, brachte er entschlossen hervor.

Die Agentin seufzte.

„Ich hab schon gehört, dass so etwas kommen würde. Aber gut, ich habe nicht vor, jemanden aufzuhalten. Wenn ihr euch unbedingt umsehen wollt, bitte. Aber behindert meine Arbeit nicht!“

„Werden wir nicht.“, versicherte Shinichi. „Allerdings hätten wir noch einige Fragen.“

„Welche?“, wollte die Agentin wissen.

„Was haben Sie schon gefunden?“, entgegnete ihr Shinichi, während Shiho das Glas auf der Kommode abstellte und sich halbwegs wieder fasste, ihre BO Vergangenheit machte sie offenbar immer noch empfindlich für solche merkwürdigen Persönlichkeiten, wie die FBI-Agentin.

„Eigentlich nichts.“, musste Lillian zugeben. „Noch nicht! Aber wir Arbeiten daran.“, versicherte sie.

„Keine Fingerabdrücke? Die Mordwaffe? Oder das Eisenrohr?“, fragte Shinichi fassungslos.

Es konnte doch nicht sein, dass sie nach so langer Zeit, noch gar nichts gefunden hatten.

„Nein. Nichts dergleichen. Zumindest nichts, was mit dem Mordfall zu tun hat.“, war die gelassene Antwort.

„Und Verdächtige?“, wollte Shinichi weiter wissen.

„Die gibt es wie Sand am Meer. Sie wissen doch sicher wie das funktioniert. Ohne Beweise, kann man die Verdächtigen nicht eingrenzen.“

Die Ruhe mit der die Agentin sprach, brachte Shinichi zur Weisglut. Was dachte sich diese Frau eigentlich? Es ging hier immerhin um einen Mord.
 

„Aber, wenn wir gerade mal dabei sind. Was ist mit Ihrer hübschen Freundin hier, hat die ein Alibi?“, wendete sich Lillian an Shiho.

„Nein, aber Ai war es nicht.“, sagte Shinichi, noch bevor Shiho etwas sagen konnte.

„Ah, Sie heißen also Ai?“

Die Agentin ignorierte Shinichi.

„Nein, mein Name ist Shiho Miyano.“, erklärte Shiho.

„So? Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor. Sind Sie nicht auf Bewährung?“, erkundigte sich Lillian weiter.

„Diese Strafe war absolut ungerecht. Ai hat niemals jemanden selbst getötet und sie hat wieder gut gemacht, was sie damals getan hat. Außerdem ist die Bewährung fast abgelaufen.“, rief Shinichi erneut dazwischen und wurde erneut von der FBI Agentin ignoriert.

„Also, Miss Miyano. Haben sie ein Alibi für die Tatzeit, oder nicht?”

„Nein, habe ich nicht.“, entgegnete Shiho. „Ich bin sogar hier in der Nähe gewesen. Wollen sie mich jetzt festnehmen?“

„Nein. Noch nicht.“

In den Augen der FBI Agentin funkelte plötzlich etwas. Doch dann räusperte sie sich.

„Inspektor Takagi wird sicher gleich hier sein, er wird sich nicht freuen, sie zu sehen. Also gehen Sie besser. Im Moment, werden sie hier sowieso nichts finden.“, sagte sie.

Shinichi blickte zu Shiho rüber. Diese nickte ihm zu. Im Moment war es sinnlos, hier zu bleiben. Also nickte auch Shinichi schließlich und ging mit Shiho Richtung Wohnungstür.

„Ach ja, Herr Kudo?“, rief die Agentin ihnen plötzlich nach.

Shinichi drehte sich noch einmal zu ihr um.

„Ai, ist ein merkwürdiger Spitzname für jemanden, der NUR eine Freundin ist, oder?“

Shinichi wusste worauf sie anspielte, aber er wusste ja, warum er es vorzog, Shiho mit Ai anzusprechen. Also drehte er sich einfach wieder um und ging mit Shiho nach draußen.
 

„Hast du auch das Gefühl, dass man dieser Frau nicht vertrauen kann?“, wendete er sich schließlich an Shiho.

„Sie ist merkwürdig.“, nickte diese jedoch nur.

„Wieso hast du ihr eigentlich so bereitwillig gesagt, dass du kein Alibi hast und zum Tatzeitpunkt in der Nähe warst?“, wollte Shinichi plötzlich wissen.

„Hätte ich lügen sollen?“

„Nein. Aber...“

„Aber was, Shinichi? Du weißt, dass ich noch fast drei Jahre Bewährung habe. Wenn ich einen Meineid leiste, dann bin ich in kürzester Zeit im Gefängnis und wenn ich erst einmal im Gefängnis war, dann kann ich meinem Job als Lehrerin gleich vergessen. Es wird so schon schwer.“, seufzte Shiho.
 

Shinichi schwieg. Er hatte lange seine Meinung zu diesem Urteil. Shiho war zwar damals nachweisbar in der BO gewesen, aber sie hatte nie jemanden getötet, auch wenn sie ein Gift entwickelt hatte, dass das tat. Außerdem hatte sie Reue gezeigt und ihm und somit auch der Polizei und dem FBI sehr geholfen. Ohne sie würde die BO wahrscheinlich heute immer noch existieren. Aber so war das Gesetz eben, manchmal, einfach nur unfair...

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Bei Fragen, Anregungen, Kritik oder auch vielleicht Wünsche für das ein oder andere Spezialkapitel einfach in ein Kommi schreiben. ^_~

Ich versuche allen zu Antworten, die mir schreiben.

Wenn die Polizei 3 mal klingelt

Gut drei Wochen war es her, dass Shinichi seine Wohnung - den Tatort - das letzte mal betreten hatte. Nichts hatte er gefunden, nichts was auf den Mörder seiner Frau – des Opfers – hinweisen würde. Mehr als den Brief, den der Täter hinterlassen hatte und eine sehr gewagte Rekonstruktion des Tathergangs hatte Shinichi nicht. Hinzu kam, dass die Polizei ihm jegliche Mithilfe am Fall verbot und er somit natürlich nur noch mehr Probleme hatte, an irgendwelche Informationen oder Beweise heran zu kommen. Ebenso wurde Shinichis Arbeit durch diese Merkwürdige FBI-Agentin gestört, die ihm einfach keine Ruhe lassen wollte. Er war sich sicher, dass an dieser Frau etwas faul war. Ja und selbst die Befragung von Shinichis Nachbarn und einigen Anliegern, hatte nichts gebracht. Niemand wollte etwas gesehen oder gehört haben, selbst der Schuss war einigen entgangen. Wie sollte man unter diesen Umständen vernünftig einen Fall lösen können?
 

Seufzend ließ Shinichi seinen Kopf auf die kalte Tischplatte des Küchentischs sinken, während seine Hand die heiße Kaffeetasse, die vor seiner Nase stand, ganz fest hielt. Irgendetwas musste er doch tun können.

Die Tür zur Küche ging auf und Agasa kam herein. Shinichi blickte kurz zu ihm auf, lies den Kopf dann aber wieder auf den Tisch sinken.
 

„Wo bleibt Shiho nur? Es ist schon Mittag.“, wunderte sich der Professor, mit einem Blick auf die Uhr, während er sich selbst eine Tasse mit Kaffee füllte.

„Die schläft bestimmt noch. Sie muss gestern ziemlich lange auf gewesen sein, als ich um drei Uhr kurz aufgewacht bin, habe ich Schritte in ihrem Zimmer gehört.“, bemerkte Shinichi mit deutlichem Desinteresse in der Stimme.

Er hatte im Moment andere Sorgen als Shihos Schlafschwierigkeiten. Immerhin hatte er selbst Probleme die nötige Ruhe zu finden. Aber wen wunderte es auch, nach allem was passiert und nicht passiert war?

Agasa nickte und setzte sich Shinichi gegenüber an den Tisch.

„Sie hat sicherlich ihren Koffer gepackt.“, überlegte er.

Shinichi blickte verwundert zu ihm auf.

„Ihren Koffer?“

„Aber ja.“, nickte der Professor. „Ihre Semesterferien sind fast vorbei, sie muss zurück nach Amerika. Heute Abend geht ihr Flieger. Wusstest du das nicht?“

Shinichi schüttelte den Kopf.

„Nein, sie hat kein Wort gesagt.“

Er konnte auch nicht sagen, dass es ihm unbedingt behagte, sie gerade jetzt gehen zu lassen. Er brauchte ihre Hilfe, auch wenn er im Moment gar nicht so genau wusste wofür. Aber sicherlich würde er früher oder später mit seinen Ermittlungen weiter kommen, etwas Beistand und Unterstützung würde in diesem Fall bestimmt nicht schaden.

„Hm...“, machte Agasa und lehnte sich nachdenklich etwas zurück. „Sie wirkte auf mich auch recht unentschlossen. Fast so, als will sie gar nicht zurück fliegen.“

„Wieso sollte sie auch? Japan ist ihre Heimat. Sie gehört hier her.“

Shinichi machte fast ein etwas beleidigtes Gesicht, während er endlich einen Schluck aus seiner Kaffeetasse nahm.

„Aber Shinichi, kannst du nicht verstehen, dass es für sie viel einfacher ist, über das Vergangene hinweg zu kommen, wenn sie nicht länger in dem Land ist, in dem das alles geschehen ist?“, wollte Agasa wissen und trank selbst einen Schluck aus seiner Tasse.

„Nein.“, kam es deutlich aus Shinichi. „Ich habe noch nie viel davon gehalten, dass sie immer vor ihren Problemen und ihrer Vergangenheit davon läuft, so wird sie nie lernen, damit klar zu kommen.“

Er hatte gut reden, wenn er ehrlich war, hatte er in den letzten Tagen auch schon öfter in Betracht gezogen, einfach zu verschwinden und das alles hinter sich zu lassen, aber das wusste zum Glück ja keiner.
 

„Und wenn sie das gar nicht will?“, erkundigte sich Shiho, die unbemerkt von Agasa und Shinichi in die Küche getreten war und sich nun ebenfalls auf den Weg in Richtung der Kaffeemaschine machte.

Etwas verdutzt schaute Shinichi sie an, doch dann wurde sein Gesicht wieder ernst, fast etwas wütend.

„Dann ist sie vermutlich ziemlich feige.“, meinte er, während seine Augen sie verfolgten.

Shiho hob die Schultern und setzte sich gelassen neben Agasa an den Tisch.

„Na und?“

„Du kannst doch nicht immer nur weglaufen, Ai!“, entgegnete Shinichi ihr und klang leicht genervt.

Wütend blickte Shiho zu ihm auf.

„Ich laufe nicht weg, ich schließe mit meiner Vergangenheit ab, dass ist alles.“, erklärte sie und rührte mit einem kleinen Löffel in ihrem Kaffee rum. „Das könnte dir übrigens auch nicht schaden.“

„Was willst du mir damit sagen?“, fragte Shinichi und funkelte seine ehemalige Leidensgenossin wütend an.

„Genau das.“

Shiho ließ den Löffel in ihre Tasse sinken und erwiderte Shinichis Blick.

„Du solltest dich endlich damit abfinden, dass sich nichts ändert, wenn du Rans Mörder findest und lieber anfangen dein Leben weiter zu leben, anstatt dich hier so hängen zu lassen!“
 

Shinichis Hand krampfte sich fest um den Henkel seiner Tasse, während er sich nicht mehr sicher war, ob er auf Shiho wütend sein sollte, oder auf sich selbst, weil er wusste, dass sie irgendwo Recht hatte. Er erhoffte sich wirklich davon, irgendetwas zu ändern, wenn er Rans Mörder gefunden hatte und wenn er so genau darüber nachdachte, dann ließ er sich im Moment tatsächlich ziemlich gehen. Aber hatte er nicht alles Recht dazu?
 

Seufzend wendete Shiho ihren Blick von dem plötzlich schweigenden Shinichi ab, nahm den Löffel aus ihrer Tasse und trank einen Schluck aus ihrer Tasse. Es verwunderte sie etwas, dass Shinichi nicht damit begann, ihr vor zu halten, wie sie sich nach dem Tod ihrer Schwester verhalten hatte und vor allem wie lange sie sich so verhalten hatte, aber vermutlich war er zu sehr in sein Selbstmitleid versunken, um sich daran zu erinnern und es gegen sie zu verwenden.
 

„Ich finde, ihr solltet euch nicht wegen so etwas streiten. Es geht eben jeder anders mit seiner Trauer um.“, versuchte Agasa die beiden etwas zu besänftigen.

Obwohl er im Grunde wusste, dass es hier gar nicht wirklich um Trauer ging. Shinichi war beleidigt, weil Shiho ihn einfach so im Stich lies, obwohl sie doch gesagt hatte, sie würde ihm helfen und Shiho war vermutlich beleidigt, weil Shinichi sie nicht bat, noch etwas zu bleiben.

„Ist ja auch egal.“, seufzte Shiho. „Ich werde heute abend in den Flieger steigen und dann bist du mich los.“

„Gott sei dank.“, erwiderte Shinichi trotzig und vergrub sein Gesicht hinter seiner Kaffeetasse, während er daran nippte.

Agasa seufzte nur dazu und sagte nichts mehr, den beiden war heute offenbar nicht mehr zu helfen.
 

~*~
 

Seufzend lag Shiho auf ihrem Bett und starrte an die kahle Decke.

Womit hatte sie das eigentlich alles verdient? Was hatte sie nur falsch gemacht? Ja, gut, sie war nicht immer ein guter Mensch gewesen und sie hatte sicherlich auch das ein oder andere mal einen Menschen bewusst verletzt oder manipuliert oder wütend gemacht... Aber der Fakt war doch, dass sie das alles wieder gut gemacht hatte oder es zumindest ernsthaft versucht hatte.
 

Ach, was machte sie sich hier vor? Sie war kein guter Mensch, sie ist nie einer gewesen. Wie sollte sie auch? Immerhin wurde sie von Leuten der BO groß gezogen. Außer ihrer Schwester, war sie jahrelang nur skrupellosen Menschen begegnet. Menschen die nicht zögerten, jemanden umzubringen, egal ob Mann, Frau oder Kind. Wie hätte sie unter diesen Umständen schon ein guter Mensch werden können?
 

Alles was sie jemals getan hatte, war immer mit Berechnung und ohne die geringsten Skrupel geschehen. Sie hatte nie Mitleid mit den Menschen, die an ihrem Gift zugrunde gegangen oder von Kollegen erschossen wurden waren. Sie hätte die Organisation auch nie verlassen, wenn nicht das mit ihrer Schwester geschehen währe. Sie hätte vermutlich auch niemals beim Lösen all der Mordfälle geholfen, wenn sie nicht hätte Shinichi beeindrucken wollen. Sie wäre vermutlich sogar reuig zur Organisation zurück gekrochen, wenn sie damit nicht den freundlichen Professor Agasa in Gefahr gebracht hätte und später die armen Kinder, die sie für ihre nette Freundin Ai gehalten hatten.
 

Ja und Shinichi... den hatte sie stets und ständig manipuliert und getäuscht. Immer wieder hatte sie gesagt, er dürfe Ran nicht die Wahrheit sagen, weil er sie sonst in Gefahr bringen würde, aber war das der wirkliche Grund gewesen? Wohl kaum. Sie hatte nicht gewollt, dass Ran wusste, dass Conan und Shinichi ein und dieselbe Person waren. Denn so lange Ran in Conan nur ein kleines Kind sah, hatte Shiho ihn als Ai fast ganz für sich allein. Die kleine Ayumi, war ja nun wirklich keine Konkurrenz gewesen und da sie als Ai, die einzige war, die verstand wie er sich gefühlt hatte, da sie ja ähnliches durchmachen musste, war sie neben dem Professor und diesem Heiji aus Osaka auch seine engste Bezugsperson. Sie hatte das für sich ausgenutzt und Ran damit kostbare Zeit mit ihrem Shinichi genommen.
 

„Egoistin!“, rügte sie eine innere Stimme in ihrem Kopf. Obwohl sie Ran im Laufe der Zeit mehr und mehr kennen und mögen gelernt hatte, obwohl Ran für sie einige Male ihr Leben riskiert hatte und obwohl Shiho in Ran irgendwann ihre Schwester gesehen hatte, hatte sie sie dennoch irgendwie hintergangen, indem sie ihr Shinichi vorenthalten hatte, nur damit sie ihn für sich alleine hatte, wenigstens eine Weile. Heute tat es ihr leid. Aber heute war es zu spät. Rückgängig machen konnte Shiho es nicht mehr und sich bei Ran entschuldigen, würde sie auch niemals mehr können.
 

Wieder kamen Zweifel in Shiho hoch. Durfte sie jetzt einfach so gehen? War es nicht ihre Pflicht Shinichi zu helfen, Rans Mörder zu finden? Immerhin war es das einzige, was sie für die herzensgute Ran noch tun konnte. Aber Shinichi wollte sie ja gar nicht dabei haben, sonst hätte er doch sicher etwas gesagt, oder nicht? Er hätte sie schließlich nur bitten müssen, noch eine Weile zu bleiben. Aber nichts dergleichen war geschehen. Stattdessen hatte er ihr lieber Vorwürfe gemacht. Dann sollte er seinen Mist halt allein machen, ihr war es doch egal.
 

Shiho schloss einen Moment die Augen.

Nein, es war ihr nicht egal. Sie wollte das er sie verstand, spätestens jetzt, wo er ähnliches durchlebte, wie sie vor Jahren. Doch in dem Punkt hatte Agasa wohl recht, jeder ging mit seiner Trauer anders um. Shinichi stürzte sich wie besessen in seinen Fall und würde nicht eher ruhe geben, bis er Rans Mörder gefunden hatte und sie war nach Akemis Tod eben lieber davon gelaufen. Ja und vermutlich hatte Shinichi sogar recht damit, dass sie immer noch weg lief. Würde sie sonst nach New York zurück fliegen, obwohl sie Shinichi eigentlich bei der Lösung dieses Falls helfen wollte?
 

~*~
 

Shinichi erging es ganz ähnlich. Er lag ebenfalls auf seinem Gästebett. Er starrte aus dem Fenster. Draußen ging mit schnellen Schritten die Sonne unter. Es war November und so wunderte es nicht, dass es bereits um vier Uhr am Nachmittag schon dunkel wurde. Doch irgendwie stimmte diese Dunkelheit Shinichi noch deprimierter, als er es ohnehin schon war. Wenn die Dunkelheit das Licht besiegte, was blieb jemandem wie ihm dann noch? Was sollte er jetzt tun, wo sein Licht für immer erloschen war? Sicherlich, noch hatte er eine Aufgabe, ein Ziel, dass er unbedingt erreichen wollte. Er musste Rans Mörder finden und ihn der Polizei übergeben. Doch was war dann?
 

Worin lag der Sinn seines Lebens, wenn Ran nicht mehr Teil davon war? Würde er in Zukunft nur noch blind durchs Land reisen und irgendwelche Mordfälle lösen? Würde er als einsamer Detektiv sterben, der nichts weiter hinterließ, als die Erinnerung an die vielen Mordfälle die er gelöst hatte? Wollte er so enden? Doch selbst wenn nicht, was sollte er dagegen tun? Einsamkeit konnte man nur besiegen, indem man sich Menschen suchte, die immer zu einem standen. Shinichi kannte einige solche Menschen, aber die würden ihm Ran nicht ersetzen können. Das konnte niemand. Sollte er also doch lieber ewig einsam und allein bleiben?
 

Doch woran dachte er da eigentlich? Ran hatte ihn erst vor wenigen Wochen verlassen und er fragte sich schon, ob er jemals eine neue Freundin wollte oder nicht. Hatte er Ran denn schon abgeschrieben? Ja. Die Antwort schockierte ihn, aber es war so. Er hatte begriffen und akzeptiert, dass Ran nicht mehr zu ihm zurück kommen würde. Er erhoffte sich von dem finden ihres Mörders nicht, dass alles wieder gut wurde, er hoffe nur darauf, dadurch entgültig mit dieser Sache abschließen zu können. Deswegen hatte er auch darauf bestanden, Ran erst zu beerdigen, wenn der Mörder gefasst war. Er wollte das sie beide in Ruhe und Frieden Abschied voneinander nehmen und er dann endlich weiter leben konnte.
 

Noch wusste er nicht, wie er weiter leben sollte ohne Ran. Doch er wusste, er würde es tun müssen. Er hatte keine andere Wahl, denn er war nicht bereit zu sterben und wer nicht sterben wollte, musste leben. Irgendwie. Ja und er war sich sicher, irgendwie würde es auch weiter gehen, irgendwann würde der Schmerz der ihn jetzt noch durchflutete entgültig verebben und Platz machen für neue und schönere Gefühle. Vielleicht sogar irgendwann für eine neue Liebe.
 

Es würde ihm schwer fallen, sich wieder zu verlieben und so wie Ran, würde er wohl auch niemals wieder jemanden lieben können, aber er war sich sicher, dass sie nicht gewollt hätte, dass er ewig allein blieb. Er hätte sich das umgekehrt auch nicht für sie gewünscht. Auch wenn die Vorstellung, dass ein anderer Mann ihr nahe war, ihm jetzt noch eine unangenehme Gänsehaut brachte. Aber er musste sich immer wieder vor Augen führen, dass nichts schlimmer war, als die Einsamkeit und das letzte was sie gewollt hätten währe, dass einer von ihnen an Einsamkeit zugrunde geht.
 

Also war es nun an Shinichi, sich bewusst zu machen, dass Shiho zumindest in einem recht hatte. Er musste mit dieser Sache hier abschließen und weiter leben, doch das würde er erst tun, wenn er Rans Mörder gestellt hatte. Vielleicht würde er es dann sogar so machen wie Shiho und an einen anderen Ort ziehen, vielleicht nicht gleich in ein anderes Land, aber womöglich in eine andere Stadt. Ja, vielleicht würde er ja nach Osaka ziehen und Heiji Konkurrenz machen.
 

Bei dem Gedanken musste er leicht schmunzeln, doch dann wurde sein Gesichtsausdruck sofort wieder ernst.

Er musste sich endlich einen Kopf machen, wie er an den Mordfall ran gehen sollte. Zuerst einmal würde er Takagi und Megure entgültig klar machen, dass er sich nicht davon abhalten lies, den Fall zu klären, dann würde er ein wachsames Auge auf die FBI-Agentin haben, und jeden noch einmal befragen, der etwas gesehen haben könnte. Jeder Mord hinterließ Spuren, auch dieser, da war er sich sicher und er würde sie finden, dass schwor er sich. Entschlossener als jemals zuvor entschied Shinichi, die Sache gleich am nächsten Tag in Angriff zu nehmen und dieses mal, würde er nicht aufgeben.
 

~*~
 

Shiho stellte schnaufend die Koffer vor der Tür ab und blickte den Professor dann mit einem leichten Lächeln an.

„Danke für alles.“, sagte sie.

„Nicht doch! Ich habe zu danken. Es ist schön das du gekommen bist und es tut mir leid, dass die Umstände so... ungünstig waren.“, seufzte der Professor entschuldigend.

„Das konnten Sie ja nicht wissen.“, winke Shiho ab und seufzte leicht. „Shinichi hält es wohl nicht einmal für nötig sich von mir zu verabschieden.“

„Vielleicht ist er ja in seinem Zimmer eingeschlafen. Soll ich ihn holen gehen?“, wollte Agasa wissen.

Doch Shiho schüttelte mit dem Kopf.

„Nein. Es ist vielleicht besser, wenn ich mich nicht von ihm verabschiede.“

Dann würde es ihr wenigstens nicht ganz so schwer fallen zu gehen.

„Also so unfreundlich, war ich ja nun auch wieder nicht zu dir.“, verkündete Shinichi, während er die Treppen runter kam und neben Agasa trat.

„Darüber lässt sich streiten.“, murmelte Shiho grinsend, gerade so laut genug, dass Shinichi es hören konnte.

„Wirst du irgendwann einmal wieder kommen?“, fragte Agasa schließlich.

„Ich denke wohl nicht, zumindest nicht in der nächsten Zeit. Aber ihr könnt mich gerne besuchen kommen.“, schlug Shiho vor. „Ein Tapetenwechsel könnte dir sicherlich nicht schaden, Shinichi.“

Dieser nickte leicht.

„Wenn ich den Fall gelöst habe komme ich vielleicht darauf zurück.“

„Viel Glück.“, wünschte Shiho ihrem alten Leidensgenossen und gerade als sie sich erneut ihre Koffer greifen wollte, um das Haus des Professors zu verlassen klingelte es an der Haustür.
 

3 mal hintereinander schellte die Klingel der Haustür und Agasa blickte etwas verwundert drein, wer hatte es denn da so eilig? Seufzend öffnete er die Tür und stand plötzlich einer jungen und attraktiven Blondine gegenüber, hinter ihr standen Sato und Takagi, beide sahen merklich so aus, als währe ihnen nicht ganz wohl dabei hier zu sein, während die blonde Frau triumphierend grinste.
 

Shinichi und Shiho blickten die Leute vor der Tür überrascht an. Die Blondine war Mrs. Brown, die FBI-Agentin. Was wollte die den hier und wieso kam sie mit Takagi und Sato im Schlepptau? Irgendwie wurde Shinichi das Gefühl nicht los, dass sie die Antwort darauf gleich erhalten würden und er ahnte auch, dass sie ihnen nicht gefallen würde.
 

„Guten Abend, was kann ich für Sie tun?“, wunderte sich Agasa, während sich Shinichi und Shiho im Hintergrund eindeutig skeptische Blicke zuwarfen, vorerst aber schwiegen.

„Wir suchen nach einer Shiho Miyano. Sie soll bei ihnen wohnen, ist das richtig?“, erkundigte sich die FBI-Agentin unnötigerweise, immerhin stand Shiho fast direkt vor ihrer Nase.

Agasa nickte und machte etwas Platz, damit man Shiho besser sehen konnte.

„Aber sie wird keine Zeit haben mit Ihnen zu reden, ihr Flieger nach New York geht in einer Stunde, sie muss jetzt zum Flughafen.“, erklärte er.

„Ah, sie wollen also abreisen?“, fragte Brown mit bedacht und erhielt ein nicken als Antwort von Seiten Shihos. „Dann kommen wir ja gerade noch richtig. Inspektor Takagi? Tun sie ihre Pflicht!“

Takagi seufzte und trat in die Wohnung ein.

„Es tut mir sehr leid, aber wir haben einen Haftbefehl gegen Sie.“, erklärte er bedauernd und hielt Shiho den Haftbefehl vor die Nase.

Shinichi riss Takagi das Schriftstück aus der Hand.

„Haftbefehl, wegen verdacht des Mordes an Ran Kudo...“, lass er leise und blickte entgeistert zu Takagi auf. „Das ist doch lächerlich!“

„Es tut mir leid, aber so lautet nun einmal der Befehl.“, erklärte Sato, während sie zu Shiho rüber ging und ihr vorsichtig die Handschellen anlegte.

„Und was haben sie gegen Shiho in der Hand?“, wollte Agasa wissen, währen Shiho sich von Sato ihre Rechte vorlesen lies.

„Es sind vor kurzem einige Interessante Beweise aufgetaucht.“, erklärte Brown mit einem falschen lächeln. „Wir haben die Mordwaffe gefunden und eindeutig identifiziert. Wir haben an ihr die Fingerabdrücke Ihrer Freundin gefunden.“

Brown deutete auf Shiho, die auf die Frage, ob sie ihre Rechte verstanden hatte nur leicht nickte.

„Aber das ist völlig unmöglich!“, platzte es aus Shinichi, allerdings hörte man deutlich leichte Unsicherheit in seiner Stimme.

„Ach wirklich? Aber ihre Freundin hat kein Alibi, ein Motiv und war zur Tatzeit, wie sie selbst gestanden hat, in der nähe des Tatorts und die Fingerabdrücke an der Mordwaffe sprechen ja für sich. Oder können sie ihre Freundin irgendwie entlasten? Ihr vielleicht ein Alibi geben?“, wollte die Blondine wissen, doch Shinichi musste den Kopf schütteln. „Gut, dann können wir ja gehen.“
 

Stolz marschierte Brown nach draußen, gefolgt von Sato, die Shiho seufzend nach draußen führte. Takagi blickte Shinichi einen Moment entschuldigend an und folgte den beiden dann. Shinichi und Agasa blieben im Flur stehen und blickten den dreien nach. Was war da eben passiert?
 

~~~
 

Danke an alle Kommischreiber.

Zwei Detektive sind besser als einer

Bevor ich euch das Kapitel mit Shinichi und Heiji präsentiere, möchte ich mich ganz herzlich für die vielen Kommentare zum letzten Kappi bedanken, ich hab mich wirklich sehr gefreut. *verbeug*
 

Dann muss ich euch sagen, dass ich K11 nicht kenne. Ich musste erst jemanden fragen, der mir dann gesagt hat, dass das eine Fernsehserie ist, daher ist selbstverständlich jede Ähnlichkeit mit dieser Serie nicht beabsichtigt.
 

So, jetzt aber viel Spaß mit dem Kappi.
 

~~~
 

„Denkst du wirklich, dass sie es getan hat?“, fragte Heiji, der durch den Gang vor dem Kreissaal des Osaka Hospitals tigerte und dabei immer wieder auf Shinichi blickte, welcher auf einer der Bänke saß und die ganze Zeit nur zu Boden starrte.
 

Irgendwann am Morgen hatte er plötzlich von der Wohnung von Heiji und Kazuha gestanden. Die beiden, die sich gerade auf den Weg ins Krankenhaus machen wollten, weil Kazuhas Wehen eingesetzt hatten, waren völlig verdutzt gewesen und hatten schließlich beschlossen Shinichi einfach mit ins Krankenhaus zu nehmen, da er nicht so aussah, als würde es ihm gut tun, wenn man ihm jetzt sagte, dass man keine Zeit für ihn hatte.
 

Mittlerweile lag Kazuha im Kreissaal und brachte Heijis, hoffentlich gesundes Kind zur Welt. Heiji selbst, war nicht mit in den Kreissaal gegangen, sondern war bei Shinichi geblieben um ihn zu fragen, was ihn den zu diesem etwas ungünstigen Überraschungsbesucht angeregt hatte, was ihn auch direkt von seiner eigenen Nervosität ablenkte.
 

Heiji war sich sicher gewesen, dass Shinichi wohl nur mal weg von Tokio und Rans Mordfall musste und war daher um so überraschter, als er den eigentlichen Grund, für Shinichis offensichtliche Verzweiflung herausfand.
 

Shinichis alte Leidensgenossin, die Heiji immer nur als dieses merkwürdige rotbraunhaarige Mädchen in Erinnerung geblieben war, war wegen Mordes an Ran festgenommen wurden und Shinichi wusste nun nicht mehr, was er denken sollte. Er brauchte Rat von jemandem, der das ganze Objektiv betrachten konnte und Heiji war der erste, der ihm in den Sinn gekommen war. Zurecht, wie sich herausstellte, denn Heiji stellte genau die richtigen Fragen.
 

Shinichi blickte nun doch endlich zu seinem Freund, Kollegen und Rivalen auf.

„Ich weis es nicht.“, seufzte er dann. „Sie hat ein Motive und sie hätte die Möglichkeit gehabt, aber eigentlich...“

„Eigentlich glaubst du nicht daran, dass sie es getan hat.“, beendete Heiji den Satz seines blassen Freundes.

„So ist es.“, nickte Shinichi seufzend, während er auf seine Hände starrte, als währe da eine Geheimnisvolle Schrift eingraviert, die er zu entziffern versuchte.

„Wenn das so ist, wieso bist du dann hier?“, fragte Heiji nach einer weile, die er gelauscht hatte, ob er aus dem Kreissaal nicht vielleicht irgendetwas hören würde.

Shinichi sah ihn mit ernster Miene an .

„Ich brauche deine Objektive Meinung.“, sagte er.

„Verstehe.“

Man sah Heiji ganz deutlich an, dass es ihn besonders Stolz machte, dass Shinichi ausgerechnet ihn um Unterstützung in diesen für ihn so wichtigen Fall bat.

„Ich habe mit Ai schon mal darüber gesprochen, dass sie den Mord begangen haben könnte.“, erklärte dieser seinem Vater werdenden Freund.

Heiji blickte ihn an und setzte sich schließlich neben ihn.

„Also hast du sie schon vorher verdächtigt?“, fragte er interessiert.

Doch Shinichi schüttelte sofort mit dem Kopf.

„Nein, sie hat gemeint ich SOLLTE sie verdächtigen.“, erklärte er und fing sich einen verdutzten Blick von Heiji ein. „Sie hat gesagt, ich währe nicht objektiv genug und als ich sagte, dass sie sich irrt, hat sie mich gefragt, wieso ich sie nicht verdächtige, ihr Motive sei immerhin eines der häufigsten Mordmotive.“

„Was ist den ihr Motiv?“, wollte Heiji interessiert wissen.

„Eifersucht.“

„Auf Ran?“

„Ja.“, nickte Shinichi und ein bitteres schmunzeln lag auf seinen Lippen. „Ich hab immer irgendwie gewusst, dass sie mehr in mir sieht, als ich in ihr, aber ich habe mir nie etwas dabei gedacht. Sie wusste, dass ich Ran über alles liebe und in ihr nur eine gute Freundin sah.“

„Also ist sie in dich verliebt?“, erkannte Heiji.

Shinichi nickte wieder.

„Oder sie war es zumindest.“

„Naja... unter diesen Umständen, ist es nicht von der Hand zu weißen, dass sie ein sehr gutes Motive hatte, zumindest würden dass die Jurymitglieder so sehen.“
 

Es war immer schlecht, wenn bei dem Motiv Emotionale Dinge eine Rolle spielten und deswegen fürchtete Heiji, dass die Chancen für Ai, frei zu kommen, selbst wenn sie unschuldig war, nicht sehr gut standen und das wiederum hieß, dass sie ihre Unschuld beweisen mussten, bevor es zu einer Anklage und einem Prozess kam. Aber die Frage war ja immer noch, ob sie überhaupt unschuldig war.
 

„Und sie war zur Tatzeit dummerweise ganz in der nähe des Tatortes.“, seufzte Shinichi.

„Gut und schön, aber normalerweise reicht das nicht um jemanden in Untersuchungshaft zu stecken, was verschweigst du mir also?“, fragte Heiji interessiert und blickte Shinichi eindringlich an.

Dieser seufzte.

„Sie haben die Mordwaffe gefunden und sie Identifiziert. Ais Fingerabdrücke waren darauf zu sehen.“, gab er zu.

„Und du glaubst trotzdem noch, dass sie unschuldig ist?“

„Ich weis nicht.... es ist nur... das alles ergibt keinen Sinn für mich.“, erklärte Shinichi. „Ai hat in Ran ihre tote Schwester gesehen. Wieso sollte sie sie jetzt auch noch umbringen? Dann ist sie doch gerade erst angekommen, als der Mord geschah. Ich bezweifle dass sie sich unterwegs eine Waffe und ein Eisenrohr besorgt hat und dann direkt zu ins in die Wohnung ist, vor allem da sie kaum wissen konnte, dass wir gerade dann wieder nach Hause kommen würden. Davon mal abgesehen, trägt der Mord einfach nicht Ais Handschrift, so vor zu gehen, währe nicht ihre Art.“

Heiji kam nicht drum herum eine Braue nach oben zu ziehen und Shinichi skeptisch anzublicken.

„Wie meinst du das?“

„Ich kenne sie und ich weis, dass sie die Sache anders angegangen währe, ich weis nicht wie genau, aber nicht so. Dazu ist sie viel zu sehr ein Stratege. Sie Plant ihre Schachzüge vorher sehr genau und diese ganze Aktion, kurz nachdem sie wieder in Japan angekommen ist, wirkt einfach zu übereilt.“

„Sie war vielleicht verzweifelt.“, überlegte Heiji. „Du darfst eines nicht vergessen, Kudo! Sie war einmal Mitglied der BO, sie hat Ahnung von solchen Sachen und vor allem kennt sie dich sehr gut. Sie wusste sicherlich, was du erwartet hast und hat genau das Gegenteil getan und dich anschließend auch noch darauf hingewiesen, dass sie die Mörderin sein könnte, damit du erst recht nicht auf die Idee kommst, sie ernsthaft zu verdächtigen.“

„Also glaubst du, sie ist schuldig?“, wollte Shinichi wissen.

„Die Beweislast ist erdrückend.“, nickte Heiji. „Aber andererseits, vertraue ich trotz deines derzeitigen Mangels an Objektivität, auf deine Urteilskraft. Daher frage ich dich jetzt: Wenn es die Mordwaffe mit ihren Fingerabdrücken nicht gäbe, würdest du dann ernsthaft in Erwägung ziehen, dass sie die Mörderin ist?“

„Nein.“, antwortete Shinichi ohne zu zögern.

Heiji nickte und stand wieder auf um erneut durch die Flure zu tigern.

„Also ist jetzt die Frage, wieso die Fingerabdrücke auf der Mordwaffe sind...“
 

Shinichi überlegte eine weile und sah seinen Freund dann an.

„Was ist, wenn irgendjemand Ai nur den Mord in die Schuhe schieben will?“

„Das währe möglich... aber wieso ausgerechnet sie?“, fragte Heiji.

„Weil sie einmal ein Mitglied der BO war und deswegen nur wenige an ihrer Schuld zweifeln würden?“

„Aber es wissen doch nicht viele davon, oder?“, wollte Heiji wissen.

Shinichi schüttelte seufzend mit dem kopf.

„Nein, eigentlich nicht.“

Heiji hielt plötzlich inne und lauschte erneut, ob da nicht Babygeschrei zu hören war, doch da war nichts, also tigerte er weiter und blickte dabei Shinichi an.

„Also! Gehen wir einfach mal davon aus, dass irgendwer ihre Fingerabdrücke auf der Mordwaffe platziert hat, was ja nicht so schwer ist, wie wir beide wissen, dann stellt sich mir die Frage, wie wir das beweisen wollen.“

„Zumindest, so lange wir nicht wissen, wer das getan haben könnte.“, nickte Shinichi.

„Wir stecken in einer Sackgasse. Wenn wir recht haben, dann war es definitiv der Mörder aber wir haben keine Ahnung, wer der Mörder sein könnte und wir wissen auch nicht, wieso er ausrechnet deiner Freundin, den Mord unterjubeln will.“, überlegte Heiji.

„Aber sei mal ehrlich, nach allem was du gehört hast, glaubst du nicht, dass sie die Mörderin ist?“, wollte Shinichi wissen.

Heiji sah ihn eine weile an und schien angestrengt zu überlegen.

„Nein. Also ich kenne das Mädchen ja nicht sehr gut, aber wenn sie dich wirklich liebt, was ich mir durchaus vorstellen kann, dann hätte sie vielleicht Ran ermodert, aber sicherlich nicht dich anschließend mit einem Eisenrohr bewusstlos geschlagen, dass Risiko währe viel zu hoch gewesen.“

Shinichi nickte.

„Genau so sehe ich das auch.“

„Aber weist du was ich mich frage?“, begann Heiji schließlich und blieb an Ort und Stelle stehen. „Wieso hatte der Täter ein Eisenrohr dabei? Er konnte das doch unmöglich genau so geplant haben, oder?“

„Du weist ja nicht, ob er es wirklich auf Ran abgesehen hatte, oder nicht. Wenn er es von Anfang an so geplant hatte, dass er Ran töten würde, dann musste er auch ein Mittel parat haben, um mich bewusstlos zu schlagen und was währe besser als ein Eisenrohr?“

„Aber wieso hat dich der Mörder nicht auch gleich erschossen? Ich sehe keinen Sinn darin, Ran zu töten und dich dann Lebensgefährlich zu verletzen.“, überlegte Heiji und fühlte sich etwas unwohl dabei, so Sachlich über den Mord an Ran zu sprechen, wo er sie doch näher kannte.

„Wir gehen davon aus, dass der Mörder jemand ist, mit dem ich früher schon mal zu tun hatte und der sich an mir rächen wollte, deswegen ja auch die Nachricht.“, erklärte Shinichi.

„Wer ist wir?“, wollte Heiji mit einer hochgezogenen Braue wisse.

„Ai, Megure, Takagi, Sato und ich sind uns da, denke ich, einig.“

Heiji setzte sich wieder neben Shinichi und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück.

„Aber die meisten, die du gestellt hast, wurden wegen Mordes verurteilt, keiner von ihnen, könnte jetzt schon draußen sein, oder?“

„Wohl nicht, nein. Aber einer seiner Verwandten könnte Rache nehmen wollen.“

„Jetzt erst?“, erkundigte sich Heiji ungläubig. „Das ergibt doch keinen Sinn. Entweder ich räche mich gleich, oder gar nicht.“

„Wer sagt denn, dass es nicht jemand war, den ich erst vor kurzem in den Knast gebracht habe?“, wunderte sich Shinichi der sich innerlich fragte, wie sich Heiji unter diesen Umständen nur so auf den Fall konzentrieren konnte.
 

„Das liegt doch auf der Hand!“, sagte Heiji. „Deine letzten Fälle waren alles Serienkiller ohne Familie und wer von denen Familien hatte, der hat sie bereits Umgebracht. Also innerhalb der letzten 6 Monate, kommt Theoretisch jedenfalls keiner in Frage.“

Shinichi sah seinen Freund aus Osaka etwas verwundert an.

„Woher weist du den das alles so genau?“

„Tja...“, grinste Heiji. „Nur weil ich die letzten 6 Monate nicht so Agieren konnte, wie ich wollte, heißt das nicht, dass ich deine Fälle nicht genau verfolgt habe.“

„Du hast ganz schön was aufzuholen, weist du das?“, grinste Shinichi zurück und fühlte zum ersten mal seit langsam, wieder etwas Entspannung durch seinen Körper strömen.

„Stimm, aber ich mache mir da keine Sorgen, irgendwann wirst du auch Vater und dann hole ich das wieder auf.“, winkte Heiji ab und grinste immer noch, auch wenn er aus den Augenwinkeln immer wieder auf die Uhr blickte.

Shinichis Mundwinkel zogen sich prompt nach unten und seine Augen wurden wieder Traurig.

„Ja... vermutlich.“

Heiji seufzte, Taktgefühl hatte er noch nie viel, wie Kazuha ihm schon immer gesagt hatte.

„Tut mir leid, dass hätte ich mir sparen sollten.“

„Schon gut.“

„Also, zurück zum Fall!“, beschloss Heiji und stand wieder auf um durch die Gegend zu Tigern, was Shinichi langsam etwas nervte. „Du musst jemanden finden, der bezeugen kann, dass Ai eure Wohnung nie betreten hat!“

„Aber das geht nicht! Ich hab dir doch schon am Telefon neulich gesagt, das niemand etwas gesehen haben will.“

„Ja, da hast du aber auch nach dem Mörder gefragt und nicht nach Ai. Ich bin sicher, die Leute sind etwas gesprächiger, wenn du sie nur nach einer jungen Frau fragst und nicht nach einem gesuchten Mörder.“, versicherte Heiji.

„Ja schon, nur ist Ai im Moment der gesuchte Mörder.“, seufzte Shinichi.

„Falsch!“ Heiji hob einen Zeigefinger. „Unschuldig, bis die Schuld bewiesen ist und im Moment gibt es nur einen wirklichen Beweis.“

„Ja, und der ist ziemlich eindeutig.“, seufzte Shinichi und lies die Schultern sinken. „Wenn ich niemanden finde, der sie gesehen hat, dann wird sie definitiv verurteilt.“

Heiji nickte.

„Deswegen müssen wir auch ihre Unschuld beweisen und zwar möglich BEVOR es zu einer Anklage kommt. Also streng dein Köpfchen an, Kudo!“, forderte er und blickte Shinichi eindringlich an.

„Du hast recht.“

Endlich erhob er sich von der Bank, auf der er ausgesehen hatte, wie ein Häufchen Elend.

„Danke, Hatori. Das hat mir geholfen.“, er schenkte seinem Freund kurz ein lächeln.

„Dafür bist du mir was schuldig!“, sagte Heiji sofort.

„Kein Problem, bei deinem nächsten schwierigen Fall, bin ich sofort da.“

„Ich dachte eher an Babysitten.“, grinste Heiji

„Von mir aus.“, grinste Shinichi zurück, sah aber nicht wirklich so aus, als währe das ein Job für ihn.

„Also, viel Glück, Kudo! Und ruf an, wenn du Hilfe brauchst!“, forderte Heiji und erhielt nur ein nicken, bevor sich Shinichi verabschiedete und langsam aus dem Krankenhaus marschierte.
 

Er hörte noch ein Baby munter vor sich hin schreien und er bildete sich ein, Heiji begeistert „Es ist ein Junge!“, rufen gehört zu haben, aber vermutlich war das nur Einbildung. Dennoch traf es Shinichi etwas. Er und Ran hatten sich auch ein Kind gewünscht und wenn Shinichi etwas mehr bei der Sache gewesen währe, dann hätten sie beide jetzt vielleicht auch einen kleinen Sohn oder eine kleine Tochter.
 

Er seufzte.

Es hatte keinen Sinn über längst vergossenen Milch zu Weinen, er musste sich jetzt erst mal um die frisch Milch kümmern, die im Gefängnis dabei war zu versauern. Er wusste nur immer noch nicht so genau wie. Es würde auf jeden Fall sehr schwierig werden Ai zu entlasten bzw. denjenigen zu finden, der sie belastet...
 

~~~
 

Vermutlich habt ihr es schon bemerkt. Mein Betaleser ist abgesprungen, ich wollte euch aber nicht länger warten lassen, daher habe ich das Kappi ohne Beta hochgeladen, ich hoffe, man kann es lesen.
 

Ja, ich weis, es ist ein bisschen langweilig, aber das haben Übergangskapitel so an sich. Ich verspreche euch, beim nächsten wird es wieder besser.

Ein unerwartetes Alibi

Zuerst einmal, vielen dank für die vielen lieben Kommentar und ich hoffe, dieses Kapitel sagt euch etwas mehr zu, als das letzte, viel Spaß dabei!
 

~~~
 

Shiho saß auf ihrem Bett in einer Gefängniszelle im Keller des Polizeipräsidiums und schaute betrübt aus dem kleinen Fenster in den Nachthimmel. Nie hatte sie sich diese Situation vorgestellt. Für sie gab es immer nur die Alternativen Tod oder Freiheit, aber sie hatte nie daran gedacht, wirklich einmal im Gefängnis zu landen.

Und doch musste sie leicht über ihre Situation lächeln. Hatte sie es nicht sogar verdient? Sie saß zwar für eine Tat im Gefängnis, die sie nicht begangen hatte, dennoch hatte sie es verdient, denn sie hatte viele schreckliche Dinge getan.
 

Das Ganze hatte auch eine interessante Seite. Was machte Shinichi wohl gerade? Der Gedanke an seinen Gesichtsausdruck, wie er verzweifelt versuchte, einen Beweis für ihre Unschuld zu finden, hatte schon etwas Reizvolles. Diesen Gesichtsausdruck würde sie gerne bei ihm sehen, denn es war einmal sie, die er versuchte verzweifelt zu retten.

Dabei war der Gedanke eigentlich töricht, denn am Ende diente es wieder nur dazu, den Täter zu finden, der seine geliebte Ran getötet hatte. Sie könnte immer die ihm Nächste sein, aber nie die Erste. Also was gab es jetzt eigentlich dort draußen, wofür es sich lohnte, diese Zelle zu verlassen?

Und doch war es kalt an diesem Ort...
 

~~~
 

Am nächsten Morgen wachte Shinichi viel zu früh auf, aber das war in den letzten Tagen mittlerweile der Normalfall. Es war noch nicht einmal sechs Uhr und die Sonne hatte sich auch noch nicht erhoben, doch er konnte nicht mehr liegen bleiben. Sobald er wach war, begannen seine Gedanken um tausend Dinge zu kreisen, das Wichtigste davon war die Suche danach, wie er Shihos Unschuld beweisen könnte.
 

Er stand auf, zog sich um und ging hinunter in die Küche. Unterwegs kam er an Professor Agasas Arbeitsplatz vorbei. Der Professor war wieder einmal an seinem Computer eingeschlafen. In letzter Zeit arbeitete er sehr viel, zumindest sah es danach aus.

Er setzte ihn mit keinem Wort unter Druck und doch erkannte Shinichi jedes Mal, wenn er den Professor sah, dass dieser hoffte, dass er einen Weg gefunden hätte, Shiho zu befreien.
 

Seufzend schenkte sich Shinichi schließlich einen Kaffee ein, den er sich in der Küche aufgesetzt hatte. Das Gebräu war mittlerweile sein Grundnahrungsmittel Nr. 1. Seit gestern Abend war er auch wieder aus Osaka zurück und es tat gut zu wissen, dass er noch Freunde hatte, die ihn unterstützen würden. Aber Heiji könnte ihm in dieser Sache nicht helfen, er hatte ihm aber klar machen können, dass er jetzt nicht aufgeben dürfte und dass er seinem Instinkt bis jetzt immer hatte vertrauen können. Shiho war unschuldig, da war er sich nun ganz sicher. Er musste es nur noch beweisen. Aber wie? Er brauchte jemanden oder etwas, der Shiho ein Alibi geben könnte. Vielleicht sollte er sich noch einmal in der Nachbarschaft umhören.
 

Auf jeden Fall bräuchte er erst einmal eine Beschäftigung, denn zu dieser Tageszeit könnte er noch niemanden mit seinen Fragen belästigen und das viele Grübeln würde ihm nur wieder Kopfschmerzen bringen. Mit einem Blick neben die Kaffeemaschine kam Shinichi auf die Idee, dass er mal Einkaufen gehen könnte. Prof. Agasa hatte schon einen langen Einkaufszettel dort liegen und bis auf Kaffee und ein wenig Brot befand sich auch nicht mehr viel an Lebensmitteln im Haus. Der Professor hatte scheinbar auch keine wirkliche Motivation dazu, was in der aktuellen Situation durchaus verständlich war.

Also warum sich nicht einmal nützlich machen, immerhin wohnte er hier auch schon seit Wochen auf seine Kosten. Außerdem würde er in Zukunft ohnehin selber einkaufen gehen müssen, es war ja sonst niemand mehr da.

Da es mittlerweile kurz nach sieben Uhr war, würde sich wohl auch ein offener Supermarkt finden lassen. Der Entschluss gefasst, Geld und Einkaufszettel in die Jackentasche gesteckt, machte sich Shinichi schließlich auf den Weg.
 

Im Supermarkt fühlte er sich komisch. Es waren zwar kaum Leute dort, aber es war einfach merkwürdig, so alleine einen Supermarkt aufzusuchen. Wann war er eigentlich das letzte Mal Einkaufen gegangen? Vor allem alleine? Immer hatte Ran sich darum gekümmert, er war ja auch zu beschäftigt gewesen…

Er brauchte einige Zeit, bis er alle Dinge, die auf dem Einkaufszettel standen, gefunden hatte. Als er dann gerade zur Kasse gehen wollte, stellte er sich kurz die Frage, ob er auch wirklich ‚gut’ eingekauft hatte. Ran wählte immer alles mit Bedacht aus und auch nur in den Mengen, in denen sie es brauchen würde, obwohl sie nicht aufs Geld hatte achten müssen. Doch war sie nun einmal… gewesen.

Shinichi kam zu dem Schluss, dass er es sowieso nie so machen würde wie sie, also ging er mit einem Seufzer endlich zur Kasse und bezahlte.
 

Als er wieder zurück kehrte, war der Professor auch auf den Beinen und begrüßte ihn mit einem freundlichen ‚guten Morgen’.

„Guten Morgen Professor.“, erwiderte Shinichi und stellte die Einkäufe in der Küche auf der Anrichte ab.

Erst jetzt bemerkte der Professor, was Shinichi da bei sich hatte.

„Warst du etwa einkaufen?“, seine Verblüffung konnte er nicht verbergen.

„Yep.“, gab er nur zurück und machte sich daran, die beiden Einkaufstüten auszupacken.

Der Professor sagte nichts weiter dazu. Eigentlich sollte er Shinichi dankbar dafür sein und doch glaubte er nicht, dass es eine gute Idee gewesen war. Shinichi wirkte sehr traurig, während er die eingekauften Sachen verstaute und Agasa konnte sich auch denken wieso.
 

„Hast du heute wieder etwas vor?“, fragte der Professor schließlich, bevor er wieder in sein Arbeitszimmer zurück wollte.

„Ich werde noch einmal die Nachbarn befragen, irgendwer muss etwas gesehen haben.“.

„Verstehe.“, Professor Agasa konnte seine Enttäuschung kaum unterdrücken, Shinichi wusste das.

Seine Aussage sagte dem Professor nur, dass er immer noch nicht wusste, wo er suchen sollte und wie er Shiho helfen könnte. Aber es war immer noch besser, als nichts zu tun.

Als der Professor gerade die Treppe nach oben ging, hörte er noch, wie die Haustür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Shinichi war weg und er war wieder allein.
 

~~~
 

Shinichi war nun schon seit Stunden durch seine Nachbarschaft gestreift, es war bereits nach Mittag. Er hatte überall angeschellt und nach verdächtigen Personen gefragt, aber niemand hatte etwas gesehen oder gehört, manche waren sogar empört, dass immer noch jemand danach fragte. Auch in den kleinen Lokalitäten auf der Straße wurde er nicht fündig und die Gäste, die an dem Tatabend dort waren ausfindig zu machen, war so gut wie unmöglich, aber vermutlich würde es an dem Ergebnis auch nicht viel ändern.

Die aussagekräftigste Antwort, die erhalten hatte, war, dass eine rotbraunhaarige Frau Anfang 20 eine Weile die Wohnung angestarrt hatte, aber an die Uhrzeit oder ob sie das Haus auch betreten hatte, konnte sich keiner mehr erinnern. Sprich dies war mehr eine belastende Information für Shiho. Obwohl er zugeben musste, dass es ihn wunderte, dass sie eine Weile an der Straße gestanden und zu seiner Wohnung hochgeblickt haben sollte.

Jedoch wurden seine Gedanken von seinem Magenknurren unterbrochen und Shinichi entschied sich dazu, erst einmal etwas Essen zu gehen.
 

Derweil wurde Prof. Agasa bei seiner Arbeit unterbrochen, als es plötzlich bei ihm an der Tür klingelte. Kurz spielte er mit dem Gedanken, nicht zu öffnen, doch es könnte ja wichtig sein.

Als er die Tür schließlich öffnete, war er noch überraschter, denn vor ihm stand Ayumi, die ihn merkwürdig anblickte.

„Hallo Professor, haben Sie kurz Zeit, ich muss mit Ihnen reden.“.

„Aber natürlich, komm rein.“, sofort gewährte er ihr Einlass in seine Wohnung.

Ayumi tapste ins Wohnzimmer und ließ sich dort auf dem Sofa nieder. Der Professor verfolgte sie mit einem skeptischen Blick, irgendetwas stimmte überhaupt nicht mit ihr, Ayumi wirkte sehr bedrückt.

Agasa holte aus der Küche für das kleine Mädchen noch ein Glas Milch, bevor er sich zu ihr setzte.

„Worüber möchtest du denn mit mir sprechen?“, fragte er sie freundlich.

Ayumi trank einen Schluck Milch, stellte das Glas auf den Tisch ab und starrte auf ihre Knie.

„Es geht um den Mord.“.

„Welchen Mord?“.

Ayumi biss sich auf die Unterlippe, sie wollte es nicht aussprechen. Aber diese Sache beschäftigte sie schon die ganze Zeit und sie musste endlich mit jemandem darüber reden.

„Meinst du Ran?“, fiel es dem Professor ein.

Die Kinder waren sehr traurig und niedergeschlagen gewesen, als er ihnen davon erzählt hatte, besonders Ayumi schien es immer noch nicht wirklich glauben zu können, dass Ran nicht mehr da war.

Auf seine Frage hin nickte sie stumm. Agasa schaute sie abwartend an, er wollte sie nicht drängen, es ging immerhin offensichtlich um ein ernstes Thema.

„An dem Tag des Mordes habe ich eine Frau verfolgt.“, begann Ayumi langsam. „Ich kam gerade dort vorbei und habe sie dort stehen sehen, sie hatte zu Rans Wohnung hoch geblickt. Dann war sie weiter gegangen.“.

„Und du bist ihr nach?“.

Ayumi nickte erneut.

„Glauben Sie, diese Frau könnte es gewesen sein?“, fragte Ayumi nervös.

Der Professor war sehr überrascht, zudem schien das Mädchen zu hoffen, dass diese Frau nichts mit dem Mord zutun hatte.

„Wann war das denn?“, wollte Agasa wissen.

„Gegen halb acht, glaube ich.“.

Agasa überlegte, der Mord geschah etwa eine halbe Stunde später, aber das würde ja bedeuten...

„Weißt du noch, wie diese Person aussah?“.

„Das wollte ich Sie auch noch fragen, hat Ai vielleicht eine ältere Schwester?“, erwiderte Ayumi aufgeregt.

„Ältere Schwester?“, nun war Agasa verdutzt.

„Ja, die Frau sah Ai sehr ähnlich, sie war nur eben älter. Ich dachte, vielleicht könnte es ihre Schwester sein, deshalb bin ich ihr auch nachgelaufen.“, Ayumi errötete leicht.

Es war eigentlich dumm gewesen, aber sie vermisste ihre Freundin, sie wüsste gerne, wie es ihr ging. Sie hörte immer nur vom Professor, dass es Ai zu Hause gut ging, aber das war auch schon alles.

„Ah ja, diese Frau...“, der Professor stotterte ein wenig vor sich hin, während er schnell überlegte, „Das war tatsächlich Ais große Schwester, sie heißt Shiho und ist gerade zu Besuch hier, ich kenne sie auch sehr gut.“.

„Wirklich?“, Ayumis Gesicht begann kurz zu strahlen, „Aber sie ist nicht die Mörderin, oder?“, das Strahlen musste diesem besorgniserregenden Gedanken weichen.

„Du hast sie gegen halb acht vor der Wohnung gesehen und bist ihr danach gefolgt, oder?“.

Ayumi nickte.

„Zur Tatzeit kann sie also nicht in der Wohnung gewesen sein. Ayumi, du gibst ihr damit Alibi!“, langsam realisierte der Professor diesen erfreulichen Umstand.

„Tatsächlich?“, das hatte das Mädchen nun nicht erwartet.

„Das muss ich sofort Shinichi sagen.“, Agasa stürzte zum Telefon und wählte Shinichis Handy an.
 

Shinichi hörte sein Handy klingeln, als er gerade seine Essstäbchen nach der beendeten Mahlzeit beiseite legte. Er blickte auf das Display und las den Namen des Professors.

„Hallo Professor, ist etwas passiert?“, fragte er sofort, denn warum sonst sollte dieser anrufen?!

„Ich habe großartige Neuigkeiten, Shinichi. Shiho hat ein Alibi!“.

„Sind Sie sicher?“, Shinichi merkte, wie sein Herz vor Aufregung schneller schlug.

„Ja. Ayumi ist gerade bei mir und sie kann bezeugen, dass Shiho zur Tatzeit nicht in eurer Wohnung war.“, erklärte der Professor.

„Ayumi?“, entglitt es Shinichi vor Überraschung.

Wer hätte damit gerechnet, dass ausgerechnet eine alte Freundin Shiho ein Alibi verschaffen würde.

„Wir sollten das sofort der Polizei mitteilen!“, meinte Agasa.

„Sie haben Recht. Wir treffen uns auf dem Parkplatz des Präsidiums.“, mit diesen Worten hatte Shinichi auch schon aufgelegt.

Schnell bezahlte er sein Essen und ging auch schon los. An der Straße hielt er das nächste Taxi an und ließ sich zum Polizeipräsidium bringen.
 

Als der Professor Ayumi davon berichtete, dass man Ais Schwester bereits verhaftet hatte, war diese natürlich sofort bereit, für sie auszusagen. So machten sich auch die beiden in dem kleinen Käfer von Professor Agasa auf den Weg.

Agasa kam nicht umher, während der Fahrt daran zu denken, dass sich Shiho nun als ihre eigene Schwester würde ausgeben müssen. Doch er war der Überzeugung, dass es die richtige Entscheidung war, Ayumi diese Lüge zu erzählen. Er hatte Shiho bereits öfter davon überzeugen wollen, den Kindern wenigstens ab und an mal zu schreiben, weil sie sie vermissten, aber sie meinte immer, dass es besser wäre, wenn sie sie vergessen würden. Vielleicht würde die neue Situation ja etwas daran ändern, es wäre in jedem Fall wünschenswert.
 

Endlich erreichte Agasa den Parkplatz des Polizeipräsidiums, wo Shinichi bereits ungeduldig wartete.

„Hallo Shinichi.“, begrüßte Ayumi ihn freundlich.

„Hallo Ayumi.“.

Shinichi musste zugeben, dass es anfangs wirklich ungewohnt gewesen war, den Kindern nicht mehr als enger Freund zu begegnen. Doch da sie Ran auch so gern hatten, hatte er auch nach seiner Rückverwandlung noch viel mit ihnen zu tun. Naja, wenn er nicht gerade mit irgendeinem Fall beschäftigt war.

„Ayumi, bevor wir rein gehen, erzählst du mir auch kurz, was du gesehen hast?“, bat er das Mädchen und ging vor ihr in die Hocke.

„Ich habe Ais große Schwester gegen halb acht vor eurer Wohnung stehen sehen, danach ist sie einfach weiter gegangen. Ich habe sie eine ganze Weile verfolgt.“.

Ob der Bemerkung ‚Ais große Schwester’ blickte Shinichi kurz fragend zu Professor Agasa auf, der nur grinste und sich damit schuldig bekannte.

„Sie hat die Wohnung also nicht betreten?“, wandte er sich wieder an Ayumi.

„Nein, jedenfalls nicht zu der Zeit.“.

„Sehr gut, das dürfte erst einmal reichen.“.

„Erst einmal?“, bemerkte der Professor.

„Wir müssen realistisch bleiben, es handelt sich hierbei um die Aussage eines Kindes und da ist immer noch die Sache mit Ais, ich meine, Shihos Fingerabdrücken auf der Tatwaffe, was mich jetzt erst recht beschäftigt.“, erklärte Shinichi.

„Da ist was dran, aber erst einmal sollten wir Shiho aus dem Gefängnis holen.“.

„Da haben Sie Recht.“.

Gemeinsam betraten sie das Präsidium und suchten sofort die Beamten der Mordkommission auf.
 

„Kudo, und Professor Agasa, was machen Sie denn hier?“, kam es von Takagi, dessen Schreibtisch nicht weit von der Tür entfernt stand und er somit das Eintreten der besagten Personen sofort bemerkte.

„Hallo Inspektor Takagi.“, wurde dieser in einem angriffslustigen Tonfall von Shinichi begrüßt. „Wir sind hier, weil wir eine Zeugin gefunden haben, die Shiho Miyano ein Alibi geben kann.“.

„Ehrlich?“, Takagi war ein wenig verwirrt, dann fiel sein Blick auf Ayumi, die zwischen Shinichi und dem Professor stand, „Ayumi?“.

„Sie hat Shiho beobachtet und kann bezeugen, dass diese die Wohnung zur Tatzeit nicht betreten hat.“, erklärte Shinichi.

„Äh...“.

„Ist das so?“, Sato kam Takagi zu Hilfe, die das Eintreten der drei ebenfalls bemerkt hatte, „Aber dann befragen wir doch mal die Zeugin.“, Sato kam auf Ayumi zu und hockte sich zu ihr runter, „Was hast du gesehen?“.

„Die rotbraunhaarige Frau stand vor der Wohnung und blickte zu ihr rauf, nach einer Weile ging sie dann einfach weiter.“.

„Wann war das?“.

„Gegen halb acht.“.

„Aber hätte sie danach nicht noch einmal zurück kommen können? Der Mord geschah erst etwa eine halbe Stunde später.“, meinte Sato skeptisch.

„Nein, denn ich bin ihr danach gefolgt.“, erklärte Ayumi.

„Wieso bist du ihr gefolgt?“, fragte Sato leicht perplex.

„Ich wollte herausfinden, ob diese Frau vielleicht eine Schwester von Ai ist.“.

„Na wenn das so ist.“, Sato erhob sich wieder und blickte zu Shinichi, „Aber das reicht nicht, um sie vollständig zu entlasten. Sie bleibt die Haupttatverdächtige.“.

„Ich weiß, aber es reicht, um sie auf Bewährung frei zu lassen.“, entgegnete Shinichi.

„Richtig.“, nickte Sato, „Aber lass das nicht diese FBI-Agentin hören.“.

Shinichi reagierte auf diese Aussage mit einem verwunderten Blick.

„Es wird sie nicht sehr erfreuen zu hören, dass wir sie frei gelassen haben. Aber ganz geheuer ist mir diese Frau sowieso nicht.“.

„Mir läuft immer ein Schauer über den Rücken, wenn ich sie sehe.“, warf Takagi ein und verzog eine Miene.

Es war offensichtlich, dass er selbst einen kleinen Schauer bekam, wenn er nur an sie dachte.

„Das stimmt, irgendwas ist faul an ihr.“, stimmte Shinichi zu, „Weiß man denn was über sie?“.

„Man hat uns ihre Karriere dargelegt, aber bis auf ihren Ausweis haben wir keine Unterlagen von ihr zu sehen bekommen. Da sie uns auch offiziell zugeteilt wurde, wäre es auch respektlos, mehr zu hinterfragen. Wir haben schließlich keine Indizien für irgendwelche Verdächtigungen.“, erklärte Sato, der man auch deutlich anmerkte, dass sie die Frau am liebsten dorthin zurück schicken würde, wo sie herkam.

„Kann ich mir vielleicht die Tatwaffe ansehen?“, fragte Shinichi schließlich.

Er hatte sie noch nicht zu Gesicht bekommen und vermutlich war sie ein wichtiger Schlüssel zur Lösung des Falls.

„Die Tatwaffe befindet sich ebenfalls in FBI-Gewahrsam. Oberinspektor Megure war zwar strikt dagegen, aber am Ende hatte er nachgeben müssen.“, erklärte Sato.
 

Shinichi erwiderte nichts daraufhin. Mit dieser FBI-Agentin stimmte auf jeden Fall etwas nicht. Warum war sie so scharf auf die Tatwaffe? Irgendwie musste er etwas über sie heraus finden. Und er hatte da auch schon eine Idee...

„Takagi, holst du die Gefangene? Ich denke, ein einfacher Vermerk und die Zeugenaussage fürs Protokoll sollten reichen.“.

Damit ging Sato an ihren Arbeitsplatz zurück. Widerspruchslos folgte Takagi ihrer Anweisung, obwohl er sich etwas dumm vor kam. Wer von ihnen war hier eigentlich der Chef? Aber er konnte seiner Frau eben einfach nicht wiedersprechen, seiner Meinung nach, hatte sie seinen Job viel eher verdient. Aber die Situation, so wie sie gekommen war, war ihm nur ganz recht.

Es war klar, dass Sato und er, Shiho nicht festhalten wollten, denn der wahre Täter hielt sich immer noch im Verborgenen und sie beide, hatten auch ein mehr oder weniger persönliches Interesse daran, Rans wahren Mörder zu finden.
 

Shiho las gerade in einem Lehrbuch, welches man ihr zugestanden hatte, als plötzlich jemand ihre Zelle öffnete. Überrascht blickte sie Inspektor Takagi an, doch da sah sie auch schon ihn. Shinichi. Er war tatsächlich gekommen, er holte sie tatsächlich hier raus.

Ein paar Momente verstrichen, bevor sie die Situation wirklich realisiert hatte. Langsam legte sie das Buch zur Seite und erhob sich.

„Du hast ganz schön lange gebraucht.“, meinte sie zu Shinichi, als sie vor ihm stand.

„Ach, ich dachte dir gefällt es hier so alleine.“.

„Das tut es nicht.“.

„Das hatte ich gehofft.“.

Shiho ging an Shinichi vorbei, begrüßte kurz den Professor mit einer Geste und holte sich vom einem Polizeibeamten schließlich ihr Eigentum ab, welches sie hatte abgeben müssen.
 

Gemeinsam mit Shinichi, Agasa und Takagi ging sie hoch zu den Büros, wo Ayumi noch ihre Aussage bei Takagi zu Protokoll gab und die vier dann endlich gehen konnten.

Shiho hatte nicht schlecht gestaunt, als sie Ayumi entdeckt hatte und dann auch noch feststellen musste, dass sie ihr ihre Freilassung zu verdanken hatte.

In Agasas Wagen saßen die beiden dann auch noch gemeinsam auf der Rückbank. Ayumi konnte sich nicht lange zurückhalten.

„Wie geht es Ai so zu Hause? Was macht sie so? Denkt sie ab und zu mal an uns?“, alle Fragen schossen auf einmal aus ihr heraus.

Shiho fühlte sich regelrecht überrumpelt, außerdem überraschte es sie, dass Ayumi ausgerechnet sie das fragte.

Unmerklich ihres Blickes verzog der Professor das Gesicht, er hatte ganz vergessen, Shiho zu sagen, dass sie nun Ais große Schwester war. Doch im Rückspiegel sah er, wie Shiho leicht lächelte.

„Sie macht gerade eine schwere Zeit durch und sie vermisst euch.“, antwortete sie Ayumi ehrlicher, als sie es vermutlich jemals gewesen war.

„Dürfen wir sie nicht mal besuchen kommen?“.

„Das wird schwierig.“.

„Geht es ihr schlecht?“.

„Es ist gerade alles nicht so einfach.“.

„Können wir ihr gar nicht helfen?“, meinte Ayumi traurig.

„Ich werde ihr sagen, dass ihr an sie denkt, das wird sie bestimmt aufbauen.“, Shiho lächelte Ayumi an, wodurch diese sich gleich besser fühlte.

„Alles wird gut.“, sagte Ayumi noch, bevor sie auch schon vor dem Haus des Professors hielten.
 

Mit einem traurigen Lächeln stieg Shiho aus dem Auto. Wie schön wäre es, wenn Ayumi Recht behalten würde. Aber wie sollte alles gut werden, wenn sie jeden Tag in seiner Gegenwart ein Stückchen mehr litt?!

Kurz blickte sie in den Himmel hinauf. Ja, es tat weh, wieder in seiner Gegenwart zu sein, doch diesen Schmerz ertrug sie jetzt lieber, als ohne ihn sein müssen, denn ohne ihn war es kalt in ihrer Welt.
 

~~~
 

So, ich muss euch nun zu meiner Schande gestehen, dass ich nicht in der Lage war die Idee zu diesem Kapitel irgendwie vernünftig umzusetzen, vor allem da ich gerade auf der Inspirations-Welle einer anderen Serie surfe, deswegen habe ich mir für dieses Kapitel einen Ghostwriter gesucht, der meine Idee zu einem Kapitel gemacht hat.

Ja, ihr lest richtig, dieses Kapitel ist ausnahmsweise nicht von mir, sondern von meiner lieben Freundin MichiruKaiou, der ich sehr dankbar für diese Hilfe bin, da ich glaube, so nun besser weiter zu kommen.
 

Meine Frage an euch: Habt ihr bemerkt, dass nicht ich das Kapitel geschrieben habe?
 

Meine Bitte an euch: Schreibt trotzdem Kommis, ich werde sie definitiv an Michi weiterleiten. ^^
 

Mein Versprechen an euch: In Zukunft sind die Kapitel wieder von mir.

Black is back?

Es tut mir wirklich sehr leid, dass ihr so lange warten musstet, aber meine Ausbildung nimmt doch mehr Zeit in Anspruch, als ich gedacht hatte. Dafür gibt es aber endlich mal eine kleine Einführung in das Pairing ShinichixShiho. ^_~
 

Ich halte das Kapitel eigentlich für etwas kompliziert. Aber alles umschreiben hat nichts daran geändert. Ich hoffe es gefällt euch trotzdem. Viel Spaß beim lesen!
 

~*~
 

Shinichi kam aus dem Bad in Professor Agasas Arbeitszimmer. Er trug eine lässige Hose und ein spärlich zugeknöpftes Hemd. Um seinen Hals hing ein feuchtes Handtuch auf welches seine nassen Haare tropften. Er stellte sich in die Mitte des Raumes und begann seine Haare mit dem Handtuch um seinen Hals zu trocknen. Shiho saß in der Ecke des Raumes an Agasas PC und tippte wie wild auf der Tastatur herum. Sie hatte sich fast sofort da ran gesetzt, nachdem sie Agasa hier abgeliefert hatte, der nun gerade Ayumi nach Hause brachte.
 

„Was tust du da?“, erkundigte sich Shinichi und trat etwas an sie heran.

„Ich hacke mich in den Computer der Polizei ein.“, antwortete Shiho während sie versuchte das Passwort zu knacken.

„Dir ist schon klar, dass ich dich gerade erst aus dem Knast geholt habe, oder?“, wollte Shinichi wissen und blickte sie ungläubig an.

Shiho nickte.

„Natürlich, und dafür bin ich dir auch sehr dankbar. Aber wenn wir nicht bald herausfinden, wer diese FBI Agentin wirklich ist, wird dieser Zustand nicht sehr andauernd sein.“, erklärte sie und just in diesem Moment knackte sie auch das Passwort der Polizeidatenbank.

„Und wieso glaubst du, dass du das in der Datenbank der Polizei heraus finden kannst?“, erkundigte sich Shinichi mit Skeptischen blick auf den Bildschirm des PCs. „Ich bezweifle, dass die dort Daten über FBI Agenten speichern.“

„Ich suche auch nicht nach Daten über FBI Agenten.“, erwiderte Shiho grinsend, tippte ein bisschen auf der Tastatur rum und landete schließlich in dem Teil der Datenbank, indem einige Daten über die BO gespeichert waren.

Der Großteil dieser Daten befand sich zwar eher auf den Datenbanken von CIA und FBI – auf die selbst Shiho niemals zugriff bekommen würde – jedoch hatte auch die hiesige Polizei einige Daten gespeichert.

„Du glaubst doch nicht etwa, das...“, fragte Shinichi und blickte sie entgeistert an.

„Doch, genau das.“, nickte Shiho nur als Antwort und durchsuchte die Ordner.
 

Gespannt blickte Shinichi über ihre Schulter hinweg auf den Bildschirm. Wenn sie recht hatte, dass die FBI Agentin in Wirklichkeit einmal Mitglied der BO war dann währen damit so einige Fragen beantwortet, aber es würden natürlich auch wieder einige neue dazu kommen. Aber immerhin wären sie dann in ihren Ermittlungen einen Schritt weiter.
 

„Ein Doppelagent beim FBI. Ich hätte nie gedacht, dass das möglich ist.“, grübelte er, während Shiho die Datenbank durchforstete.

„Heutzutage ist es erschreckend einfach sich eine neue Identität zu zulegen.“, erklärte Shiho seufzend und dachte dabei automatisch an sich selbst und ihre Zeit als Ai Haibara. „Sieh uns doch mal an! Wir haben über ein Jahr als Conan und Ai gelebt. Wir hatten keine Geburtsurkunde oder sonstige Papiere, die beweisen konnten, dass wir wirklich wir sind und die Leute die für uns gesorgt haben, hatten keinerlei beweise dafür, dass sie unsere Erziehungsberechtigten waren. Trotzdem konnte wir zur Schule gehen, ins Krankenhaus eingeliefert werden und ein ganz normales Kinderleben leben. Außerdem hatte die Organisation alles was sie brauchte um jemanden eine neue Identität zu verschaffen.“

„Irgendwie klingt das ziemlich verlockend.“, seufzte Shinichi plötzlich, nachdem er einen Moment stillschweigend über Shihos Worte und seinen Vergangenheit als Conan nachgedachte hatte.

Shiho blickte etwas verwundert drein.

„Was meinst du?“, fragte sie, blickte aber weiterhin den Bildschirm des PCs an.

„Naja, irgendwo ganz von vorne anzufangen. Ein neues Leben zu beginnen.“, antwortete Shinichi mit ernster Miene.

Überrascht drehte sich Shiho zu ihm um.

„Hey, seit wann denkst du denn so?“, fragte sie ihn.

Immerhin war sie sonst diejenige, die solche Gedanke hegte und sich dann auch noch wagte, sie laut auszusprechen. Aber Shinichi war eher der Optimist gewesen, der solche Gedanken entweder nie hatte oder zumindest sie niemals aussprach. Außerdem war weglaufen nie seien Art gewesen. Was war nur mit ihm los?

„Naja... was für einen Wert hat mein Leben als Shinichi Kudo den noch, wenn die Menschen die ich liebe umgebracht werden, von Leuten die ich einst ins Gefängnis gebracht habe?“, stellte Shinichi die Gegenfrage und wirkte auf einmal ziemlich bedrückt.

Sein Gesichtsausdruck machte deutlich klar, dass er durch den Tod seiner geliebten Ran auf ewig gezeichnet war. Irgendwo in ihm, war noch der Lebenswille und der Wille die Wahrheit zu finden und sich ihr zu stellen, aber dieser Wille wurde von Tag zu Tag schwächer und machte stattdessen einer erdrückenden Verzweiflung platz.
 

Als Shiho diesen Gesichtsausdruck sah, konnte sie nicht anders, als zu seufzen.

„Also schön. Und wie hast du dir das gedacht? Willst du als Conan Edogawa nach Mexiko oder wie?“ Sie wendete sich wieder ihrem Bildschirm zu, hatte aber ihre Ohren gespitzt und wartet auf seine Antwort, sie wusste was kommen würde, dennoch war sie gespannt darauf, wie überzeugend seine Antwort klingen würde.

„Wieso nicht?“, wollte Shinichi wissen. „Ich habe mich irgendwie an den Namen gewöhnt und in Mexiko soll es recht schön sein.“

„Ja, schön heiß.“ schüttelte Shiho nur mit dem Kopf. So überzeugend hatte die Antwort ja nicht geklungen.

„Komm doch mit!“, schlug Shinichi plötzlich vor.

Sie drehte ihren Kopf ein Stück nach hinten und blickte ihn prüfend an.

Sie verleierte die Augen. „Was? Als Ai Edogawa oder wie?“, sie schenkte ihm ein ungläubiges lächeln und hoffte, er würde das nicht irgendwie missverstehen, immerhin war das nur ironisch gemeint, damit er begriff, wie dumm das klang, was er da redete.

„Klar, wieso nicht?“, kam es jedoch, zu Shihos Überraschung, aus Shinichi, welcher die Ironie in ihren Worten offenbar absichtlich überhört hatte. „Wir könnten zusammen noch einmal von vorn anfangen. Unsere Vergangenheit endlich hinter uns lassen. Vielleicht sogar irgendwann glücklich werden.“

In eine Welt flüchten, in der es keine Ran gab, in der es sie nie gegeben hat, ja genau das wollte er. Als Conan Edogawa würde er noch einmal von vorne anfangen können, sein Leben als Detektiv an den Nagel hängen und vielleicht Fußballer werden und wieso sollt er nicht auch Shiho mitnehmen? Sie teilte sein Schicksal immerhin irgendwie. Sie hatte einen Menschen verloren, der ihr alles im Leben bedeutet hatte und nun klammerten sie beide sich verzweifelt an das, was sie noch hatten. Warum also nicht auch gemeinsam weglaufen und gemeinsam von vorne anfangen? Warum nicht alles bisher geschehene vergessen?

„So verlockend das im Augenblick auch klingen mag, ich weis ja doch, dass es unmöglich ist, also versuche ich gar nicht erst, mich diesem Traum hin zu geben und das solltest du auch nicht, sonst bist du am Ende nur enttäuscht.“, seufzte Shiho und widmete sich mit gesenkten Schultern wieder den BO Ordnern in der Datenbank der Polizei.

Sie wusste was Shinichi gerade fühlte und sie verstand warum er im Moment so dachte, auch wenn diese Denkweise sonst eher untypisch für ihn war. Aber sie wusste auch, dass das Weglaufen einem nichts brachte. Shiho hatte es immerhin versucht. Sie war nach Amerika gegangen um dort alles zu vergessen und von vorne zu beginnen. Sie wollte sich ein neues Leben aufbauen, doch am Ende war sie wieder hier gelandet, in der Stadt in der ihre Schwester gestorben war und in der sie sich hoffnungslos in einen Detektiven verliebt hatte, der sein Herz längst an eine andere verschenkt hatte. Ran war nun zwar fort, aber Shinichis Herz, hatte sie mit sich genommen, er würde nie wieder so lieben können, schon gar nicht sie.
 

„Was spricht den dagegen?“, wollte Shinichi von seiner Leidensgenossin wissen und klang dabei so, als hätte er nach einem gemeinsamen Ausflug in den Park gefragt und nicht danach, gemeinsam wegzulaufen. „Du hast doch eben selbst gesagt, dass es ganz einfach ist, eine neue Identität zu bekommen.“

„Das ist es nicht.“, kam es etwas genervt vom Shiho, die ihm ihr Gesicht nun doch noch einmal zuwandte. „Das Problem bist du, Shinichi! Du bist im Moment verletzt, weil du etwas sehr wertvolles verloren hast und nun glaubst du, dass ein Neunanfang das beste wäre. Aber du wirst diese Entscheidung bald bereuen und wenn ich mit dir mit komme, dann wirst du mich verletzten und noch mal ertrage ich das nicht.“

Etwas fassungslos schaute Shinichi sie an, dann senke er jedoch den Kopf.

„Du hast recht. Tut mir leid.“, murmelte er schließlich und war hin und her gerissen, weil er irgendwo wusste, dass sie recht hatte und weil er andererseits auch irgendwo nicht wusste, ob und wie er so weiter leben sollte.

Shiho nickte nur dazu, wie als wolle sie ihm sagen, das sie seine Entschuldigung zur Kenntnis genommen hatte, aber keineswegs Akzeptierte.

„Konzentrier dich lieber hierauf!“, forderte sie schließlich und deutete mit den Augen auf den Bildschirm.
 

Die beiden verbrachten den Rest der Zeit schweigend vor dem Bildschirm des PCs. Beide auf ihre ganze eigene Weise verletzt und enttäuscht. Aber gleichzeitig viel zu Stolz es zu zugeben.
 

„Da!“, brach es plötzlich aus Shinichi, welcher mit dem Finger auf ein Bild auf dem Bildschirm deutet, welches eine junge Frau zeigte die sich von der FBI Agentin nur in Haar- und Augenfarbe unterschied.

„Bella Oaks.“, las Shiho den Decknamen der Frau vor und kam nicht drum herum, etwas angewidert zu klingen.

„Das ist ein Amerikanischer Wein. Eine Flasche davon kostet über 60 Euro. Also nicht gerade ein Schnäppchen.“, erklärte Shinichi unnötigerweise.

„Du kennst dich ja aus.“, bemerkte Shiho mit einem Augenrollen, während sie etwas auf das Bild zoomte.

Was bitte interessierte sie das nun, ob es ein Wein war oder ein Cocktail? Die Hauptsache war, dass sie endlich mehr über diese vermeintliche FBI-Agentin wussten.

„Wenn du schon einmal Hochzeitstag gehabt hättest, wärst du das auch.“, merkte Shinichi an, räusperte sich aber sofort und kehrte wieder zum Thema zurück. „Sie hat sich die Haare gefärbt und trägt jetzt Kontaktlinsen, vielleicht hat sie sich auch die Nase machen lassen, aber sonst sieht sie ihr doch ähnlich, oder?“

Shiho nickte.

„Offenbar haben die beim FBI echt Schlampig gearbeitet. Ich dachte immer die Kontrollieren ihre Leute, bevor sie sie einstellen.“

„Sicherlich.“, nickte Shinichi. „Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie schon vor der Auflösung der BO zum FBI gehört hat. Vielleicht hat sie sogar als Doppelagent für das FBI gearbeitet und dann die Seiten gewechselt.“

„Ich sag es ja immer wieder, man kann niemandem vertrauen.“, seufzet Shiho Kopfschüttelnd. „Aber wenn dem so ist, wieso hat sie dann ihr Aussehen verändert? Dann hätte sie doch nichts zu verstecken, oder?“, wendete sie sich dann fragend an Shinichi.

„Nur wenn die BO wirklich komplett ausgelöscht ist, sonst hätte eine der beiden Seiten unangenehme Fragen stellen können.“, stellte Shinichi mit finsterem Blick fest.

Das ganze würde einen Sinn ergeben. Wenn Brown wirklich ein Teil der BO war, dann hatte sie es natürlich auf Shiho abgesehen, die die Organisation ja verraten hatte und mit all den Informationen dazu beigetragen hatte, diese letztendlich zu zerschlagen.
 

Shiho blickte den Detektiv fragen an.

„Ich kann dir nicht folgen, Shinichi.“

„Naja, was ist, wenn all die Leute, die angeblich bei all diesen Mysteriösen Bränden und Explosionen ums Leben gekommen sind, gar nicht Tod sind, sondern nur so getan haben?“, wollte Shinichi wissen.

„Dann hätten sich die überlebenden sicherlich irgendwo gesammelt.“, nahm Shiho an.

„Richtig.“, nickte Shinichi. „Womöglich gibt es sogar eine Geheimbasis, irgendwo im Untergrund, von der niemand der überlebenden wusste.“

„Und jeder der es wusste, wurde ausgeschaltet, bevor er etwas sagen konnte.“, erkannte Shiho.

Das würde jedenfalls so einiges erklären. Viele der BO Mitglieder, die nicht gleich gefangen genommen wurden, hatte man später aufgehängt oder erschossen aufgefunden. Alles sah nach Selbstmord aus, deswegen waren die Polizei und das FBI dem nicht weiter nachgegangen, aber was war nun, wenn diese Leute nie Selbstmord begangen hatten, sondern von den restlichen Mitgliedern der BO ermordet wurden, damit sie nichts von der Geheimbasis ausplapperten? Und all die mysteriösen Brände und Explosionen, bei denen so viele der BO Mitglieder vermeintlich ums Leben gekommen waren, waren dann sicherlich auch nur inszeniert gewesen.

„Genau.“, nickte Shinichi wieder und schien sich offenbar über Shihos Scharfsinn zu freuen. „Aber wenn Brown wirklich ein Doppelagent ist, egal für welche Seite sie nun Arbeitet, dann wusste sie vermutlichen von der Geheimbasis und davon, dass die Organisation sich neu aufbauen will.“

„Aber die Organisation müsste doch total geschwächt sein, wenn sie weiß das es eine Geheimbasis gibt und wo diese ist und das dem FBI gesagt hat, dann hätte das FBI doch sofort zuschlagen können, oder nicht?“, wunderte sich Shiho.

Shinichi grinste leicht.

„Nur wenn Brown auch die Wahrheit gesagt hat. Wenn sie aber für die BO Arbeitet, wird sie gesagt haben, dass die BO immer noch viel zu stark für einen Frontalangriff ist und somit hätte sie einen Angriff auf die BO abgewehrt und währe auf beiden Seiten der Held gewesen.“, versuchte er dann zu erklären.
 

„Das ist mir alles irgendwie zu Kompliziert.“, seufzte Shiho.

Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass es nicht auffallen würde, wenn sie Als FBI-Agentin in Wirklichkeit auf der anderen Seite stand. Aber anders konnte sie sich das ganze im Moment auch nicht wirklich erklären.

„Hm... ich denke es wird Zeit, dass wir Jodi mal wieder anrufen, oder was denkst du?“, fragte Shinichi und klang erschreckend begeistert. Das sie der Lösung des Falles einen schritt näher gekommen waren, hatte ihn extrem aufgeheitert.

„Aber nicht jetzt. In Amerika ist es gerade drei Uhr Morgens, du Genie.“, stellte Shiho trocken fest, kopierte die ganze Seite, notierte sich das Passwort und unterbrach dann die Verbindung zur Datenbank der Polizei.

„Ich frage mich nur... wieso uns niemand informiert hat. Immerhin sind wir doch jetzt in Gefahr.“, grübelte Shinichi indes.

„Irgendetwas ist da sowieso Faul, wenn du mich fragst.“, grübelte auch Shiho. „Es kann doch gar nicht möglich sein, für die BO zu Arbeiten, wenn man beim FBI ist, oder?“ Zumindest bezweifelte sie, dass es so einfach war, immerhin achtete das FBI schon darauf, wen sie für und mit sich arbeiten ließen.

„Nunja...“, begann Shinichi grübelnd. „Ich vermute, dass Brown Ursprungs tatsächlich nur eine FBI Agentin war und dafür eingesetzt wurde, sich bei der BO einzuschleichen und sie auszuspionieren. Aber dann hat sie die Seiten gewechselt. Das FBI soll glauben, dass sie für sie Arbeitet und der BO nur erzählt hat, dass sie das FBI etwas in Schach halten würde, dabei ist das genau der Fall. Brown, alias Bella Oaks ist eines der ranghöheren Mitglieder der BO und manipuliert das FBI, damit die BO ungehindert handeln kann.“

„Schön, aber was genau hat sie jetzt mit dem Mordfall am Hut?“, wollte Shiho wissen. „Es ist ja wohl kaum Zufall, dass ausgerechnet sie diese Fall bearbeitet, oder?“
 

„Gewiss nicht.“ Shinichi schüttelte mit dem Kopf. „Ich nehme an, dass ein Mitglied der BO der Mörder war und sie dem FBI erst gesagt hat, dass sie diese Vermutung hat, deswegen wurde sie auf den Fall angesetzt und so ist es ihr auch möglich, ihren Komplizen zu decken. Vermutlich war der Ursprungsplan, dass sie die Beweise so manipuliert, dass es am Ende so aussieht, als war irgendein Obdachloser der Mörder, den Ran beim Stehlen erwicht hat, oder so und als sie dann dich gesehen hat, hat sie ihren Plan geändert. Vermutlich ist ihr Ziel, dem FBI klar zu machen, dass du in Wirklichkeit wieder für die BO arbeitest und so hätte sie zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Sie hätte dem FBI ihre vermeintliche Treue beweisen können, indem sie dich als angebliches BO Mitglied hinter Gittern gebracht hat und bei der BO selbst, wäre sie die Helden gewesen, weil sie dich, als Verräterin endlich ausgeschaltet hat.“, erklärte er dann mit besorgter Miene.

„Klingt so, als wären da einige Haken an der Geschichte.“, stellte Shiho fest. „Es wird nämlich schwer sein, dass zu beweisen.“

Shinichi nickte. „Was mich im Moment eher interessiert, ist wie sie an deine Fingerabdrücke ran gekommen ist...“, überlegte er. „Wenn wir das wüssten, wären wir zumindest schon einen großen schritt weiter.“

Shiho grinste. „Wie gut das du mich hast.“

Ein überraschter Blick seitens Shinichi traf sie und ihr grinsen wurde Automatisch breiter. Manchmal schien er sie wirklich zu unterschätzen. Nur weil sie jetzt auf der Seite der Guten stand, hieß das nicht, dass sie vergessen hatte, was sie bei der BO alles für schmutzige Tricks gelernt hatte.

„Erinnerst du dich daran, wie wir Brown zum ersten mal in deiner Wohnung getroffen haben?“, fragte Shiho ihren Freund interessiert und erhielt ein Nicken als Antwort. „Sie hat mir ein Glas Wasser gebracht. Sie hat das Glas nur am Rand angefasst, ich habe es aber richtig in die Hände genommen.“

„Sie hätte deine Fingerabdrücke also nur vom Glas nehmen und auf der Mordwaffe platzieren müssen, die sie von ihrem Komplizen erhalten hat. Als Mitglied der BO dürfte es für sie ja kein Problem sein, die Fingerabdrücke genau so zu platzieren, wie sie platziert werden müssen, damit es echt wirkt.“, erkannte Shinichi.

Shiho nickte. „So ist es.“

„Ich denke, ich werde als erstes Morgen mit Jodi telefonieren und dann sollten wir noch mal mit Takagi und Megure sprechen.“, überlegte Shinichi.

„Ob das etwas bringt?“ Shiho glaubte eher nicht daran, immerhin konnte man nicht sagen, dass sie Brown wirklich etwas nachweisen konnten, dass waren alles nur Vermutungen und die kamen auch noch von jemanden der mit ihr, der vermeintlichen Mörderin von Ran befreundet war. „Aber ich nehme mal an, du machst das schon irgendwie.“

„Das werde ich, verlass dich drauf.“, nickte Shinichi.

Es hing immerhin eine ganze Menge mehr davon ab, als anfangs noch vermutet. Zum einen, hatte er sich ja geschworen, Rans Mörder dingfest zu machen, zum anderen würden er nicht zulassen, dass seien Freundin Shiho unschuldig ins Gefängnis kam und zum anderen würde er nicht zulassen, dass sich die BO wieder erhebt und erneut viele, mehr oder weniger unschuldige Menschenleben beenden würde.
 

Shiho beobachtete ihren Ehemaligen leidensgenossen einen Augenblick und musste dann lächeln. Auf einmal sah er wieder viel entschlossener aus. Die Tatsache, dass die BO involviert war, gab ihm offenbar wieder mehr Siegeswillen und das war gut so, denn so sehr sich Shiho auch einen Moment gewünscht hatte, dass Shinichi so sehr in Selbstmitleid versank, dass er aus Verzweiflung mit ihr eine neue Zukunft beginnen würde, so sehr wünschte sie sich auch, dass er wieder genau der wurde, den sie kennen und lieben gelernt hatte...
 

~~~
 

Der Schleier der Nacht, hatte sich mittlerweile über Japan gelegt und die meisten waren auch schon zu Bett gegangen. Draußen tobte ein Sturm, wie man ihn hier in Tokio nur selten erlebt hatte, doch nur wenige störte das am schlafen.
 

Einer von diesen wenigen, war Shinichi, der so aufgeregt war, wegen der ganzen BO Sache, dass er einfach nicht hatte einschlafen können. Er hatte mittlerweile auch versucht Jodi zu erreichen, doch diese war ungünstigerweise derzeit Undercover unterwegs und daher nicht zu erreichen. Man hatte ihm aber versprochen, dass sie sich so bald wie möglich mit ihm in Verbindung setzen würde. Bis dahin konnte Shinichi wohl einfach nur warten und selbst weiter Nachforschungen anstellen. Er blieb auch dabei, dass Takagi, Sato und Megure informiert werden wussten. Immerhin könnten sie unter Umständen sogar in Gefahr sein, wenn sie zu viele herausfinden sollten.
 

Shinichi wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er ein leises Wimmern aus Shihos Zimmer vernahm. Eigentlich war er ja auf den Weg in die Küche gewesen, wo er sich mal wieder einen Kaffee hatte genehmigen wollen, da er sicher war, heute Nacht sowieso keine ruhe mehr zu finden. Nun aber, hatte er sich anders entschieden.
 

Vorsichtig öffnete er die Tür zu Shihos Zimmer einen spalt, welches gerade in diesem Augenblick von einem Blitz erhellt wurde, so dass er die zitternde Shiho, die zusammengekauert auf ihrem Bett saß einen kleinen Moment genau sehen konnte. Sie weinte offensichtlich, aber verübeln konnte Shinichi es ihr nicht, nach allem was heute so gewesen war.
 

Er überlegte einen Moment, ob er gehen sollte, weil sie im allgemeinen ja lieber mit ihrem Schmerz und ihrer Angst alleine war, aber er entschied sich, dass es besser war zu ihr zu gehen, denn egal was sie sagte, niemand sollte alleine sein, wenn er Angst hatte und traurig war.
 

Etwas unschlüssig darüber, was er sagen solltet, trat Shinichi einfach ein und setzte sich zu ihr aufs Bett. Shiho blickte überrascht auf und sah ihn aus tränennassen Augen an. Doch offenbar traute sie sich nicht, etwas zu sagen. Sie brachte es nicht einmal fertig, ihn anzuschreien, dass er raus gehen und sie in ruhe lassen sollte.
 

„Weist du Ai...“, begann Shinichi, nachdem er sie eine weile angesehen und überlegt hatte, was er sagen sollte. „ich bin eigentlich froh, dass Brown dich festnehmen lassen hat.“

Shiho blinzelte ihn an, während sie versuchte ein Schluchzen zu unterdrücken. „Was?“, fragte sie dann, mit leicht bebender Stimme.

„Naja...“ Shinichi rückte etwas nach hinten, so das er sich gegen die Wand lehnen konnte. „Wenn sie dich nicht gefangen genommen hätte, dann wärst du jetzt schon lange wieder in New York und ich müsste den Fall hier ganz alleine lösen.“

„Als ob das so ein Problem für dich wäre.“ Shiho wischte sich mit dem Ärmel von ihrem Schlafanzug über die feuchten Augen und blickte ihn dann ernst an. „Außerdem bist du nicht alleine, du hast den Professor und die hiesige Polizei steht auch voll hinter dir, dann ist da noch dein Freund aus Osaka und außerdem würden dir auch die Detectiv Boys helfen, wenn du sie darum bitten würdest.“

Shinichi seufzte. „Sag mal Ai, kannst du die Dinge nicht einfach mal so stehen lassen wie sie sind und dich einfach nur darüber freuen, dass ich froh bin, dass du hier bist und mir hilfst?“

„Nein.“, entgegnete ihm das ehemalige BO Mitglied. „Weil du das nämlich nur gesagt hast um mich aufzuheitern und nicht, weil du es ehrlich meinst.“

„Wer sagt, dass ich es nicht sagen kann, um dich aufzuheitern UND weil ich es ehrlich meine?“, wollte Shinichi wissen.

„Ich sage das, ganz einfach.“ Shiho rutschte ebenfalls etwas nach hinten und lehnte sich an die Wand. „Ich verzichte auf dein Mitleid, Shinichi.“

Shinichi musste grinsen. „Also, egal was du sagst, aber ich finde, es hat auf jeden Fall funktioniert, immerhin weinst du nicht mehr.“, stellte er zufrieden fest.
 

Shiho blickte ihn einen Moment verdutzt an, schüttelte dann aber nur mit dem Kopf. Nur weil sie aufgehört hatte zu weinen, lag das nicht unbedingt an seinen Aufheiterungsversuchen, auch wenn sie sich insgeheim darüber freute.
 

„Worüber machst du dir eigentlich Sorgen?“, wollte Shinichi wissen. „Hast du Angst, dass sie dich doch wieder ins Gefängnis stecken? Wenn ja, dann wirf diese Sorgen über Bord, ich werde nämlich nicht zulassen, dass das passiert.“, versicherte er ihr dann, mit entschlossener Miene.

„Ich weis.“, lächelte Shiho. „Aber das ist es gar nicht...“, begann sie dann, wieder ernster. „Es ist mehr... das die BO doch noch existiert. Auf einmal, da sind die ganzen alten Ängste wieder da. Die vielen schlimmen Erinnerungen an früher...“

„Ich weis was du meinst.“, nickte Shinichi. „Aber ich denke, wir sollten uns keine all zu großen sorgen machen. Ich bin mir nämlich ganz sicher, dass die BO nicht halb so mächtig ist, wie früher und wenn es uns gelingt, sie erneut zu zerschlagen, dann bestimmt für immer.“, versicherte er und schenkte Shiho ein aufheiterndes lächeln.

„Na, wenn du das sagst, muss ich dir das wohl glauben.“, erwiderte Shiho sein lächeln.

„Eben.“, nickte Shinichi überzeugt. „Also, schlaf jetzt! Du hast einen anstrengenden Tag hinter dir. Wir sehen uns dann Morgen.“
 

Er wollte gerade vom Bett aufstehen, als er einen leichten Kuss auf die Wange erhielt, welcher ihn sofort inne halten lies. Überrascht blickte Shinichi zu Shiho rüber, welche ihn leicht errötet ansah.
 

„Bilde dir ja nichts darauf ein!“, sagte sie sofort. „Ich wollte mich nur für deine Hilfe bedanken, dass ist alles.“

„Okay.“, war alles was Shinichi hervor brachte, bevor er nun doch aufstand und leicht taumelnd das Zimmer verlies.
 

Er war erstaunt, wie angenehm, wärmend und beruhigend so ein kurzer und scheinbar bedeutungsloser Kuss auf die Wange doch sein konnte. Aber was das richtig?

Zögernd berührte er mit den Fingerspitzen die Stelle, auf der Shihos Lippen nur eine winzige Sekunde gelegen hatten und er spürte immer noch, wie die Stelle angenehm kribbelte.

War das nun, ein Betrug an Ran? Durfte er diesen Kuss als angenehm empfinden? Hatte er das recht, sich diesen schönen Gefühlen, die der Kuss ausgelöst hatte, einen Moment hinzugeben? Durfte er das angenehme Prickeln auf seiner Haut genießen? Durfte er überhaupt darüber nachdenken? War es nicht besser, wenn er es einfach als etwas abtat, dass eben geschehen war, aber keine Bedeutung hatte?

Etwas überfordert von diesem scheinbar so belanglosen Ereignis kehrte Shinichi nun doch in sein Zimmer und in sein Bett zurück, wo er schließlich über all das Grübeln doch recht schnell einschlief.
 

Auch Shiho, hatte letzen Endes einen ruhigen und angenehmen Schlaf gefunden. Ihr Gesicht schmückte ein lächeln. Sie wusste, dass es nur ein bedeutungsloser Kuss auf die Wange war und das Shinichi darin wohl kaum mehr sehen würde, als eine Geste der Dankbarkeit. Aber trotzdem, fühlte sie sich irgendwie glücklich und befreit und die Sorgen und Ängste, wegen der BO waren plötzlich wie weggewischt...

In der Höhle des Löwen Teil 1

Zuerst einmal, muss ich mich bei all meinen Lesern und Kommischreibern entschuldigen. Ich hatte vor einiger Zeit ein ziemliches Tief und habe geglaubt, nie wieder eine Geschichte schreiben zu können, deswegen habe ich 'Save me from the dark' als abgebrochen gekennzeichnet. Da es mir mittlerweile wieder etwas besser geht und ich weis, wie dumm es ist, wenn eine Geschichte mittendrin aufhört, habe ich die Story nun wieder aufgenommen. Ich hoffe ihr verzeiht mir mein unüberlegtes Handeln.
 

So, jetzt geht es weiter mit er Story.
 

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„Wie konnten Sie es wagen, die Verdächtige gehen zu lassen?“, wollte die FBI Agentin Lillian Brown von Takagi wissen, welcher ganz klein in seinem Büro saß und nicht recht wusste, was er sagen sollte.

„A-Aber... Aber sie wurde doch entlastet.“, stotterte er und musste aber dann erkennen, wie das auf die FBI-Agentin wirken musste, immerhin war er der Vorgesetzte vieler Kommissare, da konnte er doch nicht so eingeschüchtert vor ihr kauern und vor sich hin stottern. Also setzte sich Takagi schließlich etwas auf und räusperte sich, bevor er begann, so ruhig wie möglich weiter zu sprechen. „Gestern Nachmittag haben wir eine Augenzeugin befragt, die bestätigen konnte, dass Shiho Miyano am Tatabend nicht in die Wohnung des Opfers gegangen ist.“

Lillian knallte wütend ihre Fäuste auf den Schreibtisch von Takagi, der erschrocken zusammenzuckte und auch direkt mit seinem Stuhl etwas zurück wich.

„Diese angebliche Augenzeugin, war doch nur ein kleines Kind. Ihre Aussage hat überhaupt keine Bedeutung. Vermutlich hat sich die Kleine nur irgendetwas ausgedacht, weil sie die Verdächtig beschützen wollte.“

„So klein ist Ayumi gar nicht mehr, Sie hätten sie mal vor 4 Jahren sehen sollen. Im vergleich dazu ist sie jetzt...“, begann Takagi der nun wieder vollendet eingeschüchtert war und nur vom Thema ablenken wollte.

Pech jedoch für ihn, dass Lillian Brown nicht vor hatte ihm diesen Themawechsel zu gestatten, was sie damit deutlich machte, dass sie ihn forsch unterbrach.

„Inspektor Takagi! Ich weis alles über sie und diese Bande von Nervensägen, die sich Detectiv Boys nannte und daher muss ich mich ernsthaft fragen, ob sie unter diesen Umständen überhaupt Objektiv an die Sache heran gehen können. Vielleicht sollte ich sie ja dem Oberinspektor melden.“, ihr Blick und ihr Ton ließen eindeutig durchblicken, dass sie ihm gerade ganz bewusst gedroht hatte.

„Jetzt machen sie aber mal einen Punkt!“, rief Takagi wütend und sprang von seinem Stuhl auf, als gehöre er zu jenen selbstbewussten Menschen die immer und jedem die Meinung sagen. „Die Detectiv Boys haben in uns in vielen Fällen unglaublich weitergeholfen und nur, weil sie Kinder sind, heißt das noch lange nicht, dass wir ihre Hilfe nicht schätzen sollten.“

„Ich glaube Sie vergessen, mit wem Sie hier reden.“, meinte die blonde FBI-Agentin zu wissen, die sichtlich überrascht war, dass Takagi auf einmal so selbstsicher vor ihr stand.

„Ganz und gar nicht! Und jetzt verlassen Sie auf der Stelle mein Büro und machen sich an die Arbeit!“, befahl Takagi mit einer eindeutigen Geste, die ihr die Tür wies und zu seiner Überraschung kehrte ihm Brown tatsächlich kurz darauf den Rücken und verlies sein Büro.
 

Erleichtert darüber, dass er diese gruselige FBI-Agentin endlich los wahr, lies sich Takagi wieder in seinen Stuhl zurück sinken und seufzte damit er endlich diesen unangenehmen Schauer über sich ergehen lassen konnte, den er Grundsätzlich hatte, wenn er irgendwie mit Lillien Brown zu tun hatte. Wobei er sagen musste, dass es ihm danach meistens irgendwie besser ging.
 

Im nächsten Moment öffnete sich die Tür zu Takagis Büro erneut und er zuckte fürchterlich zusammen, weil er befürchtete, dass es doch noch einmal die FBI-Agentin war, oder gar der Oberinspektor, der ihn vom Dienst suspendieren würde, weil er sich gegenüber jemandem vom FBI so aufgeführt hatte.
 

Doch stattdessen traten nur Sato und Shinichi in den Raum, die Takagi beide etwas irritiert ansahen. Zum einen vermutlich, weil er gerade so ein merkwürdiges Bild abgab, mit seinem panischen Gesichtsausdruck, und zum anderen, weil sie Lillien wohl das Büro verlassen sehen hatten.
 

„Takagi, wie sitzt du denn da? Hast du vergessen, dass du Chefinspektor bist? Setzt dich gefälligst gerade hin!“, forderte Sato nach näherer Betrachtung von Takagi und stemmte die Hände in die Hüften, um ihrem ‚Befehl’ noch etwas Nachdruck zu verleihen.

Sie hatte auch erfolg, denn sofort saß Takagi Kerzengerade, wenn auch stock Steif, auf seinem Stuhl und versuchte ein halbwegs ernstes Gesicht zu machen oder wenigstens so zu gucken, wie es sich, seiner Meinung nach, für einen Chefinspektor gehörte.

„So besser?“, fragte er Sato dann, die eine Braue hob und grinsend mit dem Kopf schüttelte, bevor sie wieder eine ernste Miene zog und begann zu erklären, was sie hier her geführt hatte.

„Shinichi hat uns etwas wichtiges zu sagen.“

Takagi schaute etwas verwundert drein. „Ja? Was ist den los Shinichi? Hast du etwas neues zum Fall herausgefunden?“

„Ja.“, nickte Shinichi. „Aber das ist nicht der eigentliche Grund, warum ich hier her gekommen bin.“

„Sondern?“, fragte Takagi und sah noch verwunderter aus, da er sich beim besten Willen nicht denken konnte, was Shinichi wichtiges zu sagen hatte, wenn es nicht um den Fall von Rans Mord ging.

„Sie sind in Gefahr.“, erklärte Shinichi mit ernster Miene und als Sato und Takagi mit ihrem Blicken deutlich machten, dass sie ihm nicht folgen konnten, erklärte er ihnen das, was er und Shiho letzte Nacht über die FBI-Agentin herausgefunden hatte und was sie bezüglich des Falls schlussfolgerten.
 

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Shiho saß indes draußen im Auto von Agasa und wartete etwas gelangweilt darauf, dass Shinichi endlich zurück kam. Er hatte sie nicht mit ins Polizeipräsidium nehmen wollen, nachdem er sie gestern erst da raus geholt hatte. Shiho teilte seine Sorge allerdings nicht. Immerhin würde man sie nicht gefangen nehmen, nur weil sie es gewagt hatte, ins Präsidium zurück zu kehren, aber bitte, wenn Shinichi meinte.
 

Irgendwie freute es sie ja auch, dass Shinichi sich solche Sorgen um sie machte. Wobei se wusste, dass der Grund dafür nicht der war, den sie sich erhoffte. Aber immerhin wusste sie, dass er sie nicht nur mit allen Mitteln zu verteidigen versuchte, weil er eben so einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn hatte, sonder weil er sie wirklich mochte, wenn auch nur als eine gute Freundin.
 

Mehr würde sie wohl auch nicht verlangen können, nach allem, was geschehen war. Schließlich ist sie im Grunde Hauptschuldig an all dem was geschehen war. Sie hatte das Gift erfunden, was Shinichi geschrumpft und damit in Verbindung mit der BO gebracht hatte, welche, wie sie nun sicher wussten, für Rans Tod verantwortlich waren.
 

Natürlich wusste sie, dass Shinichi das nie so sehen würde, denn er suchte die Schuld immer nur bei den Schuldigen und ihre Schuld, hatte er ihr lange vergeben. Für ihn gehörte sie zu den guten, den Unschuldigen, zu denen eben, die er mit allen Mitteln zu beschützen versuchte.
 

Shiho zuckte zusammen, als sie irgendwo auf dem Parkplatz eine eiskalte Frauenstimme schreien hörte.

„Was bilden Sie sich eigentlich ein, Sie Möchtegern Detektiv?“, brüllte Lillian Brown ihren Gegenüber an, welcher kein geringere war, als Shinichi Kudo, welchem sie auf dem Weg zum Parkplatz über dem Weg gelaufen war.

„Ich bilde mir ein, dass es meine gutes Recht ist, herauszufinden, wer meine Frau wirklich ermordet hat, anstatt mich mit der erst besten Person zufrieden zu geben, der die Polizei die Schuld in die Schuhe schiebt, nur weil sie eine etwas Fragwürdige Vergangenheit hat.“, antwortete dieser ihr in einem scharfen Ton, der der FBI-Agentin zu spüren geben sollte, dass Shinichi mehr über sie wusste, als ihr lieb war.

„Sie zweifeln doch nur an der Schuld von Shiho Miyano, weil sie Ihre Freundin ist.“, meinte Brown zu wissen. „Sie können nicht Objektiv an diesen Fall heran gehen, also überlassen Sie es mir, den Fall zu klären! Dafür bin ich schließlich hier.“

„Vielleicht bin ich tatsächlich nicht Objektiv, mag sein. Aber ich bin Objektiv genug, um zu wissen, dass hier irgendetwas nicht stimmt.“, erwiderte Shinichi und steckte seine kalten Hände in die Hosentaschen.

Am Blick der blonden war zu erkennen, dass wirklich langsam aber sicher die Befürchtung in ihr Aufkam, dass Shinichi ihr gefährlich werden könnte, aber gleichzeitig wiederstrebte ihr der Gedanke offenbar, dass so ein junger Möchtegern Detektiv ihren Plänen ernsthaft entgegen wirken könnte.

„Ach, und was soll hier nicht Stimmen?“, fragte sie ihn daher mit überheblicher Miene.

„So genau kann ich das noch nicht sagen.“, log Shinichi, denn er wusste, dass er hier vorsichtiger vor gehen musste, als bei seinen sonstigen Fällen, zumal es ihm leider an Handfesten Beweisen fehlte, wie ihm Sato und Takagi zuvor schon gesagt hatten. „Aber ich weis das etwas nicht stimmt und ich werde herausfinden was es ist und den wahren Mörder meiner Frau finden, darauf können Sie sich verlassen.“

Brown hob eine Augenbraue.

„So? Na hoffentlich übernehmen Sie sich dabei nicht, sonst passiert Ihnen am Ende noch etwas und das wollen wir ja nicht, oder?“

Mit einem Blick, der mehr eine Warnung war, als alles andere, kehrte die FBI-Agentin Shinichi den Rücken und marschierte zu ihrem Wagen, offenbar nach wie vor Siegessicher.
 

Shinichi sah ihr einen Moment nach, grinste dann plötzlich und stieg zu Shiho in den Wagen, welche die Szene die ganze Zeit beobachtet und belauscht hatte.

„Was grinst du denn so?“, fragte sie ihren ehemaligen Leidensgenossen etwas verdutzt.

„Auch, nur weil ich finde, dass wir zwei doch ein recht gutes Team sind.“, antwortete Shinichi ihr, startete den Wagen und fuhr von dem Parkplatz, nicht allerdings in Richtung Agasas Haus sondern den schwarzen Mercedes der FBI-Agentin hinterher.

„Und wie kommst du jetzt darauf?“, wolle Shiho wissen, während sie etwas skeptisch die Richtung analysierte, in die sie fuhren. Hier ging es definitiv nicht in eines der nobleren Viertel.

Shinichi lies sie absichtlich von einem anderen Auto überholen, damit die FBI Agentin sie nicht länger im Rückspiegel sehen konnte, er sie aber durchaus noch an der viel zu hohen Radioantenne erkennen konnte. Erst dann blicke er kurz zu Shiho rüber, um ihr zu antworten.

„Ich wusste schon die ganze Zeit, dass irgendetwas mit dieser Frau nicht stimmt, aber das sie ein Mitglied der BO ist, hätte ich ohne dich vermutlich nie herausgefunden... oder zumindest wäre es dann vielleicht schon zu spät gewesen.“

„Ich glaube nicht, dass das etwas damit zu tun hat, dass wir ein gutes Team sind. Du bist einfach nur nicht richtig bei der Sache, aus verständlichen Gründen, und deswegen brauchst du dieses mal eben etwas Hilfe, diese Hilfe hättest du aber auch von jedem anderen bekommen können.“, erklärte Shiho nüchtern, während sie in eine dieser Seitengassen einbogen, die man automatisch mit Verbrechern in Verbindung brachte.
 

Shinichi parkte irgendwo in dieser Gasse und seufzte dann. Es war offenbar sinnlos, Shiho ein Kompliment machen und sie damit etwas aufheitern zu wollen. Sie betrachtete die Dinge einfach immer viel zu Sachlich. Aber das war eben ihre Art.
 

„Kudo sag mal... was tun wir hier eigentlich?“, wunderte sich Shiho, während sie beide ausstiegen.

„Wir verfolgen Brown, ich dachte, dass wäre recht offensichtlich.“, erklärte Shinichi ihr, während er den Wagen der FBI-Agentin musterte, der einige Meter weiter geparkt hatte.
 

Irgendwie war das ganze zu einfach gewesen. Sie hätte doch Theoretisch bemerken müssen, dass sie jemand verfolgt. Immerhin war das Auto von Agasa reichlich auffällig. Oder wollte sie vielleicht, dass sie sie verfolgen? Lockte sie sie hier direkt in eine Falle? Aber vielleicht war sie auch einfach nur zu abgelenkt gewesen, um zu bemerken, dass sie ihnen gefolgt waren.
 

Egal wie es nun war. Sie waren jetzt hier, also konnte sie auch mal nachsehen, wo genau die FBI-Agentin hingegangen war. Vielleicht würden sie ja auch den ein oder anderen Hinweis auf Rans Mörder finden. Sie mussten das Risiko einfach eingehen.
 

„Kudo, ich hoffe dir ist klar, dass sie uns direkt in eine Falle gelockt haben könnte?“, wollte Shiho von dem jungen Meisterdetektiven wissen, der sich zielstrebig auf den Weg in das heruntergekommene Haus machte, in das Brown zuvor gegangen war.

Shinichi nickte.

„Natürlich. Aber genau so gut könnte sie uns auch direkt zu Rans Mörder geführt haben.“

Shiho seufzte, während sie ihrem Freund folgte.

„Und was willst du tun, wenn es wirklich so ist? Ich meine... wir haben keinerlei Beweise, Kudo. Außerdem können wir diesem Typen ohne die Polizei überhaupt nichts.“, versuchte sie zu erklären.

„Wir können die beiden belauschen und wichtige Informationen von ihnen erhalten, alles andere sehen wir dann.“, winkte Shinichi ab, der ohne zu zögern die alte Tür öffnete, die in das Haus führte in das Lillian Brown gegangen war.

„Ist dir eigentlich klar, dass, wenn sie weis, dass wir sie verfolgen, sie sich hier bloß irgendwo zu verstecken und auf den richtigen Moment zu warten braucht, in dem sie auf uns Schießen kann?“, wollte Shiho wissen, während sie und Shinichi etwas unbeholfen im Flur stehen geblieben waren und den Geräuschen lauschten, die aus jeder Wohnung in dieser Etage zu kommen schienen.
 

Aus der einen Wohnung drang lautes Babygeplärrte. Shinichi fragte sich innerlich, ob die Eltern dieses Babys zu sehr auf Drogen waren um es zu hören, oder zu arm um ihm etwas zu Essen kaufen zu können. Doch er hatte jetzt keine Zeit, über so etwas nachzudenken.

Seufzend versuchte er seine Ohren auf die Geräusche aus der anderen Wohnung zu konzentrieren. Dort stritt sich offenbar ein Ehepaar darüber, wer den Müll raus bringen sollte. Irgendwie kam Shinichi in dem Moment das Bild einer total zugemüllten Wohnung in den Sinn und daher wunderte es ihn auch nicht, dass der Mann sich der Mann vehement weigerte, den Müll nach draußen zu bringen.
 

Wie die FBI-Agentin klang die Frau jedenfalls nicht und es war auch anzunehmen, dass Rans Mörder kein Baby hatte, also entschloss sich Shinichi weiter die Morschen Holztreppen nach oben zu gehen, ohne auch nur einen Moment auf Shihos Proteste zu reagieren.
 

„Shinichi!“, zischte Shiho in einem wütenden Ton, während sie beide die knarrenden Stufen der Treppe nach oben Stiegen. „Hast du mir überhaupt zugehört?“

„Sicher hab ich das.“, erwiderte Shinichi nur, als sie in der nächsten Etage angekommen waren. „Aber ich finde, wir sollten das Risiko eingehen. Es geht hier schließlich nicht nur darum Rans Mörder zu finden, sondern auch deine Unschuld zu beweisen.“

Shiho lies die Schultern sinken.

„Und denkst du, dass es Rans Wille gewesen wäre, dass du hier Blindlings ins verderben rennst?“

Shinichi zuckte kurz zusammen und blickte seine ehemalige Leidensgenossin dann mit wütender Miene an.

„Nein, aber Ran hätte mir vertraut und daran geglaubt, dass ich weis was ich tue.“

„Ja, und genau das hat sie am Ende auch ins Grab befördert.“, entgegnete Shiho, verletzt von diesem Vergleich mit Ran, bevor sie näher darüber nachgedacht hatte. Doch sie bereute ihre Worte sofort, als sie erkannte, dass sie Shinichi schwer getroffen hatte.

Doch Shinichi traf es nicht einmal so sehr, dass sie das gesagt hatte, sondern mehr, dass sie vermutlich recht hatte. Wenn Ran ihm nicht immer so blind vertraut hätte, dann wäre sie jetzt vielleicht noch am Leben.

„Vielleicht hast du recht, wir sollten zurück gehen.“, murmelte er schließlich und wendete sich schon wieder den Treppen zu. Er hatte wirklich überhaupt nicht richtig nachgedacht. Immerhin brachte er hier nicht nur sich in Gefahr, sondern auch Shiho und jeden Bewohner dieses Hauses, der etwas mitbekommen haben könnte, sollte man sie wirklich erschießen.

„Sei nicht albern. Wenn sie uns wirklich in eine Falle locken wollte, dann sind wir längst hinein getappt. Also können wir das hier auch noch durchziehen.“, sagte Shiho mit entschlossener Miene zu ihm, bevor sie nun versuchte, die Geräusche der beiden Wohnungen auf dieser Etage genauer zu analysieren.
 

Aus der einen Wohnung drang ein Ohrenbetäubendes Schnarchen, das so laut war, dass Shiho sich fragte, ob die betreffende Person nicht vielleicht direkt vor der Wohnungstür eingeschlafen war. Aber vielleicht waren die Wände hier auch schlicht und ergreifend nur zu dünn und die Türen sahen sowieso so aus, als würden sie schon kaputt gehen, wenn man nur daran klopfte. Also wendete sie sich der anderen Tür zu, aus der ebenfalls Laute drangen, die allerdings so leise waren, dass man genauer hin hören musste, um sie zuzuordnen.
 

Nach einer Weile, die Shiho angestrengt gelauscht hatte, lief sie leicht rot an und wendete sich mit einem Räuspern an Shinichi, der immer noch unentschlossen schien, ob sie nun gehen sollten oder nicht. Bei Shihos Anblick allerdings, konnte er nicht verhindern, dass seine Mundwinkel leicht nach oben Zuckten.
 

„Also... da ich nicht denke das Brown und der, den sie hier womöglich besucht zu den Leuten gehören, die sich am hellehrlichsten Vormittag ein Schläfchen gönnen und da ich mir auch ganz sicher bin, dass Brown nicht zu den Frauen gehört, die sich in einem solchen Haus mit jemanden zu einem kleinen Schäferstündchen trifft...“ Sie kam nicht drum herum, noch etwas roter anzulaufen. „Sind wir in der Etage wohl auch falsch.“

Shinichi konnte nicht anders als beim Anblick ihres Hochroten Gesichts zu schmunzeln.

„Verstehe.“, meinte er nur und überlegte dann einen Moment, ob sie nun wieder gehen sollten oder nicht, entschied sich aber, dass es wirklich keinen Sinn mehr machte, jetzt noch zurück zu gehen. „Also, gehen wir in die letzte Etage.“, schlug er daher vor und ging mit Shiho die letzten morschen Treppenstufen nach oben, wo sich nur eine Tür befand.

„Verdächtig leise, in dieser Wohnung“, bemerkte das ehemalige BO-Mitglied nachdem sie eine Weile an der Tür gehorcht hatte.

Shinichi nickte.

„Vermutlich sind wir hier richtig. Aber die Frage ist, was wir jetzt machen. Hier vor der Tür stehen zu bleiben und abzuwarten wäre reichlich unklug.“

„Ich denke du willst lauschen?“, fragte Shiho mit einer hochgezogenen Augenbraue.

„Man kann aber nur lauschen, wenn man etwas hört und das ist hier definitiv nicht der Fall.“, kam prompt die leicht verärgerte Antwort des Meisterdetektivs. Es ärgerte ihn, dass sie nun hier waren, vielleicht direkt vor der Wohnung von Rans Mörder, aber nichts tun können.

„Das kann man aber ändern.“, meinte Shiho, zückte ihre Geldbörse und zog eine Kreditkarte hervor mit der sie die Tür der Wohnung im Handumdrehen geöffnet hatte. „Solche Türen habe ich schon geknackt, da war ich gerade vier.“, schmunzelte Shiho auf Shinichis verdutzten Blick hin. „Die alten Dinger kann man nämlich nicht abschließen.“

„Manchmal machst du mir Angst.“, erklärte Shinichi ihr schmunzelnd, während er die alte Tür vorsichtig etwas aufschob. Mehr als Geflüster konnte er aber nicht hören.
 

Etwas unschlüssig sahen sich Shinichi und Shiho an. Wenn sie mehr hören wollten, mussten sie wohl oder übel die Wohnung betreten, aber das könnte auch leicht das letzte sein, was sie taten.
 

Die beiden waren schon fast so weit, dass sie wieder gehen wollten, als sie plötzlich ganz deutlich Browns Stimme vernahmen, die wütend etwas schrie, was sich wie eine Drohung anhörte, dessen genauen Wortlaut die beiden allerdings nicht verstehen konnten.
 

Entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen, traten die beiden nun doch vorsichtig in die Wohnung ein und landeten schließlich vor einer wesentlich stabileren Tür, die man sicherlich auch problemlos abschließen konnte, die aber zum Glück nur angelehnt war. So konnten die beiden in den Raum blicken der bloß von einem flackernden Fernseher erhellt wurde, so das sie nur die Umrisse von Brown und einer anderen Person erkennen konnten, die allerdings in einem Sessel saß.
 

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To be continue...

In der Höhle des Löwen Teil 2

An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich für den Kommentare zum letzten Kapitel bedanken und ich hoffe, dass ich es geschafft habe, dieses Kapitel etwas spannender zu gestalten, als das letzte.
 

Viel Spaß beim lesen!
 

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„Du hast mich schon verstanden, Bella. Ich habe gesagt, wir sollten zu unserem ursprünglichen Plan zurück kehren“, verkündete die tiefe Stimme eines noch recht jung klingenden Mannes, nachdem es gut zwei Minuten totenstill gewesen war in dem dunklen Raum.
 

Shinichi und Shiho, die immer noch draußen vor der großen Stahltür standen und das Gespräch von Bella und dem unbekannten belauschten, waren kurz zusammengezuckt, weil sie schon nicht mehr damit gerechnet hatten, dass irgendwer noch etwas sagen würde.
 

Sie sahen wie Browns Hände sich zu Fäusten ballten.

„Wieso?“, fragte sie schließlich und man hörte ihr an, dass sie sich zwingen musste, ruhig zu klingen. „Bekommst du etwa kalte Füße, Scotch?“

„Du etwa nicht?“, erwiderte dieser mit entspannter Stimme, während er seine glimmende Zigarette in dem kleinen Aschenbecher neben seinem Sessel ausdrückte. „Die Organisation ist lange nicht so stark wir früher und nun hast du diesen nervigen Detektiv auf unsere Fährte gelockt, nur weil du diese Verräterin Sherry unbedingt los werden wolltest, derweil hätten wir das viel einfacher erledigen können.“

„Ach, und wie, wenn ich dich fragen darf?“

Obwohl Brown mit dem Rücken zu ihnen stand, konnten sich Shinichi und Shiho durchaus vorstellen, wie sie eine Augenbraue nach oben gezogen hatte und ihren Gegenüber anblickte, als würde er nur große Reden schwingen aber eigentlich keine Ahnung haben.

„Bist du die Anführern der Schwarzen Organisation oder ich?“, fragte Scotch, der Mann im Sessel, unbekümmert und zündete sich in aller Seelenruhe eine neue Zigarette an, was Brown merklich zum Kochen brachte. „Wir hätten sie ganz einfach kalt stellen können. Dazu hätten wir nicht einmal wirklich unseren Ursprünglichen Plan ändern müssen.“
 

Shiho fuhr draußen augenblicklich ein eiskalter Schauer über den Rücken. Es war schon beängstigend mit welcher Ruhe und Kälte in der Stimme die Leute der BO darüber sprachen, das Leben eines Menschen zu beenden. Hatte sie selbst wirklich einmal zu diesen Leuten gehört? War sie auch so emotionslos damit umgegangen, dass durch ihr Gift so viele, teilweise unschuldige Menschen, hatten sterben müssen? War sie etwa auch so ein Monster gewesen?
 

Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Shinichi sie bei den Schultern packte und hinter der Tür fest gegen die Wand drückte. Shiho wollte gerade völlig perplex fragen, was über ihn gekommen war, als sich die Frage von selbst beantwortete.
 

Die dicke Tür öffnete sich und man hörte den morschen Holzboden unter den Absätzen von Browns High heels knarren. Shihichi und Shiho standen direkt hinter der offenen Tür und konnten nur beten, dass niemand auf die Idee kam, die Tür zu schließen.
 

„Und wie stellst du dir das vor Scotch? Wir wollten es schließlich so aussehen lassen, als hätte einer von denen, die zwar nicht unserem Möchtegern Meisterdetektiv, aber dafür dem Gefängnisse entkommen sind, seine Frau aus Rache umgebracht. Wieso hätte diese Person auch noch Sherry töten sollen?“, wollte Brown wissen, während sie und Scotch in den Raum am Ende des Flurs eintraten, wo nur eine flackernde Birne den kleinen Raum erhellte.

„Wir hätten es doch so aussehen lassen können, dass Sherry wohl dahinter gekommen ist, wer Ran Kudo ermordet hat und der vermeintliche Mörder sie deswegen ebenfalls beseitigen musste. Ganz einfach und unkompliziert“, erklärte Scotch, welcher gerade in einem Schrank griff und eine ziemlich gefährlich aussehende Waffe heraus holte, wie Shinichi sehen konnte, der hinter der Dicken Tür hervor linste und somit einen perfekten Blick in das Zimmer hatte wo Brown und dieser Scotch gerade waren, zu welchem die Zimmertür fast vollständig geöffnet war.

„Bedauerlicherweise hast du uns das vermasselt und nun müssen wir Sherry noch eine Weile Leben lassen“, fuhr Scotch fort, als Brown keine Anstalten machte, etwas zu erwidern, vermutlich weil sie wusste, das er recht hatte.

„Okay, und was hast du jetzt vor?“, fragte sie schließlich seufzend, während sie ihn dabei beobachtete, wie er die Waffe lud und dann in einer unauffällig aussehenden Tasche verstaute.

„Ich werde diesen Typen aufsuchen, der vor kurzem wegen eines Verfahrensfehlers aus dem Gefängnis entlassen wurde, nachdem dieser Kudo ihn erst vor einem Jahr wegen eines Raubmordes in den Knast befördert hatte. Der Typ hat Familie, es dürfte kein Problem sein, ihm zu einem Geständnis zu bringen und dann seinen Selbstmord vorzutäuschen“, antwortete Scotch während er sich einen langen, schwarzen und ledernen Mantel über die Schultern schwang. „Anschließend werden wir beide erst einmal von hier verschwinden. Um Sherry kümmern wir uns dann, wenn etwas Gras über die Sache gewachsen ist.“

Brown verschränkte wütend die Arme vor der Brust und man sah ihr an, dass es sie wütend machte, dass der jüngere Scotch ihr, der neuen Chefin der BO, es tatsächlich wagte vorzuschreiben, was zu tun war. „Und was ist mit Kudo?“

„Deinetwegen hat er Lunte gerochen, wir können nur hoffen, dass er Ruhe gibt, sobald der vermeintliche Mörder seiner Frau gestanden hat und erledigt ist. Leiden wird er nach dem Tod von Ran Kudo wohl vorerst genug. Vielleicht werden wir in einigen Jahren auch seinen Selbstmord fälschen können, aber im Moment würde uns das keiner Abnehmen. Also werden wir...“
 

„Shinichi!“, flüsterte Shiho plötzlich und lenkte diesem von dem Gespräch von Brown und Scotch ab. Als sich Shinichi zu ihr umdrehen wollte, stellte er mit entsetzen fest, dass sie nicht mehr hinter ihm war, sondern in den Raum mit der Stabilen Tür eingetreten war.

„Sag mal Ai bist du von Sinnen? Die Typen werden sicher gleich wieder hier rein kommen!“, erklärte Shinichi leicht panisch, während er ihr in den dunklen Raum folgte.

„Das glaube ich nicht. Immerhin haben die beiden doch etwas wichtiges zu erledigen“, winkte Shiho nur ab, die irgendwo in einer dunklen Ecke des Raumes kniete, so das Shinichi sie kaum erkennen konnte.

„Das heißt aber nicht, dass sie nicht noch einmal hier rein kommen um etwas zu holen. Außerdem halte ich es für Ratsamer, wenn wir erst einmal von hier verschwinden, immerhin haben wir die wichtigstes Informationen erhalten“, erklärte Shinichi leise bevor er zu ihr ging. Er wollte sie gerade am Arm packen und mit sich raus ziehen, so unauffällig wie es nur möglich war, wenn man bedachte, dass am anderen Ende des Flurs zwei BO Mitglieder in einem Raum standen, zu dem die Tür weit offen war, als er inne hielt. „Großer Gott...“, entfuhr es ihm, fast etwas zu laut.

„Pssst!“, kam natürlich sofort die unnötige Aufforderung von Shiho, die vor einer Kiste kniete, in welche sie mit dem dämmrigen Licht ihres Handydisplays leuchtete, in welcher Diamantschmuck aufbewahrt wurde, dessen Wert vermutlich in die Milliarden ging. „Vermutlich ist dieser Scotch nicht nur verantwortlich für Rans Tod, sondern auch für den Raubüberfall dieses Museums vor einigen Monaten. Das würde auch erklären, wieso das Museum anschließend abgebrannt wurde. Das ist genau die vorgehensweiße der schwarzen Organisation.“

Shinichi betrachtete den Schmuck skeptisch und vergaß dabei völlig, dass sie dringendes von dort verschwinden oder sich wenigstens irgendwo ein sichereres Versteck suchen sollten. „Aber seit wann stehlen die Schmuck?“

„Du hast es doch gehört. Die Organisation ist geschwächt, vermutlich auch Finanziell und Waffen und eine Unterkunft oder Utensilien für ein gut funktionierendes Labor kosten auch Geld, selbst für Leute wie die“, erklärte Shiho, die zwar kein großer Fan von glitzerndem Schmuck war, aber dennoch ihren Blick kaum davon abwenden konnte.

Shinichi wollte gerade etwas sagen, als er wieder das knarren des Holzbodens hörte, ebenso wie die Stimmen von Scotch und Brown die immer näher kamen. Auch Shiho hörte die Unheilvollen Geräusch und versteckte ihr leuchtendes Handy, schnell in ihrer Manteltasche.
 

„Hast du auch etwas gehört?“, fragte Brown leicht beunruhigt, während sie an dem immer noch offenen Raum vorbei ging, in dem Shinichi und Shiho waren, ohne rein zu sehen.

„Ja! Deine Absätze sind ja nicht zu überhören. Findest du nicht, dass eine Profikillerin andere Schuhe tragen sollte?“, erwiderte Scotch nur, der die Tür zu dem Zimmer schloss indem Shinichi und Shiho sich befanden, ohne selbige in der Dunkelheit des Raumes zu entdecken.

„Willst du die Tür etwa abschließen?“, fragte Brown Skeptisch und ihre recht laute Stimme war durch die dicke Tür nur noch ganz schwach zu vernehmen.

„Natürlich. In diesem Haus wohnen nur Junkies, denkst du etwa, ich will es riskieren das einer von den Trotteln den Schmuck findet, den wir schon vor Wochen hätten nach Amerika schicken sollen?“, erwiderte Scotch nur und seine Stimme war durch die Tür nur noch wie ein flüstern zu vernehmen, bevor die Tür mit einem lauten Klicken verkündete, dass sie gerade verschlossen wurden war.

„Denkst du im ernst, dass ich nach dem Desaster vom letzten mal noch irgendwelchen Amateuren vertraue, was das versenden unserer Waren angeht?“, war das letzte was Shinichi und Shiho noch von Brown hörten, bevor die Geräusche ihrer Absätze sich immer weiter entfernten und plötzlich alles Still war.

„Oh, oh...“, war alles was Shiho zu dieser Situation einfiel, während Shinichi sich auf dem Weg zum Fenster machte, welches in der Dunkelheit nur schwer zu finden war.
 

Er schob die dicken schwarzen Vorhänge ein Stück zur Seite und hatte somit einen Perfekten Blick auf die Straße. Brown verließ gerade allein das Haus und stieg dann in ihren Wagen. Offenbar bemerkte sie nicht, dass nur wenige Meter von ihrem Auto entfernt, dass Auto des Professors stand. Wenige Sekunden, nachdem Browns Mercedes verschwunden war, kam auch der andere Mann aus dem Haus. Er blickte offenbar kurz skeptisch zu dem schrecklich gelben und kleinen Wagen des Professors, schien sich aber nichts weiter dabei zu denken, als er in aller Seelenruhe daran vorbei ging, als wolle er nur einen entspannten Spaziergang machen.
 

Shinichi seufzte auf, als er den Vorhang wieder in seine Ursprüngliche Position brachte. „Du hast nicht zufällig auch gelernt, verschlossene Stahltüren zu öffnen?“, wendete er sich dann etwas entmutigt an Shiho.
 

Sie beide saßen hier vermutlich fest, bis Scotch zurück kam und dann würde sie dieser mit Sicherheit entdecken und erledigen, zuvor würde er aber noch dafür sorgen können, dass ein mehr oder weniger unschuldiger Mann einen Mord gesteht, den er nicht begangen hat und diesen anschließend umbringen und später, wenn alles erledigt war, würden er und Brown mit dem Schmuck entkommen können und die Organisation würde unbemerkt wieder zu alter Größe zurück kehren.
 

Hieß das, dass alle Opfer völlig umsonst gewesen waren? Die vielen Toten, beim FBI und Ran und all die Unschuldigen Menschen, waren sie um Grunde völlig umsonst gestorben? Hatte Shinichi versagt? War es seine Schuld? Hätte er auf Shiho hören und gar nicht erst hier her kommen sollen? Hatte er sich nicht geschworen, Rans Mörder dingfest zu machen? Und nun? Würde irgendwer anders es schaffen oder überhaupt versuchen? Würde irgendwer an dem erzwungenen Geständnis und dem gefälschten Selbstmord des vermeintlichen Mörders zweifeln?
 

Shiho zückte erneut ihr Handy und wählte zielsicher eine Nummer, dann drückte sie Shinichi das Handy in die Hand, welcher völlig überrumpelt war. „Der empfang ist zwar schlecht, aber er müsste reichen um Takagi zu informieren“, erklärte sie und erhielt zuerst einen verdutzten, dann aber einen dankbaren Blick von Shinichi, welcher das Handy an sein Ohr legte und dann Takagi verlangte, welchem er in kürzester Zeit die Situation erklärte, dass ganze allerdings mehrmals wiederholen musste, weil Takagi erst die Zusammenhänge und dann den Wortlaut nicht verstanden hatte, weil der Empfang doch reichlich schlecht war. Jedoch war das Endergebnis, dass die Polizei nicht nur kommen würde, um ihn und Shiho zu befreien, sondern, auch um den Mann zu schützen, der das Augenblickliche Ziel der BO war.
 

„Du kannst nicht anders, oder?“, fragte Shiho, nachdem Shinichi das Telefonat nach einer Weile endlich beendet und ihr verkündet hatte, dass jemand kommen würde, um sie retten.

„Was meinst du?“, fragte dieser auch prompt, nachdem er sich neben Shiho auf den Boden hatte sinken lassen, wo sie einfach nur noch warten und darauf hoffen konnten, dass man sie rechtzeitig hier raus holen würde.

„Naja, der Mann auf den es die BO abgesehen hat, der ist doch in gewisser weiße Schuldig, oder nicht? Er ist nur wegen eines Verfahrensfehlers frei gekommen und trotzdem willst du, das er gerettet wird.“

„Egal was er getan hat, den Tod hat er nicht verdient. Schon gar nicht den Tod für eine Sache, die er nicht begangen hat“, erklärte Shinichi. „Außerdem hat dieser Mann Familie und ich war mir eigentlich sehr sicher, dass er schon seinen Kindern zuliebe, nicht noch einmal straftätig werden würde.“

Shiho musste seufzen, was ging nur in dem Kopf dieses Mannes vor, dass er selbst so manchem Mörder noch eine zweite Chance geben wollte?

„Du solltest aufhören immer allen eine zweite Chance zu geben, Kudo. Sonst wirst du es eines Tages noch bitter bereuen.“

„So wie bei dir, meinst du?“, fragte Shinichi mit einer hochgezogenen Augenbraue, wobei man seinen Gesichtsausdruck in der Dunkelheit kaum erkennen konnte.

„Ich habe es dir vor Jahren schon einmal gesagt, wenn es hart auf hart gekommen wäre und ich dein Leben für das des Professors oder der Kinder hätte eintauschen müssen, hätte ich dich ohne zu zögern umgebracht.“

Er konnte ja wohl kaum den Besuch im Krankenhaus vergessen haben, indem sie ihm eine Waffe an die Schläfe gehalten hatte, aus welcher zwar am Ende nur rote Rosen gekommen waren, aber schließlich hatte sie ihm dieses kleine Theater vor allem deswegen vorgespielt, damit er den Ernst der Lage begriff.

„Das hast du gesagt, ja. Aber ich glaube trotzdem nicht, dass du es getan hättest, ganz egal wie die Umstände gewesen wären“, erklärte Shinichi und er klang absolut überzeugt von dem was er sagte. Er würde Shiho blind vertrauen.

Diese lies nun kopfschüttelnd die Schultern sinken. Bei Shinichi war Hopfen und Malz verloren.

„Weist du was? Ich geb es auf, du bist nicht mehr zu retten.“
 

Shinichi wollte gerade etwas erwidern, als er plötzlich das dumpfe Geräusch vernahm, was der Holzboden im Flur machte, wenn jemand mit Absatzschuhen darüber lief.
 

Panik überkam Shiho, als sie die Schritte erkannte, verängstigt blickte sie zu Shinichi rüber.

„Bitte sag mir, dass Kommissarin Sato seit kurzem Schuhe mit hohen Absätzen trägt!“, forderte sie flüsternd.

„Also vorhin hat sie jedenfalls noch keine getragen“, flüsterte Shinichi beunruhigt zurück. „Aber wir müssen uns eigentlich keine Sorgen machen, immerhin ist die Tür ja abgeschlossen.“

„Du glaubst doch nicht im ernst, dass Brown den Schmuck in einen Raum verschließen lässt, zu dem sie keinen Schlüssel hat, wo doch dieser Scotch jederzeit erwischt oder ermordet werden könnte?“
 

Nein, so blöd waren die von der BO nicht und genau deswegen war Brown vermutlich auch zurück gekommen. Sie hatte das Auto sicher nur zuerst nicht erkannt, aber dann, hat sie sich sicherlich daran erinnert, dass sie in der Wohnung verdächtige Geräusche gehört hat und dann war ihr alles klar geworden.
 

Shinichi biss sich auf die Unterlippe, als er erkannte, dass Shiho recht hatte. Verzweifelt sah er sich in dem viel zu dunklen Raum um. Doch hier gab es keinen Ort, wo sie sich verstecken könnten. Alles war man hier, mit Mühe und Not erkennen konnte, waren der alte Sessel, der noch ältere Fernseher und die ausladende Matratze auf dem Boden. Keines dieser Gegenstände eignete sich dazu, sich dahinter oder darunter zu verstecken und verteidigen konnte man sich damit auch nicht.
 

Das Geräusch eines Schlüssel, der sich in das Schloss schob und sich langsam darin drehte lies Shiho zusammenzucken. Brown würde jede Minuten in den Raum kommen, sie beide vorfinden und sie auf der Stelle töten. Zum weglaufen war der Weg zu lang, die Zeit zu knapp und Brown sicherlich ein viel zu guter Schütze.
 

Das Schloss knackte laut, als es geöffnet war und somit Shinichi und Shiho verkündete, dass ihre letzte Minute begonnen hatte. Die beiden erhoben sich vom Holzboden, denn in einem waren sie sich einig, wenn man sie erschießen würde, dann würden sie ihrer Mörderin mit erhobenem Haupt entgegen treten und nicht vor Angst zitternd auf dem Boden hocken.
 

„Shinichi, ich muss dir noch was sagen“, begann Shiho ganz plötzlich, gerade als die Klinke der Tür sich nach unten schob.

„Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für so etwas“, erwiderte Shinichi nur während seien Augen immer noch rastlos im Raum nach einer Rettung suchten.

„Wann dann? Wenn wir als Leichen nebeneinander auf den kalten Tischen der Gerichtsmedizin liegen?“, wollte Shiho wissen und sie klang leicht wütend.

Gönnte er ihr nicht wenigstens noch, dass sie ihm vor ihrem Tod wenigstens dieses eine wichtige gestand, ganz gleich ob er es im Grunde nun schon wusste oder nicht?

„Hör auf damit!“, schrie Shinichi sie unüberlegterweise wütend an, gerade als sich die Tür öffnete und Brown mit erhobener Waffe eintrat.

„Ich wusste es doch“, sagte sie und schaltete eine kleine rote Lampe an, welche den Raum mit einem dämmrigen Licht erfüllte, welches Shinichi und Shiho schon allein deswegen in den Augen brannte, weil sie die ganze Zeit im dunkeln gesessen hatten, doch hätten sie das Licht angeschaltete, hätten sie ungewollt Aufmerksamkeit erregen können, wobei das jetzt kaum noch eine Rolle spielte. „Ich muss zugeben, dass ich euch beide gewaltig unterschätzt habe. Ich war mir sicher, dass ihr niemals auf meine Spur kommen würdet, vor allem deswegen nicht, weil ich ja schließlich zum FBI gehöre. Aber vermutlich hätte ich daran denken sollen, dass zwei Leute wie ihr, die so intensiv mit der schwarzen Organisation zu tun hatten, früher oder später Lunte riechen würden.“ In Browns Stimme lag durchaus etwas anerkennendes, aber gleichzeitig auch etwas Überheblichkeit, denn sie wusste dass sie das Spiel gewonnen hatte.

„Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass wir schon einiges an Erfahrungen mit der BO gemacht haben. Das liegt lediglich daran, dass ihr so schlampig arbeitet. Immerhin ist es Shiho und mir gelungen, innerhalb von wenigen Stunden euren ganzen Plan zu erfahren, ebenso wie einen ungefähren Standort eurer Geheimbasis“, erklärte Shinichi und er versuchte trotz der aussichtslosen Situation triumphierend zu klingen.

Brown sah Shinichi jedoch nur unbeeindruckt an, während sie ihre Waffe entsicherte und genau auf Shinichis Brust richtete.

„Und wenn schon, immerhin habt ihr jetzt keine Möglichkeit mehr, euer Wissen an irgendjemanden weiter zu geben. Aber seht es mal positiv, immerhin vereine ich euch nun endlich mit den geliebten Menschen, die ihr verloren habt“, lachte Brown und schob den Abzug ihrer Waffe langsam immer weiter nach hinten. „Aber ich frage mich, ob Ran und Akemi das wirklich gewollt hätten“, sie tat einen Moment so, als würde sie überlegen und drückte dann völlig unerwartet ab.
 

Shinichi schloss die Augen, als er die bedrohliche Kugel wie in Zeitlupe immer näher kommen sah. Es war vorbei. Er hatte verloren. Er wünschte sich nur, dass er Shiho da nicht mit hinein gezogen hätte. Schließlich hatte sie im Grunde nichts mit der ganzen Sache zu tun. Vielleicht wäre die BO auch nie auf sie aufmerksam geworden, wenn er sie nicht gebeten hätte, ihn in diesem Fall zu unterstützen. Doch es war zu spät, er konnte es nicht mehr ändern, es nicht mehr Rückgängig machen. Er konnte nur noch darauf warten, dass die Kugel ihn traf.
 

Doch das geschah nicht, stattdessen hörte er Shiho einen Schmerzensschrei ausrufen und gerade als er die Augen öffnete, um zu sehen, was geschehen war, ertönte der nächste Schuss und erneut kniff Shinichi die Augen zusammen, dieses mal vor Schreck und wieder in Erwartung, dass ihn diese Kugel treffen würde, doch wieder blieb der erwartete Schmerz aus.
 

Als Shinichi jedoch die Augen öffnete...

Unglück im Glück

Unfähig sich länger auf den Beinen zu halten sackte sie zusammen, sank erst auf die Knie und fiel dann entgültig auf den kalten und morschen Holzboden. An der rechten Seite ihres Unterbauches klaffte eine tiefe und schwer blutende Wunde.
 

„Ai!“
 

Der Klang seiner Stimme war so schön, auch wenn sie voller Angst und Panik war. Sie wünschte sich so sehr, dass sie noch genügend Kraft hätte, ihm zu sagen, was sie ihm schon kurz zuvor hatte sagen wollen, denn dies hier würde die letzte Chance sein. Doch sie war zu schwach, dass sie sich nicht einmal mehr bewegen konnte.
 

„Ai!“
 

Sie konnte nicht mal mehr sein Gesicht sehen, denn ihr Kopf war zu der falschen Seite gefallen. Alles was sie sehen konnte, war der Leblose Körper von Lillian Brown. Takagi und Sato waren gerade noch rechtzeitig in die alte Dachwohnung geplatzt, um Brown davon abzuhalten, ein weiteres mal auf ihn zu schießen, denn den zweiten Schuss hätte Shiho nicht abfangen können.
 

„Ai! Sag doch etwas!“
 

Das ganze war jedoch zu schnell gegangen, um Takagi viel Zeit für Überlegungen zu lassen, auf welchen Teil von Browns Körper nun geschossen werden sollte, so das Takagi aus Reflex direkt auf ihre Brust gezielt und auch getroffen hatte. Brown war mit Sicherheit tot. Die neue Anführerin der schwarzen Organisation wurde von einem einfachem und eingeschüchterten Chefinspektor aus Japan zur Strecke gebracht.
 

„Ai! Verdammt! Antworte mir doch!“
 

Doch Takagi schien nicht glücklich. Verzweifelt kniete er neben der Leiche der vermeintlichen FBI-Agentin und versuchte den Puls zu fühlen, der sicher nicht mehr existierte. Sato schien das bewusst zu sein, denn sie achtete nicht weiter auf die Leiche sondern gab den Polizisten die mit ihnen gekommen waren weitere Anweisungen. Welche konnte sie nicht mehr verstehen, sie konnte gar nichts mehr hören, nicht einmal mehr seine Stimme. Es wurde alles still und dunkel.
 

Sollte das also ihre Ende sein? Nun, sie hatte es wohl verdient. Sie hätte es schon sehr viel früher verdient. Aber wenigstens starb sie nun, nachdem sie sein Leben gerettet hatte. Das war nicht annähernd genug um wieder gut zu machen, was sie ihm und so vielen anderen Menschen böses angetan hatte. Überhaupt, all das gute, was ihr vor allem durch ihn in den letzten Jahren passiert war, konnte sie nie wieder gut machen, auch nicht, wenn sie mit ihrem Leben bezahlte...
 

~*~
 

Shinichi gähnte herzhaft, während er alle Mühe hatte seine Augen offen zu halten. Er war jetzt bestimmt schon gut 24 Stunden auf den Beinen. Er hatte nicht geschlafen und nicht gegessen. Aber nach so vielen schlechten Nachrichten, war es auch reichlich schwer Schlaf zu finden oder Hunger zu haben.
 

Dennoch war Shinichis Erschöpfung groß und so musste er etwas suchen, was ihn wach hielt. Er blickte sich in dem sterilen weißen Krankenhauszimmer um. Die Decke war kahl und die Wände rau. Die Vorhänge, die die Sonne daran hinderten direkt ins Zimmer zu scheinen, waren grau und ebenso unansehnlich und langweilig wie alles andere in diesem eintönigem Raum.
 

Shinichi erlaubte sich erneut ein Gähnen und schloss nun doch für einen Moment die Augen. Gerade in dem Moment, als er die Augen schloss, öffnete Shiho erstmals seit ihrem Zusammenbruch wieder ihre Augen. Sie lag in einem dieser schrecklich unbequemen Krankenhausbetten und direkt neben ihrem Bett saß Shinichi auf einem der ebenso unbequemen weißen Krankenhausstühle.
 

„Kannst du nicht jemand anderem etwas vorgähnen?“, fragte Shiho mit leicht schwacher Stimme.

Shinichi zuckte kurz zusammen, denn er war schon am einnicken gewesen. „Du bist wach...“, stellte er daher auch etwas schläfrig fest.

„Oh, wirklich? Das wusste ich ja gar nicht“, meinte Shiho mit dem typischen Hauch Zynismus in ihrer Stimme.

Shinichi konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.

„Ich weis gar nicht, wieso ich mir überhaupt Sorgen um dich gemacht habe, dir scheint es ja bestens zu gehen.“

Shiho erwiderte sein Grinsen einen Moment und es schien tatsächlich so, als ginge es ihr bestens, aber das täuschte, was man vor allem an ihrer blassen Haut und den glasigen Augen erkennen konnte.

„Es hat dich ja auch niemand darum gebeten, dass du dir Sorgen um mich machst.“

Shinichi seufzte leicht.

„Also wärst du lieber alleine aufgewacht?“

„Wieso nicht? Ich bin es doch gewohnt, alleine zurecht zu kommen“, erwiderte Shiho nur und verbarg damit ihre eigentliche Freude darüber, dass Shinichi tatsächlich bei ihr am Krankenbett saß und sich wahre Sorgen um sie gemacht zu haben schien.

Shinichi schüttelte schmunzelnd den Kopf, wobei man ihm seine Erschöpfung deutlich ansah.

„Und da sagst du immer, ICH sei ein hoffnungsloser Fall.“

Alles was Shiho erwiderte war ein schmerzverzerrtes Schmunzeln.
 

Sie hatte Schmerzen. Ihre Wunde tat bei jeder noch so kleinen Bewegung weh, selbst das Atmen schmerzte. Shinichis Anwesenheit erfreute sie, aber das konnte ihre starken Schmerzen nicht lindern. Warum war sie nicht gestorben? Warum hatte man es ihr nicht endlich gegönnt, dieses schreckliche Leben voller unerfüllter Liebe, Schmerz und Angst zu verlassen? War es vielleicht ihre Strafe für all das Böse was sie getan hatte? Sollte sie den Rest ihres Lebens leiden?
 

„Du hattest verdammtes Glück“, kam es nach einer Weile der Stille aus Shinichi, welcher sich in seinem unbequemen Stuhl etwas zurück lehnte. „Es war ein glatter Durchschuss und die Kugel hat keine wichtigen Organe getroffen. Aber du hast viel Blut verloren...“

„Du siehst aber nicht wirklich glücklich aus...“, bemerkte Shiho nach näherer Betrachtung von Shinichi. „Wäre es dir lieber gewesen, wenn ich gestorben wäre?“ Es würde sie jedenfalls nicht wundern, schließlich hatte sie es verdient.

Shinichi schüttelte erschöpft mit dem Kopf.

„Nein, dass ist es nicht. Ich bin froh, dass du lebst und bald wieder gesund bist.“

„Was ist es dann? Ist es wegen Brown, weil sie tot ist?“, wollte Shiho wissen.

„Naja...“ Es fiel Shinichi schwer zu sagen, ob er nicht doch unter diesen Umständen sagen konnte, dass Brown das verdient hatte, immerhin hatte sie Shiho verletzt, auf ihn geschossen und indirekt war sie ja auch Schuld an Rans Tod. „Nein, dass ist es nicht wirklich. Es ist wohl eher das, dass Scotch entkommen ist und zuvor noch das Geständnis von diesem Mann erzwingen und ihn dann umbringen konnte. Megure und seine Leute kamen zu spät um ihn zu retten, aber seine Familie ist unversehrt, zum Glück. Vermutlich hatte Scotch nicht mehr genügend Zeit, sie zu töten.“

„Verstehe.“ Ein Unschuldiger hatte mehr oder weniger seinetwegen sterben müssen, Shiho konnte nachvollziehen, dass Shinichi das etwas an die Nieren ging. Vor allem natürlich auch, weil mit Scotch nicht nur das nun einzige Bindeglied zur BO verschwunden war, sondern auch Rans wahrer Mörder.

„Allerdings hat das ganze auch etwas gutes, zumindest für dich“, begann Shinichi schließlich seufzend. „Das von Scotch erzwungene Geständnis wurde als echt anerkannt, weil die Handschrift als die des Mannes erkannt wurde und es keine Hinweise darauf gab, dass das Geständnis erzwungen wurde und somit bist du nun offiziell unschuldig.“ Allerdings gefiel Shinichi das Ganze gar nicht. Er war zwar froh, dass Shihos Unschuld nun entgültig ‚bewiesen’ war, aber es störte ihn das jemand eines Verbrechens für schuldig erklärt wurde, obwohl er unschuldig war. Dabei spielte es für Shinichi keine Rolle, ob der falsche Schuldige nun bereits Tod war, oder nicht. Unschuldig, war unschuldig.

„Ich weis, dass du gewollt hast, dass Scotch für Rans Mord zur Verantwortung gezogen wird, aber immerhin kann man ihn für den Mord an diesem Mann belangen.“ Und lebenslänglich, war lebenslänglich, egal für welchen Mord man Scotch nun zur Verantwortung ziehen würde, fand Shiho zumindest.

„Leider nicht...“ Shinichis erschöpfter Körper schien mehr und mehr auf dem Stuhl zusammen zu sacken, er sah mittlerweile aus, wie ein Häufchen Elend. „Der Tod des Mannes, war ein perfekt inszenierter Selbstmord. Es gibt keinen Spur dafür, dass jemand anderes seine Finger mit im Spiel hatte und Megure hat gemeint, selbst wenn wir beide das Gegenteil behaupten, würde uns das nichts bringen, denn ein Beweismittel zählt einfach mehr als eine Aussage und Beweismittel gibt es leider nicht.“
 

Shiho seufzte. Das waren wirklich keine guten Nachrichten. Man konnte eher meinen, sie ständen nun wieder ganz am Anfang. Eines stand jedenfalls fest, und das wusste sie ganz genau, Shinichi würde nicht eher ruhen, bis Scotch und der ganze vergammelte Rest der BO im Gefängnis waren. Er würde sicherlich bis dahin keine Ruhe und keinen Frieden finden und Shiho konnte das verstehen. So lange sie wusste, dass die BO noch da war, würde auch sie nie wieder ruhig schlafen können.
 

„Was hast du nun vor?“, fragte sie schließlich interessiert, während ihre Wunde immer stärker schmerzte.

„Ich werde nach Amerika gehen. Die BO hat dort immerhin ihre Basis und wo die Basis ist, da ist auch Scotch. Außerdem kann ich dort Jodie und das FBI um Hilfe bitten“, erklärte Shinichi mit entschlossener Miene. Es war, wie Shiho es vermutet hatte, er würde nicht Aufgeben, bis nicht wenigstens Scotch gefangen und zur Rechenschaft gezogen wurden war.

„Damit wirst du aber ein paar Wochen Warten müssen, Shinichi.“

Selbiger schaute etwas verdutzt drein.

„Wieso?“

„Weil ich noch eine Weile brauche, bis ich wieder Fit bin und du mich schön mitnehmen wirst!“, erklärte ihm Shiho, ebenfalls mit entschlossenem Blick. Sie würde niemals zulassen, dass Shinichi sich der BO alleine stellt. Außerdem hatten sie das zusammen begonnen und würden es auch gemeinsam zuende bringen.

„Wozu? Damit du dich wieder vor die nächstbeste Kugel wirfst?“

„Hey! Ich hab dir dein Leben gerettet, sei gefälligst etwas dankbarer!“

„Ich bin dankbar“, seufzte Shinichi. „Aber ich will nicht, dass du auch noch meinetwegen sterben musst.“ Immerhin waren es nun schon zwei Leute, die seinetwegen den Tod gefunden hatte, drei sogar, wenn man Brown mitzählte. Er wollte nicht das Shiho eines Tages das vierte Opfer auf dieser traurigen Liste werden würde.

Shiho blickte ihn mit ernster Miene an.

„Wenn ich nicht für dich sterben soll, für wen dann?“ Gut, es gab sicherlich noch andere Menschen, wie den Professor oder die Kinder, für die sie ihr Leben geben würde, vor allem, wenn es um die BO ging, aber Shinichi hatte sie das meiste zu verdanken, sie liebte ihn und sie war ihm eine Menge schuldig.

„Du sollst für niemanden sterben! Du sollst Leben! Wann begreifst du das endlich, verdammt?!“ Langsam wurde Shinichi wütend. Er kämpfte hier tagtäglich um das Leben derer zu schützen, die unschuldig waren und die ihm etwas bedeuteten und sie würde ihr Leben am liebsten aus dem nächstbesten Fenster werfen.

Shiho schloss seufzend die Augen, sie war nicht kräftig genug für eine Auseinandersetzung mit Shinichi, außerdem hatte sie auch keine Lust dazu, sich mit ihm zu streiten.

Shinichi seufzte ebenfalls und erhob sich dann von seinem Stuhl.

„Da du jetzt wach bist, kann ich ja endlich nach Hause gehen.“ Wobei ‚nach Hause’ nicht die Bedeutung hatte, die es haben sollte.

„Mach was du willst“, entgegnete Shiho ihm nur und wirkte irgendwie enttäuscht. Sie hatte mehr erwartet, mehr Dank dafür, dass sie die Kugel aufgefangen hatte, die ihn vielleicht getötet hätte. Aber vermutlich war das unter diesen Umständen einfach zu viel verlangt.

„Ich komme dann Morgen wieder“, verkündete Shinichi noch, bevor er entgültig das Krankenzimmer verließ und Shiho einsam in ihrem Zimmer zurück blieb.
 

Er war nicht undankbar, wirklich nicht. Aber all dieser Ereignisse hatten sich einfach überschlagen und außerdem war er völlig übermüdet, irgendwie hungrig und vor allem richtig erschöpft. Er konnte kaum noch denken, so schlimm war das alles. Vielleicht hatte er die ganze Situation auch noch gar nicht richtig realisiert, denn es war doch alles reichlich schnell gegangen.
 

Aber das ganze konnte auch einen ganz anderen Grund haben...
 

Nachdem Shinichi die Station auf der Shiho lag hinter sich gelassen hatte und in den großen Fahrstuhl des Krankenhauses eingetreten war, lehnte er sich dort erschöpft gegen die Wand und schloss zum wiederholten male einen kleinen Moment die Augen.
 

Shiho hatte ihm das Leben gerettet. Er lebte und sie lebte. Sie beide lebten, doch irgendwie kam sich Shinichi im Augenblick so vor, als wäre es ihnen beiden lieber gewesen, sie wären gestorben. Glück war für sie beide in dieser Welt sowieso nicht mehr zu finden. Shihos Liebe würde niemals erwidert werden und Shinichi wusste, dass er ihr das endlich klar machen musste. Tja, und seine Liebe hatte ihn verlassen. Was also sollten sie beide mit diesem grausamen Leben noch anfangen? Sie würden sich doch nur noch quälen.
 

Energisch schüttelte Shinichi den Kopf, bevor er die Augen wieder öffnete. Er durfte nicht so denken! Er war nicht der Typ für derartige Gedanken und Selbstmitleid. Das Leben ging weiter! Es musste einfach weiter gehen, denn immerhin war es noch so lang und sicherlich auch voll mit positiven Ereignissen, auf die man sich freuen konnte.
 

Aber im Moment wollten Shinichi keine einfallen. Denn der ganze gestrige Tag, hatte ihm gezeigt, dass das Leben einfach grausam war. Immer hätte Shiho theoretisch auch an dieser Verletzung sterben könne und Browns Tod hatte damit geendet, dass Takagi sich unglaubliche Vorwürfe machte, obwohl ihm alle versichert hatten, dass er richtig gehandelt hatte, außerdem war ein Unschuldiger Familienvater ermordet und für einen Mord verantwortlich gemacht wurden, welchen er nicht begangen hatte und zu guter Letzt war da noch die Tatsache, dass Rans wahrer Mörder, dieser Scotch, entkommen war. Er war vermutlich mittlerweile irgendwo im großen Amerika untergetaucht und es würde schwer werden, ihn wieder zu finden.
 

Das einzige gute war, dass wenigstens der Diamantschatz wieder in den richtigen Händen war, dass und Browns Tod würde sicherlich ein herber Rückschlag für die ohnehin angeschlagene BO sein. Doch Shinichi konnte sich nicht darüber freuen. Die negativen Sachen überwogen im Moment einfach und zogen ihn irgendwie runter. Er fühlte sich, als würde er in ein tiefes und dunkles Loch stürzen und die einzige Person, die ihm die Hand reichte und ihn retten wollte, würde mit ihm stürzen, wenn er ihre Hand ergreift...
 

~~~

So jetzt mal ein paar Organisatorische Sachen. Zuerst wollte ich mich wieder für die Kommentar zum Letzten Kappi bedanken *verbeug*

Anschließend weiß ich natürlich, dass dieses Kapitel nicht viel her gibt, aber meine Lehrer haben immer gesagt, nach einem Höhe- oder Wendepunkt muss auch erst einmal etwas Ruhe in die Story einkehren. Außerdem musste ich einige wichtige Informationen rüber bringen, die für den weiteren Verlauf der Story wichtig sind.

Zuletzt fragen sich natürlich viele, wo das ShinichixShiho nun eigentlich in der Story ist. Ich habe es natürlich nicht vergessen, aber ich möchte die Geschichte so realistisch wie möglich machen und es ist nicht realistisch, wenn Shinichi nur drei Wochen nach Rans Tod schon etwas mit Shiho anfängt. Also habt bitte noch etwas Geduld.
 

Ansonsten vielen Dank für das Lesen und Kommentieren. Wir sehen uns im nächsten Kapitel. *wink*

Love hurts

Mit einem wohligen seufzen vergrub Shiho ihr Gesicht im Kissen und kuschelte sich in ihre weiche Decke. Endlich war sie wieder Zuhause. Verdammte vier Wochen hatte sie im Krankenhaus verbringen müssen und so war sie nun überglücklich, endlich wieder ‚Zuhause’ zu sein und in ihrem eigenen Bett schlafen zu können.
 

Offenbar hatte sich in der Zwischenzeit jemand erbarmt, die Bettwäsche zu waschen, denn sie roch angenehm nach dem süßlichen Spülmittel, dass der Professor immer verwendete. Eigentlich mochte die einstige Wissenschaftlerin diesen Geruch ja nicht so, aber nachdem sie Wochenlang nur den Sterilen Geruch des Krankenhauses in der Nase hatte, war das hier eine mehr als willkommene Abwechslung.
 

Eigentlich war alles in dem großen Haus der Professors eine willkommene Abwechslung. Sogar der weinrote Teppich in Shihos Zimmer, die grellgelben Handtücher im Bad oder die schrecklichen rosa Gardienen in der Küche. Alles war besser als das ständige weiß aus dem Krankenhaus, von dem die Rotbraunhaarige geglaubt hatte, es würde sie früher oder später erblinden lassen.
 

Überhaupt war es so, und das musste die junge Frau sich einfach endlich einmal eingestehen, war es nirgends so schön wie hier, in ihrem Zuhause. Sie gehörte hier her. Hier hatte sie die vielleicht schönste Zeit ihres Lebens verbracht, zusammen mit Shinichi und den Kindern und natürlich dem lieben Professor der sie vorbehaltlos aufgenommen und für sie gesorgt hatte.
 

Zum ersten mal seit langsam, musste sich Shiho fragen, ob es wirklich gut und richtig gewesen war, nach Amerika zu ziehen. Immerhin hätte sie ja auch hier studieren können. Offiziell wusste hier ja ebenso wenig etwas von ihren ‚Straftaten’ wie in Amerika. Und wer wusste schon, wie alles gekommen wäre, wenn sie Japan nie verlassen hätte? Vielleicht wäre sie dann ja jetzt richtig glücklich. Natürlich nicht mit Shinichi, aber vielleicht mit einem anderen hübschen jungen Mann, der wenigstens ein bisschen so war, wie der Detektiv in den sie sich hoffnungslos verliebt hatte.
 

Aber es war nun nicht mehr zu ändern, dass sie diese Entscheidung damals getroffen hatte und man musste ja ganz klar festhalten, dass das ehemalige BO-Mitglied in Amerika nicht unglücklich war. Immerhin hatte sie dort gute Freunde gefunden und fühlte sich auch sonst recht wohl in ihrem hübschen kleinen Apartment. Aber sie war dort eben nicht Zuhause, nicht wirklich und das war wohl das Ausschlaggebende. Sie gehörte nun einmal nach Japan und nach der Sache mit der BO, war es vielleicht Zeit, entgültig in ihre Heimat zurück zu kehren.
 

Shiho streckte sich etwas, achtete dabei aber darauf, dass sie ihre Wunde, die sich mit dem heilen reichlich schwer tat, nicht belastete und beschloss dann, dass sie vielleicht doch langsam schlafen sollte. Es war zwar noch recht früh am Abend, aber da Shiho im Krankenhaus immer sehr schlecht geschlafen hatte, war es vielleicht besser, an ihrem ersten Tag Zuhause, einfach mal früh schlafen zu gehen. Sie hätte ja ohnehin nicht gewusst, was sie mit dem mickrigen Rest des Tages hatte anfangen sollen.
 

Gerade wollte die Studentin nach der Lampe greifen um deren Licht zum erlöschen zu bringen, da klingelte es unten an der Haustür. Die Schweren schritte des Professors, der zur Tür eilte, waren bis in Shihos Zimmer zu hören. Wer wohl jetzt noch zu Besuch kam? Hoffentlich nicht wieder die Polizei, denn wenn die vorbei kam, dann hatte das nie etwas gutes zu bedeuten.
 

Um heraus zu finden, wem der Professor gerade die Tür geöffnet hatte, setzte Shiho sich auf, reckte ihren Kopf der Tür entgegen und spitze die Ohren. Zuerst war es erschreckend still und Shiho bekam schon Angst, dass etwas passiert war, schließlich könnte auch die BO hier aufgetaucht sein, doch dann vernahm sie endlich die Stimme des Professors und atmete erleichtert auf.
 

„Es ist schön, dass du wieder zurück bist, Shinichi. Wie war es denn in Osaka?“

„Hm... Ganz nett. Der arme Heiji ist total überfordert mit seiner Vaterrolle.“
 

Shiho zuckte zusammen, als sie Shinichis Stimme hörte. Er war also endlich zurück, nachdem er sich ganz plötzlich dazu entschlossen hatte, dass er einen Tapetenwechsel brauche und deswegen völlig übereilt nach Osaka gefahren war, um dort Heiji und seine junge Familie zu besuchen. Er war fast die ganzen vier Wochen weg gewesen, die die Wissenschaftlerin hatte im Krankenhaus verbringen müssen. Besucht hatte er sie vor seiner Abreise auch nicht noch einmal. Er hatte nicht einmal angerufen. Das er gegangen war, wusste Shiho nur vom Professor, der sich auch keinen wirklichen Reim aus Shinichis unerwartete Abreise machen konnte.
 

„Naja...“, lachte der Professor unten, während die Tür mit einem Knall ins Schloss zurück fiel. „Wie heißt es so schön? Vater werden, ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr.“

„Ja, aber ich bin sicher, er wird das hinbekommen.“

Man hörte Schritte auf den Treppen, so das Shiho annehmen musste, dass der Detektiv auf den Weg nach oben war, doch plötzlich stoppten die Schritte und Shinichis Stimme ertönte erneut.

„Wie geht es eigentlich Ai?“

„Oh, der geht es schon viel besser. Ich habe sie heute aus dem Krankenhaus geholt. Sie ist oben in ihrem Zimmer und ruht sich aus. Ich hab ihr gerade einen Baldriantee gemacht, damit sie besser schlafen und sich richtig erholen kann. Würdest du ihn ihr bitte bringen?“

„Also eigentlich bin ich ziemlich müde...“

Feigling!, dachte sich Shiho, die nach wie vor in ihrem Bett saß und lauschte. Erst haut er einfach so ab, ohne ihr auch nur ein Sterbenswörtchen davon zu sagen und dann bringt er es nicht einmal fertig, sie wenigstens kurz zu begrüßen, wo er endlich wieder da war.

„Du sollst ja auch keinen Marathonlauf mit ihr veranstalten, du sollst ihr nur schnell den Tee bringen... Außerdem wird sie sich freuen, dich zu sehen.“

Würde sie das? Im Moment war sich die Wissenschaftlerin da nicht so sicher. Nicht nachdem sie mehr und mehr das Gefühl bekam, dass Shinichi abgereist war, um ihr aus dem Weg zu gehen und nicht, weil ihm die Decke auf den Kopf gefallen war.

„Na schön...“
 

Auf der Treppe waren kurz darauf wieder deutlich Schritte zu hören und wenig später öffnete sich die Tür zu Shihos Zimmer und der Meisterdetektiv trat ein. Seine ehemalige Leidensgenossin hatte sich in der Zwischenzeit schnell wieder in ihre Decke gekuschelt und tat so, als hätte sie gar nicht mitbekommen, dass Shinichi wieder zurück war.
 

„Der Professor hat mich gebeten dir den Tee zu bringen.“
 

War das alles? Keine Begrüßung? Keine Frage nach ihrem Befinden? Keine Erklärung dafür, dass er abgereist war, ohne ihr etwas zu sagen? Keine witzige Geschichte über diesen Typen aus Osaka und seinem Baby?
 

„Und sonst hast du nichts zu sagen?“, platzte es wütend aus Shiho, gerade als Shinichi, nachdem er die Tasse mit dem Tee einfach auf dem Nachtschrank abgestellt hatte, sich wieder der Tür zuwenden wollte.

Die Schultern des jungen Witwers sanken nach unten und er drehte sich erschöpft zu Shiho um.

„Was soll ich denn sonst zu sagen haben?“, wollte er wissen.

„Zum Beispiel, wieso du mir nicht gesagt hast, dass du nach Osaka fährst.“

„Ich war doch nur etwas Urlaub machen, darf ich das etwa nicht mehr? Außerdem bin ich dir keine Rechenschaft schuldig.“

„Rechenschaft hat ja auch niemand von dir verlangt, aber ich fände es nur fair, wenn du dich wenigstens von mir verabschiedet hättest“, erklärte Shiho, die sich nun doch wieder aufsetzte.

Shinichis müde Augen fixierten einen Punk direkt neben dem Gesicht seiner guten Freundin, so dass er sie nicht ansehen musste, es aber annährend so wirkte, als würde er es tun. „Ich war doch nur ein paar Wochen weg, da muss ich doch keine große Abschiedszene draus machen, oder?“
 

Shiho schwieg, denn es schien sinnlos, weiter mit ihm reden zu wollen, er verstand offenbar einfach nicht, was sie meinte. Im Grunde hätte ihr doch schon ein einfacher Anruf gereicht, Hauptsache er hätte sich noch einmal bei ihr gemeldet. Aber offenbar hielt er das für unnötig und sie für nervig. Na schön, dann sollte er doch gehen, wenn er es so unbedingt wollte, er hatte ihr ja ohnehin nichts zu sagen.
 

„Ai... da wäre noch was“, begann Shinichi ganz unerwartet und blickte sie nun doch an, immer noch erschöpft, irgendwie unsicher, aber vor allem entschlossen. Also war immer er ihr sagen wollte, er würde sich von nichts und niemanden davon abbringen lassen, es zu tun.

Und genau das verunsicherte Shiho gewaltig. Sie hatte das ungute Gefühl, dass sie nicht hören wollte, was er zu sagen hatte. „Was denn?“, fragte sie dennoch nach.

„Ich bin dir sehr dankbar für deine Hilfe in den letzten Wochen und Monaten und auch dafür, dass du mir das Leben gerettet hast. Ich möchte nicht, dass du denkst, ich weis das alles nicht zu schätzen.“

„Aber?“ Man konnte es gerade zu hören, dieses böse Wort, dass immer am Anfang eines Satzes stand, den man lieber nie gehört hätte.

„Aber ich denke, wir sollten unsere Zusammenarbeit beenden.“ Shinichi hatte seine Hände in den Hosentaschen vergraben und spielte dort ganz offensichtlich mit etwas was darin verborgen war, vermutlich ein Taschentuch und ein Schlüssel, irgendetwas eben, mit dem man in seiner Hosentasche spielen konnte, ohne das es besonders auffiel. „Ich habe dich schon genügend in Schwierigkeiten gebracht und in Sachen mit hinein gezogen, mit denen du eigentlich gar nichts zu tun haben solltest und wolltest. Also denke ich... das sich unsere Wege trennen sollten, sobald wir in Amerika angekommen sind.“

So einfach ging das also? So schnell wurde man eine unliebsame Begleiterin los? Man suchte einfach mal ein paar scheinheilige und doch glaubwürdige Gründe raus, die diese Tat rechtfertigten und dann war alles okay? Nein! So nicht. Shiho würde sich jetzt nicht so einfach abservieren lassen. „Shinichi, wir haben das gemeinsam angefangen und wir sollten das auch gemeinsam beenden. Außerdem ist das jetzt nicht mehr nur dein Fall, denn du hast mich da mit hinein gezogen und ich kann mich jetzt nicht einfach wieder davon zurück ziehen. Außerdem habe ich mit der BO ebenso noch eine Rechnung offen, wie du.“

Shinichi seufzte. „Warum willst du mich denn nicht verstehen? Ich will dich doch nur beschützen!“

„Ach ja? Und wovor? Etwa vor der schwarzen Organisation? Das kannst du gar nicht und das weist du! Ich bin erst sicher vor denen, wenn sie erledigt sind und bis dahin, sollten wir zusammen Arbeiten, denn wenn wir alleine sind, sind wir viel angreifbarer.“

„Es geht nicht um die BO, es geht um dich und mich!“, erklärte Shinichi mit leicht erhobener Stimme. „Das muss endlich aufhören. Es ist nicht gut für uns, wenn wir weiter zusammen Arbeiten und schon gar nicht gut für dich, denn die nächste Kugel bringt dich vielleicht um.“

„Also geht es darum?“, fragte Shiho etwas verwirrt und vor allem leicht panisch, weil sie fürchtete im Grunde ganz genau zu wissen, worum es hier wirklich ging. „Das ich dir das leben gerettet habe? Na gut, wenn dich das nächste mal jemand erschießen will, dann lass ich dich eben sterben, wenn du das so unbedingt willst.“

„Nein! Darum geht es nicht!“ Shinichis Blick wurde irgendwie verzweifelt.
 

Er hatte lange darüber nachgedacht und auch mit Heiji darüber gesprochen und er war sich nun entgültig sicher, dass er die Dinge zwischen Shiho und ihm ein für alle mal klar stellen musste. Aber er war nicht gut in solchen Sachen. Er konnte komplizierte Mordfälle lösen, aber mit komplizierten Gefühlen konnte er nicht umgehen. Außerdem fürchtete er, dass seine Unsicherheit im Emotionalen Bereichen dazu führen könnte, dass es Shiho weh tat und das war eigentlich das letzte, was er wollte.
 

„Sieh mal... Ich... ich hab irgendwie das Gefühl, dass ich dich ausgenutzt habe. Die letzten Wochen und Monate, hast du mir geholfen, mich in jeder nur erdenklichen Weiße unterstützt und mir mit deiner Anwesenheit auch irgendwie Trost gespendet, aber die Frage ist doch, warum du das getan hast.“

Shiho öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch als ihr klar wurde, dass das was sie sagen wollte, genau das war, was Shinichi erwartete und eigentlich doch nicht hören wollte, schloss sie ihren Mund wieder und schwieg. Weil ich dich liebe und mit dir zusammen sein will, dass wäre die Antwort gewesen, doch genau das war auch die falsche Antwort.

Shinichi deutete ihr Schweigen offenbar als genau die Antwort, die er erwartet hatte und setzte erneut an, dieses mal deutlich unsicherer. „Shiho...“

Ihr Herz blieb stehen, setzte einen viel zu langen Moment aus. Noch nie hatte er sie so genannt und niemals hatte er sie so nennen sollen. Denn die Verbindung zwischen ihnen war gerade dadurch, dass Shinichi sie immer bei ihrem ehemaligen Synonyme nannte, nie wirklich abgebrochen. Doch jetzt...

„Ich denke, es ist nur fair, dir zu sagen, was ich für dich empfinde, nachdem ich ja eigentlich auch schon lange weiß, was du für mich empfindest.“ Oh Gott, jetzt kam der schwerste Teil dieses Gespräches. Der Detektiv hatte gedacht, dass es schon schwer gewesen war, Ran zu sagen, das und wie sehr er sie liebt, aber jemanden zu sagen, dass man sie nicht liebt, war noch viel schwerer.

„Nein!“, platzte es aus Shiho. „Nein! Sag es nicht! Ich will es nicht hören! Ich meine, ich muss es nicht hören! Ich weis es ja schließlich. Ich weiß es schon immer, wieso also sinnlos Worte verschwenden?“

„Weil ich denke, dass es besser ist, wenn ich es dir ins Gesicht sage“, antwortet Shinichi und trat dann ein paar Schritte auf das Bett und somit auch auf sie zu. „Shiho, ich habe dich wirklich sehr gern. Du bist eine wirklich gute Freundin und eine wunderbare Partnerin, wenn es um das lösen von Fällen geht. Aber... Aber ich... Aber ich liebe dich nicht und ich werde dich auch niemals lieben, zumindest nicht so, wie du es gerne hättest. Ich sehe in dir nur eine Freundin, vielleicht so etwas wie eine Schwester oder eine ganz besondere Arbeitskollegin, aber eben nicht eine Frau, in die ich mich verlieben könnte.“ War er der einzige, der das Gefühl hatte, dass seine Worte viel zu belanglos geklungen hatten? So als wäre kein Gefühl dahinter? So, als wäre es ihm egal, was er ihr mit diesen Worten antut? So, als würden sie gerade über das Morgige Wetter plaudern, dass zwar schlecht werden würde, woran man aber ohnehin nichts ändern konnte?
 

Die Art, wie er das sagte, so als würden sie über etwas unbedeutendes und alltägliches wie das morgige Wetter sprechen, hätte jedes andere Mädchen sofort in Tränen ausbrechen lassen, nicht aber Shiho. Sie hatte es sich nicht einmal erlaubt zusammen zuzucken oder verzweifelt auszusehen. Wieso auch? Eigentlich hatte sie ja gewusst, dass das kommen würde. Allerdings war sie auch nicht in der Lage etwas zu sagen, sie wollte zwar, aber sie konnte nicht. Sie hätte auch eigentlich gar nicht gewusst, was sie sagen sollte, denn an dem was er gesagt hatte, gab es ohnehin nichts zu rütteln.
 

Auf einmal war Shinichi unsicher, ob er das richtige getan hatte. Die Reaktion seiner ehemaligen Leidensgenossin war irgendwie seltsam. Sie wirkte nicht schockiert oder traurig und trotzdem hatte der Witwer das Gefühl, ihr gerade etwas furchtbares angetan zu haben, dabei wollte er sie doch eigentlich nur davor bewahren, den Rest ihres Lebens an etwas festzuhalten, was einfach niemals wahr werden konnte.
 

Eine langes Schweigen vor die Folge dessen, dass keiner der beiden wusste, was er jetzt noch sagen sollte. Unschlüssig was er jetzt tun sollte, stand Shinichi immer noch am selben Fleck und sah unbeholfen zu Boden, während Shiho damit kämpfte, die Tränen zurück zu halten. Aber lange würde sie das nicht mehr aushalten. Sie musste den Detektiv los werden und zwar schnell.
 

„Es war nicht nötig, mir das zu sagen. Ich bin mir dessen immer bewusst gewesen“, erwiderte sie endlich mit kühler Stimme, so als würde das ganze wirklich absolut an ihr vorbei gehen. „Oder denkst du, ich wüsste nicht, wie sehr du Ran geliebt hast und das du sie nie vergessen könntest, schon gar nicht für jemanden wie mich? Ich weiß, dass ich niemals ihre Position bei dir einnehmen könnte, dass hatte ich auch gar nicht vor. Ich wollte einfach nur, mit dir befreundet sein, dass ist alles.“ Ja, alles eine große Lüge. Denn auch wenn Shiho die Gefühle von Shinichi für Ran nie angezweifelt hatte und auch wenn sie immer wusste, das sie dagegen nie ankommen würde, war doch irgendwie immer ein kleiner Hoffnungsschimmer in ihr geblieben, dass Shinichi sich doch noch in sie verlieben könnte, doch dieser Hoffnungsschimmer war nun erloschen.

„Gut. Dann... ist ja alles okay.“ Man konnte sagen was man wollte, aber dem Braunhaarigen war das Verhalten seiner ehemaligen Leidensgenossin immer noch schleierhaft. Er war ja froh, dass sie nicht in Tränen ausbrach oder ähnliches, aber irgendwie schockierte es ihn auch, dass sie es so ruhig hin nahm. Hatte er sich denn so in ihren Gefühlen getäuscht? Hätte er sich das ganze Theater hier vielleicht sparen können?

„Würdest du jetzt bitte gehen? Ich bin ziemlich müde“, erklärte Shiho schließlich, in der Hoffnung, er würde sie nun endlich alleine lassen.

„Natürlich“, nickte der Detektiv auch sofort. „Ruh dich nur aus. Ich werde in der Zwischenzeit noch einmal mit Jodi telefonieren, es gibt einige Neuigkeiten, aber die erzähle ich dir dann Morgen. Also natürlich nur, wenn du sie jetzt noch wissen willst.“

„Natürlich“, nickte Shiho. „Aber erst Morgen, ich will wirklich nur noch schlafen.“
 

Trotz Shihos erschreckend emotionsloser Reaktion war Shinichi froh, sie und den Raum wieder verlassen zu können, denn ihm war irgendwie nicht ganz wohl dabei, weiterhin bei ihr stehen zu bleiben, nachdem er ihr gesagt hatte, das er ihre Gefühle niemals erwidern würde. Dementsprechend schnell war der junge Witwer auch nach draußen verschwunden.
 

Shiho blieb allein zurück.
 

Sekunden vergingen und wurden zu Minuten. Wie erstarrt saß sie in ihrem Bett und starrte auf die Tür, die sich schon längst hinter Shinichi verschlossen hatte. Sie fühlte sich, als wäre das Blut in ihren Adern eben zu Eis erstarrt, ihr Herz stehen geblieben und jeder Grund zu Leben von einer Sekunde auf die andere verschwunden.
 

Sie hatte es gewusst, immer gewusst, dass er sie nicht liebte und nie lieben würde, immer gewusst, dass es einmal so kommen würde, doch nun wo es so weit war, war es tausendmal schlimmer, als sie es jemals vermutet hätte. Niemand konnte den Schmerz fühlen, der sich jetzt in ihrem ganzen Körper ausbreitete, wie hundert Messerstiche die sie durchbohrten.
 

Sie dachte an diesen schwachen Moment, als Shinichi ihr das Angebot gemacht hatte, mit ihm gemeinsam nach Mexiko zu verschwinden und dort gemeinsam ein neues Leben zu beginnen. Sie bereute es, dass sie nicht angenommen hatte. Wenn sie es getan hätte, dann wären sie jetzt vermutlich zusammen dort. Würden in irgendeinem schäbigen Motel, zusammen in einem Bett liegen und sich einander hingeben, nur um zu verdrängen zu vergessen, was sie für immer verloren hatten. Vielleicht hätten sie sich dort ein gemeinsames und glückliches Leben aufgebaut. Sie hätten geheiratet, wären in ein kleines Haus gezogen und hätten irgendwann Kinder bekommen. Sie wären eine ganz normale und Glückliche Familie gewesen. Das dieses Glück nur auf Lügen und Verdrängung basierte, spielte da eigentlich keine Rolle. Glück war schließlich Glück, oder?
 

Shihos Lippen formten sich zu einem traurigem Lächeln. Sie wusste, selbst wenn sie beide nach Mexiko gegangen wären, wäre es nie so weit gekommen, denn Shinichi war nicht der Typ dafür, ewig mit einer Lüge zu leben. Schon als er Conan war, hatte er sich immer nach seinem alten Leben zurück gesehnt und danach, allen die Wahrheit zu sagen. Ganz im Gegensatz zu ihr, die sie oft daran gedacht hatte, einfach Ai zu bleiben und niemals mehr an ihre Zeit als Shiho zurück denken zu müssen.
 

Sie und er waren Grundverschieden. Vermutlich war das einer der Gründe, warum er sie nicht lieben konnte, oder wollte. Immerhin hatte ihr Geliebter Meisterdetektiv schon öfter gesagt, dass er nicht nachvollziehen konnte, dass sie immer vor ihren Problemen davon lief. Ja und sie konnte ja auch nicht verstehen, woher Shinichis drang kam, immer die Wahrheit zu finden und für Gerechtigkeit zu sorgen. So gesehen, war es also besser so, dass er sie nicht liebte.
 

Doch warum fühlte sich Shiho dann jetzt so schlecht?
 

Endlich sammelten sich die Tränen in ihren Augen, die sie die ganze Zeit zurück gehalten hatte. Schluchzend lies sie sich zurück aufs Kissen sinken und brach dann in Tränen aus. Eigentlich fühlte sie sich dumm, weil sie weinte, immerhin änderten die Tränen nichts an den Tatsachen, doch sie konnte einfach nicht anders. Sie war unfähig die Tränen zu stoppen oder aufzuhören, immer wieder an Shinichis Worte zu denken.
 

Sie wusste, dass er es nicht böse gemeint hatte. Er wollte nur ehrlich sein und sie davor bewahren, ewig darauf zu hoffen, dass er sich in sie verlieben würde. Aber dennoch hatte er ihr das Herz gebrochen und das es sich so schlimm anfühlen würde, das hätte Shiho niemals gedacht. Sie hatte geglaubt nach dem Tod ihrer Schwester gelitten zu haben, sie hatte geglaubt, dass es ihr schlecht gegangen war, als Shinichi Ran geheiratete hatte, aber das alles war bedeutungslos, verglichen mit dem unendlichen tiefen Schmerz, den sie jetzt empfand...
 

~~~
 

8 Wordseiten für eine einzige Szene und ohne das ich die Informationen rüber gebracht habe, die ich wollte. Aber immerhin war das doch mal ein etwas emotionaleres Kapitel.
 

Ich hoffe, es gefällt euch besser, als das letzte.

Gespräche

Zuerst einmal danke an alle Kommischreiber. Ich glaube, ohne euch würde ich die FF bald wirklich abbrechen.
 

Zum Inhalt des folgenden Kapitels muss ich sagen, dass es schon wieder irgendwie nur ein Übergangskapitel ist. Eigentlich sollte es ja sowieso ganz anders werden. Ursprungs war geplant, dass ich in dem Kapitel so weit komme, dass wir das nächste Kapitel schon in Amerika sind. Dummerweise muss ich vorher aber noch etwas anderes wichtiges erledigen, was leider nicht mehr in dieses Kapitel gepasst hat.
 

Ich hoffe, euch gefällt das Kapitel trotzdem.
 

Frohe Ostern!
 

Irgendwo in einem hübschen Haus in Osaka, wo gerade erst die Sonne ihre ersten Strahlen aussendete, herrschte schon am frühen Samstagmorgen reges treiben in der Küche. Heiji, der gerade mal in seine Unterhose bekleidet war, und dementsprechend in der recht kühlen Küche auch etwas fror, lief dort von einem Schrank zum anderen. In der einen Hand hielt er das Telefon, in der anderen ein leeres Fläschchen.
 

In einem kleinen Tragesitz der auf dem großen Küchentisch seinen Platz gefunden hatte, lag ein kleines quengelndes Baby, welches offenbar auf sein Frühstück wartete. Doch so hilflos wie Heiji in den Schränken nach dem Milchpulver suchte, würde das Baby wohl noch eine ganze Weile länger warten müssen.
 

„Du hast es ihr also gesagt?“, fragte Heiji in den Telefonhörer, während sein Kopf in einem der unteren Schränke verschwand. „Verdammt! Wo hat Kazuha nur die Trockenmilch gelassen?!“, fluchte er dabei.

„Woher soll ich denn das wissen?“, fragte Shinichi etwas verdutzt, der auf der anderen Seite der Leitung ebenfalls das Telefon in der Hand hielt, während er etwas unruhig in der Küche saß und seinen Kaffee trank.

„Ich hab ja auch nicht mit dir gesprochen!“

„Mit wem sonst?“

„Na mit...“ Mir selbst? Na, dass konnte er ja schlecht sagen, ohne das Shinichi glaubte, er wäre auf seine jungen Jahre als Vater schon verrückt geworden. „Mit Akio natürlich“, log er daher schnell und warf kurz einen Blick auf seinen Sohn, dessen Gejammer mittlerweile immer lauter wurde.

„Und du glaubst wirklich, dass er dir Antworten wird?“, fragte Shinichi mit einer hochgezogenen Augenbraue, während er einen Schluck Kaffee trank und sich nebenbei fragte, wann er dem diesem Zeug süchtig geworden war. Früher hatte er nie so viel Kaffee getrunken.

„Sehr witzig, Kudo! Beantworte mir lieber meine Frage! Hast du es ihr gesagt, oder nicht?“ Heijis Kopf verschwand im nächsten Schrank, in dem er allerdings auch nicht fündig wurde. Stadtessen stieß er sich bei dem Versuch aus dem Schrank heraus zu kriechen den Hinterkopf.
 

„Schläge auf den Hinterkopf sollen ja das Denkvermögen erhöhen“, ertönte plötzlich die Stimme von Kasuha, gerade als Shinichi antworten wollte. Sie stand in einem seidenen Morgenmantel bekleidet im Türrahmen zur Küche und musterte Heiji mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Was tust du da?“

„Ich suche das Milchpulver“, antwortet Heiji, der Shinichi kurz gebeten hatte, zu warten.

„Das steht doch dort!“ Kazuha zeugte mit dem Finger auf eine unauffällige weiße Dose, die direkt neben dem Herd stand und auf der groß ein Zettel mit der Aufschrift ‚Milchpulver’ klebte. „Aber bis du das Fläschchen fertig gemacht hast, ist Akio schon verhungert“, schmunzelte die junge Mutter schließlich, hob ihren quengelnden Sohn aus dem Tragesitz und legte ihn einfach an die Brust, an welcher er zufrieden zu saugen begann.
 

Der dunkelhäutige Detektiv verzog eine beleidigte Miene. Er hatte Kazuha eigentlich eine Freude machen wollen, indem er sie ausschlafen lies und mal ausnahmsweise die Fütterung von Akio übernahm. Aber irgendwie war das daneben gegangen, genau wie das Windelwechseln und in den Schlaf wiegen oder das Bäuerchen machen.

Heiji konnte ein Seufzen nicht unterdrücken. An seinen Vaterqualitäten musste er offenbar noch arbeiten, aber an dem aufheiternden Lächeln, welches Kazuha ihm nun schenkte, die übrigens völlig in ihrer Rolle als Mutter aufzugehen schien, zeigte ihm, dass seine kleinen Fehler nicht weiter schlimm waren.
 

Zufrieden damit, dass seien Freundin ihn nicht gleich als schlechtsten Vater der Welt abstempelte, nahm Heiji das Telefonat schließlich wieder auf. „Also Kudo, noch mal. Hast du es ihr nun gesagt oder nicht?“

Shinichi, der auf der anderen Seite der Leitung seine Tasse mittlerweile geleert hatte, seufzte. „Ja, hab ich. Ich wollte zwar eigentlich noch ein oder zwei Tage warten, aber irgendwie hat es sich gestern Abend gleich ergeben.“

„Und, war es schlimm?“

„Für sie oder für mich?“

Gute Frage. Eigentlich sollte es Heiji ja recht wenig interessieren, wie es dieser Geheimnisvollen jungen Frau ging, aber da er wusste, dass Shinichi sie eigentlich recht gern hatte, interessierte es ihn nun schon irgendwie, wie sie reagiert hatte. „Beides“, antwortete er daher schließlich, während er für seine Freundin und sich nun Kaffee aufsetzte.

„Also Ai“

Der junge Vater unterbrach seinen Freund. „Du sollst sie nicht so nennen! Das lässt nur falsche Schlüsse zu!“

„Shiho“, verbesserte sich der hellhäutigere Detektiv und fühlte sich dabei irgendwie merkwürdig. Er hatte seine Freundin nie wirklich Shiho genannt und irgendwie fand er auch, dass Ai einfach besser zu ihr passte. Aber vermutlich hatte Heiji recht, Spitznamen jeglicher Art, waren unter diesen Umständen einfach unangebracht. „hat das ganze ziemlich entspannt aufgenommen... denke ich zumindest.“

„Denkst du?“ Die Augenbraue des Detektivs aus Osaka schoss unweigerlich nach oben. „Na, wenn du das schon denkst, dann ist sie vermutlich in Wirklichkeit völlig am Boden zerstört.“

„Was soll das denn bitte heißen?“

„Das du keine Ahnung von den Gefühlen einer Frau hast!“ Wobei Heiji von seiner Freundin ein Räuspern zu hören bekam, dass ihm offenbar sagen sollte, dass er da auch nicht viel besser war, aber das ignorierte er mal gekonnt. „Was hat sie denn gesagt? War sie wütend auf dich?“

„Nur, dass sie bereits wusste, dass ich sie nicht liebe und das sie nur mit mir befreundet sein will.“

„Und das hast du ihr geglaubt?“

„Natürlich. Wieso denn nicht?“

Ein schweres seufzen entfuhr Heiji bevor er antwortete. „Vergiss es! Ist nicht so wichtig.“, winkte er dann ab, auch wenn Shinichi das auf seiner Seite natürlich nicht sehen konnte. „Hat sie noch etwas dazu gesagt, dass du nicht willst, dass sie den Fall weiter bearbeitet?“

Shinichi schüttelte aus Reflex mit dem Kopf, bevor er antwortete. „Nein, ich denke sie hat verstanden, dass es unter diesen Umständen besser so ist.“ Dachte er das? So sicher war er sich da eigentlich nicht. Begeistert war sie auf keinen Fall gewesen und überzeugt hatte sie auch nicht ausgesehen. Aber was sollte sie schon groß dagegen sagen oder tun, dass er sie nicht mehr dabei haben wollte?

„Gut. Dann ist ja alles klar, oder?“ Heiji wirkte so, als müsse man ihn erst davon überzeugen, denn Shinichi klang nicht so, als wäre wirklich alles in Ordnung. Er hatte ja schon während seines Besuches immer mal wieder Phasen gehabt, in denen er fast schon depressiv schien, aber nun klang er mehr unglücklich, als alles andere. Allerdings blieb die Frage nun offen, welche der vielen unglücklichen umstände diesen Zustand bei ihm ausgelöst bzw. verstärkt hatte?

„Naja...“ Shinichi begann seine Tasse auf dem Tisch hin und her zu schieben. „Ich weis ehrlich gesagt nicht, ob ich das schaffe, den Fall alleine zu lösen, meine ich.“

„Red keinen Unsinn! Du bist ein hervorragender Detektiv und du hast bist jetzt auch die meisten Fälle ohne Hilfe gelöst.“

„Da ging es aber nicht um den Mord an Ran.“

„Natürlich nicht, aber...“ Aber was? Aber das macht doch keinen Unterschied? Doch! Natürlich machte es einen Unterschied. Einen gewaltigen sogar. Und eigentlich konnte Heiji nur zu gut verstehen, dass Shinichi den Fall nicht alleine lösen wollte. Doch dummerweise war der dunkelhäutige derzeit nicht in der Position seinem Freund zu helfen. „Ich bin sicher, du packst das schon! Und wenn du Hilfe brauchst, kannst du mich jederzeit anrufen.“

„Als ob das viel nützt...“ Shinichi seufzte. „Na gut, ich warte noch auf einen Anruf von Jodi und dann muss ich mit Ai - Shiho reden, wann wir nach Amerika fliegen, ich leg also erst mal auf.“

„Du willst mit Shiho zusammen fliegen?“

„Ja, also ich bin es ihr wenigstens schuldig, sie noch nach Hause zu bringen.“

„Hm... da könntest du recht haben. Wir hören uns ja dann demnächst.“ Heiji wartet, bis Shinichi sich verabschiedet hatte und legte dann auf. „Armer Junge...“
 

„Armes Mädchen“, platzte es aus Kazuha, die ihren Sohn vorsichtig mit dem Kopf auf ihre Schulter legte, damit er ein Bäuerchen machen konnte.

„Von wem sprichst du?“, fragte Heiji etwas verdutzt.

„Na von dieser Shiho. Da hat sie Shinichi das Leben gerettet und alles was sie dafür von ihm bekommt, ist ein gebrochenes Herz.“

„Sollte er ihr etwa etwas vorspielen, nur weil sie ihm das Leben gerettet hat?“

„Natürlich nicht! Aber Shinichi hat einfach kein Taktgefühl, hatte er nie, schon bei Ran nicht. Er ist vermutlich sofort nach seiner Ankunft einfach in das Zimmer des armen Mädchens geplatzt und hat ihr an den Kopf geknallt, dass er sie wieder liebt noch weiterhin mit ihr zusammen arbeiten will. Die Arme ist bestimmt völlig am Boden zerstört.“ Kazuhau hatte mitleid mit Shiho, denn durch Shinichis Besuch wusste sie ja nun einiges über das unscheinbare rotbraunhaarige Mädchen. Es war zwar richtig gewesen, ihr die Wahrheit zu sagen, aber die junge Mutter war sich sicher, dass es nicht richtig war, wie man es ihr gesagt hatte.

„Eigentlich mache ich mir mehr Sorgen um Shinichi“, seufzte Heiji, während er die Kaffeekanne aus der Maschine nahm und auf den Küchentisch stellte. „Ich weis nicht, ob er das alleine schaffen wird.“ Immerhin war Shinichi auch nur ein Mensch und die Last, die er im Moment auf seinen Schultern trug, war zu schwer für einen alleine...
 

~*~
 

„Guten Morgen!“

Shinichi zuckte zusammen, als Shiho die Küche betrat und ihn mit derselben Stimme begrüßte, wie sie es immer tat. Gerade so, als wäre nichts gewesen.

„Morgen“, erwiderte er schließlich etwas zögernd, überlegte noch kurz, ob er vielleicht fragen sollte, wie sie geschlafen hatte, sagte dann aber lieber nichts. Er wollte nicht ausgerechnet jetzt in irgendein Fettnäpfchen treten und er wusste, dass er ein Händchen für so etwas hatte, wenn es um Gefühle ging.
 

Shiho goss sich eine Tasse Kaffee ein und setzte sich dann Shinichi gegenüber. Eine ganze Weile blickte sie einfach nur schweigend in ihre Tasse, hoffte, dass er irgendetwas sagen würde, doch nichts dergleichen geschah. Wollte er jetzt also auch nicht mehr mit ihr reden? Das konnte doch nicht sein ernst sein.
 

„Du hast gestern Abend gesagt...“, begann sie schließlich, um die Stille zu brechen, und sah Shinichi zusammenzucken. Nicht, weil sie ihn so unerwartet angesprochen hatte, sondern weil sie vom gestrigen Abend angefangen hatte und Shinichi beim besten Willen nicht das Bedürfnis verspürte, noch einmal darüber zu reden. Doch Shiho wollte auch gar nicht in diese Richtung. „...das es einige Neuigkeiten gibt“, fuhr sie daher schließlich fort.

Sofort sah sie ihren Freund aufatmen. „Nein, also so viele sind es gar nicht und sie sind auch eigentlich nicht so wichtig.“ Vor allem nicht mehr wichtig für sie, denn sie würde ja ohnehin nicht mehr an dem Fall weiter arbeiten.

„Ich würde sie aber trotzdem gerne hören“, erklärte die Wissenschaftlerin und trank einen Schluck aus ihrer Tasse.

„Wozu?“

„Weil ich neugierig bin? Mein Gott, Kudo. Ich hab verstanden, dass du mich dringend los werden willst, aber da es noch nicht so weit ist, kannst du ruhig noch etwas mit mir reden.“

„Es hat doch niemand gesagt, dass ich dich los werden will!“ Oder war es etwa so rüber gekommen? Shinichi war sich nicht sicher.

„Ach nein? Das klang gestern aber anders“, entgegnete die Rotbraunhaarige ihm mit einem Blick, der Shinichi erst einmal zeigte, wie sehr er sie verletzt hatte. Und nicht nur das, die Art, wie ihre Augen im Moment aussahen, zeigte ganz deutlich, dass sie die ganze Nacht über geweint und kaum geschlafen haben musste.

Der Detektiv biss sich auf die Unterlippe. Das hatte er nicht gewollt. Er hatte ja irgendwie angenommen, dass es ihr ein wenig weh tun würde, aber das sie leidet, und so wirkte sie im Moment, war nicht seine Absicht gewesen. „Es war aber nicht so gemeint“, versicherte Shinichi schließlich mit leicht reuiger Miene. Vielleicht hätte er doch lieber gar nichts sagen und alles so belassen sollen, wie es war. Aber jetzt war es ohnehin zu spät. „Das wir beide nicht mehr zusammenarbeiten, heißt ja schließlich nicht, dass wir keine Freunde mehr sind.“ Oder? Eigentlich hatte Heiji ihm ja geraten, denn Kontakt zu ihr, wenigstens für eine Weile zu minimieren, aber konnte er ihr das antun?

„Heißt es nicht?“, fragte Shiho ungläubig und nahm erneut einen kräftigen Schluck von ihrem Kaffee. „Glaubst du den im ernst, dass du dich noch mal bei mir melden wirst, sobald du mich in Amerika abgeliefert hast?“

„Natürlich“, nickte Shinichi. „Eigentlich wollte ich dich sogar fragen, ob ich bei dir Wohnen kann“, platzte es dann aus ihm, bevor er darüber nachgedacht hatte. Innerlich rügte er sich selbst, dass war sicherlich nicht das, was Heiji gemeint hatte, als er sagte, er soll Abstand von ihr nehmen.

„Ist das dein ernst?“, fragte die Studentin etwas irritiert. Sicherlich, sie hatte ein recht großes Apartment in New York und ihre Mitbewohnerin hätte theoretisch auch sicher nichts dagegen, wenn Shinichi ein paar Tage oder Wochen bei ihnen unter kommen würde, aber war es nicht unlogisch? Er wollte nicht mehr mit ihr zusammen Arbeiten, aber bei ihr wohnen?

Der braunhaarige nickte leicht zögernd. „Ja. Natürlich nur, bis ich ein anständiges Hotelzimmer gefunden habe, ich will dir ja schließlich nicht zur Last fallen.“ Vermutlich würde er anstandshalber drei Tage bleiben und dann sofort in das nächstbeste Hotel verschwinden, aber so hatte er das Problem dann immerhin gelöst. Wenn auch nicht ganz so, wie er es sollte.

„Und du denkst, dass die BO sich ausgerechnet in New York versteckt?“ Eigentlich ziemlich einfallslos, sich in der Hauptstadt zu verstecken, am Ende vermutlich sogar noch in einem der Verbrecherviertel. Grundsätzlich sah das der schwarzen Organisation auf jeden Fall nicht ähnlich. Andererseits sind die Karten ja neu gemischt worden und wer wusste schon, wie die Leute drauf waren, die nun noch dieser Mörderischen Gruppen angehörten?

Shinichi nickte und es erleichterte ihn offensichtlich um ein vielfaches, dass Shiho seine Absichten bezüglich seiner Bitte, ein paar Tage bei ihr unter zu kommen und dann wieder in ein Hotel zu verschwinden, nicht in Frage stellte. „Jodie hat mir berichtet, dass man das Versteck der BO irgendwo in L.A., O.C., Las Vegas und New York vermutet. Und ich finde New York recht naheliegend, als Hauptstadt** und dazu noch Ort an dem die meisten verbrechen geschehen.“ Wobei er der BO früher etwas mehr zugetraut hätte. Aber eben wirklich, früher. Immerhin waren Brown und Scotch auch anders vorgegangen als Gin und Wodka zum Beispiel.

„Verstehe... und hat Jodie noch etwas gesagt?“ Die Wissenschaftlerin versucht belanglos zu klingen, damit Shinichi nicht sofort bemerkte, dass sie seine derzeitige, offensichtlich reichlich Hilflose Haltung, dafür ausnutze, an die Informationen zu kommen, die er ihr eigentlich nicht geben wollte.

„Nicht viel... nur das sie hinter Brown schon länger eine Verräterin vermutet hatten, ihr aber bisher nichts nachweisen konnten.“ Mittlerweile hatten sie allerdings einige eindeutige Beweise in der Wohnung von Bella Oaks gefunden, die auch die Vermutung auf die besagten Städte als Hauptquartier der BO zugelassen hatten.

„Also bist du mal wieder der strahlende Held des FBI, ja?“ Shiho schüttelte mit dem Kopf.
 

Zwar gönnte sie Shinichi ja seinen Ruhm, aber irgendwo fand sie es auch nicht in Ordnung, dass er das ganze Lob immer alleine kassierte, immerhin hatte er die Fälle am Ende nie wirklich ganz allein gelöst. Oftmals hatte er Hilfe von Freunden und sei es nur durch eine Erfindung des Professors. Außerdem lag es ihr immer noch etwa in den Knochen, dass niemand sich dafür zu interessieren schien, dass sie Shinichi das Leben gerettet hatte. Sie wollte ja kein Loblied oder ähnliches. Nur, dass Shinichi sich einmal aufrichtig bei ihr dafür bedankte, mehr nicht.
 

„Nein, eigentlich ist Takagi der strahlende Held, immerhin hat er uns beiden das Leben gerettet und Brown zur Strecke gebracht.“ Er und Shiho hatten sie zwar entdeckt und enttarnt, aber ohne Takagi, währe sie sicherlich entkommen.

„Wie geht es ihm denn eigentlich? Der Professor hat gesagt, dass er Browns Tod nicht gut verkraftet.“ Was Shiho nur mäßig verwunderte, denn Takagi war nicht der Typ, der es leichtfertig hin nahm, jemanden erschossen zu haben, auch nicht, wenn dieser jemand ein mehrfacher Mörder war.

Der Braunhaarige seufzte leicht. „Er sollte eine Auszeichnung bekommen, aber er hat sie abgelehnt und ist von seinem Posten zurück getreten. Er hat gesagt, er wäre nicht der richtige für den Job.“

„Heißt das, er hört auf?“

„Nein, er ist jetzt wieder Kommissar. Aber er hat sich eine Weile beurlauben lassen und wir von einer Psychologin betreut.“

„Aber... er hat doch alles richtig gemacht, oder nicht?“

„Natürlich. Die Untersuchungen haben ergeben, dass er eindeutig richtig gehandelt hat. Er hatte keine andere Wahl, als auf Brown zu schießen, wenn er verhindern wollte, dass sie auf mich schießt und natürlich hatte er keine Zeit, noch lange zu zielen, immerhin hat jede Sekunde gezählt. Und da die Polizisten nun mal vor allem lernen, auf das Herz zu zielen, war das natürlich die Stelle, die er als erstes anvisiert hat.“ Die Schultern des Witwers sanken leicht nach unten. „Ich weis nicht, wie viele Leute ihm gesagt haben, dass er alles richtig gemacht hat und stolz auf sich sein soll, weil er uns das Leben gerettet hat, aber er ist der festen Übehrzeugung, dass es nicht richtig war, Brown zu erschießen.“ Armer Takagi. Doch Shinichi war sich sicher, dass er sich bald wieder fangen würde, er brauchte nur etwas Zeit, dass ganze zu verarbeiten und anzuerkennen, dass er das einzigst mögliche und richtige getan hatte. Bis dahin, dass wusste Shinichi, würden sich vor allem Sato und Megure gut um ihn kümmern.

„Und wer wird nun seine Stelle übernehmen?“, wollte Shiho wissen, die natürlich auch darauf hoffte, dass es Takagi bald wieder besser ging, immerhin war er auch für sie ein ganz besonderer Polizist. Jemand auf den die Bezeichnung ‚dein Freund und Helfer’ wirklich passte. „Ich finde, dass Sato für diesen Job am Besten geeignet ist.“

„Megure hat mir in einem vertraulichem Gespräch gesagt, dass er das ebenso sieht“, erklärte der Braunhaarige nickend. „Sie wird ihren Job gut machen.“

„Naja... dann ist ja jetzt alles geklärt, bis auf die Frage, wann wir fliegen wollen.“

„Ich dachte... in einer Woche? Du musst dich ja noch von deinem Krankenhausaufenthalt erholen und ich habe auch noch ein paar Sachen zu erledigen, bevor wir fliegen.“

„Gut, in einer Woche.“ Hoffentlich würde er nicht die ganze Woche über so verkrampft aussehen, wenn er mit ihr redet. „Aber was hast du denn noch zu erledigen? Oder gehört das zu den Dingen, die ich nicht mehr wissen darf, weil ich ja nicht mehr mit an dem Fall arbeite?“

„Unsinn!“ Also so sehr verletzt hatte er sie dann offenbar doch nicht, wenn sie noch so bissig sein konnte. „Es ist wegen der Wohnung und der Beerdigung von Ran.“

Also das wieder? Shiho seufzte leicht genervt. „Shinichi, wie lange willst du die Beerdigung denn noch aufschieben? Du solltest ihr endlich ihren Frieden gönnen.“

„Nein! Ran wird erst Frieden finden, wenn ihr Mörder zur Strecke gebracht ist und bis dahin wird sie nicht beerdigt.“*** Das hatte er sich geschworen und niemand würde seine Meinung ändern können.

„Weist du eigentlich, was du da machst? Der Typ, der für dich den Kopf hin hält, könnte gefeuert werden, wenn er nicht bald die Leiche frei gibt. Du solltest seine Gutmütigkeit nicht zu sehr ausnutzen.“

„Wieso Gutmütigkeit? Er war mir noch etwas schuldig!“

„Ja, aber das ist jetzt wirklich genug! Du solltest Ran endlich unter die Erde bringen, so schwer es auch fällt.“ Und Shiho hatte eine Vorstellung davon, wie schwer es sein musste.

„Nein. Eher lasse ich sie verbrennen und stelle die Urne bis dahin auf meinen Kamin.“

„Du hast keinen Kamin!“

„Du weist was ich meine!“

„Gut, dann wirst du das aber wirklich so machen müssen, denn in den nächsten Wochen wird Kogor auf Garantie gerichtlich die Freigabe von Rans Leiche erwirken und wenn du dann nicht mehr hier bist, dann wird die Beerdigung ohne dich stattfinden!“ Und das konnte er doch nicht wirklich wollen, oder?

Völlig unerwartet erhob sich Shinichi. „Ich gehe jetzt erst einmal die Sache mit der Wohnung klären. Wir sehen uns später.“
 

Noch bevor Shiho etwas sagen konnte, hatte Shinichi die Küche auch schon verlassen. Offenbar war er nach wie vor nicht wirklich bereit Ran gehen zu lassen. Natürlich behauptete er, er würde nur erst Rans Mörder finden wollen, aber eigentlich war alles was er wollte, noch eine kleine Weile so zu tun, als würde Ran jede Minute wieder zur Tür rein spazieren. Shiho kannte das Gefühl, darum verstand sie ihn ja auch irgendwie, aber so hart das immer klang, sein Leben musste weiter gehen und zwar ohne Ran...
 

~~~
 

** und *** siehe Fehlerteufel in der Charakterbeschreibung

Angel

Es war bereits später Nachmittag, als der Wagen des Professors vor dem Friedhof hielt, welcher heute hell von einer angenehm wärmenden Sonne beleuchtet wurde. Das Wetter war, absolut unpassend für die Umstände, wegen denen sie an diesen unbeliebten Ort gekommen waren. Eigentlich sollte es regnen und zwar wie aus Eimern. Der Himmel sollte weinen, so sehr, wie Shinichi es gerne getan hätte. Wobei dieser Wunsch eigentlich recht unlogisch war. Sie hatten immerhin Winteranfang, da würde es wohl viel mehr schneien und der schöne weiße Schnee, passte erst recht nicht zu diesem Trauertag.
 

Währen Professor Agasa schweigend an dem jungen Meisterdetektiv vorbei und durch das Tor ging, welches auf den Friedhof führte, stand Shinichi einfach nur da und starrte das große Eisentor an, dass auf den ersten Blick irgendwie abschreckend wirkte. Es war eines dieser Tore, hinter welchem man dunkle Geheimnisse und illegale Machenschaften vermutete. Also eigentlich ein Tor, durch das Shinichi schon aus beruflichen Gründen sonst ohne zu zögern gehen würde, aber heute...
 

„Ich glaube nicht, dass sich das Tor von alleine öffnen wird, nur weil du es die ganze Zeit anstarrst“, kam kurz eine Bemerkung von Shiho, die schon die ganze Zeit hinter Shinichi am Wagen des Professors gelehnt und ihren Freund mit skeptischen Blick beobachtet hatte.
 

Eigentlich wollte sie ja gar nicht bei der Beerdigung dabei sein, hatte sich bereits einige gute Ausreden dafür bereit gelegt, nicht mit gehen zu müssen, aber am Ende war es der Professor gewesen, der sie gebeten hatte, mit zu kommen und Shinichi etwas zu stützen. Zwar hatte der alte Mann bemerkt, dass zwischen der Wissenschaftlerin und dem Detektiv etwas vorgefallen war, dass ihr Beziehung ins negative beeinflusst zu haben schien, doch er war offenbar weiterhin der Meinung, dass sie die einzige war, die den jungen Witwer in dieser Situation wirklich unterstützen konnte.
 

Vielleicht hatte er damit sogar recht, denn auch wenn heute viele Leute anwesend sein würden, die Shinichi sehr mochten, konnte kaum einer von ihnen seinen Schmerz verstehen, außer sie, denn sie hatte etwas ähnliches durchgemacht.
 

Einmal wieder...
 

Der junge Meisterdetektiv seufzte schwer und als er den ersten Schritt auf das große Tor zumachte, wirkte er so, als hätte er Blei in den Gliedern, die ihm das Laufen erschwerten. Doch eigentlich war es sein eigener Wiederwille, der für ihn jeden Schritt zur Qual machte.
 

Diese Beerdigung war so... so entgültig. Es gab dann kein zurück mehr. Seine geliebte Ran war unter der Erde und damit musste auch er sich endlich damit abfinden, dass er sich hier nicht nur in einem langen Alptraum befand, aus dem er bald erwachen würde.
 

Vorbei währen die Momente indem er aus seinem Unruhigen Schlaf erwachte und darauf hoffte, in Rans hübsches Gesicht zu sehen, wenn er die Augen öffnete. Weg war die Hoffnung darauf, dass seine Frau in Wirklichkeit nur so tun musste, als wäre sie Tod, um die BO zu täuschen oder dem FBI zu helfen.
 

Jegliche Hoffnung, würde sich in Luft auflösen, sobald der Ebenholzsarg den kalten Boden erreicht...
 

Shiho folgte dem Witwer mit einigen Metern abstand durch das Eisentor und über den Friedhof, vorbei an den vielen Gräbern von Menschen die sie beide nicht kannten, in Richtung einer kleinen Kapelle, die in der Mitte des Friedhofes Stand und in welchen sie schon viele Menschen hinein gehen sahen.
 

Obwohl sie es vermeiden wollten, kamen Shinichi und Shiho nicht rum herum auf das ein oder andere Grab zu schauen und den Namen sowie das Datum des Geburts- und Todestages zu lesen. Eine völlig unverständliche Trauer kam jedes mal in ihren Hoch, wenn sie die eingravierten Worte auf den Grabsteinen entzifferten, die großteils schon sehr verwittert waren.
 

Sie hatten die Menschen nicht gekannt, die unter der Erde begraben waren, aber es machte sie traurig, wenn sie lesen mussten, dass es sich um Menschen gehandelt hatte, sie von ihren Kindern, Partner und anderen angehörigen so sehr geliebt wurden waren, dass sie eine Innenschrift im Grabstein hinterlassen hatten.
 

„Zum gedenken an die beste Mutter der Welt...“, murmelte Shiho als sie an einem Grabstein vorbei ging, in dem diese Worte eingemeißelt waren. Die Frau war kaum 30 Jahre alt gewesen, als sie starb und doch musste sie bereits ein Kind gehabt haben, dass seine Mutter so sehr geliebt hatte, dass man diese Worte für es in den Stein einmeißeln lies.
 

Unweigerlich fragte sich die Wissenschaftlerin nach den Schicksalen jener Menschen, die hier ihre letzte Ruhe gefunden hatten. Sicherlich waren hier viele alte Menschen begraben, aber vermutlich auch einige junge Leute. Menschen die durch Unfälle und Krankheiten ums Leben gekommen waren. Menschen die vielleicht sogar ermordet wurden waren oder sich das Leben selbst genommen hatten, aus Verzweiflung oder Furcht. Die Zurückgebliebenen all der Menschen hier, hatten nur noch ihrer Erinnerungen und die verzweifelte Frage nach dem ‚Warum?’ Die sich auch Shinichi stellte, die sich Shiho bei ihrer Schwester gestellt hatte und die sie auch manchmal in Bezug auf den Unfall ihrer Eltern beschäftigte.
 

Doch gab es eine Frage auf diese Antwort?
 

Der junge Detektiv blieb einen Moment stehen und besah sich der Gräber, die Rechts neben ihm aufgereiht waren. Kindergräber. Die letzte Ruhestätte für die kleinen Menschen, die gar nicht wirklich wusste, was Leben überhaupt ist. Mancher von ihnen hatte kaum ein Jahr überlebt, manche nicht einmal einen Tag und andere waren vermutlich schon in der Schule gewesen, als sie diese Welt viel zu früh verlassen mussten.
 

Um so länger sich der Witwer der traurigen Gräber besah, desto schwerer wurde ihm ums Herz. Desto mehr fragte er sich, wieso das alles nur passieren musste. Was hatten diese armen Kinder denn getan, dass sie so früh sterben mussten? Was hatten die Menschen verbrochen, die an schweren Krankheiten grausam zu Grunde gingen? Warum mussten Menschen wie die Eltern von Shiho sterben, die Zuhause kleine Kinder hatten, die sie brauchten? Warum musste Ran sterben, die noch so viel vor gehabt hatte und vor der noch ein langes und glückliches Leben lag?
 

Warum!?
 

Eine warme Hand legte sich auf Shinichis Schulter und als er sich umdrehte, fand er sich seinem besten Freund gegenüber. Der ihm einen kraftgebenden Blick schenkte, bevor er ihm deutete, weiter zu gehen.
 

Kazuha stand direkt hinter den beiden, ihre Augen waren schon jetzt mit Tränen gefüllt, Tränen die sie bis jetzt offenbar tapfer zurück gehalten hatte, für ihren kleinen Sohn, der im Moment bei seiner Oma war, die sich liebevoll um ihn kümmerte. Endlich war der Tag gekommen, an dem die junge Mutter über den Verlust ihrer guten Freundin weinen und in Gedanken abschied nehmen konnte.
 

Auch Shiho war nicht mehr allein, Sato und Takagi hatten sich zu ihr gesellt, gerade als sie ebenfalls stehen geblieben war, vor einem Grab in dem eine ganze Familie untergebracht war, die am selben Tag ums leben gekommen sein musste. Der Gedanke an die BO und all die Familien die sie ausgelöscht hatten, nur um ihre dunklen Geheimnisse zu verbergen, war automatisch in ihr hoch gekommen und einmal mehr hatte sie Reue gespürt. Wer wusste schon so genau, wie viele Familien sie mit ihrem Gift zerstört hatte? Ausgerechnet sie, die sich ihr ganzes Leben lang nach einer Familie gesehnt hatte.
 

„Wie geht es Ihnen?“, fragte Takagi die junge Frau mit den rotbraunen Haaren und hatte ein Lächeln auf den Lippen, dass zu zeigen schien, dass er froh war, dass er ihr Leben gerettet hatte, auch wenn das Opfer das er dafür bringen musste, sehr groß gewesen war.

„Gut, dank Ihnen“, erwiderte Shiho daher auch sofort. „Und Ihnen?“, fragte sie dann, während sie kurz zu Shinichi hinüber sah, der sich gemeinsam mit Heiji und Kazuha bereits auf den Weg zur Kapelle machte. Er wirkte eindeutig erleichtert über die Anwesenheit seines Freundes und die Wissenschaftlerin war sie sicher, das dieser ihn besser stützen können würde, als sie.

„Alles in Ordnung“, versicherte Takagi und obwohl er noch etwas verkrampft wirkte, während er das sagte, schien es ihm wirklich besser zu gehen, er wirkte auf jeden Fall nicht so wie ein Mann, der sich Tag und Nacht nur mit Vorwürfen quälte.

Das erleichterte Shiho ungemein, denn sie fühlte sich etwas schuldig an dem zustand des Polizisten, der ihnen so oft geholfen hatte. „Und Sie, Sato? Haben sie bereits ihren neuen Posten angetreten?“

Die braunhaarige, die ein elegantes schwarzes Kostüm trug, schüttelte mit dem Kopf. „Nein, dass muss noch ein paar Monate warten.“

„Wieso denn?“ Das ehemalige Mitglied der BO wollte ja nicht neugierig sein, aber es interessierte sie einfach zu sehr, was Sato davon abhielt, den begehrten Posten sofort anzunehmen.

„Naja, eine Schwangere sollte sich schonen“, zwinkerte Sato und sofort sah man einen Strahlen in Takagis Augen, dass sofort zu erklären schien, warum es ihm auf einmal besser ging. Er würde Vater werden und das neue Leben, dem er sich nun ganz und gar widmen musste, war wichtiger als das eine Leben, dass er in der Not hatte auslöschen müssen.

„Ich gratuliere.“ Auf Shihos Lippen schlich sich ein Lächeln. Irgendwo auf dieser Welt, geschahen eben doch noch gute Dinge.

„Danke. Aber jetzt sollten wir langsam gehen, sonst kommen wir noch zu spät und das wäre äußerst unangebracht.“ Damit machten sich Sato und Takagi ebenfalls auf den Weg in die Kapelle und Shiho folgte ihnen...
 

~*~
 

Wenn man auf eine Beerdigung ging, dann wusste man bereits, dass Tränen fließen würden und das der ein oder andere ein nettes Wort über den Verstorbenen sagen würde, aber das, dass so ausartet, damit hätte vermutlich nicht einmal Ran selbst gerechnet.
 

Mittlerweile, nachdem die 10 Person aufgestanden war, um eine kleine Geschichte über Ran zu erzählen, flossen bei allen in der kleinen Kapelle die Tränen****, selbst Shiho hatte sich nicht mehr zurück halten können, nachdem der Professor vor gegangen und bei seinem Versuch, eine witzige Erinnerung an Ran zu erzählen, selbst in Tränen ausgebrochen war.
 

Im Hintergrund spielte von einer CD leise Rans Lieblingslied rauf und runter und um sich abzulenken, hatte Shiho bereits krampfhaft versucht, in Gedanken mit zu singen, doch jedes mal wenn jemand zu sprechen begann, konnte sie nicht anders als zuzuhören. Sie hatte immer gedacht Ran ein wenig gekannt zu haben, aber mittlerweile glaubte sie nicht das geringste über die junge Frau, die ihrer Schwester so ähnlich war, gewusst zu haben. All das Gute, was sie getan hatte...
 

Warum musste ein solcher Mensch nur sterben und jemand wie sie, die so viel schlimmes getan hatte, lebte immer noch?
 

Das schlimmste sollte allerdings noch kommen, denn nachdem Kogoro und Eri kurz aber herzergreifend gesprochen hatten, kam endlich Shinichi an die Reihe. Er hatte sie mit Händen und Füßen dagegen gewehrt hier etwas zu sagen, aber Rans Vater, der die Freigabe der Leiche dank Eris Hilfe in kürzester Zeit gerichtlich hatte verfügen lassen, hatte darauf bestanden, dass der Detektiv, den er nach wie vor für Rans Tod verantwortlich machte, ihr wenigsten auf diese Weise die letzte Ehre erwies, nachdem er schon ihrer Leiche hatte keine Ruhe gönnen wollen.
 

Völlig verkrampft trat Shinichi nach vorne an das kleine Podest, dass für die Redner in der Kapelle stand. Als er kurz in die Menge schaute, sah er so viele Gesichter, die ihm mit ihren Blicken ihr Beileid verkündeten oder ihm Mut zusprechen wollten. Außer Kogoro schien ihm niemand die Schuld zu geben, niemand machte ihm einen Vorwurf, alle schienen Verständnis zu haben, dafür wie er sich fühlte.
 

Sie alle, selbst Shiho und Heiji, wie Shinichi erst jetzt bemerkte, vergossenen stille Tränen um Ran und gaben ihm damit das Gefühl, nicht allein zu sein. Es würde immer Menschen geben, die ihn verstanden, die ihm Hoffnung und Mut haben. Es würde immer jemand da sein, der ihn unterstützte, ihm Trost spendete und ihm in jeder erdenklichen Situation seine Hilfe anbot.
 

Er hatte Ran verloren, aber er war nicht allein.
 

Nach einem leisen räuspern begann Shinichi zu reden. Er hatte nicht viel zu sagen, wollte das ganze hier nicht in die Länge ziehen und die besten Erinnerungen, die er an Ran hatte, mussten die anderen ohnehin nicht wissen. Er würde sie in seinem Herzen verschließen und immer dann rausholen, wenn sie Sehnsucht nach seiner großen Liebe einmal zu stark war. Doch seine Worte, auch wenn man ihnen anhörte, dass er mit dem Ausdrücken von Emotionen nichts am Hut hatte, zeigten genau das, was sie hatten zeigen sollen.
 

Er hatte Ran geliebt und er würde sie immer lieben, sie niemals vergessen, ihr Andenken immer in Ehren halten und ihren Mörder finden und zur Strecke bringen. Gleichzeitig aber, enthielten seine Worte auch den kleinen Hinweis, dass sein Leben weiter gehen musste, nicht etwa, weil es nun einmal einfach so war, sondern weil Ran es so gewollt hätte. Er musste leben und zwar nicht so, wie es im Allgemeinen am besten war, sondern so, wie er es für richtig hielt, ganz egal in welche gefahren er sich damit bringen würde. Wichtig war, dass er glücklich war und den Rest seines Lebens so gut nutzte, wie er nur konnte.
 

Auch wenn viele geglaubt hatten, er würde sein Leben nun von Grund auf ändern und auch wenn er selbst eine Zeit lang daran gedacht hatte, dass war nicht das, was Ran für ihn gewollt hätte...
 

Nachdem Shinichi zuende gesprochen hatte, versammelten sich dieser, Heiji, Kogoro und Megure, um den Sarg der in der Kapelle stand, aber verschlossen geblieben war, hoch zu heben und vorsichtig an den Ort zu tragen, an dem man Ran begraben würde. Die anderen Gäste folgten ihnen und wie es zu erwarten war, lies es sich keiner nehmen, Erde und Blumen auf den Sarg zu werfen, nachdem man diesen langsam in das Grab hinab gelassen hatte.
 

Der viel zu junge Witwer überstand das alles, dank seiner Freunde, die neben ihm standen, und ihn immer wieder durch freundliche Gesten die Kraft gaben, bis zum Ende der Beerdigung durchzuhalten. Auch Shiho war unter den Leuten, die Shinichi unterstützten, auch wenn es nur mit aufheiternden Blicken war.
 

Aber mehr brauchte er auch nicht...
 

~*~
 

Es war Abend, die Gäste der Trauerfeier hatten sich verabschiedet und Shinichi saß nun alleine mit Shiho draußen im Garten von Professor Agasas Haus. Es war eiskalt, doch die beiden störten sich nicht daran.
 

Der Himmel war immer noch klar und sie konnte man nun die leuchtenden Sterne sehen, die Shinichi klar machten, dass das Wetter eigentlich doch genau richtig gewesen war. Denn Ran war immer einen fröhlicher und freundlicher Mensch gewesen, nichts passte so gut zu ihr, wie die strahlende Sonne, die den Menschen wärme gab und die glitzernden Sterne, die den Menschen Hoffnung gaben.
 

„Weist du schon das neuste?“, unterbrach Shiho irgendwann die Stille, die sie beide schon eine Weile genossen hatten.

„Nein.“ Shinichi schüttelte mit dem Kopf. „Sag mir jetzt nicht, dass auf der Beerdigung Klatsch und Tratsch ausgetaucht wurden?“

„Nein, aber eine frohe Botschaft wurde verkündet.“ Die Wissenschaftlerin lehnte sich auf der Bank etwas zurück und blickte mit einem sanften Lächeln in den Sternenhimmel. „Sato und Takagi bekommen ein Kind.“

Shinichi sah seine ehemalige Leidensgenossin überrascht an. „Wirklich?“ Damit hatte er nun nicht gerechnet. Die beiden hatten immer geäußert, dass sie noch einige Jahre arbeiten wollten, bevor sie an Kinder dachten und das, obwohl sie älter waren als er und Ran und sie beide hatten ja bereits Nachwuchs geplant.

Shiho nickte. „Ja und ich glaube, dass ist auch der Beste Zeitpunkt für die beiden. Takagi sah jedenfalls richtig glücklich aus.“

„Das wird ihn sicherlich auf andere Gedanken bringen...“, erkannte Shinichi. „Schön, dass bei den beiden alles gut läuft.“

„Sie haben mir irgendwie Mut gemacht.“

„Ja? Wie denn?“

„Indem sie mir gezeigt haben, dass auf dieser Welt auch noch schöne Dinge passieren und das es trotz allem Menschen gibt, die glücklich sind.“ Und das lies sie darauf hoffen, dass auch ihr eines Tages etwas schönes passieren und das sie einmal glück werden würde, irgendwann.

Auch Shinichis Blick wanderte nun hoch zu denn Sternen und er sagte nicht weiter dazu. Erst nach einer Weile öffnete er seinen Mund wieder, brachte aber ein ganz anderes Thema zur Sprache. „Wie viel Platzt ist eigentlich in deinem Appartement in Amerika?“

Die Wissenschaftlerin blickte ihn überrascht an. „Wieso fragst du?“ Und vor allem, wie kam er ausgerechnet jetzt auf dieses Thema?

„Weil Heiji mit kommen wird und ich mich frage, ob er auch noch Platzt hat, in deiner Wohnung.“

„Heiji? Und was wird aus seiner Freundin und seinem Kind?“ War das nicht die ganze Zeit der Grund gewesen, warum er Shinichi bei der Lösung des Mordfalls nicht hatte helfen können?

„Kazuha hat ihm Ausgang gegeben, damit er mir helfen kann, Rans Mörder zu finden. So lange wird sie bei seiner Mutter bleiben, die ihr mit dem kleinen etwas zur Hand geht.“

„Na gut, als ich denke für deinen Freund aus Osaka wird wohl auch noch irgendwo ein Plätzchen zu finden sein, für ein paar Tage zumindest.“ Denn länger wollte Shinichi ja ohnehin nicht bleiben, wie Shiho wusste.

„Gut, dann ist ja alles geklärt.“
 

Die Tür des Hauses ging auf und Agasa kam mit 2 dampfenden Tassen heraus zu Shinichi und Shiho zwischen die er sich setzte und jedem eine Tasse in die Hand drückte. „Heißer Kakao, der wird euch gut tun“, versicherte er mit einem Lächeln und blickte dann selbst etwas in den klaren Sternenhimmel.

„Sag mal Shinichi...“, begann Shiho, nachdem sie sich die Lippen an dem Kakao verbrannt hatte. „Wieso war auf dem Grab noch kein Grabstein?“

„Die Gravur war noch nicht fertig“, kam die Antwort von Shinichi. Er fühlte sich nach wie vor irgendwie benommen, wenn er in irgendeiner Weiße auf Ran oder ihr Grab oder die Beerdigung angesprochen wurde, aber trotzdem spürte er, dass es ihm irgendwie leichter fiel als noch zuvor. Er konnte nicht erklären woran das lag, aber er war froh darüber, denn die Last auf seinem gebrochenen Herzen war nun etwas leichter geworden.

„Du hast etwas darauf gravieren lassen?“, wollte der Professor wissen, der seinen Mantel etwas enger an sich drückte und sich fragte, wie die beiden jungen Leute nur so lange hier draußen sitzen konnten, ohne zu zittern.

„Ja“, nickte Shinichi und schlürfte ganz vorsichtig seinen Kakao.

„Was denn?“, hakte der Professor nach und auch Shiho blickte den Detektiv interessiert an.

„Jeder Engel muss einmal in den Himmel zurück kehren...“ Kitschig! Aber treffend, darin war er sich sogar mit Kogoro einig gewesen.

„Das passt...“, lächelte Shiho.
 

Ran war wirkliche in Engel auf Erden gewesen, Shinichis Engel und auch wenn sie tot war, dass würde sich niemals ändern.

Nie...
 

~~~
 

So, nun kann es endlich wieder richtig weiter gehen.

Im nächsten Kapitel sind wir dann endlich in Amerika und bald wird auch wieder mehr Spannung Einzug in die Story finden.

Ich hoffe, dieses Kapitel hat euch gefallen und wir sehen uns im nächsten wieder!

Danke an alle, die mir bisher einen Kommentar geschrieben haben!
 

**** Siehe Fehlerteufel in der Charakterbeschreibung
 

Bis zum nächsten Kapitel!

The Wild Rose

Ein Schrei war zu hören...

Dann ein Schuss...

Und schließlich war es still, totenstill...
 

Der Vorhang des großen Balkons, zu dem die Tür offen stand, wurde vom Wind in das Zimmer geweht, dass nur von einer kleinen flackernden Kerze erhellt wurde. In dem Zimmer, befand sich eine dunkle Gestalt, die süffisant auf sein Opfer hinunter blickte. Eine junge Frau, die leblos zu seinen Füßen lag. Ihre langen rotbraunen Haare umrahmten ihr Gesicht schönes Gesicht und wenn man nicht genau hinsah, dann konnte man meinen, sie würde nur schlafen.
 

Doch der Mann, der vor der Leiche stand, wusste es besser. Er steckte seine Waffe zurück in die dazugehörige Halterung an seinem Gürtel und sammelte dann rasch alles auf, was auf ihn als Mörder hätte verraten können. Erst als er sich sicher schien, alles in seinen Händen zu haben, was auf ihn hinweisen könnte, griff er sich eine dunkelrote rose aus einer der großen und edel wirkenden Kristallvasen, die auf einer der Kommoden im Zimmer standen und kniete sich zu der toten jungen Frau herunter. So langsam, als hätte er noch die ganze Nacht zeit, zupfte er die Blüten der Rose heraus und verteilte sie auf dem Körper der Toten, bevor er wisperte: „Alles schöne muss einmal sterben...“
 

Der Wind der durch die Balkontür herein wehte, wurde stärker und blies das Licht der Kerze aus, die auf dem Nachtschrank neben dem Bett stand, gerade als der unbekannte Mann die letzte Blüte auf der linken Brust des Mädchens abgelegt hatte.
 

„Leb wohl, meine Schöne“, lächelte die dunkle Gestalt des Mannes emotionslos, bevor er sich erhob und sich ruhigen Schrittes auf den Weg in den dunklen Flur der großen Villa machte und verschwand...
 

~*~
 

„Claire...“ Shiho hatte gerade mit den beiden Detektiven aus Japan, ihr Apartment in New York betreten und stellte diese nun ihrer Mitbewohnerin vor. „Das sind Shinichi Kudo und Heiji Hatori, die beiden Männer, von denen ich dir am Telefon erzählt habe.“

Claire nickte den beiden lächelnd zu, doch die beiden jungen Männer interessierten sich mehr für etwas anderes. Voller Begeisterung und Erstaunen blickten sie sich in der großen Wohnküche des Appartements um, das extrem modern eingerichtet war. Und schließlich konnte sich Shinichi eine Frage einfach nicht verkneifen: „Sag mal, hast du im Lotto gewonnen?“ Wie sonst sollte sich Shiho dieses Appartement leisten können? Es war ja wohl kaum so, dass Claire alle Rechnungen bezahlte, oder?

Die Wissenschaftlerin zog eine Braue nach oben und sah ihn mit ernster Miene an. „Nein, aber 1. bekomme ich Waisenrente, 2. gehe ich ab und zu jobben und 3. hat Claire sehr reichte und vor allem nette Eltern, die uns die Miete bezahlen.“ Ach was! Nett traf es nicht wirklich. Die beiden schon etwas älteren Herrschaften aus der Familie McGregor waren vor allem großzügig und gütig. Sie hatten Shiho sofort, als Claire sie ihnen als ihre Freundin vorgestellt hatte, wie eine Tochter behandelt und unterstützten sie seit dem mit Rat und Tat und das, obwohl sie auch einen großen Teil ihrer dunklen Vergangenheit kannten. Und Shiho war dankbar dafür, dennoch würde sie eines Tages, dass hatte sie sich geschworen, alles zurück zahlen, was sie bekommen hatte und wenn es nicht durch Geld war, dann wenigstens durch ihre Hilfe und freundliche Gesten.

„Wow...“, kam es plötzlich aus Heiji dem beim Anblick des riesengroßen LCD-Fernsehers, der auch noch vor einer großen und einladend wirkenden Couch stand, ganz anders zumute wurde. Fast bedauerte er es, dass sie unter diesen Umständen nur 3 Tage bei Shiho und ihrer Mitbewohnerin leben würden.

„Ich schlage vor, ich zeig euch erst einmal kurz die Wohnung und euer Zimmer, damit ihr euer Gepäck dort verstauen könnt.“ Mit einem freundlichen Lächeln zeigte Claire den beiden Detektiven zuerst ihr Zimmer, lies die Jungs auch einen flüchtigen Blick in Shihos Zimmer werfen, zeigte ihnen das Bad, erklärte ihnen kurz alle Geräte in der Küche und brachte sie schließlich in das große Gästezimmer, dass einen sehr einladenden Eindruck machte.

Doch Heiji konnte sich einfach für nichts anderes, als den Fernseher begeistern. Immer wieder warf er einen flüchtigen Blick darauf und träumte Gedanklich bereits davon, vor so einem Teil mal mit seinem Sohn zu sitzen und Fußball zu schauen.***** Es war sicher ein unglaubliches Gefühl, den Ball auf einem solch großen Bildschirm ins Tor fliegen zu sehen.

Shihos Mitbewohnerin hatte das bemerkt und schmunzelte amüsiert. „Ich sehe schon, dass dir der Fernseher gefällt, du kannst ihr ruhig benutzen, für Shiho und mich ist er nur Deco.“ Man hörte der Studentin an, dass sie sich nicht ganz sicher war, ob sie Shihos ‚Freunde’ überhaupt duzen durfte.
 

Aber Heiji schien das auf jeden Fall nicht zu stören, denn nachdem er sich mit einer Seeligen Miene bei Claire bedankt hatte, machte er es sich sofort auf der Couch bequem und begann durch das Amerikanische Programm zu schalten, was ihm allerdings nur minderwertig zusagte. Um diese Zeit lief kein Fußball, überall kamen nur Talkshows oder – wie auch Zuhause – Werbung! Etwas enttäuscht blieb er schließlich bei den Nachrichten hängen und war sich nicht sicher, ob er sein Englisch ausreichen würde, um diese auch vollkommen zu verstehen.
 

Da die folgende Nachricht aber ohnehin perfekt auf seine Englischkenntnisse angepasst war, brauchte er sich allerdings keine Sorgen zu machen.
 

„Der unter dem Codenamen ‚The Wild Rose’ bekannte Serienmörder hat letzte Nacht offenbar wieder zugeschlagen“, verkündete die Nachrichtensprecherin, während im Hintergrund Bilder einer großen Villa auftauchten, vor der die Polizei das Gelände abgesperrt hatte. „Es ist bereits das 13. Opfer in vier Jahren. Die Polizei steht nach wie vor, vor einem Rätsel, denn der Mörder hat wieder keinerlei Spuren hinterlassen.“ Inzwischen waren auch Shinichi und Shiho hellhörig geworden, die bis eben noch darüber gesprochen hatten, was die beiden Detektive nun eigentlich tun wollten. „Bei dem Opfer handelt es sich erneut um eine junge Studentin der Columbia University. Den ersten Ermittlungen zufolge war das Mädchen letzte Nacht allein Zuhause und wurde von ihrem Mörder im Schlaf überrascht. Sie starb, wie auch schon die anderen Opfer vor ihr, durch einen Schuss ins Herz. Es gibt keine Spuren von Gewalteinwirkungen und auch der Verdacht auf eine Vergewaltigung scheint unbegründet.“ Mittlerweile waren keine Bilder mehr zu sehen und nur noch die Nachrichtensprecherin füllte den großen Bildschirm, was jedoch die 4 anwesenden nicht davon abhielt gebannt darauf zu starren und auf weitere Informationen zu warten. „Über die Identität und das Motiv des Mörders wird weiterhin gerätselt. Wie auch in den letzten 4 Jahren wurde am Tatort neben der Leiche nur ein einziger Hinweis gefunden und das waren die Blüten einer roten Rose, die auf dem Körper des Opfers verteilt waren. Die Polizei bittet dringlichst, dass sich jeder bei ihnen meldet, der in der letzten Nacht in der Nähe der Blake-Villa etwas ungewöhnliches bemerkt hat.“ Die Sprecherin beendete das Thema und fuhr mit dem Wetter fort, was Heiji dazu brachte, den Fernseher erst einmal aus zu schalten.
 

„Ich denke, wir haben einen neuen Fall“, meinte er dann.

Shinnichi nickte. „Vielleicht finden wir Dabei sogar etwas über die BO heraus.“ So unorganisiert, wie die im Moment waren, traute er ihnen eine Beteiligung an so gut wie jedem scheinbar normalen Fall zu.

„Denkt ihr nicht, dass ihr euch da einwenig übernehmt?“, fragte Shiho mit einer hochgezogenen Augenbraue.

„Ach Unsinn! Diesen Fall lösen wir doch locker nebenbei, wir sind immerhin Profis“, verkündete Heiji übermütig und sah Shinichi an, wie als erhoffte er sich Unterstützung von ihm, doch diese blieb aus, denn der hellhäutigere Detektiv zog es vor, nicht so große Töne zu spucken, immerhin wussten sie noch gar nicht so genau, was bei diesem neuen Fall auf sie zukommen würde, schließlich hatte ja die Polizei nicht einmal einen Anhaltspunkt.
 

Während Heiji trotz Shinichis Schweigen zuversichtlich aussah, geriet Shihos Mitbewohnerin Claire ins Schwärmen.

Was für ein Mann!

Heiji war nicht nur gutaussehend, sondern auch voller Tatendrang und Optimismus. Jemand der das Leben nahm, wie es kam und immer das Beste daraus zu machen versuchte.

Ein richtiger Traummann eben.
 

„Aber ihr habt es hier auch mit Profis zu tun, und zwar in beiden Fällen!“, versuchte Shiho nach einer kurzen Zeit des Schweigens, den Freund ihres ehemaligen Leidensgenossen wieder auf den Boden der Tatsachen zurück zu holen. „Außerdem, habt ihr beiden Profis schon mal daran gedacht, dass die Männer in Schwarz sofort wissen werden, dass ihr hier seit, wenn ihr euch in den Fall einmischt?“ Und ob es ratsam war, wenn die BO wusste das Shinichi hier war, bevor selbiger wusste, wo sich die BO aufhielt, war fraglich.

„Und was schlägst du stattdessen vor? Das wir hier ruhig sitzen bleiben und zusehen, wie dieser Killer noch mehr junge Mädchen umbringt?“, wollte Heiji leicht gereizt wissen. Er mochte es nicht das diese Person, die er ja kaum kannte, etwas an seinen Ideen zu meckern hatte. „Außerdem, kommen diese Mädchen nicht alle von eurer Uni? Was ist, wenn als nächstes eine eurer Freundinnen das Opfer ist, oder gar ihr selbst? Wäre es dir dann immer noch lieber, wenn wir uns da raushalten?“

„Ja.“ Die Antwort kam ohne ein Zögern. „Ihr seit hier, um die BO zu schnappen und nicht um Detektiv zu spielen. Ihr solltet euch auf eines konzentrieren und nicht nebenbei noch drei andere Sachen machen. Mit so einer halbherzigen Einstellung werdet ihr die BO jedenfalls nicht fassen! Im Gegenteil, die werden eher noch euch erwischen und dann könnt ihr schon mal überlegen, wie ihr das Ran erklären wollt, wenn ihr sie oben im Himmel trefft, nachdem euch die Männer in Schwarz erschossen haben!“ Sie warf einen Blick auf Shinichi, der sofort schlucken musste, denn eines musste man Shiho ganz klar lassen, sie hatte eigentlich recht.

„Na schön, Miss Ich-weis-alles-besser!“ Heiji erhob sich von der Couch und machte ein paar Schritte auf die junge Wissenschaftlerin zu. „Dann machen wir es eben so: Du und Shinichi kümmert euch um die BO und ich und deine Freundin kümmern uns um den Serienkiller.“

„Moment!“, platzte es sofort aus Shinichi und Claire, die sich gerade völlig überrumpelt fühlten. Claire, weil sie absolut nichts mit Mordfällen am Hut hatte - sie wollte schließlich Lehrerin werden und nicht FBI-Agentin – und Shinichi, weil er sich noch vor etwas über einer Woche von Heiji hatte anhören müssen, dass er unter keinen Umständen wieder mit Shiho zusammen arbeiten sollte.

„Männer...“, seufzte Shiho und wollte schon dazu ansetzten den beiden Detektiven zu verkünden, dass sie sich nicht wieder auf eine Zusammenarbeit einlassen würde, auch nicht wenn sie nur kurz war, weil sie sich gerade erst mit dem Gedanken angefreundet hatte, dass sie nicht mehr mit Shinichi zusammen arbeiten würde, als es an der Tür klingelte. Die Wissenschaftlerin entschloss sich also, ihren Kommentar für später auf zu heben und Shinichi in aller Ruhe mit Heiji darüber diskutieren zu lassen, dass er seine Meinung nicht einfach je nach Situation und Gemütszustand ändern konnte, und ging lieber die Tür öffnen.
 

„Also im ernst jetzt, Kudo. Wenn du bei ihr wohnst, kannst du auch mit ihr zusammenarbeiten...“, hörte die rotbraunhaarige noch das – zugegeben – ziemlich einleuchtende Argument des dunkelhäutigeren Detektivs, bevor sie sich einem relativ jungen blonden Mann mit extrem heller Haut gegenüber stand, der sie anlächelte.

„Professor Founder?“ Die Überraschung war ihr deutlich anzusehen. Vor ihr stand einer ihrer Dozenten, der jüngste und hübscheste, wie man vielleicht noch bemerken sollte. „Was führt Sie denn zu uns?“ Shiho machte dem Mann etwas Platz, so dass er in die Wohnung eintreten konnte und schloss dann die Tür.

„Nun, ich habe von Claire erfahren, dass Sie endlich aus Japan zurück sind, Shiho. Und natürlich wollte ich auch sofort nach meiner Lieblingsstudentin sehen“, zwinkerte der Professor und warf dann kurz einen Blick in die Wohnküche, wo mittlerweile keine Diskussion über das Anpassen der Meinung, an die gegebene Situation mehr geführt, sondern nur kurz und bedacht leise von Claire erklärt wurde, um wen es sich bei diesem Besucher handelte.

„Das ist Professor Cedrik Founder. Der jüngste der Dozenten an unserer Uni. Er unterrichtet uns in Physik.“ Sie senkte ihre Stimme noch etwas. „Es heißt, er hat Interesse an Shiho.“

„Ja und? Hat nicht jeder Professor Interessen an seinen Studenten?“, fragte Heiji schulterzuckend, aber ebenfalls mit leicht gesenkter Stimme.

„Aber sicherlich nicht so“, entgegnete ihn Shinichi sofort, der erstaunlicherweise auf Anhieb verstanden hatte, was Claire mit ihrer Bemerkung wirklich gemeint hatte. Der Professor war nicht als Lehrer an Shiho interessiert, sondern als Mann und das konnte man ihm sofort ansehen. Die Art wie er sie ansah sagte schon mehr als 1000 Liebesbriefe.

Heiji verschränkte die Arme vor der Brust. „Ihr seht doch Gespenster. Der Mann will einfach nur, dass seine Studenten gut abschneiden, das ist alles.“ Zumindest konnte er nicht sagen, dass er so auf den ersten Blick zwischen Shiho und ihrem Professor irgendetwas entdeckte, was auf mehr als eine Schüler-Lehrer Beziehung hindeutete, bis eben auf die Tatsache, dass die meisten Lehrer ihre Schüler nicht Zuhause besuchten.

Shiho räusperte sich, denn obwohl sie nicht hören konnte, worüber Claire und ihre Gäste sprachen, konnte sie es sich denken. „Professor, dass hier sind zwei... Freunde aus Japan. Vielleicht haben Sie sogar schon einmal von Ihnen gehört, sie sind recht erfolgreiche Detektive.“

In den Augen des Professor blitzte kurz etwas auf, bevor er sich den beiden jungen Männer näherte und ihnen die Hand hin hielt. „Natürlich habe ich schon von ihnen gehört. Sie sind Heiji Hatori aus Osaka, nicht wahr? Ich habe gehört, Ihr Vater ist dort ein sehr erfolgreicher Polizist, oder?“

Etwas skeptisch nahm Heiji die Hand an und nickte dann. „Ja, dass ist er.“ Aber im allgemeinen war das nicht so bekannt. Wiederrum, hatte er hier ja vielleicht auch einen Fan vor sich oder einfach jemand, der sich für Detektivarbeit interessierte und daher auch die derzeitigen Detektive gut kannte.

„Und Sie sind der berühmt berüchtigte Shinichi Kudo, nicht wahr? Ich habe schon so einiges von Ihnen gehört.“ Der blonde Professor wollte auch dem ehemaligen Schülerdetektiv die Hand reichen, doch Shinichi verschränkte nur die Arme vor der Brust. „Hab ich etwas falsches gesagt?“, fragte Cedrik auch sofort interessiert und zog seine Hand wieder zurück.

Die Antwort kam sofort, wenn auch mit völlig unerwartetem Inhalt. „Nein, ich halte nur nicht viel von Lehrern, die ihre Schülerinnen Zuhause besuchen.“

„Kudo!“, mahnte Shiho sofort, zu der noch nicht ganz durchsickern wollte, was diese Äußerung eigentlich für eine Bedeutung hatte.

Der Professor winkte ab. „Schon gut. Es ist nicht das erste mal, dass ich so etwas zu hören kriege. Vielleicht sollte ich es mir ja auch mal zu Herzen nehmen.“ Er hob die Schultern, als wolle er damit andeuten, dass die Meinung der anderen ihm aber eigentlich sowieso egal war. „Aber mir liegt eben sehr viel an dem Wohlergehen meiner Studenten.“

Eine von Shinichis Augenbrauen schoss nach oben. „Meinten Sie nicht eher Studentinnen?“

„Shinichi!“ Jetzt reicht es Shiho aber langsam. Was war denn nur in ihn gefahren?

„Was sagten Sie noch gleich, Shiho? Sie sind nur Freunde?“ Der Professor sah Shiho immer noch freundlich aber auch interessiert an.

„Eigentlich sind es nur Bekannte, denen ich einen Gefallen schuldig bin, in ein paar Tagen sind sie wieder weg“, antwortete Shiho und man hörte ihr an, das sie leicht gereizt war. Der Blick mit dem sie Shinichi gerade bedachte, wirkte auch nicht gerade besonders gut gelaunt.

„Nun, dann genießen Sie ihren Aufenthalt in New York“, nickte Founder den beiden Detektiven zu, bevor er sich wieder seiner Lieblingsstudentin zuwandte. „Shiho, ich möchte das Sie morgen in mein Büro kommen, wir müssen besprechen, wie Sie den Stoff nachholen, den Sie verpasst haben.“

Die rotbraunhaarige nickte nur und brachte ihren Professor dann noch zur Tür. Heiji schaute indes zu Claire rüber, die von dem Professor keinerlei Beachtung geschenkt bekommen hatte. „Ich glaube, jetzt verstehe ich, was du gemeint hast“, seufzte er dann...
 

~*~
 

„Sag mal Kudo, was war vorhin eigentlich mit dir los?“ Es war mittlerweile Nacht in New York und Heiji machte es sich gerade auf seinem Gästebett bequem, während Shinichi noch am Fenster stand und auf die hell erleuchtete Stadt schaute.

„Was meinst du?“ Er wirkte etwas abwesend. Seine Gedanken waren Momentan überall und nirgends. Es gingen ihm tausend Sachen durch den Kopf und er wusste beim besten Willen nicht, welche dieser vielen Sachen ihn am meisten beschäftigte. Er wusste nur, dass er sich im Moment einfach nicht auf einen Gedanken konzentrieren konnte.

„Dein Benehmen vorhin, dem Professor gegenüber“, antwortete Heiji, während er nach der Fernbedienung für den kleinen Fernseher im Gästezimmer griff.

„Kam dir der Typ nicht merkwürdig vor?“

„Nein, kein bisschen. Du kamst mir eher merkwürdig vor.“

„Wieso? Weil ich gesagt habe, was ich dachte?“, wollte Shinichi wissen, währen er nach wie vor mit leerem Blick aus dem Fenster starrte.

Heiji schüttelte mit dem Kopf. „Nein, es war nicht was du gesagt hast, sondern wie du es gesagt hast.“

„Ich weis nicht, was du meinst.“ Der hellhäutigere der beiden Detektive seufzte und wendete sich endlich von dem Fenster ab und blickte Heiji fragend an.

„Ich meine, dass du ganz offensichtlich eifersüchtig warst.“

„Worauf denn bitte? Auf sein schmalziger Lächeln? Oder seinen für alle Frauen offenbar total betörenden Blick?“

Heiji lachte. „Du tust es schon wieder!“

„Was denn?“ Shinichi verstand wirklich nicht, worum es hier eigentlich ging.

Heiji setzte sich etwas auf und blickte Shinichi mit ernster Miene an. „Ich glaube es war falsch, Shiho nicht mehr in die Lösung des Falls mit einzubinden.“

„Das sagst du doch jetzt nur, weil du unbedingt diesen Serienkiller fassen aber mich trotzdem nicht alleine weiter an der BO-Sache arbeiten lassen willst.“ Mittlerweile waren sie überein gekommen, dass Shinichi sich offiziell nicht an der Lösung des Falls mit dem Serienmörder beteiligen konnte, denn eigentlich war es ja nur er, den die Männer in Schwarz nicht sehen durften, hinter Heiji würde man sicherlich niemanden erwarten, der der BO an den Kragen will.

„Nein, ich sage das, weil ich das Gefühl habe, dass dir die Zusammenarbeit mit dieser Shiho gut tut.“ Und er ärgerte sich darüber, dass er daran nicht schon vor ein paar Wochen gedacht hatte. Kazuha hatte damals schon so etwas angedeutet, aber Heiji hatte es nicht verstanden, oder nicht glauben wollen, aber nach Shinichis Auftritt heute...

Shinichi jedoch verstand kein Wort. „Kann es sein, dass du einfach nur so schnell wie möglich wieder nach Hause willst?“

„Nein, keine Sorge. Ich werde dir auf jeden Fall wie versprochen bis zum bitteren Ende zur Seite stehen. Aber trotzdem könnte deine Freundin uns eine große Hilfe sein. Wer kennt diese Leute besser als sie?“ Und wer kennt dich besser als sie, wollte er noch hinzufügen, verkniff es sich aber, weil ihm klar geworden war, dass Shinichi noch keine Ahnung davon hatte, was seine Reaktion gegenüber dem Professor wirklich hervor gerufen hatte.

„Na dann wünsche ich dir mal viel Spaß dabei, sie davon zu überzeugen, uns nun doch zu helfen.“ Denn nachdem er ihr mehrfach gesagt hatte, dass er ihre Hilfe nicht mehr wollte, würde sie wohl kaum Luftsprünge mache, wenn sie ihr sagten, dass sie ihre Hilfe nun doch brauchten.

„Ach, das überlasse ich dir, Kudo. Du machst das schon“, grinste Heiji und schaltete den Fernseher an, offenbar als Hinweis darauf, dass das Gespräch damit für ihn beendet war.
 

Shinichi sah seinen Freund fassungslos an und seufzte dann. Keine Ahnung was in diesem Kerl vor ging, aber im Moment schien es dem Detektiv aus Tokio leider so, als müsste er sich dem Willen des jungen Vaters beugen. Außerdem, wenn er mal genau darüber nachdachte, war es ihm gar nicht so unangenehm, wieder mit Shiho zusammen arbeiten zu müssen, zumal sie beide ein ebenso gutes Team waren, wie er und Heiji. Und wenn nun sie drei irgendwann das Team waren, dann hatte die BO sicher keine Chance mehr und er würde Ran endlich ihren Frieden beschaffen können.
 

Ihr und sich selbst...
 

~~~
 

Hallo an alle treuen Leser und Kommischreiber!

Ich wollte mich mal wieder ganz herzlich bei euch für die Kommentare bedanken *verbeug*
 

Schaut doch mal in der Fehlerteufelrubrik in der Charakterbeschreibung vorbei, wenn ihr wollt!
 

***** Siehe Fehlerteufel in der Charakterbeschreibung
 

Bis zum nächsten Kapitel!

I need you

Er hatte es geschafft, er hatte Claire, die Mitbewohnerin von Shiho, davon überzeugt, ihm ein wenig zu helfen, sich in den hektischen Straßen von New York zurecht zu finden. Es war zwar nicht so, dass Heiji hier nicht schon ein oder zwei mal gewesen war, aber New York war ständig im Wandel. Jedes Mal, wenn man hierher kam, musste man damit rechnen, dass außer den besonderen Gebäuden nichts mehr da war, wo es hingehörte. Außerdem brauchte Heiji ein paar Informationen, die er nur von jemandem bekommen konnte, der auch auf die Columbia University ging. Zudem hielt er den Zeitpunkt, jetzt wo Shinichi und Shiho nicht bei ihnen waren, für günstig, auch ein paar Fragen bezüglich der Wissenschaftlerin zu stellen.
 

Zuvor mussten Heiji und Claire sich allerdings erst einmal durch eine Menschenmasse drängen, die ihnen auf den überbevölkerten Straßen von New York entgegen kam. Endlich in eine Straße eingebogen, in der alles etwas ruhiger zuging, konnte sich selbst Claire, die dieses hektische Gedränge schon gewohnt war, ein erleichtertes Seufzen nicht verkneifen.
 

„Also, wobei soll ich dir nun helfen?“, wendete sie sich dann an den schönen Detektiv und warf ihre polangen schwarzen Haare mit einer eleganten Handbewegung nach hinten.

„Zuerst einmal dabei, die Polizeistation zu finden.“ Von seinem letzten Besuch hier hatte Heiji den Standort der hiesigen Polizei zwar noch in Erinnerung, aber er hatte das dumpfe Gefühl, dass diese mittlerweile umgezogen war.

„Na, wenn es weiter nichts ist“, lächelte Claire mit ihren dünnen blassrosa Lippen und steuerte sofort einen der Wege an, auf denen die Menschen hastig zu ihren Arbeitsplätzen stürmten.

Der Detektiv folgte ihr. „Sag mal, wie lange kennst du Shiho eigentlich schon?“ , fragte er schließlich, nachdem er und die Schwarzhaarige sich an einer dicken Frau vorbei gequetscht hatten, die ihnen immer noch nachschimpfte, von den beiden aber gekonnt ignoriert wurde.

Claire blickte Heiji mit ihren nussbraunen Augen einen Moment verwundert an. „Seit etwa vier Jahren. Wieso?“ Eigentlich hatte sie ja angenommen, dass Shiho ein wenig über sie erzählt hatte, während sie in Japan gewesen war, immerhin waren sie beide sehr enge Freunde. Andererseits musste man ihr wohl zugute halten, dass sie in den letzten Monaten sicherlich andere Probleme gehabt hatte, als von ihrer langweiligen amerikanischen Freundin zu erzählen.

„Ach, nur so“, winkte Heiji ab, während sie beide darauf warteten, eine Straße zu überqueren, die so befahren war, dass der Detektiv nur froh sein konnte, dass es hier eine Fußgängerampel gab. „Es wundert mich nur, dass du so bedenkenlos mit einer solchen Person zusammen lebst und dass deine Eltern auch noch für sie die Miete bezahlen.“ Heiji hätte jedenfalls nicht gewollt, dass sein Sohn mit jemandem zusammen lebt, der einmal in einer solchen Verbrecherorganisation wie der BO gearbeitet hatte und daher an der Stelle von Claires Eltern eher versucht, ihre Tochter so schnell wie möglich von dieser Person weg zu bekommen, anstatt sie praktisch auch noch dazu einzuladen, bei ihr zu wohnen.

„Na ja... dafür gibt es viele Gründe.“ Die Schwarzhaarige schlug die Augen nieder und sofort wurden die Falten unter ihren Augen deutlicher, die davon zeugten, dass sie viele Nächte damit verbracht hatte, nachts in ihr Kissen zu weinen, anstatt sich auszuschlafen. „Du musst wissen, ich bin keine einfache Person. Die meisten Menschen meiden mich...“ Die junge Frau wusste eigentlich gar nicht genau wieso. Eigentlich war sie immer nett zu allen und wie Quasimodo sah sie auch nicht aus, im Gegenteil, eigentlich war sie sogar recht hübsch, nicht so wie ein Model und auch nicht ganz so hübsch wie Shiho, dafür war ihr Körper zu unförmig, aber trotzdem nicht abschreckend hässlich. „Jedenfalls...“ Claire öffnete die Augen wieder und sah Heiji an. „ist Shiho eine der wenigen Menschen in dieser Uni gewesen, die nett zu mir waren und zwar von Anfang an. Wenn ich alleine in der Mensa saß, hat sie sich zu mir gesetzt und wenn ich in der Uni bei einer Hausarbeit Hilfe brauchte, dann war sie sofort zur Stelle. Vielleicht liegt es ja daran, dass sie auch eher eine Einzelgängerin und Außenseiterin ist, aber wir haben uns von Anfang an sehr gut verstanden.“

„Und das hat dich und deine Eltern dazu gebracht, ihr zu vertrauen?“, fragte Heiji mit einer hochgezogenen Augenbraue, während sie beide mittlerweile die Straße überquert hatten und nun auf einem etwas ruhigerem Bürgersteig angekommen waren.

„Hast du noch niemals einen Fehler gemacht?“, erkundigte sich die Braunäugige interessiert. „Natürlich war es zuerst ein Schock für mich und meine Eltern, als ihnen Shiho erzählte, dass sie vor einigen Jahren noch Teil einer Verbrecherorganisation war, aber nachdem wir die Umstände kannten...“

„Welche Umstände denn?“ Es war ja, soweit der dunkelhäutige Detektiv wusste, nicht so gewesen, dass man sie zu ihren Taten gezwungen hatte. Sie war all die Jahre freiwillig bei der BO gewesen und hatte das Gift entwickelt, dass letzten Endes Shinichi und sie selbst in kleine Kinder verwandelt hatte.

„Shiho ist nicht einfach der Organisation beigetreten, weil sie ein böser Mensch war, sondern sie ist von den Leuten dieser Organisation aufgezogen worden, nachdem ihre Eltern, die ebenfalls Teil dieser Organisation waren, bei einem vermeintlichen Unfall ums Leben gekommen sind. Sie wurde sozusagen in diese Organisation hinein geboren, sie hatte doch überhaupt keine Wahl, vor allem nicht, wenn man bedenkt, wie ihre Schwester endete, als sie die Organisation verlassen wollte.“ An Claires Augen konnte man erkennen, dass sie absolut davon überzeugt war, dass die Wissenschaftlerin im Grunde keinerlei Schuld daran traf, dass sie Teil dieser Mörderbande gewesen war. „Außerdem sind meine Eltern und ich der Meinung, dass jeder Mensch eine zweite Chance verdient hat und wie man sieht, nutzt Shiho ihre zweite Chance sehr gut. Immerhin hat sie geholfen, diesen Verbrechern den Gar aus zu machen und nun ist sie eine Bürgerin wie jede andere auch. Sie studiert und möchte einmal Kindern etwas für ihre Zukunft lehren. Sie besitzt keine Waffe mehr, nimmt keine Drogen, stiehlt nicht, wird niemals handgreiflich... und außerdem steht sie nicht nur zu ihren Fehlern, sie ist auch bereit die Konsequenzen zu tragen und für ihre Fehler zu bezahlen, sogar mit ihrem Leben, wenn es sein müsste.“

„Ja, aber...“ Aber trotzdem konnte man doch nie sicher sein, dass sich hinter der Rotbraunhaarigen nicht doch eine Mörderin verbarg.

„Nein, kein aber!“, unterbrach Claire den Detektiv sofort, während die beiden, zu Heijis Verwunderung, ein Café ansteuerten. „Meine Eltern und ich kennen Shiho mittlerweile sehr gut und wir zweifeln nicht daran, dass es die richtige Entscheidung war, sie zu unterstützen und in unsere Familie auf zu nehmen.“

„In eure Familie aufzunehmen?“ Was sollte das denn jetzt bedeuten? Sie hatten sie ja wohl kaum adoptiert, oder?

„Natürlich, für meine Eltern ist Shiho längst wie eine zweite Tochter und für mich ist sie auch zu einer Art große Schwester geworden.“ Auch wenn der Altersunterschied zwischen ihnen eigentlich nicht so groß war. „Du musst wissen, das Appartement gehört eigentlich mir. Aber ich habe mich einsam gefühlt in dieser riesigen Wohnung und die Zimmer, die als Gästezimmer gedacht waren, wurden ja nie benutzt, weil ich keine Freunde hatte, die mich besuchen wollten, bis auf Shiho, die bis dahin auf dem Campus lebte. Ich fragte sie, ob sie bei mir wohnen wollte und meine Eltern, ob sie es erlauben würden. Shiho hat von Anfang an gesagt, dass sie nicht einmal die Hälfte der Miete aufbringen könnte, aber meine Eltern haben mir zuliebe entschlossen, die Miete weiterhin alleine zu zahlen, weil sie so froh und dankbar waren, dass ich eine Freundin gefunden hatte. Außerdem übernimmt Shiho dafür ja andere Rechnungen. Die Telefonrechnung zum Beispiel und sie bezahlt auch immer unsere Einkäufe. Außerdem geht sie meinen Eltern immer zur Hand, wenn mal irgendetwas ansteht. Es ist also nicht so, dass Shiho gar nichts dafür tut, dass sie in diesem tollen Appartement leben darf. Obwohl weder ich noch meine Eltern das von ihr verlangen würden.“ Claire lächelte. „Und auch das zeigt uns doch nur, dass sie ein guter Mensch ist, dem man vertrauen kann.“

„Na ja, wenn ihr das so seht...“ Heiji konnte diese Gedankengänge trotzdem nicht so recht nachvollziehen. Andererseits musste man ja sagen, wenn jemand wie Shinichi, der durch ihr Gift und die Organisation in der sie war, so viel erleiden musste, ihr blind vertrauen konnte, sollte wohl auch jeder andere dazu fähig sein.
 

„Wir sind da!“, verkündete Claire schließlich und deutete mit den Augen auf das Café, vor dem sie standen.

„Was? Das hier ist das Polizeipräsidium?“, fragte Heiji die etwas klein geratene junge Frau irritiert und erhielt ein Kichern als Antwort.

„Nein, natürlich nicht. Aber der, den du suchst, ist hier.“

Der Blick des Detektivs wurde immer verdutzter „Wen suche ich denn?“ Hatte er irgendwann mal gesagt, dass er nach einem bestimmten Polizisten suchte? Er konnte sich nicht daran erinnern.

„Den Kommissar, der für den Fall ‚The Wild Rose’ verantwortlich ist.“ Claire öffnete die Tür zu dem Cafe und sofort bekam man zu Gesicht, was man sonst nur aus schlechten Polizeifilmen kannte: ein Duzend Polizisten in Polizeiuniformen saßen an der Theke und mampften Donuts.

„Ich dachte, dass wäre nur ein Klischée...“ Und dazu noch ein äußerst dämliches, immerhin war es doch praktisch unmöglich, dass wirklich alle amerikanischen Polizisten ihre Pausen mit dem Futtern von Donuts verbrachten, nicht zuletzt, weil es doch sicher Leute gab, die diese klebrigen Dinger nicht mochten.

„Jedes Klischée hat seine Berechtigung“, verkündete die Schwarzhaarige schmunzelnd und winkte dem einzigen Mann an der Theke, der keine Polizeiuniform trug und trotzdem irgendwie sofort von jedem als ein Polizist erkannt werden würde, zu. Vermutlich weil auch hier wieder die Klischées das ihrige dazu beitrugen. Mit Schnurrbart und Bierbrauch, aber einem nur allzu freundlichen Gesicht saß dieser Mann an der Theke und erwiderte Claires Winken lächelnd.

Die junge Studentin und der Detektiv traten an den Polizisten heran. „Hallo Claire, wir haben uns lange nicht mehr gesehen, magst du einen Donut?“, fragte dieser auch sofort und deutete der Bedienung schon, dass sie einen weiteren der kalorienhaltigen Dinger bringen sollte.

Obwohl die Schwarzhaarige nicht genickt hatte, nahm sie den Donut dankbar an und biss genüsslich hinein, so dass Heiji in etwa eine Vorstellung davon hatte, wieso diese eigentlich recht schlanke Frau so breite Hüften hatte. Aber das war ja nun nicht das Thema, also räusperte er sich und sprach dann den Polizisten an. „Guten Tag, ich bin Heiji Hatori, ein Detektiv aus Japan. Ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen zu ihrem Fall ‚The Wild Rose’ stellen.“ Warum um den heißen Brei reden? Immerhin drängte die Zeit, man wusste schließlich nie, wann dieser Killer erneut zuschlagen würde. Außerdem, umso schneller dieser Fall beendet war, desto schneller könnte Heiji Shinichi bei seinem BO Problem helfen...
 

~*~
 

„Nichts!“ Shinichi knallte wütend die Zeitung auf den Tisch, nachdem er festgestellt hatte, dass ihr Inhalt ihm keinerlei Anhaltspunkte auf die BO lieferte. Er war sich so sicher gewesen, dass er hier in Amerika schneller fündig werden würde als in Japan, weil die Männer in schwarz ja hier irgendwo ihre Basis hatten und daher natürlich hier viel aktiver sein müssten als in seiner Heimat, aber Fehlanzeige. Auch die Zeitungen der letzten drei Tage, die Claire hier noch irgendwo rumliegen hatte, hatten ihn nicht weiter gebracht. Er stand im Grunde wieder ganz am Anfang. Er wusste, wonach er suchte, aber noch nicht, wo genau er danach suchen sollte. Er konnte ja schließlich auch nicht blind durch New York laufen und einfach auf sein Glück hoffen.

„Ich hab dir gleich gesagt, dass du zu unorganisiert an die Sache ran gehst“, ertönte plötzlich die Stimme von Shiho, die soeben erst wieder die Wohnung betreten hatte, nachdem sie schon ganz früh am Morgen zur Uni gegangen war.

„Wo bist du denn gewesen?“, erkundigte sich Shinichi interessiert, während er einen Schluck aus der Kaffeetasse nahm, die vor ihm auf dem Tisch stand und nur knapp dem Angriff der Zeitung entgangen war.

„In der Uni“, kam sofort die Antwort von der Wissenschaftlerin, die ihre Tasche erst einmal auf der Couch ablegte. „Ich muss ja jetzt schließlich zusehen, dass ich alles nachholen kann, was ich verpasst habe. Ein Glück, dass Cedrik dafür gesorgt hat, dass ich die Aufzeichnungen meiner Mitstudenten bekomme.“

„Cedrik?“ War das nicht der Vorname dieses Playboydozenten gewesen? „Duzt du deinen Lehrer jetzt etwa schon?“

„Er hat es mir angeboten.“ So wie sie das sagte, klang das so, als wäre es das normalste auf der Welt. „Und ich konnte ja schlecht ablehnen, nachdem er immer so nett zu mir ist.“ Ohne ihn hätten ihre Mitschüler ihr vermutlich keine Unterlagen gegeben, denn Shiho war unter ihren Mitstudenten nicht sonderlich beliebt. Die meisten von ihnen hatten vermutlich sogar gehofft, dass sie nie mehr aus Japan zurück kommen würde.

„Findest du es nicht etwas seltsam, dass er nur zu dir so nett ist? Claire schien er gestern jedenfalls total ignoriert zu haben.“ Er hatte sie ja nicht einmal begrüßt, und das, wo sie die ganze Zeit direkt vor ihm gestanden hatte.

„Das war sicher nur ein Versehen. Er hatte er sicherlich eilig, immerhin ist sehr beschäftigt.“

Shinichis Augenbraue schoss nach oben. „Du meinst damit, seine Lieblingsstudentinnen Zuhause zu besuchen?“

„Fang nicht schon wieder damit an!“ Sie hatten das gestern Abend schon kurz ausdiskutiert, natürlich ohne auf ein Ergebnis gekommen zu sein, denn in dem Punkt hatte keiner von ihnen vor, nachzugeben. Shihos Meinung nach war ihr Dozent einfach nur bemüht um seine Schüler und zwar um alle, aber Shinichi war der festen Überzeugung, dass der Mann nur hinter seinen hübschen Studentinnen her war. Dadurch, dass er Claire ignoriert hatte, deren Proportionen nicht so schön gleichmäßig verteilt waren wie bei der Rotbraunhaarigen, schien er sich in seiner Meinung auch noch bestätigt zu fühlen.

„Aber es ist doch die Wahrheit! Wie viele eurer Dozenten besuchen ihre Studenten Zuhause?“ Sicherlich niemand außer dieser elende Schleimer. „Außerdem scheint mir der Typ verdächtig.“

Nun war es Shihos Augenbraue, die nach oben Schoss. „Nur, weil er seine Studenten Zuhause besucht?“

„Nein! Weil er ganz einfach verdächtig auf mich wirkt.“ Und das mochte schon etwas heißen, denn grundlos verdächtigte Shinichi eigentlich niemanden.

„Du spinnst!“, meinte Shiho nur, entschlossen das Thema zu beenden. Sie kramte in ihrer Tasche und legte Shinichi dann ein Formular auf den Tisch.

Der Detektiv warf nur einen kurzen Blick auf das Formular, während er seinen Kaffee schlürfte und verschluckte sich dann an selbigem. „Was soll ich denn damit?“, fragte er, nachdem sein Hustenanfall vorbei war.

„Nicht nur du, für deinen übermäßig euphorischen Freund und mich habe ich auch einen mitgebracht.“

„Aber...“

„Kein aber, Kudo!“ Shiho stemmte die Hände in die Hüften. „Wir haben es hier mit der BO zu tun, wir müssen uns im Notfall verteidigen können.“

„Aber früher haben wir auch keine Waffen dafür gebraucht.“ Überhaupt hatte Shinichi irgendwie nicht viel mit Waffen am Hut. Er löste seine Fälle lieber mit seinem Genie.

„Früher konnten wir uns ja auch hinter unseren unschuldigen Kinderkörpern verstecken.“ Und außerdem konnte man nicht sagen, dass sie völlig wehrlos gewesen waren. Immerhin hatten sie ja die Erfindungen des Professors gehabt, die vor allem dem Detektiv in gefährlichen Situationen oft geholfen haben. Sie bezweifelte allerdings, dass es heute noch ausreichen würde, alte Dosen durch die Gegend zu kicken, zumal Shinichi nun ja wieder normale Schuhe trug und daher auch wieder die Schusskraft eines normalen Erwachsenen hatte, der ab und an mal Fußball spielte.

„Mir ist egal was du sagst, ich werde sicherlich keine Waffe in die Hand nehmen.“ Der Witwer schob das Dokument weit von sich und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust.

Innerlich fluchend warf die Wissenschaftlerin die Hände in die Luft und wendete sich dann der Kaffeemaschine zu. „Mach doch, was du willst.“
 

Es war eine Weile still, schließlich, nachdem Shinichi sich das Formular einmal genauer durchgelesen und Shiho sich eine Tasse kräftigen schwarzen Kaffee geholt und sich zu ihrem einstigen Leidensgenossen an den Tisch gesetzt hatte, begann sie wieder zu sprechen.
 

„Wo ist eigentlich Claire?“ Soweit die Rotbraunhaarige das wusste, hatte Claire heute Morgen keine Kurse und trotz des vielen Geldes, das sie hatte, war sie auch nicht der Typ, der oft shoppen ging, schon gar nicht ohne sie.

„Sie ist mit Heiji unterwegs.“ Wobei sie eigentlich nicht so ausgesehen hatte, als wäre sie begeistert davon, irgendwie an der Lösung dieses Falles beteiligt zu sein. Trotzdem war sie fast protestlos mit Heiji mitgegangen. Was sie wohl dazu bewegt hatte?

„Aber doch hoffentlich nicht, um diesen Fall zu lösen, oder?“

„Doch...“

„Sag mal spinnt der?!“ Shiho war aufgesprungen und sah den etwas verdutzten Shinichi wütend an. „Wie viele Leute wollt ihr denn noch in diese Sache mit rein ziehen?“

„Ich denke nicht, dass Heiji sie irgendwo mit hinein ziehen will, aber sie kennt sich nun einmal in New York aus und so wie ich das mitbekommen habe, kanntet ihr ja auch zwei der Opfer, oder nicht?“, fragte Shinichi etwas defensiv.

„Na und?!“ Konnte er denn nicht verstehen, wie gefährlich das für Claire war? Immerhin hatte sie doch keine Ahnung. Sie würde der BO ohne nachzudenken in die Falle laufen, weil sie gar nicht mit einer Falle rechnen würde. Sie war sich vermutlich noch nicht einmal der Gefahr bewusst, in die sie sich damit brachte, dass sie Heiji zur Hand ging. „Ist das ein Grund, sie mit in diese Sache rein zu ziehen, obwohl sie damit gar nichts zu tun hat? Mein Gott, Kudo! Die BO ist hinter uns her! Sie könnten hinter jeder Ecke lauern und du hast selbst gesagt, dass sie vielleicht sogar an diesem Fall beteiligt sind. Wie könnt ihr Claire da mit hinein ziehen?“

Shinichi sah seine Freundin mit ernster Miene an. „Aber du hast sie doch schon lange mit rein gezogen!“, warf er ihr dann vor, ohne das aber böse zu meinen. „Oder denkst du, die BO glaubt im Ernst, dass die Frau, mit der du dir eine Wohnung teilst, keine Gefahr für sie ist? Du könntest ihr ja sonst was gesagt haben. Sie steht so oder so in der Schusslinie der Männer in schwarz und gerade weil sie sich dessen gar nicht bewusst sein wird, ist es besser, wenn sie in unserer Nähe bleibt, wir können sie wenigstens beschützen.“

„Wie denn, ohne Waffen?“ Shiho war plötzlich schlecht. Der Gedanke, dass Claire nun so tief in der Sache drin steckte, machte sie schier wahnsinnig. Sie wollte nicht, dass jemand ihretwegen in Gefahr geriet, vor allem wenn es jemand war, den sie mochte. „Ach, das ist alles nur meine Schuld!“, fluchte die Wissenschaftlerin verzweifelt und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. „Wäre ich damals doch nur gestorben, anstatt zu schrumpfen...“ Dann wäre vielen Menschen, viel Ärger erspart geblieben.

„Fängst du schon wieder damit an?“ Diese Einstellung ging ihm langsam aber sicher auf die Nerven, so sehr, dass er es nicht verhindern konnte, dass er etwas gereizt klang.

„Aber es ist doch die Wahrheit! Ich bringe allen Menschen in meiner Umgebung nur Unglück. Meine bloße Anwesenheit bringt Leute in Gefahr, die mir eigentlich wichtig sind.“ Derweil wollte sie doch einfach nur ein normales Leben führen. Freunde haben und all diese Dinge, mehr nicht.

„Aber doch nicht mit Absicht!“ Jedenfalls schien sie sich bis eben gar nicht bewusst gewesen zu sein, dass sie Claire mit ihrer Freundschaft in Gefahr gebracht hatte.

Shiho schüttelte seufzend den Kopf. „Vielleicht sollte ich endlich mal den Mut aufbringen, meinem Leben ein Ende zu setzen, dann...“ Bevor Shiho hatte zuende sprechen können, hatte sie eine heftige Ohrfeige von Shinichi erhalten, der sie nun wütend anschaute.

„Und was würde dir das bringen, wenn du stirbst, hm?“, wollte er dann wissen, während Shiho sich völlig fassungslos ihre schmerzende Wange hielt.

„Es würde die Menschen retten, die mir etwas bedeuten. Außerdem braucht mich doch ohnehin keiner, ich bin nur unnutzer Ballast.“

„Das ist nicht wahr und das weißt du auch!“ Eine Mischung zwischen Erschöpfung und Wut brachte Shinichi dazu, seine Schultern hängen zu lassen. Wieso war es nur so schwer, diese Frau davon zu überzeugen, dass auch ihr Leben einen Sinn hatte? Wieso wollte sie dieses Geschenk, diese zweite Chance, die sie bekommen hatte, als sie durch das Gift nicht gestorben, sondern geschrumpft war, nicht annehmen? Warum konnte sie nicht begreifen, dass es auch viele Menschen gab, die froh waren, dass sie existierte? Man musste sich doch nur mal Claire anschauen, wenn sie über Shiho sprach, so als wäre sie ihre Lebensretterin und der liebste Mensch, den sie kannte.

„Ach ja? Dann nenne mir doch nur mal einen Menschen, der von meiner Existenz profitiert!“ Er würde sicherlich suchen, bis er schwarz wurde, denn Shihos Meinung nach brachte sie allen Menschen nur Leid, es war immer so gewesen. Schon als Kind. Immerhin hätte ihre Schwester die Organisation vielleicht früher und ohne derartige Folgeschäden verlassen können, wenn sie nicht auf sie hätte Rücksicht nehmen müssen.

Aber Shiho täuschte sich. Shinichi schossen sofort ein Duzend Namen durch den Kopf und einer davon, vermutlich der, der am meisten von ihrer Existenz profitierte, war sein eigener und so musste er auch nicht lange überlegen, bis er antwortete: „Ich!“

„W-Was?“ Sie musste sich verhört haben. „Aber du...“ ‚Du hast so viel meinetwegen durchmachen müssen’ hatte sie sagen wollen, doch Shinichi unterbrach sie.

„Ich glaube, du hast keine Ahnung, was du die letzten Monate alles für mich getan hast! Jedes Mal, wenn ich das Gefühl hatte, mein Leben hätte seinen Sinn verloren und jeder Kampf wäre zwecklos, hast du mir wieder Kraft und Mut gegeben. Und ohne dich wäre ich jetzt vermutlich ohnehin schon nicht mehr am Leben.“ Er sah sie mit absolut überzeugter Miene an. „Ganz gleich was du sagst oder denkst, ich weiß, dass ich froh bin, dass du Teil meines Lebens bist und ebenso weiß ich, dass es noch einige andere Menschen gibt, die das ebenso sehen, angefangen bei dem Professor und Claire.“
 

Wieder brach ein reges Schweigen zwischen den beiden aus. Keiner von ihnen wusste, was er noch sagen sollte. Vermutlich gab es gar nichts mehr zu sagen. Die wichtigsten Worte waren gefallen. Dennoch erschien Shiho die Stille furchtbar unangenehm. Gerade als sie etwas sagen wollte, klingelte plötzlich Shinichis Handy.
 

Mit müder Stimme nahm er den Anruf entgegen. „Ja?“

„Kudo?“ Es war Heiji. „Wir haben wichtige Neuigkeiten. Du solltest herkommen.“

„Wieso kommt ihr nicht einfach nach Hause?“ Irgendwie war es seltsam, dass so zu sagen, immerhin waren sie ja nicht wirklich Zuhause. Aber Shinichi fühlte sich gerade nicht im Stande, nach einer passenderen Umschreibung zu suchen.

„Weil hier jemand ist, mit dem du dringend reden solltest.“

„Wer denn?“

„Deine Freundin vom FBI. Sie hält es für besser, wenn sie nicht mit in Claires Wohnung kommt, sie befürchtet, dass sie sonst jemanden auf deine Spur bringen könnte“, erklärte Heiji und flüsterte leicht.

Aber war es nicht noch auffälliger, wenn sie sich irgendwo auf der Straße trafen?, fragte sich Shinichi innerlich. Andererseits war Jodi die Expertin und er hatte auch keine große Lust auf irgendwelche Diskussionen. „Okay, wo seid ihr denn?“

„In einem Café in der Nähe der Polizeiwache. Deine Freundin weiß, wo es ist, sie sollte dich am besten hinführen“, schlug Heiji vor.

Shinichi warf einen unauffälligen Seitenblick auf Shiho, die einwenig benommen wirkte. „Das ist ungünstig, kannst du mir den Weg nicht einfach beschreiben? Oder mir die Straße sagen? Dann ruf ich mir ein Taxi.“

„So ein Unsinn! Sag Shiho einfach, dass sie dich herführen soll, außerdem will Jodi ohnehin, dass du sie mitbringst. Also, beeilt euch!“ Damit legte Heiji einfach auf.
 

Die Schultern des hellhäutigeren Detektivs sanken ein weiteres Stück nach unten. Das war offenbar nicht sein Tag. „Ai, ich muss dich um einen Gefallen bitten“, wendete er sich schließlich an die Wissenschaftlerin, die ihn mit großen Augen ansah. Nicht etwa, weil er sie angesprochen oder um einen Gefallen gebeten hatte, sondern weil er sie wieder Ai genannt hatte. Das hatte er seit Wochen nicht mehr getan. Aber das erklärte zumindest, warum es so unglaublich gut tat...
 

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Heute habe ich gleich 2 große Dankeschön zu verteilen.

Eines geht natürlich wieder an alle, die so lieb sind und mir einen Kommentar dalassen und dabei auch nicht vor konstruktiver Kritik zurück schrecken.

Das andere geht an MichiruKaiou die von nun an als Betaleserin für diese Story herhalten muss bzw. will und das Lesen der Story damit hoffentlich erleichtert.
 

Ansonsten sei wohl noch zu sagen: Der Anfang mit Heiji und Claire war nötig um einige Fragen zu beantworten, die so manchen Leser offenbar beschäftigt haben. Wenn noch weitere Fragen aufkommen, traut euch nur zu Fragen! Wenn etwas unklar ist, dann muss es geklärt werden.

Mörderische Weihnachten Teil 1

Es war erstaunlich, wie schnell die Zeit verging, wenn man nicht mehr ständig in die Zukunft schaute, die man haben wollte, sondern in die Vergangenheit, in die man am liebsten zurück kehren würde. Mittlerweile waren zwei Wochen vergangen seit Shinichis und Heijis Ankunft in Amerika, doch weder hatten sie die BO noch TWR – den Serienkiller ‚The wild Rose‘ – gefunden, noch waren sie aus dem Apartment von Claire und Shiho ausgezogen. Es war alles ein wenig festgefahren. Obwohl jeder von ihnen ein eindeutiges Ziel vor Augen hatte, schien keiner von ihnen es derzeit erreichen zu können.
 

Claire hatte sich unsterblich in Heiji verliebt, doch er schien es nicht einmal zu bemerken. Mehr noch, mit seiner charmanten Art machte er ihr sogar noch unbeabsichtigt Hoffnungen. Aber der dunkelhäutige Detektiv hatte seine eigenen Probleme, er hatte nämlich Sehnsucht nach seiner Frau und seinem Sohn, anstatt dieses Problem jedoch auszusprechen, stürzte er sich in den Fall von TWR, welchen er unbedingt zur Strecke bringen wollte, bevor dieser sein nächstes Opfer tötete. Das mögliche nächste Opfer, war auch gleich das nächste Problem der vier derzeitigen Bewohner des großen Apartments, denn beim letzten Opfer von The Wild Rose, wurde eine Liste gefunden, die nicht nur die Namen aller bisherigen Opfer enthielt, sondern auch die zukünftiger Opfer und unter diesen Opfern war auch Shiho. Das war der Grund dafür, warum sich das FBI in die Sache eingemischt und Jodie sich mit Shinichi getroffen hatte. Die blonde FBI-Agentin war sich sicher gewesen, dass sich hinter TWR jemand von der BO versteckte, ein Neuzugang zweifelsfrei, denn so gingen die Männer in Schwarz normalerweise nicht vor, aber definitiv jemand, der es nicht nur aus eigenen Motiven auf Shiho abgesehen hatte.

Dies wiederrum verschaffte sowohl Shiho, die einfach nur Angst und deshalb fürchterliche Alpträume hatte, als auch Shinichi, welcher nicht so recht wusste, wie er seine Freundin beschützen konnte und daher die ganze Nacht mit Grübeln verbrachte, eine Menge schlafloser Nächte. Mitterlweile war es so schlimm, dass man es ihnen beiden richtig ansah, dass sie sich nachts die Zeit mit etwas anderem als Schlafen vertrieben. Was natürlich vor allem Claire und Heiji beunruhigte und auch Jodie, die den beiden Detektiven und der einstigen Wissenschaftlerin persönlich Schießunterricht gab, war besorgt, denn so wie die Dinge standen, wäre es nicht ratsam, wenn die beiden durch ihre Müdigkeit unachtsam würden.
 

Zu all dem Ärger wollte noch das Weihnachtsfest hinzu kommen, das unmittelbar vor der Tür stand und im Moment keinem der Anwesenden so recht gelegen kam, denn wer war schon in weihnachtlicher Stimmung, wenn eine skrupellose Verbrecherbande hinter einem her war? Doch Heiji hatte die Sache in die Hand genommen, denn er wollte nicht zulassen, dass sie dieses Weihnachtsfest alle traurig vor dem kleinen Kamin in Claires Apartment sitzen würden, ohne ihre Lieben und nur mit unangenehmen Gedanken. Was er vorhatte, verkündete er seinen drei Freunden, als sie am späten Abend alle zusammen in der Wohnküche am Esstisch saßen und ihr Abendbrot zu sich nahmen.
 

„Ich habe beschlossen, dass wir eine Party feiern!“, verkündete der junge Vater, während er sich ein Brot mit Wurst belegte.

Claire, die gerade einen Schluck heißen Tee trinken wollte, blickte interessiert auf. „Eine Party?“, fragte sie begeistert. „Eine richtige Weihnachtsparty?“

Heiji nickte. „Mit Tannenbaum, Mistelzweig, einem Weihnachtsbraten... und unseren Familien!“ Er sah entschlossen in die Runde. „Ich habe bereits alles organisiert. Shinichis Eltern haben uns eine schöne große Halle gemietet und werden alles weitere regeln.“ Ein Glück für ihn, denn er hätte nicht das Geld oder die Zeit gehabt, so eine Party alleine in Gang zu bekommen. „Ich habe bereits alle eingeladen. Deine Eltern kommen ja sowieso“, meinte er mit Blick auf Shinichi. „Für dich hab ich den Professor eingeladen, er kommt gerne“, dieses mal sah er Shiho an, welche ebenso wenig begeistert von der Idee zu sein schien wie Shinichi. „Meine Familie kommt natürlich auch“, damit meinte er nicht nur Kazuha und das Baby, sondern auch seine Eltern. „Und mit deinen Eltern habe ich auch Kontakt aufgenommen“, verkündete der dunklere der beiden Detektive nun auch Claire.

„Das klingt wirklich toll.“ Claire schien begeistert davon zu sein, die Leute kennen zu lernen, mit denen Shiho in Japan so zu tun gehabt hatte, außerdem auch Heijis Eltern. Und die Aussicht auf einen Mistelzweig war auch nicht schlecht.

„Und was ist, wenn ich gar nicht mit euch feiern will?“ Shiho nippte an ihrem Tee und ließ das leckere Essen, das auf dem Tisch verteilt war, links liegen. Sie hatte das Gefühl, umso weniger sie schlief, desto weniger Hunger hatte sie auch. Ein geschultes Auge bemerkte auch, dass sie in den letzten zwei Wochen ein wenig abgenommen hatte.

„Du hast gar keine andere Wahl, denn wie du weißt, stehst du auf der Liste von The Wild Rose und musst daher ständig bewacht werden“, erklärte Heiji mit erhobenem Zeigefinger und grinste dabei breit, weil die Idee, Shiho nicht mehr aus den Augen zu lassen, von Shinichi gekommen war und dieser jetzt jedes Mal von ihr einen finsteren Blick erhielt, wenn das zur Sprache kam. „Und wie du weißt, werden wir alle auf dem Fest sein und somit musst du mit kommen.“

„Ach?“ Die Rotbraunhaarige zog eine Augenbraue nach oben. „Kudo, du willst also auch auf diese Feier gehen?“ Sie hatte seinen Blick gesehen und war sich sicher, dass er absolut keine Lust auf darauf hatte.

„Nicht wirklich.“ Shinichi lehnte sich seufzend zurück. „Ich bin eigentlich ganz froh, dass ich etwas Abstand von Japan gewonnen habe, da möchte ich nicht unbedingt mal schnell dort hin zurück.“ Und all diese Leute wieder sehen.

„Das musst du doch auch nicht. Wir feiern hier, in Amerika. Die Leute kommen alle zu uns. Außerdem könnt ihr beiden nicht mehr absagen, ich habe schließlich allen schon gesagt, dass ihr kommt und ihr wollt doch zu Weihnachten niemanden enttäuschen, oder?“ Heiji biss mit einem triumphierenden Grinsen in sein Brot und wartete auf Antwort. Allerdings erhielt er nur ein Grummeln von Shinichi und ein genervtes Seufzen von Shiho.

„Gut, dann ist ja alles entschieden. Aber wie machen wir das mit den Geschenken?“ Claire wollte schließlich ein richtiges Weihnachten mit allem drum und dran, also auch mit Geschenken. Es musste ja nichts großes oder teures sein, nur eine Kleinigkeit.

„Daran hab ich auch gedacht.“ Heiji stand auf, ging in das Gästezimmer, welches er und Shinichi derzeit bewohnten und kam mit vier fein säuberlich zusammen gefalteten kleinen Zetteln in der Hand wieder. „Ich habe das schon mit den Leuten besprochen. Wir machen Weihanchswichteln!“

„Bitte was?“, fragte Shiho sofort.

„Jetzt sag nicht, du hast noch nie was davon gehört? Das funktioniert ganz einfach, jeder zieht einen Namen und beschenkt dann die Person, dessen Namen man gezogen hat. Jedenfalls haben die anderen alle schon per Zufallsauswahl jemanden zugeiteilt bekommen. Nur wir vier müssen noch einen Zettel ziehen. Ich dachte mir... der Fairness halber, Claire gegenüber, wäre es ganz praktisch, wenn auf den vier Zetteln nur unsere Namen stehen, deswegen hab ich die anderen schon verteilt.“ Er legte die vier zusammen gefalteten Zettel auf den Tisch und meinte dann: „Ich denke, Claire darf auch zuerst ziehen.“ Er zwinkerte ihr zu, denn sie wusste bereits von ihm, was sie zu tun hatte.

„Oh...“, meinte sie auch nur, nachdem sie den Namen gelesen hatte, fast so, als hätte sie vorher schon gewusst, wen sie beschenken durfte.

„Gut, dann bin ich jetzt dran.“ Heiji nahm sich gezielt einen Zettel und blickte wenig überrascht auf den Namen der darauf stand. „Ich habe übrigens entschieden, dass wir unsere Wünsche nicht auf die Zettel schreiben, dass macht es spannender“, verkündete der Detektiv dann und zwinkerte Claire ein weiteres mal zu.

Wieso hatte Shinichi nur das Gefühl, dass hier was faul war? Aber gut, er hatte keine Lust darüber zu diskutieren, mit Heiji war im Moment ohnehin nicht zu spaßen, also ergab sich auch der hellhäutigere Detektiv und obwohl er innerlich hoffte, einfach seinen eigenen Namen zu ziehen, zog er letzten Endes natürlich den Namen, der für ihn vorgesehen war. „Welche Überraschung...“, murmelte er dazu allerdings nur.

Shiho war die letzte, die einen Zettel zog und natürlich enthielt auch ihr Zettel den Namen, den sie erwartet hatte, sie sagte jedoch nichts dazu, außer: „Sind wir jetzt fertig?“

„Ja.“ Heiji grinste siegreich. „Dann ist ja jetzt alles klar. Aber denkt dran, die Party ist schon in zwei Tagen, ihr habt also nicht viel Zeit zu überlegen.“ Eigentlich gar keine, aber das war ja nicht sein Problem, er und Claire hatten sich ja bereits abgesprochen.

„Na klasse.“ Die Rotbraunhaarige erhob sich seufzend von ihrem Platz, räumte ihr Geschirr weg und machte sich dann auf den Weg in ihr Zimmer. „Ich werde mal sehen, ob mir in einem meiner Alpträume eine Idee kommt. Gute Nacht.“ Und damit war sie auch schon hinter ihrer Tür verschwunden.

„Vielleicht schenke ich ihr ne Packung Baldriantee...“, überlegte Shinichi leise, während er sich ebenfalls erhob, seine Sachen wegstellte und ins Gästezimmer verschwand.

„Das klappt ja wie geschmiert.“ Heiji lehnte sich entspannt zurück und biss erneut in seine Scheibe Brot. „Jetzt müssen wir die beiden nur noch unter den Mistelzweig bekommen.“ Das würde schwierig werden, denn egal ob total übermüdet oder nicht, er war sich sicher, dass die beiden diesen grünen Dingern geschickt aus dem Weg gehen würden.

„Keine Sorge!“ Claire winkte schmunzelnd ab. „Ich denke, ich weiß schon wie wir das machen.“ Sie würde die beiden ganz einfach an die richtige Stelle locken.

„Gut und wenn das die beiden nicht endlich auf den Trichter bringt, dann weiß ich auch nicht mehr“, nickte der junge Vater und bemerkte einmal mehr nicht den Blick, den Claire ihm zuwarf.
 

Sie war wirklich begeistert von ihm, aber gleichzeitig war sie im Moment auch etwas besorgt. Er wirkte so... überdreht. Die Art, wie er sich in die Vorbereitungen für das Weihnachtsfest hinein gesteigert hatte, die Tatsache, dass er sich plötzlich in die Beziehung von Shinichi und Shiho einmischte und natürlich auch seine fieberhafte Suche nach TWR, das alles schien irgendwie nur dazu zu dienen, um etwas zu verdrängen oder zu überspielen. Aber was? Ob er vielleicht heimweh hatte? Wenn das so war, dann musste sie vielleicht versuchen, ihm Amerika angenehmer zu machen.
 

Sie wollte gerade den Mund öffnen und etwas sagen, da erhob er sich plötzlich und die Worte in Claires Mund blieben unausgesprochen. Stattdessen nickte sie nur, als er sich bei ihr für die Hilfe bedankte bezüglich der Sache mit Shinichi und Shiho und sah ihm wortlos nach, als er ins Gästezimmer verschwand. Die Studentin seufzte leise. Zu ihrer Weihnachtsfeier, das schwor sie sich, da würde sie ihm ihre Gefühle gestehen und einfach darauf hoffen, dass er sie erwidern würde...
 

~*~
 

Es war weit nach Mitternacht und in der Wohnküche des Apartments war nichts weiter zu hören als das Knistern des flackernden Feuers im Kamin. Dennoch war noch jemand wach. Shiho saß in ihrem Pyjama auf der großen Ledercouch, in eine Decke gemummelt und schaute von dort aus dem Fenster, wo man einige Schneeflocken zu Boden fallen sah. Sie hatte einmal wieder nicht einschlafen können. Die Angst vor einem erneuten Alptraum war einfach zu groß. Also hatte sie sich ins Wohnzimmer zurück gezogen, wo die Dunkelheit und Einsamkeit, die ihr plötzlich solche Angst machte, nicht ganz so groß schien, weil das Feuer des Kamins den Raum etwas erhellte und die Zimmer ihrer Freunde um sie herum verteilt waren.
 

Sie konnte sich gar nicht wirklich erklären, woher diese Furcht eigentlich kam, immerhin hatte sie doch vorher schon gewusst, dass es die BO auf sie abgesehen hatte. Aber es war eben doch anders, wenn man genau wusste, dass ein bekannter Serienkiller, der auch noch mit den Männern in Schwarz zu tun hatte, hinter einem her war. Und obgleich sie eigentlich in guten Händen war, weil Shinichi wirklich fast schon etwas zu sehr auf sie Acht gab, fühlte sie sich nicht wohl bei der Sache. Sie wollte Shinichi nicht immer in ihrer Nähe haben, sie wollte nicht, dass er um sie besorgt war – denn das war ihm deutlich an zu sehen – und das er ihretwegen sein eigentliches Ziel, nämlich Ran zu rächen, vergaß. Sie hatte ihm auch schon ein paar Mal gesagt, dass sie keinen Wert auf seinen Schutz legte und gut alleine klar käme, aber in solchen Dingen war der Detektiv eben stur und, wenn sie ganz ehrlich zu sich war, machte Shiho das auch glücklich.
 

Die Tür vom Gästezimmer ging auf und Shinichi trat heraus. Er trug eine Schlafhose und ein weites T-Shirt darüber und sah somit nicht gerade wie ein berühmter Detektiv aus, dem man sich anvertrauen würde. Aber zum Glück sah ihn ja außer Shiho, Claire und Heiji niemand so. Die schwarzen Ringe unter seinen Augen allerdings, die sah jeder und sie ließen ihn erschreckend alt wirken. Aber genau so wie seine rotbraunhaarige Freundin konnte er einfach keine Ruhe finden.
 

Also setzte er sich zu ihr auf die Couch. und fragte dann: „Wie machst du das? Trinkst du Kaffee, um die Zeit bis zum Sonnenaufgang in einem etwas wacheren Zustand rum zu bekommen oder lässt du es sein, in der Hoffnung, dass du doch noch Schlaf findest?“

Shiho sah ihn einen Moment an und wendete ihren Blick dann wieder zum Fenster. „Ich trinke keinen und warte darauf, dass ich die Nacht rum bekomme, ohne noch einmal ein zu schlafen.“ Denn Einschlafen bedeutete in der Regel Träumen und genau diese Alpträume waren ja der Grund für ihren Schlafmangel. „Und was machst du normalerweise? Dich im Bett von links nach rechts und wieder zurück wälzen, bis dir klar wird, dass es sich sowieso nicht mehr lohnt, noch einmal ein zu schlafen?“ Immerhin war es die erste Nacht, die er sie hier im Wohnzimmer besuchte.

„So ähnlich“, nickte Shinichi und beobachtete dann ebenfalls die Schneeflocken beim Fallen. „Warum machst du nicht den Fernseher an? Das was da kommt, ist sicherlich unterhaltsamer, als den Schneeflocken beim Fallen zu zu schauen.“ Fand er zumindest.
 

Shiho reichte ihm wortlos die Fernbedienung, die neben ihr gelegen hatte, blickte aber weiterhin aus dem Fenster. Offenbar wollte sie, dass der Detektiv selbst herausfand, was sie davon abhielt den TV zur Unterhaltung zu benutzen.

Schon der erste Sender, der nach dem Einschalten auf dem riesengroßen Fernseher zu sehen war, ließ erahnen, warum das gute Teil nachts besser aus bleiben sollte. Denn der Sender, den Shinichi als Sender mit dem meisten Seifenopern und Telenovelas kennen gelernt hatte, spielte gerade einen äußerst beindruckenden Porno, nicht beeindruckend, weil der Detektiv Interesse an Pornos hätte, sondern weil die Stellung in der das Pärchen sich befand – seiner Meinung nach – Gummiknochen als Voraussetzung hatte.

Schnell schaltete er um und landete bei einem Horrorfilm mit Zombies, die sich gegenseitig die Köpfe abrissen und selbige dann sabbernd verspeisten. Mit einem Anflug von Übelkeit zappte Shinichi weiter durch die Programme des amerikanischen Fernsehens. Überall Pornos, Horrorfilme oder Sendungen, die wegen sexueller Inhalte und Gewaltverherrlichung nicht für Jugendliche unter sechzehn Jahren geeignet waren. Ab und zu traf er noch mal auf die 900. Wiederholung einer beliebten alten amerikanischen Serie wie die Bill Cosby Show, aber mal ehrlich, wer wollte die kleine Vanessa nach ihrem ersten Saufgelage zum 900. Mal in einen Eimer kotzen sehen?

Die letzte Hoffnung legte Shinichi auf seinen Lieblingssender. Ein Nachrichtensender, der nur gelegentlich von nützlichen Reportagen und Sachen wie dem amerikanischen Welt der Wunder unterbrochen wurde. Doch auch dort sollte der Braunhaarige enttäuscht werden, denn offenbar gab es in Amerika auch ein Welt der Wunder 18+, zumindest konnte er sich nicht anders erklären, wie man so detailiert erklären und zeigen konnte, wie man einer Frau den perfekten Orgasmus bescherte.

Seufzend stellte der Detektiv den Fernseher wieder aus und während er einmal tief einatmete – denn er war schließlich auch nur ein Mann und das was er da gesehen hat, war ziemlich heiß gewesen – sah er aus den Augenwinkeln wie Shiho etwas schmunzelte.
 

„Weißt du... was ich mich manchmal frage?“ Shinichi lehnte sich etwas zurück und legte seine Arme auf die Couchlehne, so, dass es auf den ersten Blick so aussah, als würde er einen Arm um Shiho legen.

„Nein, was denn?“ Warum amerikanisches Fernsehen trotz der Tatsache, dass dieses Land so prüde schein, so versaut war? Das jedenfalls hatte sie sich die erste Zeit gefragt.

„Wo wären wir jetzt, wenn wir tatsächlich nach Mexico gegangen wären, nachdem ich dich aus dem Gefängnis raus geholt hab?“ Er war auf diesen Gedanken gekommen, als Jodie ihnen klar gemacht hatte, dass es ihr lieber wäre, sie würden irgendwo untertauchen, als sich an der erneuten Zerstörung der BO zu beteiligen.

„Naja, da es in Mexiko nicht viel später ist als hier, würde ich sagen, wir würden jetzt gerade im Bett liegen und von dem Träumen, was wir zurück gelassen haben.“ Ihre Heimat, ihre Freunde, ihre Familie – wenn vorhanden – und ihre Identität. Ihr ganzes Leben, wenn man es genau nahm.

„Also denkst du, dass es nicht geklappt hätte?“

Sie hob die Schultern. „Das kommt darauf an, wie man es betrachtet. Wir wären vermutlich in Sicherheit gewesen und hätten auch ein relativ glückliches Leben führen können, fernab von unserer Vergangenheit. Aber wie viel wäre dieses Glück wert gewesen, wo es doch nur auf Lügen basiert?“ Und wie lange hätte dieses Glück gehalten, wenn es Shinichi nicht gelungen wäre, los zu lassen?

Der Detektiv nickte. Er wusste, dass sie im Grunde Recht hatte, trotzdem bereute er manchmal, dass er nicht auf seiner Entscheidung beharrt hatte, so wäre immerhin einiges leichter geworden, oder zumindest hätten sie beide jetzt vermutlich nicht mehr die BO am Hals. „Und wo wären wir jetzt, wenn die Männer in schwarz nicht zurück gekehrt wären?“

„Getrennt.“ Das war der erste Gedanke, der Shiho bei dieser Frage gekommen war und sie hatte es nicht verhindern können, ihn aus zu sprechen. „Du würdest in Japan glücklich mit Ran leben und ich...“

„Würde in Amerika glücklich mit Professor Founder flirten?“ Er konnte den Spieß auch umdrehen, denn er war aus dem naiven Alter raus, in dem er nicht genau verstanden hätte, was sie hinter ihren Worten verbarg.

Die einstige Wissenschaftlerin blickte ihn einen Moment leicht genervt an, denn auch wenn sie sich zunächst noch an seiner Eifersucht erfreut hatte, fand sie sie mittlerweile ziemlich nervig. Auf der anderen Seite musste sie sich fragen, ob Shinichi ihre Eifersucht auf Ran, selbst jetzt, wo sie tot war, nicht ebenso nervig fand. „Nein, er ist nicht mein Typ. Obwohl...“

„Obwohl was?“ Das interessierte ihn jetzt.

„Er ist auf jeden Fall romantischer veranlagt als gewisse andere Leute. Und er traut sich bestimmt auch seine Gefühle direkt auszusprechen.“ Zumindest schätze sie ihn als einen solchen Menschen ein und selbst wenn sie sich da täuschte, war er im Moment ein Mittel zum Zweck, dass sich einfach angeboten hatte.

„Solche Typen sind doch total out.“ Als ob er Ahnung davon hätte... „Die stillen Typen, sind doch viel besser.“

„Weil man ein halbes Leben auf sie warten muss?“

„Nein, weil sie interessant sind. Immerhin weiß man nie, was sich hinter ihrem Blick verbirgt.“

Shiho lachte leise, denn sie wollte Heiji und Claire ja nicht wecken. „Dann gehörst du aber nicht zu den stillen Typen, Kudo.“

„Wieso nicht?“

„Weil man deine Gedanken in deinen Augen lesen kann.“

„Du kannst das! Und die Leute die mich besser kennen, aber fremde können das nicht.“ Hoffte er zumindest, denn ein guter Detektiv brauchte sein Pokerface. Vor allem er, der noch so jung war, dass niemand hinter ihm eine ernst zu nehmende Gefahr witterte, so dass seine Nachforschungen ihm extrem vereinfacht wurden.

„Kudo?“ Shiho ließ sich zur Seite fallen und kam schließlich auf der großen Couch zum liegen, hatte sich allerdings so zusammen gerollt, dass sie Shinichi weder berührte noch ihm irgendwie den Platz nahm.

Er gähnte leise und beobachtete sie dann. „Was ist? Willst du mir jetzt sagen, was ich denke?“

Die Rotbraunhaarige schüttelte den Kopf. „Nein, ich wollte dich nur fragen, ob du hier bleibst.“ Sie wollte nicht sagen, dass sie Angst hatte, ein zu schlafen, wenn sie alleine war und das seine Anwesenheit ihr ein Stück Sicherheit gab, aber genau das war der Grund.

„Ja, ich werde heute ohnehin keinen Schlaf mehr finden.“ Er sah, wie sie nickte und dann die Augen schloss.
 

Innerlich musste er seufzen. Er allein war Schuld, dass sie erneut in diese Situation geraten war. Hätte er anders gelebt, wäre er nicht mit ihr nach Amerika zurück gekehrt, dann wären die Dinge vielleicht anders verlaufen. Vielleicht wäre die BO ohne ihn gar nicht noch einmal auf Shiho aufmerksam geworden. Oder sie hätte wenigstens nichts davon erfahren, dass sie ein Ziel von TWR war, damit wäre sie zwar nicht sicherer gewesen, hätte aber wenigstens ruhig schlafen können. Doch was nützten diese Überlegungen jetzt noch? Es war ohnehin zu spät, alles was er noch tun konnte, war sie zu beschützen...
 

~*~
 

Das Weihnachtsfest kam schneller, als Shinichi und Shiho lieb war und so saßen die beiden jetzt mit Heiji und Claire in dem Mietwagen des dunkelhäutigen Detektivs und fuhren zu dem kleinen Hotel, in dem die Festhalle war, in welcher die Party stattfinden würde. Das Hotel, in dem nicht nur die Feier stattfand, sondern auch die Gäste übernachten würden, war von außen weihnachtlich geschmückt, der Portier, der den neuen Gästen die Tür öffnete, war in ein Weihnachtsmannkostüm gesteckt worden und der Schnee, der leise auf die Straße rieselte, gab dem Ganzen noch den letzten Kick an weihnachtlicher Stimmung.
 

Allerdings waren Shinichi und Shiho beim besten Willen nicht bereit, sich dieser Stimmung zu öffnen. Stattdessen trotteten sie nur merklich lustlos hinter Heiji und Claire her, als sie vor dem Hotel angekommen waren. Die Dame am Empfang erklärte ihnen kurz, dass die Gäste die Halle noch nicht betreten hatten, sondern wohl alle noch in ihren Zimmern waren. Das sollte Heiji und Claire jedoch nur recht sein, denn was sie mit dem hellhäutigerem Detektiv und seiner Freundin vorhatten, brauchte keine 20 Augenpaare, die auf sie starrten.
 

So betraten sie also zu viert die relativ große und weihnachtlich geschmückte Festhalle und kaum dass sie vier Schritte in den Raum gemacht hatten, blieben Heiji und Claire plötzlich stehen, was Shinichi und Shiho ebenfalls dazu zwang, stehen zu bleiben, denn die beiden waren hinter ihnen gelaufen.
 

„Und, wie findet ihr die Halle?“, erkundigte sich Heiji bei seinen Freunden.

„Ziemlich übertrieben“, antwortete Shiho und blickte sich einmal genau um. Der Weihnachtsbaum war übergroß, die Tafel mit dem kaltem Büffet ebenso und die Sitzgelegenheiten, die in der ganzen Halle verteilt waren, erinnerten sie an ein viktorianisches Schloss.

„Hey! Immerhin kommen hier unsere Lieben zusammen, da sollte man nicht sparen! Außerdem haben es ja Shinichis und Claires Eltern bezahlt“, gab er dann schmunzelnd zu. Er selbst hätte vermutlich auch eine etwas weniger angeberische Location gemietet, selbst wenn er steinreich wäre. Aber einen geschenkten Gaul schaute man ja bekanntlich nicht ins Maul.

„Und offenbar haben sie auch für einen Mistelzweig gesorgt!“ Die einstige Wissenschaftlerin deutete mit den Augen auf das grüne Gestrüpp, das über Claire und Heiji hang. Man konnte Shiho ansehen, dass sie wirklich gespannt war, wie Heiji mit der Situation umgehen würde, denn selbst wenn er nicht bemerkt haben sollte, dass Claire auf ihn stand und er somit nicht wusste, dass er ihr mit einem Kuss nur noch mehr Hoffnungen machen würde, würde er, als verheirateter Mann und Vater, sie ja wohl kaum küssen wollen, Tradition hin oder her.

Aber der dunkelhäutige Detektiv schien schon genau zu wissen, was er tun würde, denn er blieb ganz entspannt, als er Claires Hand nahm und einen Kuss darauf hauchte. „Vielen Dank für deine Hilfe in den letzten Tagen“, lächelte er der jungen Studentin zu, die ganz hin und weg war, auch wenn sie sicherlich auf einen Kuss auf den Mund gehofft hatte.

„G-Gern geschehen“, flüsterte sie mit geröteten Wangen und blickte ganz gebannt auf ihre Hand. Natürlich war dort nichts zu sehen, aber sie fühlte noch ganz deutlich das warme Prickeln.

„Claire...“ Shiho fand, dass es jetzt wirklich ganz dringend Zeit war, ihre Freundin über Heijis Familienstand auf zu klären, immerhin würde Kazuha mit ihrem kleinen Sohn hier sicherlich jede Sekunde auftauchten, doch die Wissenschaftlerin wurde unterbrochen, bevor sie ihren Satz überhaupt richtig angefangen hatte.

„Übrigens, guckt mal, wo ihr beide steht!“ Mit einem breiten Grinsen schnappte sich der Detektiv aus Osaka die Hände von Shinichi und Shiho und zog die überrachten zwei direkt unter den Mistelzweig unter dem er und Claire gerade noch gestanden hatten, mittlerweile aber ein paar Schritte zurück getreten waren. Natürlich hätten sich der Detektiv aus Tokio und die einstige Wissenschaftlerin gewehrt, wenn sie gewusst hätten, was passieren würde, aber sie waren viel zu überrascht gewesen.
 

Shinichi und Shiho blickten nach oben und entdeckten das weihnachtliche Grünzeug, das sie dazu zwingen sollte, sich zu küssen, doch wenn Heiji und Claire geglaubt hatten, dem Glück der beiden mit so einem simplen Trick auf die Sprünge helfen zu können, hatten sie sich gewaltig verrechnet.
 

„Und?“, fragte Shiho unbeeindruckt und entfernte sich anschließend von Shinichi und dem Mistelzweig. „Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass ich mir von diesem Grünzeugs vorschreiben lasse, wen ich küssen soll, oder?“

„A-Aber das ist doch eine Tradition!“ Claire kannte die Rotbraunhaarige ja auch schon eine Weile, aber damit das Shiho nicht einmal einen Gedanken daran verschwenden würde, die Gelegenheit zu nutzen, um den Detektiv zu küssen, hatte sie nicht gerechnet.

„Na und! Niemand der sich nicht küssen will, wird sich unter diesem Ding küssen, Tradition hin oder her!“ Man konnte sie ruhig eine Spielverderberin nennen, aber sie würde auf keinen Fall nachgeben, zumal sie wusste, dass Claire und Heiji das alles eingefädelt hatten um sie und Shinichi einander näher zu bringen. Sie wollte aber nicht, dass irgendetwas zwischen ihnen erzwungen wurde. Sollte es jemals zu einem Kuss kommen, dann sollte der Detektiv ihn ihr freiwillig geben und vor allem auch ohne lästige Zuschauer, selbst wenn es nur ihre Freunde waren.

„Es bringt Unglück, wenn man dieser Tradition nicht folgt!“, versuchte Claire dennoch, ihre Freundin noch zu einem Kuss zu überzeugen. Selbst wenn es am Ende nur ein Handkuss war oder ein Kuss auf die Stirn, so wäre es doch wenigstens ein Anfang.

„Ich glaube nicht, dass unser Unglück noch verschlimmert werden kann, oder Kudo?“

Shinichi, der bisher nur still dagestanden und unschlüssig den Mistelzweig angestarrte hatte, wendete seinen Blick endlich wieder auf seine Freunde. „Nein, ich denke auch nicht“, antwortete er dann, wirkte aber nicht so recht überzeugt.
 

Er konnte es nicht erklären, aber er war irgendwie... enttäuscht? Völlig egal ob diese Situation arrangiert war oder nicht oder ob sie beide wenig von Traditionen hielten, er hätte doch damit gerechnet, dass Shiho es zumindest in Erwägung gezogen hätte, ihn zu küssen. Stattdessen hätte man fast meinen können, sie wäre geflüchtet, nur für den Fall, dass er es doch vorgehabt hätte. Es war nicht so, dass Shinichi wirklich daran gedacht hätte, aber... es störte ihn trotzdem.
 

Heiji wollte gerade dazu ansetzen, Einspruch zu erheben und die beiden Spielverderber zu nennen, als sich die Tür zum Saal öffnete und die geladenen Gäste eintraten. Zu Shinichi kamen natürlich sofort seine Eltern, welche ja nicht einmal zu Rans Beerdigung hätten kommen können und nun mit ihrem Sohn reden wollten.

Shiho kam mit dem Professor ins Gespräch, der verkündete sie und Shinichi sehr vermisst zu haben. Ein Glück, dass Shiho trotz des plötzlich aufgekommenen Trubels Claire weiterhin im Auge behalten hatte, die zwar gerade von ihren Eltern abgelenkt wurde, aber dennoch gleich den Schock ihres Lebens erleben würde.

Kazuha betrat mit Heijis Eltern endlich die Halle und auf ihren Arm hatte sie den kleinen Akio, der von den ganzen Eindrücken in der Halle ganz quirlig schien. Als er jedoch das bekannte Gesicht seines Papas entdeckte, war es um ihn geschehen. Er hielt drängelnd seine Arme zu Heiji hin und machte seinen Unmut auch sofort kund, als sein Vater zuerst Kazuha mit einem innigen Kuss begrüßte, anstatt ihn sofort auf den Arm zu nehmen.

Claire hatte die ganze Szene beobachtet und wo sie zuerst noch geglaubt hatte, Kazuha wäre nur eine Schwester und der kleine Akio ein Neffe oder so, so musste ihr doch spätestens nach dem Kuss klar sein, dass sie in einen Mann verliebt war, der Frau und Kind hatte. Sie verstand es nicht. Es hatte niemand etwas davon gesagt, dass Heiji vergeben war, auch er selbst hatte nie darüber gesprochen. Außerdem hatte er doch... er hatte... er hatte ihr doch Hoffnungen gemacht. Sie dachte... er würde sie auch mögen. Aber jetzt...
 

Shiho trat an ihre Freundin heran und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Tut mir leid, Claire.“ Sie konnte sich in etwa vorstellen, wie ihre Freundin sich jetzt fühlen musste, aber sie wusste nicht, wie sie ihr helfen konnte.

Claire blickte ihre Freundin fassungslos an. Sie sollte es nicht so schwer nehmen? Hatte Shiho überhaupt eine Ahnung, wie sehr sie diesen Mann mochte und wie oft sie sich in den letzten Wochen vorgestellt hatte, für ihn alles hin zu schmeißen und mit ihm nach Japan zu gehen? „Wieso? Wieso hat mir das niemand gesagt?“ Man sah der Amerikanerin an, dass sie um Beherrschung rang.

„Ich wollte ja, aber irgendwie hat es sich nie ergeben, außerdem hatte ich gehofft, Heiji würde von selbst bemerken, dass du in ihn verliebt bist und die Sache mit dir klären. Aber ich habe mich offenbar geirrt... Weist du, ich dachte nur, es wäre besser für dich, wenn er es dir selbst sagen würde.“ Shiho hätte ihrer Freundin dieses Szenario wirklich gerne erspart, aber immer dann, wenn sie ihr doch hatte sagen wollen, dass Heiji verheiratet und Vater war, war irgendetwas dazwischen gekommen.

„Ja, mir auch.“ Claire schaffte es nicht länger, gegen die Tränen an zu kämpfen und stürmte davon in eines der hinten Zimmer. Zuerst wollte die einstige Wissenschaftlerin ihr folgen, doch dann entschied sie, dass die Studentin vielleicht auch einfach erst einmal ein paar Minuten für sich brauchte und diese Minuten sollte man ihr auch lassen.

„Der Abend fängt ja toll an, was?“, erkundigte sich Shinichi bei der Rotbraunhaarigen, als diese sich neben ihm auf eine Couch in eine etwas ruhigere Ecke de Saales setzte. Obwohl die erste Aufmerksamkeit hauptsächlich ihnen beiden gegolten hatte, war jetzt jeder im Saal mit etwas oder jemand anderem beschäftigt und die beiden von der BO gejagten waren dankbar dafür.

„Ja, merry Christmas everyone“, seufzte Shiho, die in ein hübsches schwarzes Kleid mit langem Rock gekleidet war, welcher an der Seite einen Schlitz hatte, der ihre langen Beine Preis gab, wenn sie ihre Beine übereinander schlug, wie sie es eben in diesem Moment tat.

Shinichi blickte sich ein wenig um und lockerte dann den oberen Knopf seines Hemdes, er fand es irgendwie ziemlich stickig in der Halle. Er hatte keinen Anzug angezogen, eine halbwegs elegant aussehende schwarze Jeans und ein weißes Hemd reichten seiner Meinung nach auch. „Sei mal ehrlich, Ai! Hast du vorhin unter dem Mistelzweig nur keinen Kuss von mir verlangt um Claire und Heiji eins auszuwischen?“ Das wäre für ihn eine plausible Erklärung, mit der er leben könnte.

Doch Shiho enttäuschte ihn. „Nein, ich halte wirklich nichts von dieser Tradition. Wieso? Hättest du mich etwa gerne geküsst?“, sie fragte es mehr scherzhaft, aber etwas Neugierde steckte durchaus in ihren Worten.

„N-Nein.“ Ob das jetzt so glaubwürdig klang? „Ich war nur überrascht. Ich dachte immer... ihr Frauen findet das so romantisch.“

„Ich gehöre aber nicht zu der Sorte Frau, Shinichi. Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, du wüsstest das.“ Immerhin waren sie, als sie am Tag zuvor mit Claire und Heiji die Weihnachtseinkäufe erledigt hatten, bestimmt unter einem dutzend Mistelzweige durch gegangen, aber sie hatte nie auch nur ein Wort darüber verloren.

„Und zu welcher Sorte Frau gehörst du dann, wenn du nicht auf der romantisch bzw. kitschigen Schiene fährst?“, fragte er interessiert.

„Ich fahre auf der ehrlichen Schiene. Auf einer Strecke, auf der nichts erzwungen oder inszeniert ist. Ich will kein Flaschendrehen oder Mistelzweige oder was man sonst noch dazu verwendet, um zwei Leute dazu zu bringen, sich zu küssen. Ich möchte einen ehrlichen Kuss, der von Herzen kommt und mehr bedeutet als nur, dass man eine Tradition erfüllt oder ein Spiel gewinnt.“

Shinichi musste ein wenig schmunzeln, denn genau genommen war diese Sicht der Dinge auch romantisch und kitschig, aber das sagte er ihr lieber nicht. „Ran hat immer gesagt, man küsst sich nicht einfach so, wenn man sich nicht mag. Sie meinte, wer sich unter dem Mistelzweig küsst, der empfindet auch etwas füreinander.“ Vermutlich einer der Gründe, warum sie grundsätzlich geschmollt hatte, wenn er den Mistelzweigen auf Weihnachtsfeiern aus dem Weg gegangen war.

„Ach ja?“ Wieso musste er jetzt mit ihr anfangen? Warum gerade jetzt? Die ganzen letzten Tage hatte er kein Wort mehr über sie verloren und ausgerechnet jetzt musste er natürlich wieder mit ihr kommen. Shiho hasste ihn dafür. Sie wusste, dass er es nicht mit Absicht tat, aber jedes Mal, wenn er sie erwähnte, stach er ihr ein Messer durch die Brust. Sie verstand ja, dass er an sie dachte, aber musste er das ihr gegenüber immer erwähnen? War es nicht so schon schwer genug für sie? „Du wirst sie nie los lassen können...“, seufzte die einstige Wissenschaftlerin schließlich leise und erhob sich von der Couch. Sie wollte sich das nicht länger anhören.

„Ai warte!“ Er griff nach ihrer Hand und hielt sie vom gehen ab. Er sah sie an, hilfesuchend, irgendwie verzweifelt und gerade wollte er noch etwas sagen, da hörte man plötzlich einen lauten Schrei aus einem der Hinterzimmer.

„Das war Claire...“, stellte Shiho entsetzt fest, riss sich von Shinichi los und stürmte dann in das Zimmer, aus dem der Schrei gekommen war, gefolgt von Shinichi und so ziemlich allen anderen anwesenden.
 

Als Shiho die Tür zu dem dunklen Zimmer aufriss, entdeckte sie Claire am Fenster, welches das Zimmer durch das Licht einer Straßenlaterne ein klein wenig beleuchtete. Das ehemalige Mitglied der BO schaltete das Licht an und nun war nicht mehr zu verkennen, was Claire zu diesem Aufschrei gebracht hatte. Das ganze Zimmer war voller Blut und auf dem Boden, gar nicht so weit weg von Claire lag eine Leiche, die auf schlimmste Weise zugerichtet wurden war. Shiho war ja einiges gewöhnt, aber bei diesem Anblick wurde ihr schlecht.
 

„Großer Gott...“, hörte sie Professor Agasa flüstern, der direkt hinter ihr stand und nach dem ersten entsetzen Schweigen, wurde es plötzlich laut. Shinichis Vater zückte sein Handy und rief die Polizei, Heiji drängte Kazuha dazu, dem Raum ja nicht zu nahe zu kommen, am besten das Fest ganz zu verlassen, damit das Baby nichts von dem allem mitbekam, Shinichi trat indes in den Raum und während Shinichis Mutter erst einmal die kreidebleiche und vor Schreck erstarrte Claire vorsichtig aus dem Raum hinaus führte, begannen der Detektiv mit der ersten Beweisaufnahme.

Zunächst wollte sich Shiho abwenden, doch dann entdeckte sie, dass sie das Gesicht des toten Mädchens, dass laut der Uniform hier im Hotel arbeitete, kannte. „Das ist Rebecca...“, schluckte die Rotbraunhaarige.

„Du kennst sie?“, wunderte sich Shinichi, während auch er Mühe hatte, beim Anblick der jungen Frau, der man Hände, Füße und den Kopf vom Körper abgeschnitten hatte, nicht doch so etwas wie Übelkeit in sich aufkommen zu lassen.

„Sie... sie ist in meinem Physikkurs und sie... sie stand auf der Liste von TWR.“ Doch nichts hier deutete auf ‚The Wild Rose‘ hin. Normalerweise waren seine Opfer bis auf den Einschuss immer unversehrt und hier waren auch nirgendwo die typischen Rosenblüten zu sehen. War jemand dem Mörder also zuvor gekommen oder hatte er seine Strategie geändert?

Shinichi blickte sich im Raum um, plötzlich fiel ihm ein unscheinbarer Zettel ins Auge, der auf einer Spiegelkomode lag, welche offenbar dazu gedacht war, dass die Gäste der Feierlichkeiten sich hier wieder zurecht machen konnten. Shinichi trat an den Zettel heran und las sich leise durch, war darauf geschrieben war. „Du kannst sie nicht beschützen, Shinichi Kudo.“ Der Detektiv schaute zu Shiho auf, die noch immer fassungslos auf die Leiche starrte und ihm war klar, dass es sich bei dem Mörder nicht um TWR gehandelt hat, aber von jemanden aus der BO, jemandem der ihnen beiden eine Nachricht hinterlassen wollte und Shinichi hatte sie verstanden...
 

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Zuerst einmal wollte ich mich entschuldigen, dass es so lange gedauert hat, ich hatte mal wieder einen Hänger.

Dann wollte ich mich natürlich auch für die Kommentare zum letzten Kapitel bedanken.

Als nächstes kommt eine Entschuldigung für eventuelle Rechtschreib- und Grammatikfehler, aber ich musste die Story nach dem Betalesen Inhaltlich nochmal überarbeiten und wollte euch nicht noch länger warten lassen.

Zuletzt noch... falls die Frage aufkommt, warum Claire in dem dunklen Raum saß und die Leiche erst so spät entdeckt hat, dass erfahrt ihr dann im zweiten Teil!
 

Also, bis zum nächsten Kapitel.

Mörderische Weihnachten Teil 2

Hallo an alle Leser! Ich hoffe ihr hattet ein schönes Weihnachtsfest und seit gut reingerutscht.

Hier kommt endlich das neue Kapitel zu 'Save me from the Dark', welches eine Szene enthält, auf die ihr sicherlich alle gewartet habt ^.~

So, lange Rede, kurzer (oder kein) Sinn, hier ist das nächste Kapitel! Ich hoffe ihr habt viel Freude daran. Über Feedback würde ich mich natürlich auch sehr freuen.
 

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Mörderische Weihnachten Teil 2
 

Kaum eine halbe Stunde nachdem man die Leiche von Rebecca Steel entdeckt hatte, war in dem Hotel die Hölle los. Der Hoteldirektor diskutierte im Flur Lautstark mit einem Polizisten darüber, ob die Gäste des Hotels wirklich über den Vorfall informiert werden mussten oder nicht. Der Personalchef des Hotels machte mit leichenblassem Gesicht einem anderen Polizisten Angaben über Rebecca, die sich als Dienstmädchen im Hotel ihr Studium finanziert hatte. Der Raum, in dem man die Leichte gefunden hatte, wurde von drei Polizisten untersucht, die alle vorhandenen Beweise sicherten. Die Leichte war inzwischen fort gebracht worden.

 

Die Gäste der Weihnachtsfeierlichkeiten waren bis auf Kazuha und das Baby alle in den großen Festsaal zurück gekehrt und warteten dort darauf, befragt zu werden. Claire stand noch immer unter Schock und auch alles Beruhigende zureden von ihren Eltern brachte sie nicht dazu, auf zu hören mit weinen und zittern. Shinichi und Heiji hatten inzwischen Jodiee informiert, welche eben angekommen war und sich sowohl von den beiden Detektiven, als auch von den zuständigen Polizisten erzählen ließ, was passiert war und was sie bisher wussten. Der hellhäutigere der beiden Detektive berichtete auch von der Nachricht, die er erhalten hatte, von der Shiho, die ebenfalls auf Claire einredete, allerdings nichts wusste.

 

„Das ist ziemlich eindeutig“, seufzte Jodie. „Wir haben es hier mit der BO zu tun und so wie ich das sehe, ist der Mörder vermutlich schon über alle Berge.“ Oder er versteckte sich unter den vielen Hotelgästen bzw. über 50 Angestellten des Hotels, zu dem noch ein Wellnessbereich und ein Restaurant gehörten.

Heiji nickte widerwillig. „Im Moment sind uns die Hände gebunden. Das Mädchen ist schon seit über drei Stunden tot, es ist also unwahrscheinlich, dass der Mörder sich noch hier aufhält, vor allem wenn es sich wirklich um ein Mitglied der BO handelt.“ Mit anderen Worten, sie konnten eigentlich überhaupt nichts tun. Heiji hasste dieses Gefühl.

„Laut des Personalchefs und auch aller anderen Befragten wurden die Räumlichkeiten für die Feier bereits heute Morgen um acht Uhr fertig gemacht und seit dem hat niemand mehr den Raum betreten bis auf euch und ihr seit ja auch erst knapp drei Stunden nach der Tat hier angekommen. Sonst hat man niemanden gesehen, der die Räumlichkeiten betreten oder verlassen hätte“, erkläre Jodie, während sie mit Argusaugen die Polizisten beim sicherstellen der nicht vorhanden Beweise beobachtete.

„Aber die Fenster sind doch ziemlich groß und wir sind nur knapp 50 cm über dem Boden, genau genommen könnte der Täter doch auch durch eines der Fenster geflüchtet sein, oder?“, überlegte Heiji.

Jodie schüttelte mit dem Kopf. „Es war aber keines der Fenster geöffnet, soweit die Polizisten das den Aussagen entnehmen konnten und es ist absolut unmöglich die Fenster von außen zu schließen.“ Immerhin hatten die Polizisten diese Möglichkeit auch in Betracht gezogen.

„Woher wollen Sie wissen, dass kein Fenster geöffnet war? Immerhin könnte Claire es doch geschlossen haben?“, wagte Heiji zu vermuten und blickte dann zu Shinichi, dessen abwesender Blick auf Shiho lag. „Du musst dir keine Sorgen machen, hier ist alles voller Polizisten, sie ist hier sicher“, versicherte der dunkelhäutigere seinem Freund mit einem aufheiternden Blick.

Shinichi sah nicht überzeugt aus, aber er ging auch nicht weiter darauf ein, sondern meinte zu Jodie: „Wir sollten unbedingt Claire befragen. Sie ist die Einzige, die uns sagen kann, ob ein Fenster offen war oder nicht.“ Der Witwer drehte sich zu seinem Freund um: „Du solltest lieber hier bleiben und dich noch einmal umsehen.“ Immerhin würde Claire in seiner Gegenwart kaum sprechen.

„Wieso denn?“, fragte Heiji jedoch überrascht. Er hatte nichts von Claires Problem mit ihm mitbekommen.

„Mach einfach!“, antwortete Shinichi ihm jedoch auch nur und ging dann mit Jodie zusammen zu der geschockten Studentin, die auf einer Couch zwischen ihren Eltern saß.

„Hallo Claire, erinnerst du dich noch an mich? Ich bin Jodie, vom FBI. Wir haben uns in dem Cafè getroffen“, lächelte die FBI-Agentin freundlich. „Ich weiß, du möchtest nicht gerne darüber reden, aber ich muss unbedingt wissen, was passiert ist. Könntest du mir also bitte erzählen, was du in diesem Raum gemacht hast?“

„Muss sie denn unbedingt jetzt eine Aussage machen? Das arme Mädchen ist doch völlig verstört“, meinte der Professor beunruhigt, während Claire etwas unsicher zu Jodie aufsah. Alle, die nicht auf der Couch saßen, standen um sie herum und beobachteten die Szene, was die ganze Sache für die junge Amerikanerin nicht leichter machte.

„Es ist wirklich wichtig“, nickte die Jodie, blickte dabei aber Claire an, die nach einigem Zögern schließlich ebenfalls nickte.

„Ich wollte... ich wollte nur einen Moment allein sein. Ich... ich war traurig weil... weil...“ Sie blickte einen Moment zu Heiji, der in der Tür zu dem Zimmer stand, in dem die Leiche gefunden worden war und erneut stiegen ihr Tränen in die Augen, die sie kaum unterdrücken konnte. „Ich wollte weinen und ich wollte nicht, dass mich dabei jemand sieht. Es war so dunkel im Zimmer, ich dachte, falls doch jemand hinein schauen würde, würde er mich nicht sehen, also habe ich das Licht ausgelassen und mich auf die Couch gesetzt. Ich... ich habe die Leiche nicht gesehen und das Blut auch nicht, es war doch so dunkel“, rechtfertige Claire sich, offenbar in dem Glauben, man würde sie womöglich für die Mörderin halten, weil sie so lange alleine in dem Raum gewesen war.

„Claire, das Mädchen war schon drei Stunden vorher tot und du hast für den gesamten heutigen Tag ein Alibi, wir wissen also, dass du nicht die Mörderin bist, wir wollen nur wissen, was du gesehen hast“, erklärte Shinichi seiner aufgewühlten Mitbewohnerin ruhig. „Also sag uns bitte, warum du dann zum Fenster gegangen bist, war es offen?“

Die Dunkelhaarige schüttelte mit dem Kopf. „Nein. Ich... ich habe meine Hand auf die Couchlehne gelegt und da habe ich plötzlich etwas feuchtes und klebriges gefühlt, ich bin zum Fenster, weil dort die Straßenlaterne etwas Licht hinein geworfen hatte und ich gucken wollte, wo ich da hinein gefasst hatte. Als ich am Fenster war... da... da sah ich plötzlich das Blut an meinen Händen und dann entdeckte ich, dass direkt unter mir jemand auf der Boden lag und da... da habe ich einfach geschrieen.“

„Danke für deine Hilfe Claire“, lächelte Jodie der verschüchterten Studentin zu. „Sie sollten Ihre Tochter lieber mit nach Hause nehmen“, schlug die FBI-Agentin Claires Eltern dann vor, welche nickten und sich danach auch mit ihrer Tochter auf den Weg nach Hause machten, wo sie im Moment sicherlich am besten aufgehoben war.

 

Inzwischen trat ein Polizist an Jodie heran und erklärte, dass man bisher nichts gefunden hatte, keine Fingerabdrücke und auch nicht die Mordwaffe. Man tappte völlig im Dunkeln und am Weihnachtsabend wollte man die Gäste des Hotels auch nicht mehr belästigen, man würde aber am nächsten Morgen alle Angestellten und auch einige Gäste noch einmal befragen und die Zimmer möglicher Verdächtiger durchsuchen. Jodie gab den Polizisten nur widerwillig ihr Einverständnis, denn sie wusste, dass eine Nacht genug Zeit war, um Beweise verschwinden zu lassen oder selbst zu verschwinden. Auf der anderen Seite war ihr klar, wenn es sich bei dem Mörder um jemanden von der BO handeln sollte, dann würden sie ihn heute ohnehin nicht schnappen.

 

„Hören Sie mal, Jodie...“, begann Shinichi, als die Polizisten sich langsam sammelten um den Tatort zu verlassen - den Raum hatten sie zuvor selbstverständlich abgesperrt - und Heiji sich nun wieder zu ihnen beiden gesellte. „Ich möchte nicht, dass Shiho von dem Zettel erfährt. Sie glaubt ohnehin schon, dass sie mit ihrer Anwesenheit alle Menschen in Gefahr bringt, wenn sie jetzt erfährt, dass man dieses Mädchen nur umgebracht hat, um uns eine Botschaft zu hinterlassen, dann dreht sie noch durch.“

Die Blonde nickte. „In Ordnung, aber Shinichi, in Anbetracht der Umstände... wollt ihr nicht vielleicht mein Angebot annehmen und ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden? Ich kann euch dort beschützen.“

„Ich habe ihr immer erzählt, dass sie vor ihrem Schicksal nicht weglaufen soll, und nun sollen wir ins Zeugenschutzprogramm einstiegen? Nein! Wir werden die BO zerschlagen und dieses Mal endgültig!“, wobei Shinichi wusste, dass dieses Ziel fast gar nicht zu erreichen war.

„Sehen Sie! Ich habe Ihnen doch gesagt, dass er absolut stur ist“, seufzte der dunkelhäutige Detektiv und sah dabei Jodie an.

Die FBI-Agentin hatte Mühe, nicht ebenfalls zu seufzen. Auf der einen Seite war sie ja froh, Shinichi und Shiho weiterhin als Unterstützung zu haben, aber auf der anderen Seite wollte sie nicht, dass den beiden etwas geschieht und so wäre es ihr lieber, sie würden dem Zeugenschutzprogramm beitretet, nicht zuletzt eben auch, weil beide mittlerweile mehr als genug Narben von der Arbeit gegen die BO tragen und endlich ein friedliches Leben verdient hätten. „Na schön, aber dann fahrt wenigstens sofort zurück in euer Apartment. Es ist gefährlich, wenn ihr hier bleibt. Außerdem könnt ihr heute ohnehin nichts mehr tun.“ Weihnachten feiern würden sie ja nach der Geschichte ohnehin nicht mehr wollen.

„Von mir aus“, nickte Shinichi. „Ich nehme an, du wirst bei Kazuha und dem Baby bleiben?“, wendete er sich dann an seinen Freund aus Osaka, welcher sofort nickte.

„Das bin ich ihr schuldig. Außerdem... so wie die Lage im Moment ist, weiß man ja nicht, wann und in welchem Zustand ich die beiden wiedersehe.“ Er versuchte scherzhaft zu klingen, aber in seinen Augen erkannte man, dass es seine größte Angst war, bei dieser Sache drauf zu gehen und die beiden Menschen, die er am meisten liebte im Stich zu lassen.

„Mach nicht solche Scherze, Junge! Wenn man vom Teufel spricht, dann kommt er und holt einen! Also fordere dein Glück lieber nicht heraus!“, mahnte Jodie und stemmte dabei die Hände in die Hüften. „Es reicht schon, dass Shinichi offenbar Todessehnsucht hat.“

„Ich habe sicherlich keine Todessehnsucht!“, protestierte der Meisterdetektiv sofort. „Ich will nur beenden, was ich angefangen habe.“

„Nein, du willst Rache!“, stellte die FBI-Agentin fest. „Ich kann dich ja sogar verstehen.“ Sie wohl mehr als viele andere, immerhin war auch Jodie vor allem aus Rache hinter der BO her. „Aber trotzdem gehst du zu weit! Du hast schließlich schon genug durchgemacht... und deine kleine Freundin ja wohl auch“, sie deutete auf Shiho, die in ein Gespräch mit dem Professor vertieft war.

„War das jetzt alles?“ Shinichi wirkte gereizt und er war es auch. Vor allem aber fühlte er sich irgendwie schuldig, denn mit einem hatte Jodie recht gehabt. Shiho hatte wirklich schon genug erleiden müssen, aber seinetwegen durfte – und wollte – sie nicht ins Zeugenschutzprogramm, obwohl sie dort vermutlich sicher wäre. Hatte er denn das Recht, über ihr Leben und ihr Schicksal zu bestimmen? Er meinte es ja nur gut, aber war das der richtige Weg? Mit Ran hatte er es schließlich auch immer nur gut gemeint und trotzdem hatte er sie am Ende nicht beschützen können...

„Ja, dass war es wohl“, seufzte Jodie. „Aber ich werde euch noch nach Hause fahren. Sicher ist sicher. Also verabschiedet euch noch und kommt dann nach draußen! Ich warte in meinem Wagen.“ Damit verschwand die Agentin aus dem großen Festsaal.

„Also gut. Ich geh dann mal hoch zu Kazuha. Aber wenn irgendetwas sein sollte, kannst du mich sofort anrufen!“, versicherte Heiji und zog sein Handy aus der Hosentasche, um damit an zu deuteten, dass er es für den Notfall angeschaltet lassen würde. Immerhin wusste man ja nie, was noch alles passieren würde. Vielleicht lauerten sie ihnen ja sogar im Apartment auf.

 

Shinichi nickte nur leicht und wünschte seinem Freund noch viel Spaß. Anschließend ging er zu Shiho, seinen Eltern und dem Professor, um ihnen die Lage zu erklären und die drei ‚Urlauber‘ zu bitten, aus Sicherheitsgründen so bald wie möglich wieder ab zu reisen. Er wollte auf keinen Fall noch jemanden verlieren und so wie die Leute von der BO im Moment drauf waren, war mit allem zu rechnen. Der Abschied von ihren ‚Familien‘ fiel ziemlich knapp aus, denn nach allem was passiert war, standen irgendwie noch alle unter Schock und die vielen Dinge, die sie noch sagen wollten, passten nicht in die kurze Zeit, die sie hatten. Also blieb nichts weiter, als sich ein baldiges wiedersehen zu wünschen und zu hoffen, dass dieses Wiedersehen nicht im Leichenschauhaus stattfand...

 

~*~

 

Es war still im Gästezimmer des Apartments, das eigentlich Claire und Shiho gehörte. Nur ganz leise war die Musik zu hören, die im Wohnzimmer spielte. Die rotbraunhaarige saß dort zusammengekauert auf der Couch und hörte die CD, die Shinichi ihr Geschenkt hatte. Er hatte viel Mühe gehabt, herauszufinden, worüber sich die einstige Wissenschaftlerin zu Weihnachten freuen würde und so hatte er ihr letzten Endes trotz allem noch das Geschenk überreicht, als sie nach Hause gekommen waren. Er hatte gehofft, dass sie das vielleicht ein wenig aufheitern würde, aber sie spielte die ganze Zeit nur dieses eine traurige Lied ab, immer und immer wieder.

 

It's the last night on earth before the great divide.

My hands are shaking time was never on our side.

And there's no such thing as a beautiful goodbye.

As an ordinary day I prayed for you a thousand times.

It's never enough no matter how many times I tried to tell you this is love.

 

Shinichi versuchte nicht mehr hin zu hören, denn auf eine unerklärliche Weise quälte ihn das Lied. Nicht nur, weil es so traurig war und ihn immer mehr runter zog, sondern auch, weil er ständig das Bild vor Augen hatte, wie Shiho da zusammengekauert auf der Couch saß und das Lied mitsang, als wäre es eine Hymne, die ihre eigenen Gefühle besser beschrieb, als sie es mit ihren eigenen Worten jemals tun könnte. Und auch wenn er sich noch immer dagegen sträubte, es sich ein zu gestehen, so wusste er doch, dass er es war, der ihre diese Qualen verschaffte, er und seine Unfähigkeit, los zu lassen.

 

Das war auch der Grund für ihr Geschenk an ihn, welches er jetzt in der Hand hielt und mit leeren Augen anstarrte. Sie hatte ihm das Geschenk schon vor ihrer Fahrt in das Hotel mit einem Brief in das Gästezimmer auf sein Bett gelegt. Er sollte möglichst allein sein, wenn er es öffnete, damit er Zeit hatte, den Brief zu verinnerlichen, zu verstehen, was es bedeuten würde, würde er ihr Geschenk nicht annehmen und entscheiden, welchen Weg er gehen wollte. Sie verlangte diese Entscheidung von ihm und sie verlangte sie jetzt, spätestens Morgen und würde er sich falsch entscheiden, hatte er sie für immer verloren. Dabei war er sich noch nicht einmal voll der Tatsache bewusst, dass sie überhaupt jemand war, den er verlieren konnte.

 

Der Brief lag geöffnet vor ihm. Es war einfaches weißes Papier, die Wörter waren in schönster Schrift von ihr mit Tinte darauf geschrieben worden. Jedes Wort war sorgfältig von ihr ausgewählt. Jede Möglichkeit, ihre Botschaft falsch zu verstehen, hatte sie ausgeschlossen. Es war der perfekte Brief. Aber der Inhalt war für den Detektiv eine Qual. Nicht unbedingt, weil sie ihm Sachen vor Augen hielt, die er nicht sehen wollte, sondern viel mehr, weil er sich nicht bereit fühlte, die Entscheidung zu treffen, die sie von ihm verlangte. Noch nicht. Nicht so lange Scotch noch auf freien Fuß war. Nicht so lange alles noch so kompliziert war. Nicht, so lange er seine eigenen Gefühle noch nicht verstand.

 

If tomorrow never comes I want you to know right now that I, I'm gonna love you until the day I die.

If tomorrow falls asleep can you hold me first?

I'm gonna love you like it's the last night on earth.

Like it's the last night on earth.

 

Shinichi öffnete die silberne Kette, die sich in dem Päckchen verborgen hatte, das nur für ihn und seine Augen bestimmt war. Es war eine einfache Kette, etwas dicker, so dass sie ein Mann guten Gewissens tragen konnte, aber sonst war an ihr nichts, auch kein Anhänger, nichts, was jemanden der den Brief nicht gelesen hatte, zu verstehen geben würde, was sie mit diesem Geschenk bezweckt hatte. Es war keine Einfallslosigkeit, die sie dazu getrieben hatte, ihm etwas für ihn scheinbar derartig Nutzloses zu schenken. Nein, sie hatte dabei von Anfang an einen Hintergedanken gehabt, eine Botschaft an ihn. Sie war nicht die Erste, die ihm diese Botschaft vermittelte, aber die Einzige, die es so direkt tat und ihm auch noch klar machte, was für Konsequenzen es hatte, würde er ihre Nachricht nicht ernst nehmen.

 

„Es ist deine Entscheidung...“, murmelte der junge Witwer die letzten Worte auf dem Brief. Das waren die Worte, die ihm klar machten, dass diese Entscheidung eben nicht nur ihn selbst betraf, sondern auch sie, vor allem aber sie beide. Sie hatte so vieles in diesen kleinen Brief gequetscht. Manches hatte sie versteckt untergebracht, manches zwischen den Zeilen versteckt, manches hatte sie so direkt geschrieben, dass es ihm weh tat. Und nun war er vollends verwirrt.

 

‚Du musst los lassen, sonst verlierst du mich’, dies war die Botschaft, die sie ihm übermittelt hatte. Dass er los lassen musste, das hatte sie ganz deutlich geschrieben. Das war der Sinn dieser Kette, der erste Schritt, los zu lassen, doch dass er sie ansonsten verlieren würde, das hatte sie zwischen den Zeilen versteckt. Es stand auch noch in dem Brief, dass er sie vielleicht nicht würde beschützen können, so sehr er sich auch bemühte, denn letzten Endes hatte er auch Ran nicht vor ihrem Tod bewahren können – darauf hingewiesen zu werden, hatte ihn mehr geschmerzt, als Shiho sich das vielleicht denken konnte – ebenso hatte sie irgendwie immer wieder darauf hingewiesen, dass ihr möglicherweise die Zeit weglief. Dass sie bald nicht mehr da sein würde, da TWR oder sonst jemand aus der BO sie töten könnte. Sie hatte ihn also damit auf der einen Seite gedrängt, sich zu entscheiden, auf der anderen aber auch deutlich gemacht, dass sie es verstehen würde, wenn er sich nicht auf sie einlässt, da er sie ebenso verlieren könnte wie Ran.

 

A penny for your thoughts, a picture so it lasts.

Let's knock down the walls of immortality.

Your fingers on my skin only you can hear my fear. Only you can help me heal.

I see forever with you here.

It's never enough no matter how many miles stand between us this is love.

 

Es war Shinichi nicht klar, wieso sich Shiho seiner Gefühle auf einmal so sicher war, dass sie sich sogar getraut hatte, diesen Brief zu schreiben. Aber vielleicht war es gerade das ohnmächtige Gefühl, nicht mehr viel Zeit zu haben, dass sie dazu gebracht hatte, alles auf eine Karte zu setzen. Außerdem war ein Brief, den er las, wenn sie nicht dabei war, noch etwas anderes, als Worte, die sie ihm ins Gesicht sagte. Es war ja ohnehin noch nie ihre Stärke gewesen, ihm ihre wahren Gefühle ins Gesicht zu sagen. Zwar war es ihr öfter gelungen, als es ihm gelungen war, Ran zu sagen, dass und wie sehr er sie liebte, aber Shiho hatte es immer wieder zurück genommen oder als Scherz abgetan. Dieses Mal aber schien die einstige Wissenschaftlerin es ernst zu meinen.

 

Und das machte dem Detektiven nur um so klarer, dass er um eine Entscheidung nicht drum herum kommen würde. Shiho hatte ihn in ihrem Brief aufgefordert, seinen Ehering vom Finger zu nehmen und an diese Kette zu hängen, die er sich um den Hals binden konnte. Würde er den Ring nicht mehr am Finger tragen, wäre es ein Zeichen, dass er bereit war, Ran langsam los zu lassen, und sich auch anderen Frauen zu öffnen. Dennoch war er irgendwie mit Ran verbunden, so lange er den Ring bei sich tragen würde, ganz nah an seinem Herzen. Natürlich würde Shiho früher oder später wollen, dass er den Ring ganz ablegte und das gehörte wohl auch zum los lassen dazu, aber im Moment fiel es Shinichi schon schwer, nur daran zu denken, den Ring nicht mehr an seinem Finger zu tragen...

 

~*~

 

Shiho wusste nicht, wie oft ihr Lieblingslied nun schon von Neuem begonnen hatte, doch es war ihr auch egal. Sie war einfach nur erleichtert, sich im Zuge dieses Liedes ihrer ganzen Angst und Verzweiflung hingeben zu können. Der Angst vor der BO und TWR, der Angst, noch jemanden zu verlieren, die Angst Shinichi noch mehr Leid zu zu fügen, nachdem er nach Rans Tod nun wirklich schon genug gelitten hatte, die Verzweiflung, weil ihre Lage so aussichtslos war, weil sie nichts tun konnte, weil sie machtlos zusehen musste, wie Menschen starben – vielleicht sogar ihretwegen starben – und andere Menschen darunter litten. Sie wollte, dass das alles endlich aufhörte. Sie wollte einfach nur ein normales, friedliches Leben. Aber so wie es schien, würde ihre Vergangenheit bei der BO sie niemals los lassen. Stattdessen schien sie sie nur noch mehr ins Verderben zu stürzen, sie und alle, die in ihrer Nähe waren.

 

If tomorrow never comes I want you to know right now that I, I'm gonna love you until the day I die.

If tomorrow falls asleep can you hold me first?

I'm gonna love you like it's the last night on earth.

Like it's the last night on earth.

 

Und dann war da noch Shinichi... der Detektiv, in den sie sich einst verliebt hatte. So lange hatte sie versucht von ihm los zu kommen, ihn zu vergessen, doch es war ihr nie gelungen. Selbst nicht nach seiner Hochzeit mit Ran oder nachdem er ihr ins Gesichts gesagt hatte, er würde sie nie lieben. Sie hatte sich selbst mit der Hoffnung gequält, er würde seine Meinung noch ändern und nun, wo sie endlich bemerkt hatte, dass es tatsächlich so gekommen war, dass er offenbar doch tiefere Gefühle für sie entwickelt hatte, da lief ihr die Zeit davon. Jeder Tag konnte ihr letzter sein, denn würde TWR sie nicht finden und töten, würde es ein anderer aus der BO tun und Shinichi würde vermutlich nicht in der Lage sein, sie zu beschützen, auch wenn er es noch so verzweifelt versuchte.

 

Sie wollte ihrem Detektiv so gerne die Zeit lassen, die er brauchte, so lange es nicht sein ganzes Leben war, aber sie hatte diese Zeit einfach nicht mehr. Jetzt oder niemals. Und selbst, wenn dieses niemals eintreffen würde, wollte sie wenigstens einmal seine Lippen berühren, einmal nur fühlen wie es war, ihn zu küssen, einen kleinen Moment nur vergessen, dass er nicht bereit war, sich ihr zu öffnen...

 

Die Tür zum Gästezimmer öffnete sich plötzlich und Shinichi trat ins Wohnzimmer. Shiho erhob sich von der Couch, wollte nicht, dass er sah, wie einsam und verloren sie da gekauert hatte, zerfressen von all diesen Ängsten, die er offenbar nicht verstehen wollte. Einen Moment sahen sie sich stumm an, während das Lied im Hintergrund immer weiter dudelte, dann machten sie einige Schritte aufeinander zu, so lange bis im dämmrigen Licht des kleinen künstlichen Tannenbaumes, der in der Mitte des Raumes auf einem Tisch stand, zu sehen war, dass Shinichi nicht nur die Kette trug, sondern auch sein Ehering daran hing.

 

It's never enough.

No it's never enough (it's never enough)

Oohh. The afterglow.

The horizon line. The shadows fall.

Will you still be mine? Will you still be mine?

Will you still be mine I ask?

 

Sie lächelte leicht, auch wenn ihr noch nicht ganz klar war, was diese Entscheidung für sie zu bedeuten hatte. Dennoch legte sie die letzte Distanz zwischen ihr und dem Detektiv zurück und legte vorsichtig eine Hand an seine Kette, um sie unter seinem Hemd verschwinden zu lassen, denn sie wollte diesen Ring im Moment nicht vor Augen haben. Shinichi sagte nichts dazu, beobachtete sie nur. Er war etwas unsicher, was er jetzt tun sollte oder was sie jetzt tun würde, dass sah man ihm an, aber Shiho wollte keine Rücksicht darauf nehmen, dieses Mal nicht. Und so lösten sich ihre Hände auch nicht von ihm, nachdem sie die Kette hatte verschwinden lassen, sondern legten sich auf seine Schultern, allerdings sah sie ihn nicht an, blickte nur stumm auf die Stelle, auf der sich unter seinem Hemd der Ring ganz leicht abhob.

 

„Ai...“, begann Shinichi schließlich, seine Stimme klang merkwürdig. Belegt, als hätte er einen Klos im Hals, der ihn am sprechen hindern wollte. „Warum glaubst du mir nicht, dass ich dich beschützen kann?“

„Du weißt warum...“, war die ruhige Antwort von jener, die noch immer nicht bereit war, ihn an zu sehen.

„Das kann man nicht vergleichen. Bei dir... weiß ich, dass jemand hinter dir her ist und auch wer es ist.“ Zumindest wusste er, dass es sich um ‚The Wild Rose‘ handelte, auch wenn er noch nicht wusste, wer sich hinter diesem Namen verbarg. Aber er wusste, wie dieser Typ vorging, also wusste er auch, wie er Shiho beschützen konnte.

„Und wenn es nicht er ist, der mich am Ende tötet? Du kannst mir nichts vormachen, Shinichi. Ich weiß... dass dieses Mädchen heute nur sterben musste, damit wir wissen, dass TWR nicht die einzige Gefahr ist.“ Es war nicht zu übersehen gewesen, dass Rebeccas Tod eine Botschaft an sie war. Shiho war ja schließlich nicht blöd und sie kannte die Männer in Schwarz gut genug, um eine Botschaft von ihnen zu erkennen, wenn sie buchstäblich vor ihr lag.

„Und wenn schon.“ Er packte sie bei den Schultern und drückte sie so weit von sich weg, dass sie ihn ansehen musste. „Ich werde nicht zulassen, dass dir auch noch etwas passiert! Ich lasse niemanden mehr sterben! Ich werde TWR entlarven und die BO endgültig zerschlagen und danach wird niemand je wieder hinter dir her sein, das verspreche ich dir!“

„Das kannst du nicht!“ Und wenn er es sich noch so verzweifelt einredete. „Aber du kannst mir helfen, die wenige Zeit, die ich vielleicht noch habe, zu genießen nicht einfach nur mit Warten zu vergeuden.“ Sie wollte nicht mit dem Gedanken sterben, die letzten Tage ihres Lebens bereuen zu müssen. „Ich liebe dich, Shinichi. Und ich möchte mit dir zusammen sein. Ich weiß... dass es nicht so einfach ist. Dass du... noch lange nicht so weit bist. Aber bitte, diesen einen Moment nur...“

Er schluckte, als sie ihm langsam näher kam und nicht mehr zu verkennen war, was sie vorhatte. „Mach das nicht Ai! Es würde dir nur weh tun.“ Ihnen beiden.

„Mehr als jetzt kann es nicht weh tun“, hauchte sie, bevor sie ihre Lippen sanft auf seine legte. Es war nur ein ganz leichter Kuss, mehr ein Hauch, als alles andere, aber das musste ihr genügen.

 

Es dauerte nur wenige und doch für beide ewig erscheinende Sekunden, bis sie ihre Lippen wieder von seinen löste, doch sie kam nur wenige Millimeter, da legten sich plötzlich seine Arme um ihren schlanken Körper und zogen sie zurück, um erneut in einen Kuss zu verfallen, dieses Mal in einen innigeren, intensiveren. Der Kuss hatte etwas Verzweifeltes, etwas Sehnsüchtiges und etwas Erleichtertes. Als würde eine unglaubliche Last von den Schultern der beiden fallen. Obgleich sie beide wussten, dass sich auf Shinichis Schultern nun eine neue Last legen würde, eine die noch schwerer war, vielleicht sogar unerträglich schwer. Doch es war seine eigene Entscheidung gewesen. Er hatte diesen Weg selbst gewählt und das war es, was Shiho so glücklich machte. Er hatte sie aus seinem eigenen, freien Willen geküsst und obgleich er es hinterher vermutlich bereuen würde, konnte sie wenigstens den Moment genießen. Und würde sie morgen sterben, so hatte sie nichts zu bereuen.

 

If tomorrow never comes I want you to know right now that I, I'm gonna love you until the day I die.

If tomorrow falls asleep can you hold me first?

I'm gonna love you like it's the last night on earth.

Like it's the last night on earth.

 

Nur wenige Sekunden nachdem sich Shihos Hände um Shinichis Hals gelegt hatten, fiel ein Schuss, der beide zusammenzucken ließ. Die Kugel verfehlte sie beiden nur knapp und prallte schließlich mit dem Fenster zusammen, welches zerbrach. Die Person, die den Schuss abgefeuert hatte, war im dunklen Licht des Raumes kaum zu erkennen und noch bevor Shinichi und Shiho reagieren konnten, stürmte sie auch schon aus dem Apartment in den Flur des großen Hauses. Der Detektiv zögerte nicht lange und folgte ihr. Shiho wollte ihm folgen, doch ihre Beine gehorchten ihr nicht. Sie war unfähig etwas zu unternehmen. Leicht panisch sah sie dem Detektiv nach.

 

Hoffentlich würde Shinichi nichts passieren...
 

~~~
 

Der verwendete Song heißt 'The last night on Earth' und ist von Delta Goodrem.

Was lange währt, wird noch lange nicht gut

Eines musste man Vermouth einfach lassen, sie wusste ganz genau, was sie tun musste, um zu erreichen, was auch immer sie erreichen wollte. Es gab nur ein paar wenigen Situationen, in denen ihr ein Detektiv namens Shinichi Kudo dazwischen gefunkt hatte und aus diesen Situationen hatte die Killerin gelernt, sie würde sich kein weiteres Mal von ihm aufhalten oder täuschen lassen. Oh nein, dieses Mal hatte sie einen Plan und sie würde nicht zulassen, dass irgendwer ihn vereitelte – sie durfte es auch gar nicht zulassen, denn wenn sie versagte, würde sie eine harte Strafe erwarten, denn gerade jetzt, wo die Organisation so geschwächt war, konnten sie sich keine Fehltritte mehr leisten. Es ging hier für die Blondine also nicht nur um irgendeinen wichtigen Auftrag, es ging viel mehr um ihr Leben und die Ehre der verhassten schwarzen Organisation.
 

Es war ein Kinderspiel gewesen, Shinichi davon zu überzeugen, dass sie mit dem Fahrtsuhl geflüchtet war, dazu war nicht einmal viel Vorarbeit nötig gewesen und während der Detektiv jetzt die Treppe hinunter stürmte in der Hoffnung, sie irgendwie einholen zu können, spazierte sie in aller Seelenruhe in das Appartement von Claire und Shiho, welche gerade das Telefon in die Hand genommen hatte, um die Polizei und Jodie zu verständigen. Allerdings kam das ehemalige BO-Mitglied nicht einmal dazu, die Nummer zu wählen, denn ein weiterer warnender Schuss streifte ihr Gesicht und traf erneut eine der wandhohen Fensterscheiben. Zwei große Löcher prangten nun in der ‚Außenwand’ und ließen die eiskalte Winterluft hinein.
 

„Leg das Telefon weg, Sherry!“ Mit der einen Hand hielt Vermouth ihre Waffe auf die Rotbraunhaarige, mit der anderen zog sie sich die schwarze Maske vom Kopf und gab ihr hübsches Gesicht frei, auf welchem eine Narbe zu erkennen war, welche ihr bei einem Kampf von Shiho selbst zugefügt wurden war, einige Tage bevor man die BO aufgelöst und Vermouth eigentlich ins Gefängnis gesteckt hatte.
 

Es war eine Situation gewesen, an die sich die einstige Wissenschaftlerin nicht gern erinnerte, denn sie wäre dabei nicht nur beinahe selbst ums Leben gekommen, sondern hatte auch Shinichi und Professor Agasa damit in Lebensgefahr gebracht und es war nur dem schnellen Eingreifen von Jodie und dem FBI zu verdanken, dass sie alle noch am Leben waren und das nirgendwo auf ihren Körpern eine Narbe von einer Kugel prangte.
 

„Spreche ich so undeutlich?! Leg das Telefon weg!“, forderte Vermouth harsch, nachdem Shiho nicht reagiert hatte, obgleich diese nicht aus Trotz, sondern aus Angst nicht den Willen gefunden hatte, dass Telefon beiseite zu legen.
 

Noch immer war sie wie starr vor Angst. Sie hätte niemals gedacht, diese gefährliche Person jemals wieder zu sehen und noch weniger hätte sie geglaubt, jemals wieder so hilflos vor ihr zu stehen. Es war Shiho ohnehin unerklärlich, wie diese Frau es aus dem Gefängnis geschafft hatte, aber einem Schauspielertalent wie Vermouth war vermutlich alles zuzutrauen, aus diesem Grund ließ Shiho letzten Endes auch das Telefon fallen, welches unsanft auf dem Boden landete.
 

„So Sherry… jetzt können wir uns ja ein wenig unterhalten“, das einstige Lieblingsmitglied des früheren Bosses der BO grinste siegessicher. Was die Blonde allerdings dazu veranlasste, die Tür nicht zu schließen, war Shiho ein Rätsel. Wollte sie, dass man sie hörte? Es war ja schon verwunderlich, dass noch keiner der Nachbarn auf die Schüsse reagiert hatte. Oder legte sie es darauf an, dass Shinichi zurück kam und mit ansehen konnte, was hier passierte? „Es ist lange her… Sherry.“ Die Killerin trat an Shiho heran und hielt der einstigen Wissenschaftlerin die Waffe an die Brust, machte aber im Moment noch nicht den Eindruck, wirklich abdrücken zu wollen. Noch wollte die Frau nur mit ihrem Opfer spielen. Ein gefährliches Spiel. „Eigentlich wollte ich dich ja gleich erschießen, kurz und schmerzlos, aber jetzt habe ich ein paar Skrupel, wo ich doch diese romantische Kussszene live verfolgen konnte.“ Sie lachte leicht, während sie Shiho mithilfe der Waffe so weit nach hinten dirigierte, dass die Rotbraunhaarige mit einem der noch vorhanden Fenster kollidierte, allerdings beängstigend nah an den Löchern war, die die beiden kaputten Fenster hinterlassen hatten.

Eine Antwort von der einstigen Wissenschaftlerin blieb aus. Selbst wenn Shiho in der Lage gewesen wäre, etwas zu erwidern, hätte sie nicht gewusst was. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als darauf zu warten, dass ihr gegenüber mit dem süffisanten Grinsen weiter sprach.

„Ich muss schon sagen, wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich gewettet, dass du den Mord an Ran arrangiert hast, um dir den hübschen Meisterdetektiv zu schnappen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hättest du das auch noch getan, wenn wir dir nicht zuvor gekommen wären, hab ich nicht recht?“ Die langen blonden Haare der Frau flogen mit einer eleganten Handbewegung nach hinten, während sie die Waffe immer noch gegen die Brust der Wissenschaftlerin drückte. „Du weißt doch, einmal ein Mörder, immer ein Mörder.“

„Das trifft vielleicht auf dich zu, aber nicht auf mich!“, zischte die Studentin endlich, während unter ihren Füßen eine Glassscherbe zerbrach, auf welche sie versehentlich getreten sein musste. Das Knacken der Scherbe erinnerte sie daran, dass eine der Glassscherben vielleicht ihre einzige Chance war, aus Vermouths Fängen noch zu entkommen. Apropos entkommen… „Wieso bist du nicht im Gefängnis?“

„Du weißt doch, ich bin eine Schauspielerin. Es ist ein Leichtes für mich, eine schwere Krankheit vor zu täuschen und einen Aufenthalt im Krankenhaus zu erreichen. Und für die Leute von der schwarzen Organisation ist es noch leichter, die paar Luschen von der Polizei, die versucht haben mich zu bewachen, zu beseitigen. Wenn du noch so lange leben würdest, könntest du Morgen sicherlich in der Zeitung von meinem genialen Ausbruch lesen“, grinste Vermouth.

„Du bist erst heute ausgebrochen und das Erste was du tust, ist hierher zu kommen, um mich zu töten?“, erkundigte sich Shiho fassungslos, während sie spürte, wie Adrenalin in ihre Adern gepumpt wurde, welches langsam aber sicher anfing, ihre Angst zu betäuben.

„Es ist deine Schuld, dass es soweit kommen konnte“, knurrte die Blonde. „Wenn du nicht so viele Informationen an Shinichi und das FBI weiter gegeben hättest, dann hätte man uns vermutlich niemals zerschlagen können.“ Es war ja nicht so, dass Vermouth selbst nicht zwischendurch immer mal wieder mit dem Gedanken gespielt hatte, die Organisation zu verlassen, aber… „Niemand verlässt die Organisation lebend, das solltest du wissen!“ Immerhin hatte auch Akemi ihr Leben verloren, bei dem Versuch, sich und ihre Schwester frei zu kaufen. „Und deswegen musst auch du sterben!“

Die Kälte, die durch die zersprungenen Fenster Shihos Körper streifte, ließ sie erzittern und so fiel es ihr schwer, halbwegs ruhig zu klingen, als sie antwortete. „Wenn du so wild darauf bist, mich zu töten, warum bringst du es dann nicht endlich hinter dich?“

„Hast du es so eilig zu sterben?“, lachte Vermouth. „Weißt du, ich dachte… ich warte noch, bis Shinichi hier auftaucht, damit er begreifen kann, in was für eine Gefahr er dich damit gebracht hat, dass er überhaupt Zeit mit dir verbringt. Dir, einer Mörderin!“

„Ich bin keine Mörderin!“, protestierte Shiho. „Ich habe niemals jemanden kaltblütig ermordet.“
 

Sie hatte nur das Gift hergestellt, welches am Ende viele Menschen das Leben gekostet hatte und sie lebte jeden Tag mit deren Blut, dass den Rest ihres Lebens an ihren Händen kleben würde. Sie lebte jeden Tag mit all den Jahren, die Shinichi nicht mit seiner Ran verbringen konnte, weil ihr verdammtes Gift ihn zu einem gejagten Kind gemacht hatte. Ja, sie war schuld am Tod und Leid einiger Menschen, aber trotzdem war sie keine Mörderin, denn sie hatte niemals wirklich jemandem schaden wollen.
 

Vermouth drückte die Waffe so stark gegen Shihos Brust, dass diese zu schmerzen begann und es der Rotbraunhaarigen unmöglich war, sich zu bewegen. „Du solltest dankbar dafür sein, dass ich dich jetzt töte, so entgeht dir immerhin, wie dein geliebter Detektiv deinetwegen sterben muss.“ Der irritierte Blick der einstigen Wissenschaftlerin gab dem BO-Mitglied offenbar Anlass, das Ganze näher zu erläutern. „Die Rache an Shinichi Kudo wäre mit dem Mord an seiner Frau eigentlich abgeschlossen gewesen. So lange er uns nicht wieder in die Quere gekommen wäre, hätten wir ihn in Ruhe gelassen, aber du musstest ja unbedingt auftauchen und alles verkomplizieren! Nur weil du ihn mit hierher gebracht hast, muss er nun ebenso sterben wie du.“

„Aber…“ Der vernünftige Teil von Shihos Gehirn machte ihr deutlich, dass es logisch betrachtet gar nicht ihre Schuld war, dass Shinichi dahinter gekommen war, dass die BO noch existierte und sie nun eben zur Strecke bringen wollte. Rans Tod war der Auslöser von allem. Aber wenn man es mit dem emotionalen Teil ihres Gehirns betrachtete, dann wäre Shinichi vielleicht niemals dahinter gekommen, dass die BO an Rans Mord schuldig war, wenn diese Leute nicht der Meinung gewesen wären, Rache an ihr, der Verräterin nehmen zu müssen und sich damit praktisch verraten hatten.

„Und nun, sag gute Nacht, Sherry!“ Vermouth war kurz davor, abzudrücken und eine Kugel mitten durch Shihos Herz zu jagen, als plötzlich ein atemloser Shinichi in der Tür stand und „Stopp!“, rief, als glaubte er, dass würde tatsächlich irgendetwas ändern.

„Ah… kommst du also doch noch, um zuzusehen, wie ich diese kleine Verräterin hier erschieße?“, grinste die Blonde und wendete sich kurz zu dem Detektiven um. „Schau genau her und erkenne, was mit jenen passiert, die uns in die Quere kommen!“ Erneut war sie darauf aus, Shiho zu erschießen und dieses Mal würde sie sich nicht von Worten stoppen lassen, zum Glück aber von Taten. Eine Kugel traf sie direkt ins Bein, die Überraschung und die Wucht des Schusses hatten sie Sekunden später ebenfalls zu einem Schuss veranlasst, welcher Shiho jedoch verfehlte, da diese den Moment genutzt hatte, um sich zu ducken, dies hatte jedoch zur Folge, dass die Scheibe hinter Shiho ebenfalls von einer Kugel durchbrochen wurde und zerbrach.
 

Vermouth taumelte, versuchte ihren Halt zurück zu erlangen und es gelang ihr schließlich auch irgendwie. Dem Mitglied der BO war klar, dass sie jetzt keine Chance mehr hatte, denn es war die FBI-Agentin Jodi, die den Schuss abgefeuert hatte. Dennoch richtete die Schauspielerin ihre Waffe erneut auf die am Boden kauernde Shiho. Wenn sie schon wieder zurück ins Gefängnis musste, dann wollte sie vorher wenigstens ihren Auftrag erfüllt haben. Doch soweit kam es nicht, denn Jodi feuerte einen weiten Schuss ab und traf dieses mal Vermouths anderes Bein. Das BO-Mitglied verlor endgültig den Halt und fiel nach vorne, direkt durch das von ihr selbst zerstörte Fenster. 15 Stockwerke in die Tiefe. Ein Sturz mitten auf die befahrenen Straßen New Yorks. Ihr Tod war besiegelt...
 

~*~
 

„Klingt ja nicht gerade nach einem besinnlichen Weihnachtsfest“, erkannte Heiji seufzend, der mit Shinichi und Jodie in der Hauptzentrale der Polizei war, um nun doch endlich das Schießen zu lernen. „Woher wussten Sie eigentlich, dass etwas nicht stimmt, Jodie?“

„Shiho muss meine Nummer gewählt haben, bevor sie das Telefon fallen gelassen hat“, antwortete die blonde FBI-Agentin. „Mein Handy klingelte plötzlich und als ich abnahm, hörte ich die Stimme von Vermouth, die jemanden Sherry nannte und da war mir sofort alles klar. Ich war zum Glück noch in einem Restaurant in der Nähe etwas essen, so dass ich nicht lange bis zu dem Appartement brauchte. Ich muss das Haus kurz nach Shinichi betreten haben.“

„Verstehe…“, nickte Heiji und musste zugeben, dass er beeindruckt war, dass Shiho in diesem Moment voller Angst noch daran gedacht hatte, einen stummen Hilferuf zu starten. „Und wieso bist du erst so spät wieder aufgetaucht, Kudo?“ Er wendete sich an seinen Freund, der ihm gegenüber an einem Tisch saß, während die drei darauf warteten, dass der Raum für die Schießübungen frei wurde.

„Weil ich dachte, dass der Schütze geflüchtet ist und ich ihn unbedingt einholen wollte! Ich war schon etliche Meter von dem Haus entfernt, als mir aufging, dass das auch eine Falle sein könnte und dass ich Shiho da oben vielleicht mit TWR allein gelassen hab“, seufzte Shinichi und blickte in die Kaffeetasse, die vor ihm stand. „Das Ganze ging mir alles etwas zu schnell…“, murmelte er dann und meinte damit sicherlich nicht nur Vermouths Angriff.

„Und? Ist Vermouth nun TWR gewesen?“, erkundigte sich Heiji neugierig, während er seinen Kaffeetasse leer trank.

„Nein.“ Jodie schüttelte mit dem Kopf. „Ich bin mir sicher, dass es sich bei ‚The Wild Rose’ um einen Mann handelt. Aber wir konnten Spuren an Vermouth finden, die beweisen, dass sie Rebecca Steel ermordet hat.“ So gesehen wenigstens ein kleiner Erfolg.

Heiji nickte nur. Einen Erfolg würde er in diesen Ereignissen eher nicht sehen. Man könnte guten Gewissens sagen, dass alles schief gegangen war, was nur schief gehen konnte, wenn man mal davon absah, dass Shinichi, Shiho und Jodie noch am Leben waren. „Und wie kommen Sie darauf, dass TWR ein Mann ist?“, kam der Dunkelhäutigere schließlich noch einmal auf seinen aktuellen Fall zurück.

„Weil es in dem Lied auch so ist.“ Die FBI-Agentin sprach das so aus, als müsste das doch für jeden glasklar sein, aber Heiji und auch Shinichi wussten beim besten Willen nicht, wovon sie sprach. Dementsprechend mussten auch ihre Gesichter aussehen, denn die Blonde setzte eine Erklärung nach. „Der Killer hat sich nicht aus Langeweile ‚The Wild Rose’ genannt. Sein Vorgehen lehnt sich an das eines Mörders an, aus einem Lied von Kylie Minogue und Nick Cave. Das Lied heißt ‚Where the wild roses grow’.Der Mörder aus diesem Lied hatte eine Schwäche für junge hübsche Mädchen. Er hat dafür gesorgt, dass sie sich in ihn verlieben und ihm vertrauen, so dass er sie umbringen konnte, ohne das sie sich wehrten, weil sie niemals damit gerechnet hätten. Die Opfer dieses Mörders wurden allesamt ‚The Wild rose’ genannt.“

„Aha…“, brachten die beiden Detektive gleichzeitig etwas ungläubig hervor.

„Aber spricht es nicht eher für eine Frau, sich an so ein kitschiges Lied anzulehnen?“, wagte Heiji zu spekulieren.

„Vor ein paar Jahren gab es hier einen Serienkiller, der die Frauen genau so wie in dem Lied ermordet hat und der hat sich Elisa Day genannt, dass war der Name des Mädchens, das in dem Lied ermordet wurde“, erklärte Jodie. „Und dabei handelte es sich definitiv um einen Mann, der nicht auf kitschige Lieder stand, das könnt ihr mir glauben.“ Denn sie hatte ihn gesehen und war sogar ein wenig an seiner Enttarnung beteiligt gewesen. „Ich denke übrigens, dass es zwischen diesen Männern einen Zusammenhang gibt. Es heißt, dass Elisa Day einen Sohn gehabt hat. Ich könnte mir vorstellen, dass dieser in seine Fußstapfen treten wollte.“

„Aber warum nehmt ihr den Sohn dann nicht einfach fest?“ Für Heiji schien das logisch betrachtet der simpelste Weg.

„So einfach ist das leider nicht, denn wenn er einen Sohn hat, hat er ihn offiziell nie anerkannt, die Suche nach ihm war bisher jedenfalls erfolglos.“ Sehr zu Jodies Bedauern und das sah man ihr deutlich an.

„Gut, darum kümmern wir uns später“, entschied der Detektiv aus Osaka und blickte Shinichi an, der eher abwesend in seine Kaffeetasse starrte. „Im Moment interessiert mich erst einmal, was mit dir und Shiho los ist. Seit Weihnachten redet ihr ja offenbar nicht mehr miteinander und geht euch auch weitestgehend aus dem Weg, wie es scheint. Woran liegt das?“

Kurz war es still und man konnte Jodie deutlich ansehen, dass sie auch interessiert war an den Gründen für diese Schweigsamkeit zwischen dem Detektiv und dem ehemaligen BO-Mitglied. „An mir…“, kam irgendwann die Antwort von Shinichi…
 

~*~
 

„Er hat WAS gesagt?“, kam es fast etwas zu laut aus Claire, die gemeinsam mit Shiho und einigen anderen – vorwiegend Studentinnen – in dem Prüfungsvorbereitungskurs von Professor Founder saß, welcher die Angewohnheit hatte, diese Kurse immer zwischen Weihnachten und Silvester stattfinden zu lassen.
 

„Claire, haben Sie vielleicht eine Frage zu der Aufgabe?“, erkundigte sich der attraktive Professor auch sofort.

„N-Nein“, winkte die Dunkelhaarige sofort verlegen ab und zog den Kopf ein. Es dauerte nicht sehr lange, da hatten sich die Blicke ihrer Mitstudentinnen von ihr abgewendet und so konnte sich Claire wieder an ihre Freundin wenden, dieses Mal aber etwas leiser. „Also… noch mal jetzt, was hat er zu dir gesagt?“

Shiho seufzte und strich sich die Haare zurück. Die Wunde die der Streifschuss hinterlassen hatte, war immer noch deutlich zu sehen. „Er hat gesagt, dass dies ein einmaliger Ausrutscher war und dass es nicht mehr vorkommen würde.“ Vielleicht sollte man zu seiner Verteidigung sagen, dass er sich zuvor besorgt erkundigt hatte, ob alles in Ordnung war und das er selbstverständlich mit dieser Abfuhr gewartet hatte, bis Jodie und die wenig später aufgetauchte Polizei verschwunden waren. „Du hättest sein Gesicht sehen sollen, so voller Schuldgefühle, als hätte er Ran betrogen. Derweil war es doch nur ein Kuss und Ran ist immerhin über ein halbes Jahr tot.“ Aber vielleicht hatte sie sich auch einfach zu viele Hoffnungen gemacht. Es war vermutlich dumm gewesen, sich überhaupt jemals Hoffnungen zu machen.

„Naja, es ist nicht leicht für ihn…“, versuchte Claire den Detektiv zu verteidigen. Dass sie knapp zwei Tage nach der Weihnachtsfeier schon wieder in der Uni sitzen würde, hätte die junge Frau nicht gedacht, aber nachdem sie gehört hatte, was Shiho beinahe widerfahren war, hatte sie unbedingt mit ihr reden müssen und Claires überbesorgte Eltern ließen sie nur für die Uni das Haus verlassen – unter der Bedingung, dass sie sich hinbringen und wieder abholen lassen würde. „Vielleicht braucht er noch etwas Zeit?“

„Nein. Er hat seine Entscheidung getroffen und sie ist gegen mich ausgefallen.“ Shiho kritzelte auf dem leeren Blatt vor ihr herum, anstatt die Aufgabe zu erfüllen, die Mr.Founder an die Tafel geschrieben hatte. „Es war dumm von mir, etwas anderes zu erwarten.“

„Ja aber, er hat doch die Kette angenommen, oder nicht? Und den Ring trägt er auch daran, nicht wahr? Das ist doch ein gutes Zeichen!“ Die Schwarzhaarige konnte sich nicht vorstellen, dass Shinichi diesen schweren Schritt gegangen war, seinen Ring ‚ab zu legen’, wenn er am Ende doch niemals vorhatte, sich mit dem Tod seiner Frau abzufinden und von vorne zu beginnen. „Vielleicht hat ihn die Sache mit dieser… Vermouth verunsichert?“

„Vermout hat damit überhaupt nichts zu tun!“ Shihos Stimme hatte sich deutlich erhoben, doch Cedrik sagte kein Wort, es schien viel mehr so, als würde er versuchen zu lauschen und heraus zu hören, was sie erzählte. „Shinichi ist ein verdammter Feigling, das ist alles. Er hat Angst vor dem, was sich zwischen uns entwickeln könnte und Angst davor, was passiert, wenn es schief geht. Aber anstatt es zu versuchen, lässt er es lieber gleich bleiben.“

Claire lehnte sich etwas in ihrem Stuhl zurück, blickte auf das leere Blatt, welches vor ihr auf dem Tisch lag und schien einen Moment zu überlegen. „Du solltest versuchen, ihn zu verstehen. Es ist nicht leicht für ihn. Er hat ja seine Ran schon an die BO verloren und nach allem was wir wissen, ist die Chance hoch, dass er auch dich an diese Leute verliert.“

„Alles nur Ausreden…“, murmelte die Rotbraunhaarige, während Professor Founder das Ende des Unterrichts einläutete und zum Glück erlaubte, die Aufgabe zuhause zu beenden.
 

„Shiho? Haben Sie noch einen Moment für mich?“, wendete sich der Blonde schließlich an die einstige Wissenschaftlerin, welche gerade begonnen hatte, ihr Zeug in ihre Tasche zu packen.

„Ähm…“ Sofort befand sich Shiho im Mittelpunkt der neidischen Blicke ihrer Mitstudentinnen, die sofort miteinander zu tuscheln begannen. „Ja, sicher“, nickte die Rotbraunhaarige dennoch. Sie machte sich nichts daraus, dass alle glaubten, dass sie und Founder etwas miteinander hatten, immerhin wusste sie es besser.

„Wir telefonieren, ja? Und sieh nicht so schwarz wegen Shinichi.“ Claire legte ihrer Freundin kurz eine Hand auf die Schulter, ehe sie und die meisten anderen Studentinnen langsam den Raum verließen.

„Was kann ich für Sie tun, Professor?“, wendete sich das ehemalige BO-Mitglied schließlich an ihren Professor und trat mit geschulterter Tasche auf diesen zu.

„Cedrik“, verbesserte der Professor sie zwinkernd. „Eigentlich wollte ich eher fragen, ob ich etwas für Sie tun kann. Immerhin haben Sie schwere Zeiten hinter sich und ich befürchte, dass Sie mit dem Stoff nicht mehr hinterher kommen.“

„Es geht schon.“ Das war übertrieben. Seit Shiho aus Japan zurück war, hatte sie kaum etwas nachgeholt und auch in den Vorlesungen war sie eher abgelenkt durch ihre Gedanken an Shinichi, die BO und die Dinge, die passiert waren. Sie hatte schon überlegt, ihr Studium für ein Semester zu unterbrechen, um sich erst einmal auf die Sache mit der schwarzen Organisation zu konzentrieren.

„Ich wollte Ihnen vorschlagen, bei mir ein paar Nachhilfestunden zu nehmen. Ich bin sicher, ich könnte Ihnen helfen, Ihren Rückstand wieder aufzuholen. Wir könnten uns dazu immer samstags bei mir treffen, was halten Sie davon?“ Er sah sie fragend, aber lächelnd an. „Machen Sie sich keine Sorgen wegen Ihren Mitschülerinnen! Die haben auch schon Extrastunden von mir bekommen, wenn sie darum gebeten haben.“ Er war schließlich nicht nur der beliebteste Lehrer, weil er so gut aussah.

„Ich…“, die Rotbraunhaarige zögerte. Im Moment hatte sie eigentlich gar keine große Lust auf Physik oder sonst irgendetwas, was mit ihrem Studium zu tun hatte. Sie war heute auch nur wegen dem Treffen mit Claire hierher gekommen. „Ich denke, ich muss ablehnen.“

„Ich bitte Sie, Shiho! Ich möchte nicht, dass so eine begabte Studentin wie Sie auf der Strecke bleibt, nur wegen so eines dummen Zwischenfalls.“

„Eine Freundin von mir ist ums Leben gekommen, vor Kurzem eine Studentin aus Ihrem Kurs und vor wenigen Tagen war jemand hinter mir her! Wie können Sie das einen ‚dummen Zwischenfall’ nennen?“, fragte Shiho fassungslos.

„Die Welt wird immer dunkler, meine Liebe. Es ist nicht gut, sich all zu große Gedanken über solche Sachen zu machen. Sie sollten lieber an Ihre Zukunft als Lehrerin denken! Sie werden Ihr Ziel niemals erreichen, wenn Sie nichts dafür tun!“ Streng blickte der junge Professor seine Studentin an. „Also… diesen Samstag gegen acht Uhr abends?“ Nun lächelte er wieder.

„Wie Sie wollen.“ Dann würde sie ihm eben am Samstag Abend sagen, dass sie vorerst ihr Studium unterbrechen würde. Außerdem würde sie es genießen zu beobachten, wie Shinichi trotz allem an die Decke ging, sobald er hörte, dass sie sich abends mit dem Professor treffen würde und das auch noch ganz alleine…
 

~~~
 

Ich möchte mich bei allen Kommischreibern für die 80 Kommentare bedanken. Ich freue mich wirklich sehr, dass ihr die Story mögt und hoffe, ihr bleibt ihr auch weiterhin treu.

Der Duft von Rosentee

Irgendetwas war merkwürdig. Es fühlte sich alles so fremd an und es roch auch alles irgendwie fremd. Es schien unmöglich, dass sie wirklich in ihrem Zimmer war und in ihrem eigenen Bett lag. Aber ihre Augen waren so schwer, dass sie sie nicht öffnen konnte, um nachzuprüfen, wo sie war. Sie musste sich also vorerst auf ihre restlichen Sinne verlassen.

Wie Shiho schnell feststellen musste, war jedoch auch ihr Tastsinn nicht zu gebrauchen, da ihr ganzer Körper sich so schwer anfühlte, als wäre er mit Blei gefüllt und jeder Versuch sich zu bewegen, kostete sie viel zu viel Kraft, als dass sie diese für das Tasten und Fühlen verschwenden würde.

Als einziger im Moment funktionierender und nützlicher Sinn blieb ihr nur noch der Geruchssinn, denn in diesem Raum roch es unangenehm intensiv nach irgendetwas Bekanntem. Es dauerte auch nicht lange, bis das einstige BO-Mitglied erkannte, dass es nach Rosen roch oder viel mehr nach diesem ekelhaften Rosentee, den Professor Founder ihr gestern Abend angedreht hatte und...
 

Moment!
 

Mit einem kräftezehrenden Ruck saß Shiho aufrecht im Bett und riss ihre schweren Augen auf, nur um kurz darauf von ihrem Körper dafür mit starkem Schwindel und Übelkeit bestraft zu werden, so dass sie letzten Endes keine andere Wahl hatte, als sich wieder zurück sinken zu lassen. Zu allem Übel konnte sie auch nicht wirklich etwas sehen, denn ihr Blick war so verschwommen, dass sie kaum die Umrisse irgendwelcher Gegenstände erkennen konnte. Allerdings reichte alleine schon die dunkelrote Farbe der Wand aus, um sicher zu sein, dass sie sich definitiv nicht in ihrem Zimmer befand.
 

„Ah...", begann plötzlich eine bekannte Stimme. „Du kommst also langsam wieder zu dir? Na, ein Glück, ich dachte schon, ich hätte dir zu viel von dem Schlafmittel gegeben." Der Geruch von Rosentee wurde plötzlich noch stärker, wie als wolle Professor Founder sie darauf aufmerksam machen, dass er das Mittel am gestrigen Abend in ihrem Tee verborgen hatte.

„Du musst wissen...", er stellte die Tasse mit dem Tee, die er eben noch in der Hand gehabt hatte, auf dem Nachttisch ab und setzte sich dann auf die Bettkante, „Ich habe mir dieses Mittelchen von der Organisation 'geliehen'. Die dortigen Wissenschaftler haben es entwickelt. Ich habe gehört, dass sowohl deine Mutter, als auch du selbst bereits an der Formel gearbeitet habt. Und ich muss sagen, ihr habt wirklich hervorragende Arbeit geleistet. Es hat einige sehr interessante Nachwirkungen. Es lähmt die Stimmenbänder, versetzt den Körper in einen fast bewegungsunfähigen Zustand, senkt den Blutdruck enorm und schwächt die Sehkraft. Ein perfektes Mittel für eine Entführung." Fast schien es so, als schwärme der Dozent von dem Mittel. „Aber keine Sorge, die Wirkung lässt nach etwa 24 Stunden nach."
 

Dies waren alles Informationen, die Shiho nicht brauchte, denn schon zu den Zeiten, in denen sie noch bei der BO war, existierte dieses Mittel als Prototyp, mit genau derselben Wirkung und denselben Nebenwirkungen, die sie jetzt in Form von Schwindel, Übelkeit und einem unerträglichen Pfeifen im Ohr zu spüren bekam.

Allerdings war die Entwicklung des Mittels seinerzeit eingestellt worden, weil die BO sich entschlossen hatte, dass Entführungen einfach nicht ihr Stil waren. Warum hatte man das Schlafmittel also nun doch noch hergestellt? Was hatten diese Verbrecher vor?

Aber eigentlich hatte die Rotbraunhaarige jetzt andere Probleme. Sie wusste immerhin nicht mit Sicherheit, wo sie war und konnte leider auch nicht danach fragen. Zwar war anzunehmen, dass sie sich in Founders Haus befand, aber ganz sicher war sie sich da am Ende doch nicht, immerhin wussten ihre Freunde, dass sie am gestrigen Abend zu dem Dozenten gegangen war und würden sie da auch zuerst suchen, wenn sie nicht wieder auftauchte.

Aber auch die Frage, wo sie sich im Moment befand, war irgendwie zweitrangig, immerhin war sie Cedrik im Moment hilflos ausgeliefert und sollte sich lieber fragen, was er nun mit ihr vor hatte. Eigentlich dürfte sie ja gar nicht mehr am Leben sein, denn hinter dem freundlichen Physiklehrer verbarg sich kein geringerer als 'The Wild Rose', der Serienkiller, der es auf Shiho abgesehen hatte. Woher sie das wusste? Nun, sie hatte es am Abend zuvor erfahren...
 

~ 12 Stunden zuvor ~
 

Shiho kam nicht drum herum, doch etwas unruhig zu sein, als sie das Haus ihres Dozenten betrat. Sie wollte sich von Shinichis Hirngespinsten eigentlich nicht verrückt machen lassen, aber umso mehr sie darüber nachdachte, desto mehr wurde ihr klar, wie merkwürdig es war, dass ihr Professor sie zu sich nach Hause einlud. Warum hatten sie sich nicht lieber an einem öffentlichen Ort getroffen, wo jeder sehen konnte, dass sie wirklich bloß lernen würden? Schließlich stand der Job des Physiklehrers auf dem Spiel, immerhin könnte man es in die völlig falsche Richtung deuten, dass Shiho ihr Studium unterbrach, kurz nachdem sie abends bei dem Professor Zuhause war.

Hätte sie gekonnt, wäre die Rotbraunhaarige sofort umgekehrt, doch nun da der Professor sie bereits freundlich lächelnd in sein Wohnzimmer gebeten hatte, konnte sie nicht mehr einfach so verschwinden. Aber sie nahm sich vor, das Ganze hier so kurz wir möglich zu machen. Deswegen schüttelte sie auch mit dem Kopf, als der Blonde ihr einen Tee anbot, allerdings ignorierte Founder diese Geste und verschwand in die Küche mit den Worten, sie könnte sich ruhig setzen.

Seufzend ließ sich Shiho auf die kleine schokobraune Couch sinken und blickte sich in dem großen Wohnzimmer des Hauses um. Grundsätzlich sah das Zimmer sehr einladend aus. Es wurde von mehreren hellen Standlampen erleuchtet und viele große Fenster erlaubten der Studentin einen Blick in den hübschen Garten, der um diese Jahreszeit natürlich mit Schnee bedeckt war. Die Möbel wirkten alle sehr modern und ließen darauf schließen, dass der junge Dozent eine Menge Geld verdiente. Überall im Raum standen große und kleine Vasen, die mit blühenden roten Rosen gefüllt waren, welche einen angenehmen Duft verbreiteten. Etwas im Widerspruch zu dem freundlichen Raum standen die finsteren Bilder, die an den Wänden hingen. Auf diesen Bildern, die meist nur schwarz und rot waren, waren jedes Mal junge Frauen zu sehen, die von einem Mann, Monster oder Raubtier getötet wurden. Shiho lief ein Schauer über den Rücken und sie wandte den Blick schnell ab.
 

Dabei streifte ihr Blick ein großes Regal, welches mit Fotos gefüllt war. Die meisten Fotos zeigten Cedrik mit jungen Frauen, die Shiho irgendwie bekannt vorkamen, doch sie konnte beim besten Willen nicht sagen, woher sie diese Frauen kennen sollte, aber sie wollte auch nicht so unhöflich sein und den Professor danach fragen, also schwieg sie, als der junge Lehrer mit zwei Tassen mit angenehm duftenden Tee in das Wohnzimmer zurück kam.
 

„Das ist Rosentee", erklärte Founder, während er Shiho eine Tasse hinstellte und sich dann mit seiner Tasse neben sie setzte. „Es wird Ihnen vermutlich schon aufgefallen sein, dass ich eine Schwäche für rote Rosen habe. Es ist mein liebstes Hobby, Rosen in meinem Gewächshaus draußen im Garten zu züchten, damit ich das ganze Jahr blühende rote Rosen im Haus haben kann." Er blickte den kleinen Strauß rote Rosen an, der vor ihnen auf dem Tisch stand und lächelte dabei, als hätte er den größten Schatz vor Augen, den man finden konnte. „Verraten Sie mir, was Ihre Lieblingsblumen sind?"

Das einstige Mitglied der BO kam nicht drum herum, etwas irritiert zu sein über das Gesprächsthema. Immerhin wollte er ja eigentlich mit ihr lernen, aber sie sah hier nirgendwo Bücher oder Notizen in der Nähe, stattdessen sprachen sie über ihre Lieblingsblumen und tranken Rosentee. Aber vielleicht wollte der junge Dozent die Situation nur etwas auflockern und sie wollte ja auch nicht unhöflich sein. „Meine Lieblingsblumen sind weiße Calla", antwortete sie daher wahrheitsgemäß und nahm einen Schluck von dem Tee, der unangenehm bitter schmeckte.

„Ah, die Blume des Todes...", nickte Founder und schlürfte etwas von seinem Tee. „Das passt zu Ihnen." Auf Shihos irritierten Blick hin erwiderte er nichts, sondern stellte seine Tasse beiseite, erhob sich und machte sich auf den Weg zu dem Regal mit den Bildern. „Das hier sind alles Studentinnen von mir gewesen. Alle, bis auf diese Frau..." Er nahm ein Bild aus dem Regal, auf dem ein noch etwas jüngerer Founder mit einer jungen Frau zu sehen war, die Shiho ähnelte, als wären sie Zwillinge. „Das hier war meine Verlobte. Eine Japanerin, wie Sie sehen. Wir haben uns während des Studiums kennen gelernt. Sie wollte Lehrerin werden, genau wie Sie. Ihr Name war Kaori Takumi, sie ist zum Studieren nach Amerika gekommen. Sie liebte rote Rosen..."

„Ich verstehe nicht, warum Sie mir das erzählen", erklärte Shiho, und man hörte ihr an, dass die Unruhe in ihr mit jedem Moment wuchs. Nichts deutete darauf hin, dass dieser Mann noch mit ihr lernen wollte. „Hören Sie, ich möchte Ihre kostbare Zeit wirklich nicht lange in Anspruch nehmen. Ich bin nur gekommen, um Ihnen zu sagen, dass ich mein Studium vorerst unterbrechen werde. Ich wollte Ihnen das schon neulich sagen, aber Sie haben mich nicht aussprechen lassen."

Cedrik überhörte ihre Worte willentlich und fuhr mit seiner Geschichte fort. „Sie wurde ermordet. Von dem Serienmörder Elißa Day. Ich nehme an, Sie haben schon von ihm gehört? Er suchte sich immer junge und unschuldige Mädchen aus, die er innerhalb von wenigen Stunden dazu brachte, sich in ihn zu verlieben. Er verbrachte mit jeder dieser Mädchen nur drei Tage. Am zweiten Tag brachte er sie dazu mit ihm zu schlafen und am dritten Tag ermordete er sie durch einen kräftigen Schlag auf dem Kopf, mit einem Stein..." Die Hände des Blonden verkrampften sich um den Bilderrahmen. „Ich war es, der ihn identifiziert hat. Sein letztes Opfer war meine Verlobte. Sie kam zu mir, am Abend des zweiten Tages... beichtete mir den Betrug und flehte mich an, ihr zu verzeihen. Sie erzählte mir, sie würde sich am nächsten Tag noch einmal mit diesem Mann treffen, um ihm zu sagen, dass es vorbei war, ich sollte sie dann abholen, damit wir in Ruhe über alles sprechen konnten. Doch... ich kam zu spät. Als ich um die Ecke des kleinen Parks bog, in dem die wilden Rosen blühten, da schlug er sie gerade mit dem Stein. Meiner Beschreibung war es zu verdanken, dass er keine weiteren Mädchen mehr töten konnte, aber meine Freundin brachte das nicht zurück und ich... ich musste von meiner Mutter erfahren, dass dieser kranke Mann... mein Erzeuger war. Der Mann, der meine Mutter 20 Jahre zuvor vergewaltigt und geschwängert hatte, war derselbe Mann, der als Elißa Day junge Mädchen getötet hatte. Er war ein Bastard, ich hasste ihn, ich wollte ihn töten... aber er ist in einem Hochsicherheitsgefängnis untergebracht. Ich kam nicht an ihn ran." In den Augen des Lehrers war deutlich der Hass zu sehen, den er auf seinen Erzeuger hatte, ebenso wie der unbedingte Wunsch, ihn leiden zu sehen. Leiden, wie er gelitten hatte. Gelitten an der Mutter, die ihn nicht lieben konnte, gelitten an dem Tod seiner Verlobten und gelitten mit dem Wissen, das dunkle Blut eines Mörders in sich fließen zu haben.
 

Shiho blickte ihren Dozenten etwas hilflos an. Was ging hier nur vor? Was wollte er von ihr? Warum erzählte er ihr das alles? Was erwartete er, dass sie darauf erwidern sollte? Während der Blonde eine Pause einlegte, fiel der Blick der einstigen Wissenschaftlerin noch einmal auf die Bilder in dem Regal und auf einmal wurde ihr bewusst, woher sie die Mädchen auf den Bildern kannte und schlagartig ergab alles einen Sinn. „Sie sind... 'The Wild Rose'?" Es gab keinen Zweifel, dass die Mädchen auf den Bildern alles ausschließlich jene Mädchen waren, die durch TWR zu Tode gekommen waren. Wie krank, sich auch noch Bilder von ihnen ins Zimmer zu stellen...

Er nickte, als wäre es nichts weiter Besonderes, dass sie ihn enttarnt hatte. "Es handelte sich bei meinen Opfern um Schülerinnen der Universität, auf die auch meine Verlobte und ich gegangen waren, Mädchen in dem Alter, in dem auch Kaori sterben musste, Mädchen, die genau so naiv waren wie sie, sich einem wildfremden Mann zu offenbaren, nur weil er attraktiv und charmant ist. Jedes dieser törichten Mädchen ist eines Tages zu mir gekommen und hat sich mir zu Füßen geworfen. Sie meinten alle, sie würden tun, was auch immer nötig wäre, damit ich sie mag. Sie sagten, sie würden alles dafür geben und so nahm ich das, was sie am wenigsten verdient hatten... Das Leben, mit dem sie so sorglos umsprangen, ohne auch nur einen Gedanken daran, was es für die Menschen um sie herum bedeuten würde, wenn sie eines Tages nicht mehr da wären." Cedrik begann bitter zu lachen. "Jedes von diesen Mädchen hat mich nachts in seine Wohnung gelassen, obwohl sie alleine waren und ich im Grunde ein Fremder. So war es mir natürlich ein Leichtes, sie zu töten." Endlich stellte er das Bild von sich und seiner Verlobten beiseite und kehrte zu Shiho zurück, die ihn fassungslos anstarrte. Niemals hätte sie erwartet, dass sich hinter diesem freundlichen Mann TWR verbergen würde. Vielleicht war er ein Mann, der etwas zu viel Zeit mit seinen Studentinnen verbrachte, aber ein Mörder? Das hätte sie nie gedacht und dabei hatte sie immer behauptet, ein Gespür für so etwas zu haben. "Du warst anders", begann Founder zu erklären und nahm einige ihrer Haarsträhnen zwischen seine Finger. "Du hast dich mir nicht angebiedert und du hättest mich des Nachts nicht in deine Wohnung gelassen. Dennoch bist du heute Abend hierher gekommen, das war sehr dumm von dir!" Mit einem heftigen Ruck zog er an ihren Haaren, bis ihr Gesicht seinem ganz nah war.

Shiho riss sich von ihm los und sprang von der Couch auf, suchte mit den Augen nach einem Ausweg. Doch es schien unmöglich, dass Haus zu verlassen, denn er war näher an der einzigen Tür, die nach draußen führte und würde sie sicher nicht einfach so gehen lassen. Sie knirschte mit den Zähnen. Wieso hatte sie auch nicht auf Shinichi gehört? Er hatte ja Recht gehabt. Ihr Gespür hatte nachgelassen und seines dagegen war besser geworden. Aber sie hatte geglaubt, er wäre nur eifersüchtig. Tja, nun würde sie wohl nicht mehr die Gelegenheit bekommen, sich bei ihm dafür zu entschuldigen. Mutlos ließ sie die Schultern sinken. "Es musste ja irgendwann so kommen. Ich habe immer gewusst, dass ich der Organisation früher oder später zum Opfer fallen würde, genau so wie Akemi. In einer Sache hatte Vermouth wohl Recht... man kann der Organisation nicht entkommen. Aber..." Mit einer schnellen Bewegung zog die Rotbraunhaarige ihre Waffe hervor und zielte damit auf The Wild Rose. "Ich habe jemandem versprochen, dass ich mein Leben nicht einfach so aufgeben werde. Wenn Sie mich also töten wollen, sollten Sie damit rechnen, dass ich mich mit allem mir zur Verfügung stehenden Mitteln wehren werde." Egal was war, zumindest das war sie Shinichi schuldig, nachdem er ihr Leben seit ihrem Verlassen der Organisation so viel lebenswerter gemacht hatte.

Founder begann zu lachen, doch sein Lachen klang gequält und erzwungen. "Und derweil hab ich gehört, du und deine beiden Detektivfreunde aus Japan seit Pazifisten... aber ich konnte gleich nicht glauben, dass ein ehemaliges BO-Mitglied wirklich für immer die Finger von Waffen lassen kann. Du wurdest schließlich in diese Organisation hinein geboren und hast das Töten von Kindesbeinen an gelernt. Du kannst deinem Schicksal genau so wenig entkommen wie ich, dessen Blut vergiftet wurde, durch die Gene eines Mörders."

"So ähnlich habe ich auch einmal gedacht...", nickte Shiho und ließ ihre Waffe ein kleinwenig sinken. Eigentlich wirkte dieser Mann nicht so, als würde er sie wirklich töten wollen. "Sie haben Recht. Ich bin in die Organisation hinein geboren worden, auch meine Eltern haben für die Männer in schwarz gearbeitet, bis sie starben und ich habe geglaubt, wenn es hart auf hart kommen würde, wenn mein Leben davon abhinge oder das jener, die mir etwas bedeuten, dann würde ich jederzeit zu diesen Leuten zurück kehren und wieder meine dunkle Arbeit tun, weil es mir im Blut liegt... mir eingehämmert wurde, seit ich ein Kind war. Doch die Zeit, die ich mit Shinichi verbracht habe, hat mir klar gemacht, dass ich mein Leben selbst bestimmen kann. Ich allein entscheide, wer ich sein und was ich tun will. Wenn ich etwas Schlechtes tue und dann behaupte, es läge mir im Blut und wurde mir so anerzogen, dann ist das nur eine billige Entschuldigung und ein Zeichen von unglaublicher Schwäche." Sie hob ihre Waffe wieder etwas an, zögerte aber, ab zu drücken. Auch wenn sie nur auf seine Schulter oder sein Bein zielen würde, so war der Gedanke, auf einen Menschen zu schießen und ihn zu verletzen plötzlich unglaublich unangenehm. Noch am Morgen hatte sie zusammen mit Heiji, Shinichi und der Hilfe von Jodie einige Schießübungen absolviert und musste erkennen, dass sie nichts verlernt hatte. Sie konnte immer noch hervorragend Zielen. Doch nun, wo ein Mensch vor ihr stand - Mörder hin oder her - da zögerte sie, den Abzug zu drücken. Und obwohl dieser Gedanke im Moment unpassend war, fragte sie sich innerlich, ob ihr Detektiv jetzt stolz auf sie wäre.

"Vielleicht hast du Recht", nickte Founder. "Aber überleg dir mal, wer von uns beiden am längeren Hebel sitzt." Völlig unerwartet zog Cedrik unter einem der Couchkissen ebenfalls eine Waffe hervor und schon die Art, wie er sie Shiho entgegen hielt, zeigte deutlich, dass er weitaus weniger Skrupel hätte, auf sie zu schießen. Nicht dass er so aussah, als würde er sie töten wollen, aber er würde nicht zögern, sie zu verletzen, wenn es seinem Zweck dienlich war.
 

Doch es zeigte sich, dass es gar nicht nötig sein würde, denn eine ungewöhnlich starke Müdigkeit ereilte die einstige Wissenschaftlerin ganz plötzlich und auf einmal fühlte sich ihr Körper so schwer an. Sie konnte sich kaum bewegen. Irgendwie begann auch ihr Blickfeld zu verschwimmen. Die Rotbraunhaarige sah ihren Dozenten noch grinsen, bevor alles um sie herum dunkel wurde...
 

~ 12 Stunden später ~
 

"Du musst wissen", begann der Blonde plötzlich und riss Shiho damit aus ihren Erinnerungen, "dass ich Teil der schwarzen Organisation wurde, um Rache an meinem Vater nehmen zu können. Diese Leute sind die Einzigen, die es mir ermöglichen können, ihn zu sehen und zu ermorden. Aber zuvor sollte ich beweisen, dass ich wirklich zu ihnen gehöre. Mein Auftrag war es, dich zu töten. Ausgerechnet dich." Er legte eine Hand an ihre Wange und streichelte sanft darüber. "Dich, in die ich mich verliebt hatte."

Shihos Atem beschleunigte sich, während die Hand ihres Dozenten immer noch ganz selbstverständlich ihre Wange streichelte. Die Tatsache, dass er in sie verliebt war, erklärte zwar, warum sie noch am Leben war, jedoch machte es die Tatsache, dass sie ihm ausgeliefert war, nur noch schlimmer und bei dem Gedanken, was noch kommen könnte, wünschte sie sich einen Moment, dass Vermouth sie vor einigen Tagen getötet hätte. Schon allein der Gedanke, dass dieser Mann sie berührte, löste Panik in ihr aus. Doch sie war machtlos. Ihr Körper wäre im Moment nicht imstande, sich zu wehren. Sie konnte ja nicht einmal um Hilfe schreien oder um Gnade betteln. Alles was sie tun konnte, war abwarten und es letzten Endes über sich ergehen lassen.

Founder schien nicht zu bemerken, dass sie immer unruhiger wurde und so sprach er weiter in einem Ton, der eher daran erinnerte, dass er eine Geschichte erzählte, als eine wahre und ziemlich ernste Begebenheit. "Natürlich habe ich es mehrfach versucht. Meine Waffe war immer griffbereit, ich hatte immer eine kleine Ampulle mit Gift bei mir und schließlich spielte ich sogar mit dem Gedanken, dich irgendwo ein zu sperren und dich dann mithilfe eines tödlichen Gases ersticken zu lassen. Doch wie du siehst, habe ich am Ende nichts davon zustande gebracht. Ich konnte dich einfach nicht töten." Endlich nahm er seine Hand von ihrer Wange und nahm sich stattdessen den Tee, der auf dem Nachtschrank abgekühlt war. "Natürlich wurde die Organisation langsam ungeduldig und somit wütend. Als ihnen klar wurde, dass ich ihren Auftrag nicht erfüllen konnte, setzten sie Vermouth auf dich an, doch sie versagte glücklicherweise und so... gaben sie mir eine letzte Chance. Wenn ich dich dieses Mal nicht töte, dann werden sie mein Leben beenden." Er nahm einen großen Schluck von seinem Rosentee, als ob dieser die Situation für ihn irgendwie leichter machen würde "Uns bleibt also nur eine Möglichkeit...", begann er schließlich und sah Shiho ernst an.

Doch sie wollte gar nicht wissen, woran er dachte. Es gab sicherlich mehrere Möglichkeiten, doch keine davon würde ihr gefallen. Dennoch war sie auch dieses Mal dazu verdammt, einfach darauf zu warten, dass The Wild Rose seinen Plan preis gab.
 

Doch anstatt seinen Plan zu erklären, legte der junge Physiklehrer nur die Tasse wieder ab, erhob sich und verließ dann das Schlafzimmer, ohne noch ein einziges Wort zu sagen. Eigentlich sollte Shiho das beruhigen. Doch sie fühlte sich alles andere als ruhig. Ganz im Gegenteil. Ihre Angst wurde nur noch größer. Was auch immer er vorhatte, es konnte nichts Gutes sein und vielleicht... vielleicht würde sie Shinichi nie wieder sehen...
 

~*~
 

Die Tür zum Apartment flog mit einem lauten Knall ins Schloss und auch die Zeitung, die Shinichi eben aus dem Briefkasten geholt hatte, landete mit einem harten Aufprall auf dem Küchentisch. Nur mit Mühe konnte der junge Mann seine Wut zügeln, die ihn dazu verleiten wollte, seine Laune an weiteren unschuldigen Gegenständen auszulassen. Er atmete ein paar Mal tief durch, machte sich bewusst, dass dieses Verhalten absolut untypisch für ihn war und entschloss sich dann, erst einmal einen Kaffee zu trinken, denn sein Schlafmangel tat bestimmt das seinige dazu, seine Emotionen so zu verstärken.
 

Während sich der Detektiv seine Tasse mit dem schwarzen Gesöff füllte, ging die Tür zum Gästezimmer auf und ein verschlafener Heiji trat heraus. "Was machst du denn für einen Krach am frühen Morgen?", murmelte er und fuhr sich einmal kurz mit der Hand durch sein verwuscheltes Haar, bevor er gähnend neben seinem Freund am Küchentisch Platz nahm. Es dauerte einen Moment, bis ihm auffiel, dass jemand fehlte. "Wo ist Shiho?"

"Sie ist heute Nacht nicht nach Hause gekommen", grummelte Shinichi in seine Tasse, bevor er einen kräftigen Schluck nahm und sich an der frisch gebrühten Koffeinbombe den Mund verbrannte. Dies führte wiederum dazu, dass ein Schwall Flüche aus seinem Mund kam, bevor er sich schnell ein Glas mit kaltem Leitungswasser holte, um den Schmerz etwas ab zu kühlen.

Heiji beobachtete das Ganze irritiert und fragte dann leicht beunruhigt: "Machst du dir überhaupt keine Sorgen um sie?" Immerhin waren TWR und die BO hinter ihr her und letztere hatte bereits begonnen, alle Register zu ziehen. Der Dunkelhäutigere hatte es schon unverantwortlich gefunden, sie überhaupt alleine gehen zu lassen. Aber seit der Sache, die am Weihnachtsabend zwischen ihnen beiden vorgefallen war, handelten Shinichi und Shiho wider jeder Vernunft, Hauptsache sie konnten sich aus dem Weg gehen und anschweigen. Es war nicht so, dass der Witwer nicht gekocht hatte vor Eifersucht, als seine Freundin ihr Treffen mit dem Dozenten erwähnte, aber selbstverständlich war er nicht in der Position gewesen, irgendetwas zu sagen, außer, dass man diesem Typen nicht trauen dürfte und dass die Studentin bedenken sollte, dass ihr siebter Sinn in Sachen erkennen von BO-Mitgliedern sie schon öfter getäuscht hatte. Aber selbstverständlich hatte die Rotbraunhaarige nicht hören wollen. Sie vertraute dem Dozenten und schob Shinichis Bedenken auf seine Eifersucht, zu der er ihrer Meinung nach - wie sie gleich betonen musste - überhaupt kein Recht hatte. Am Ende der erstaunlich kurzen Diskussion war Shiho gegen die Empfehlung von Jodie alleine gegangen. Und nun war sie nicht nach Hause gekommen, dass konnte ja nur Schlimmes bedeuten.

"Das ist unnötig. Sie hat mir gestern Abend eine SMS geschrieben." Der Braunhaarige setzte sich wieder an den Tisch, ließ seinen Kaffee aber dieses Mal links liegen und begann stattdessen, sich ein Brot zu schmieren. "Sie meinte, sie würde bei ihrem Lehrer übernachten und wir sollen uns keine Sorgen machen", gab der hellhäutigere Detektiv den Inhalt der SMS grummelnd wieder.
 

Er wollte nicht eifersüchtig sein, denn Shiho hatte ja Recht, so wie er sich verhielt, hatte er absolut kein Recht dazu und es gab ja auch viele Gründe dafür, warum die Rotbraunhaarige bei ihrem Dozenten übernachtet haben könnte. Das sich zwischen den beiden womöglich etwas entwickelt hatte, war nur eine davon und die Chance war eigentlich auch relativ klein, immerhin hatte sie mehrfach betont, dass Founder nicht ihr Typ war.

Aber es war nicht nur Shinichis Eifersucht, die ihn wütend machte, es war auch Shihos Leichtsinn. Immerhin war eine gefährliche Verbrecherorganisation hinter ihr her, ebenso wie ein gefährlicher Serienkiller, wie konnte sie da so gedankenlos sein, bei einem im Grunde fremden Mann zu übernachten? Denn selbst wenn der Dozent eine reine Weste haben sollte, wer sagte, dass eine Person mit der er vielleicht zusammen lebt oder befreundet ist, das auch hat?
 

"Hm..." Heiji schenkte sich ebenfalls eine Tasse Kaffee ein und blickte dabei Nachdenklich auf Shihos leeren Platz. "Vielleicht ist es ja später geworden und sie wollte nicht mehr alleine nach Hause. Ich meine, selbst wenn sie ein Taxi genommen hätte, wäre das noch ziemlich riskant gewesen. Es war sicher das vernünftigste, dass sie die Nacht bei Founder verbracht hat." Auch wenn er Shinichi ansah, dass er daran zweifelte, dass Shihos Gründe für diese Tat, wirklich nur der Vernunft entsprungen waren. Aber eigentlich glaubte der dunkelhäutigere nicht daran, dass sich zwischen der Studentin und ihrem Dozenten etwas entwickelt hatte, immerhin war Shiho ganz offensichtlich in Shinichi verliebt und sie war nicht der Typ dafür, sich auf eine Beziehung ein zu lassen, nur um ihren Freund eifersüchtig zu machen.

Der Braunhaarige erwiderte nichts zu diesem Thema, sondern fragte stattdessen: "Du hast doch gestern Abend etwas in Jodies Akten geschnüffelt, oder? Hast du irgendetwas über TWR herausgefunden?" Es war sinnlos, sich über die Sache mit Shiho zu ärgern. Er sollte seine Energie lieber für wichtigere Dinge nutzen und The Wild Rose zu finden und hinter Gitter zu bringen, war definitiv sehr wichtig, um nicht zu sagen, dass es im Moment oberste Priorität hatte. Erst wenn TWR hinter schwedischen Gardienen war, konnten sie sich voll und ganz auf die BO konzentrieren und genau genommen waren die Männer in Schwarz schließlich der eigentliche Grund dafür, dass Shinichi überhaupt nach Amerika gekommen war.

"Nein, nichts was uns weiter hilft", seufzte Heiji und wollte gerade beginnen, sich ebenfalls ein Brot zu schmieren, als ihm plötzlich etwas einfiel. "Aber ich habe dir etwas interessantes mitgebracht", erklärte er, ging kurz zurück in ihr Gästezimmer und kam dann mit einer Dicken Akte zurück. "Ich hab mir die Akte von Elißa Day ausgeliehen. Ich dachte mir, nachdem Jodie schonmal den Verdacht geäußert hat, er könnte mit TWR in Verbindung stehen, könnte uns seine Akte vielleicht weiterhelfen." Der junge Vater überreichte seinem Freund die Akte und widmete sich dann wieder seinem Brot.

Gespannt legte Shinichi seine eigene Schnitte beiseite und öffnete die Akte. "Irgendwie kommt mir der Typ bekannt vor", murmelte er, als er das Foto von dem Serienkiller sah. "Aber vermutlich habe ich ihn nur schon irgendwann mal im Fernsehen gesehen." Er blätterte zunächst nur vor sich hin. In den etlichen Unterlagen, die in der Akte unter gebracht waren, waren die Angaben zu jedem der Opfer und jeden der Morde niedergeschrieben wurden. Da die Opfer alle eine gewisse Ähnlichkeit aufwiesen und die Vorgehensweise des Mörders natürlich immer dieselbe war, interessiert dies Shinichi nicht weiter, bis er plötzlich das Bild des letzten Opfers von Elißa Day entdeckte.

"Was guckst du denn so?", wunderte sich Heiji und beugte sich etwas rüber, um ebenfalls in die Akte blicken zu können, dabei achtete er darauf, dass sein Brot ja nicht auf das Papier krümelte. "Das ist ja interessant. Das letzte Opfer von Elißa Day, hat eine erstaunliche Ähnlichkeit mit Shiho. Die beiden könnten Zwillinge sein", stellte er mit einem Blick auf das Foto fest und überflog die Angaben zum Opfer. "Eine Japanerin die in Amerika studiert hat, um Lehrerin zu werden. Sie ging auf dieselbe Schule wie Shiho und sie ist mit 24 Jahren gestorben... Das sind fast etwas zu viele Parallelen, um Zufall zu sein", bemerkte der Schwarzhaarige und begann zu grübeln. Zwar nahmen sie alle an, dass TWR es wegen den Männern in Schwarz auf Shiho abgesehen hatte, aber wenn es tatsächlich eine Verbindung gab, zwischen The Wild Rose und Elißa Day, dann sollten sie diese Vermutung vielleicht noch einmal überdenken.

Shinichi nickte und eine gewisse Unruhe stieg in ihm auf, bei dem Gedanken, dass Shiho im Moment bei einem im Grunde fremden Mann war, weit weg von ihm, der er sie beschützen konnte. Dennoch konzentrierte sich der Witwer nun auf die Angaben zum Mordfall des letzten Opfers und schon bald entdeckte er etwas völlig unerwartetes. "Heiji...", begann der Braunhaarige und die Unruhe war ihm nun deutlich an zu sehen, als er seinem Freund die Akte reichte und ihm riet sich genau durch zu lesen, wie es dazu kam, dass man Elißa Day identifizieren und verhaften konnte.

"Kaori Takumi, das letzte Opfer von diesem Serienkiller, war die Verlobte von Cedrik Founder", brachte dieser Fassungslos hervor, als er sich alles durchgelesen hatte. "Er hat den Mord zufällig beobachtet und konnte Elißa Day damit identifizieren..." Schon wieder so ein Zufall, der eigentlich schon gar keiner mehr sein konnte. Beunruhigt ging Heiji auch die Angaben zu dem Prozess von Elißa Day durch und biss sich schließlich auf die Unterlippe. "Hör dir das mal an, Kudo!", forderte er und zitierte eine Stelle von dem Dokument. "'Der Hauptbelastungszeuge Cedrik Founder äußerte während der Verhandlung, dass alle Frauen, die so dumm seien, sich auf einen fremden Mann einzulassen, nur weil er attraktiv und charmant sei, es verdient hätten zu sterben.' Hier stehen auch noch andere Sprüche von ihm, die fast darauf hindeuten, dass er die Opfer von Elißa Day mehr gehasst hat, als den Mörder selbst. Der Typ muss ganz schön verzweifelt darüber gewesen sein, dass seine Verlobte auf den Kerl hereingefallen ist und mit ihm geschlafen hat." Verständlich, auf der einen Seite, aber auf der anderen Seite war die Äußerung, dass die Opfer den Tod verdient hatten, absolut nicht vertretbar. Welcher Mensch machte eine derartige Äußerung in einem Gerichtssaal, der voll ist mit dem Angehörigen der Opfer? Davon mal abgesehen, dass die Frau die er geliebt hat, ja ebenfalls eines dieser Opfer war, betrug hin oder her, wie konnte er meinen, sie sei zu Recht gestorben?
 

Einen Moment war es still zwischen den beiden Detektiven, deren Köpfe zu arbeiten begannen und schließlich sahen sie sich an, ebenso beunruhigt wie triumphierend. Sie hatten das Rätsel gelöst. Jetzt mussten sie sich nur noch sicher sein, dass sie auch beide auf dasselbe Ergebnis gekommen waren. Es war also Zeit ihre Schlussfolgerungen zusammen zu fügen.
 

"Alle Opfer von The Wild Rose, sind aus derselben Uni, auf die auch das letzte Opfer von Elißba Day ging, die die Verlobte von Founder war und alle Opfer haben auch dasselbe Alter wie sie", begann Shinichi.

"Alle Opfer von TWR wurde Nachts getötet, als sie alleine waren, aber es gab weder Spuren die auf einen Einbruch, noch auf einen Kampf hindeuteten, dass bedeutet, dass jedes der Opfer ihren Mörder freiwillig in die Wohnung gelassen hat und ihn vertrauensvoll in ihr Schlafzimmer geführt hat. Das wiederrum, kann nur bedeuten, dass es sich um eine Person gehandelt haben muss, die sie kannten, der sie vertrauten und zu der sie sich unter Umständen hingezogen gefühlt haben", führte Heiji fort.

Der Braunhaarige nickte. "Jemanden, wie Professor Cedrik Founder, von dem wir wissen, dass so ziemlich alle seine Studentinnen auf ihn stehen und er sich auch keine Mühe macht, diesen jungen Frauen zu zeigen, dass er ihre Gefühle nicht erwidert, so dass die Opfer glauben mussten, dass große Los gezogen zu haben, als ihr Dozent des Nachts plötzlich vor ihrer Haustür stand."

"All diese jungen Frauen, haben genau dasselbe Verhalten an den Tag gelegt, wie die Opfer von Elißa Day. Sie alle haben - oder hätten - sich einen so ziemlich fremden Mann hin gegeben, nur weil er Charmant und Attraktiv war. Sie alle haben denselben Fehler begangen, wie Kaori Takumi und sie alle, mussten mit dem Leben dafür bezahlen, genau wie sie." Heijis Puls wurde schneller, als ihm klar wurde, dass er und Shinichi offenbar auf dasselbe Ergebnis gekommen waren. "Was ist, wenn der Schmerz, den Founder nach dem Tod seiner Verlobten hatte, zu einem hass geworden ist? Was ist, wenn er nun alle jungen Frauen hasst, die genau so gehandelt haben, wie sie?"

"Dann könnte es sein, dass er glaubt, diese Mädchen töten zu müssen, als eine Art Strafe oder einfach nur, um seinem Hass Ausdruck zu verleihen", beantwortete der Witwer die Frage seines Freundes und auch ihm war die Nervosität deutlich an zu sehen.

"Aber das bedeutet dann ja..."

"Das Shiho sich in den Händen von The Wild Rose befindet."
 

~*~
 

Die Tür zu dem Schlafzimmer, welches Shiho jetzt langsam immer klarer erkennen konnte, öffnete sich nach gut einer halben Stunde wieder und Cedrik trat erneut ein. "Und? Geht es dir etwas besser?", fragte er und in seiner Hand hielt er ein Glas Wasser. Er wusste sicherlich, wie trocken Shihos Mund war. Eine weitere der Nebenwirkungen dieses Schlafmittels. Der Gefangene sollte um Wasser betteln und dafür bereit sein, alles zu tun. Natürlich wäre Shiho ohnehin durstig gewesen, nachdem sie so lange nichts getrunken hatte, aber so war dieser Durst fast unerträglich. Und er bemerkte ihren Blick natürlich. "Hast du vielleicht Durst?" Er setzte sich erneut auf die Bettkannte und hielt das Glas so, dass Shiho ihren Blick auf keinen Fall davon abwenden konnte.

Sie versuchte zu reden. Doch mehr als heisere Laute brachte ihre Kehle noch nicht hervor. Das Mittel würde ihr vermutlich frühestens in einer Stunde erlauben, wieder ein paar verständliche Worte heraus zu bringen. Bis dahin musste sie sich weiterhin anhören, was auch immer ihr Dozent zu sagen hatte. Und was das Trinken anging, war sie auch auf seine Gnade angewiesen.

Doch sie hatte Glück. Founder drückte ihr das Glas mit einem freundlichen Lächeln in die Hand und half ihr dann, sich ein Stück auf zu richten, so dass sie besser trinken konnte. Man sah ihr regelrecht an, was es für ein Kraftakt war, die Hand mit dem Glas, bis zu ihrem Mund zu führen, aber sie schaffte es irgendwie und trank dann das ganze Glas leer. "Du solltest nicht so schnell trinken, sonst verschluckst du dich noch!" The Wild Rose nahm ihr das Glas ab und stellte es neben den mittlerweile erkalteten Tee, der immer noch stark nach Rosen roch, bevor er Shiho an sich drückte, die er ja gestützt hatte, damit sie in ihrem Zustand sitzen konnte. "Du willst sicher wissen, was ich mit dir vor habe, oder?" Während eine Hand ihren Körper fest an seinen drückte, streichelte die andere über ihren Rücken. "Keine Angst. Ich werde dich nicht töten", er hauchte die Worte in ihr Ohr und Shiho lief ein eiskalter Schauer über den Rücken, während die Panik in ihr wieder größer wurde, denn sie ahnte plötzlich, was er nun mit ihr vor hatte. "Wir werden New York schon bald verlassen. Wir werden irgendwohin flüchten, wo die BO uns nicht findet. Wir werden uns neue Namen zulegen müssen, aber so etwas bist du ja schon gewohnt, nicht... Ai?"

Das Herz der Rotbraunhaarigen setzte einen Moment aus. Niemand durfte sie so nennen. Niemand außer Shinichi und vielleicht noch der Professor oder die Kinder, wenn sie mal über sie sprachen. Außerdem klang ihr einstiger Deckname aus seinem Mund so... widerlich. Die Art, wie Shinichi ihn aussprach, löste in ihr immer ein wohliges Gefühl aus, aber bei Founder fühlte sie es sich einfach nur angewidert.

"Wir werden heiraten...", er drückte sie zurück auf die Matratze, lag mit seinem halben Körper auf ihr und begann ihren Hals zu küssen, "und dann werden wir eine Familie gründen." Er biss sie, als wäre er ein Vampir, doch mehr als ein weiterer heiserer Laut, kam nicht aus Shihos Mund, obgleich sie den Schmerz gerne so laut herausgeschrien hätte, als würde er bereits Schlimmeres mit ihr anstellen. "Du wirst glücklich mit mir sein", versicherte Founder mit einem fast schon ekel erregenden Lächeln, bevor er seine Lippen hart auf die von Shiho presste...
 

~~~
 

Sorry das es so lange gedauert hat, aber durch eine Verletzung war ich eine Weile lahm gelegt, außerdem musste ich nach dem Betalesen eine ganze Szene noch einmal fats komplett neu schreiben, was natürlich ebenfalls etwas Zeit gekostet hat. Um euch nicht länger warten zu lassen, habe ich besagte Szene nicht extra noch einmal betan lassen, wundert euch also bitte nicht, wenn eine Szene mehr Fehler enthält, als die anderen.
 

Ansonsten bedanke ich mich wie immer für alle bisherigen und zukünftigen Kommentar und hoffe, wir lesen uns bald wieder.

Auch wilde Rosen verblühen...

Unruhig lugte Heiji immer wieder über den Rand der Akte zu dem Haus von Cedrik Founder, welches auf der gegenüberliegenden Straßenseite lag und auf den ersten Blick nicht so aussah, als würde es einen gesuchten Serienmörder beherbergen. Es machte den Anschein eines ganz normalen Einfamilienhauses. Die strahlend weiße Fassade sorgte dafür, dass das Haus angenehm aus der Masse hervorstach. Die meisten anderen Häuser hier standen schon seit sehr vielen Jahren und ihre Fassaden waren längst ergraut und schmutzig vom Regen.

Außerdem wirkte das Haus auch wesentlich moderner als die anderen - es stand vermutlich noch nicht halb so lange wie die anderen Häuser hier. Würde Heiji ein oberflächlicher 08/15-Bürger sein, würde er einen Serienmörder wie The Wild Rose eher hinter den kleinen Fenstern der alten Häuser vermuten, die meist noch mit dicken Gardienen Einblick ins Innere des Hauses verboten, während die großen Fenster im Haus von Founder geradezu dazu einluden, in das modern eingerichtete Haus hinein zu schauen, wo doch nicht einmal kleine Gardienen daran hingen.

Der dunkelhäutigere Detektiv musste zugeben, wüsste er es nicht besser, würde auch er beim Anblick dieses Hauses Zweifel bekommen, ob sie sich nicht in der Adresse geirrt hatten. Auf der anderen Seite tötete Cedrik seine Opfer ja nicht bei sich Zuhause, er hatte also keinen Grund etwas zu verstecken, außer vielleicht seine Waffe.
 

Seufzend sah er sich nach Shinichi um, der in den Garten des Hauses geschlichen war, in der Hoffnung, irgendeinen Anhaltspunkt auf Shihos Aufenthaltsort zu finden. Das Ganze war nicht nur gewagt, Jodi hatte ihnen am Telefon eigentlich auch verboten, irgendetwas auf eigene Faust zu unternehmen. Aber Heiji konnte verstehen, dass sein bester Freund einfach nicht nur ruhig hier stehen und auf die Ankunft des FBI warten konnte. Die Zeit drängte. Ehrlich gesagt hatte der Detektiv aus Osaka ohnehin seine Zweifel daran, dass Shiho noch lebte. Sie war nun immerhin schon seit über 10 Stunden in den Händen von The Wild Rose und er sah keinen Grund für den Serienmörder, die junge Frau länger leben zu lassen als seine anderen Opfer.

Aber er wollte Shinichi nicht die Hoffnung rauben, zumal er ahnte, was in dem Kopf des Witwers vorgehen musste. Er und seine einstige Leidensgenossin waren im Streit auseinander gegangen und der Kuss, der zu Weihnachten zwischen den beiden stattgefunden hatte, schwebte zwischen ihnen, ohne dass einer endlich einmal ausgesprochen hatte, wie dieser Kuss zustande gekommen war und was er wirklich bedeutet hatte. Shinichis Ausrede von wegen es wäre ein Ausrutscher, der nie wieder passieren würde, konnte man schließlich nicht ernst nehmen. Der Mann war einfach nur noch etwas verwirrt, nachdem der Tod seiner geliebten Frau doch noch nicht einmal ganz ein halbes Jahr her war. Das hieß aber nicht, dass er Shiho nicht mochte oder dass ihm der Kuss nichts bedeutet hatte, er war nur einfach noch nicht soweit. Hätte er es so erklärt, hätte die Studentin sicherlich auch Verständnis dafür gehabt, aber der Typ hatte eben nicht viel Erfahrung darin, seine Gefühle und Gedanken in Worte zu fassen, die eine Frau auch verstand.
 

Endlich kehrte Shinichi zu seinem Freund zurück, offensichtlich unzufrieden. "Und, hast du etwas entdeckt?", fragte Heiji ihn dennoch und schlug die Akte von Elißa Day zu, er glaubte nicht, dass es nötig war, sich zu verstecken. Wäre Founder Zuhause, hätte er sie längst entdeckt und sicher schon etwas unternommen.

"Nein, nichts." Es war zum verrückt werden, das Haus hatte nur dieses eine Stockwerk und alle Räume waren gut einsehbar durch die großen Fenster, aber nirgends ein Zeichen von Founder oder Shiho. "Und was ist mit dir? Hat dir das durchstöbern der Akte noch irgendetwas gebracht?" Natürlich bildeten sich in Shinichis Kopf langsam die schlimmsten Gedanken darüber, was mit Shiho passiert sein könnte, aber er wollte sie einfach nicht zulassen. Shiho musste einfach noch leben!

"Kann man so sagen." Heiji öffnete die Akte noch einmal, zog vorsichtig ein Dokument daraus und reichte es an Shinichi. Nebenbei warf er immer wieder einen flüchtigen Blick auf das Haus, aber nichts geschah. Nirgends regte sich etwas, Geräusche waren auch nicht zu hören... ob TWR schon geflüchtet war und Shihos Leiche irgendwo beseitigt hatte? Nein! Lieber nicht an so etwas denken. "Ich habe herausgefunden, warum dir Elißa Day so bekannt vorkam."

Etwas verdutzt blickte der Witwer erst seinen Freund an und widmete sich dann dem Blatt in seinen Händen. "Elißa Day, wurde als 16jähriger der Vergewaltigung einer seiner Mitschülerinnen beschuldigt, jedoch verschwand die junge Frau spurlos, kurz nachdem sie ihre Aussage bei der Polizei gemacht hatte und da die Hauptbelastungszeugin vor Gericht fehlte, konnte man ihn seinerzeit nicht festnehmen...", fasste er den Inhalt des Dokumentes kurz zusammen. "Die junge Frau wurde von ihrer Familie niemals als vermisst gemeldet und es wurde auch nie eine Leiche gefunden. Man geht davon aus, dass sie weggelaufen ist, aus Angst vor ihrem Peiniger, da sie bereits bei ihrer Vernehmung durch die Polizei deutlich gemacht hat, dass sie schreckliche Angst vor ihrem Klassenkameraden hatte."

Heiji nickte und deutete auf eine Stelle in dem Dokument. "Sie soll gesagt haben, dass es sich bei Steven Hall - wie er damals noch hieß - um einen Mörder handle und wenn er herausfindet, dass sie ihn verraten hat, würde er sie umbringen. Ich denke also die Theorie, dass sie geflüchtet ist, erscheint sinnvoll. Vermutlich hat sie sich auch einen neuen Namen zugelegt. Dass ihre Familie sie nie als vermisst gemeldet hat, lässt annehmen, dass sie wussten, wo ihre Tochter war."

"Und weiter?" Im Moment wusste Shinichi beim besten Willen nicht, worauf sein Freund hinaus wollte.

"Warte kurz." Heiji drehte sich zu dem Haus um, vor dem er die ganze Zeit gestanden hatte und sprach eine ältere Dame an, die gerade dabei war, den Weg, der zu ihrem Haus führte, vom Schnee zu befreien. "Entschuldigen Sie, darf ich Sie etwas fragen?" Die alte Frau schaute zwar etwas verdutzt drein, nickte dann aber. Vermutlich hielt sie Heiji für einen Touristen, der nach dem Weg fragen wollte oder so etwas. "Sie wohnen doch sicher schon länger hier, oder? Wissen Sie zufällig, wann dieses Haus gebaut wurde?" Er deutet auf das Haus von Founder.
 

"Aber ja", nickte die alte Dame, nachdem sie sich offensichtlich darüber gewundert hatte, dass der junge Japaner ihre Sprache so gut beherrschte. "Das Haus wurde vor etwa 29 Jahren hier gebaut. Vorher stand dort eine alte Villa, die einem berühmten Politiker gehört hat, aber sie ist vor 50 Jahren abgebrannt und seit dem war das Grundstück lange leer, weil niemand sein Haus auf ein Grundstück bauen wollte, auf dem eine Familie so grausam zu Tode gekommen ist."

Einen Moment packte Heiji die Neugierde. Ein Brand? Ein berühmter Politiker und dessen Familie, die dabei ums Leben gekommen waren? Das klang nach einem Fall, der nach 50 Jahren endlich aufgeklärt werden sollte! Aber er kam schnell wieder zur Vernunft. Sie hatten jetzt keine Zeit für so etwas. "Und wissen Sie auch, wer damals dort eingezogen ist?", fragte er also die ältere Frau, anstatt die Hintergründe des Brandes zu erforschen.

"Ja, eine sehr junge Frau mit ihrem kleinen Baby. Sie war sehr verschlossen, hat nie mit jemandem geredet und hat ihr Haus nur verlassen, um in die Wintergärten zu gehen. Sie hat dort viele verschiedene Rosenarten gezüchtet, müssen Sie wissen." Dass die alte Dame das nur wusste, weil sie ab und zu genau so um das Haus geschlichen war wie Shinichi eben, verriet sie selbstverständlich nicht. "Ihr Sohn ist da ganz anders. Er wohnt jetzt noch in dem Haus, wissen Sie? Er ist immer freundlich und er hilft mir auch mal, wenn in meinem Haus etwas kaputt ist. Er hat das Haus auch erst letztes Jahr renovieren lassen. Früher waren da keine großen Fenster drin. Seine Mutter hätte nie jemandem erlaubt, ins Haus zu gucken."

"Das ist merkwürdig", grübelte Shinichi. "Das Haus hat nur ein Schlafzimmer und es gab auch keinen anderen Raum, der sich als Kinderzimmer geeignet hätte." Da waren nur noch das Wohnzimmer, dass kleine Bad und die große Küche gewesen. Ein Arbeitszimmer oder Gästezimmer gab es nicht, auch keinen begehbaren Kleiderschrank oder sonst etwas. Aber würde eine junge Frau denn ihr ganzes Leben mit ihrem Sohn in einem Schlafzimmer schlafen?

"Ah ja, die Frau hatte ihr Schlafzimmer sicher im Keller... oder mehr im Bunker", schmunzelte die alte Dame. "Sie müssen wissen, die junge Dame war etwas paranoid. Wenn sie das Haus doch mal verlassen hat, dann hat sie sich immer etliche Male umgesehen, als glaube sie, jemand würde sie verfolgen und an den Türen zu ihrem Haus waren etliche Sicherheitsschlösser angebracht."

Shinichi blickte die betagte Dame fragend an."Bunker?" Nannte sie den Keller der Frau nur aus Spaß so oder befand sich unter dem Haus wirklich ein derartiger Ort? Wenn ja, würd dies der Perfekte Ort sein, um sich zu verstecken oder eine Geißel gefangen zu halten. Womöglich war Founder also doch da und nur in diesem Bunker und mit viel Glück war dann auch Shiho dort zu finden.

Die alte Dame nickte. "Ja, das einzige, was vom Haus des Politikers noch übrig geblieben ist, war sein Schutzbunker. Der Mann hatte immer Angst vor dem Krieg und so hat er sich seinerzeit einen Schutzbunker unter das Haus bauen lassen, ich weiß, dass man ihn beim Neubau des Hauses vor etwa 29 Jahren renoviert hat. Ich kann mir gut vorstellen, dass Frau Founder sich dort unten in der dunklen Nacht sicher gefühlt hat, immerhin kommt man nicht so einfach in einen Bunker, selbst nicht, wenn man weiß, dass er existiert."

"Und was ist mit dem Jungen? Sie hat ihn doch nicht etwa ganz alleine oben schlafen lassen, während sie im sicheren Bunker war?", hakte Heiji nach, er ahnte die Antwort schon, denn sie würde perfekt zu seiner Vermutung passen.

"Doch. Miss Founder war keine besonders liebevolle Mutter. Sie hat sich nie wirklich um den armen Cedrik gekümmert. Er hat ganz oft allein draußen im Garten gespielt und wenn er mal in das Gewächshaus gegangen ist, dann hat sie ihn furchtbar angeschrien, so laut, dass man es in der ganzen Straße gehört hat. Ich glaube, sie hat ihre Blumen mehr geliebt als ihren Sohn." Die Schultern der alten Dame sanken etwas nach unten. "Cedrik war gerade 15, da hat sich seine Mutter das Leben genommen******. Sie hat Schlaftabletten geschluckt. Seit dem ist Cedrik auf sich selbst gestellt. Stellen Sie sich das mal vor, wie egoistisch es von ihr war, sich das Leben zu nehmen und ihren Sohn ganz alleine zu lassen!"
 

"Wissen Sie zufällig, ob Miss Founder jemals Männerbesuch hatte? Ich meine, sie war doch sicher eine hübsche junge Frau, oder? Da wird doch ab und an mal ein Mann vorbei gekommen sein?" Natürlich wollte Heiji auf etwas Bestimmtes hinaus aber weder Shinichi, noch die alte Dame wussten, worauf genau, dennoch antwortete die alte Frau auch dieses Mal. Offenbar freute es sie, mal wieder mit jemanden plaudern zu können.

"Oh nein, sicher nicht. Die Frau hatte regelrecht Angst vor Männern... zumindest hat sie sich so verhalten. Sie hat Männern auch nie die Tür aufgemacht, auch keinem Nachbarn, nicht einmal mit Cedriks Lehrer wollte sie sprechen. Wie gesagt, sie war eine sehr seltsame Frau." Bis zu ihrem Ableben war sie bei den Nachbarn immer in aller Munde gewesen, obwohl sie niemand wirklich gekannt hatte.

"Vielen Dank, Sie waren uns eine große Hilfe", nickte Heiji der alten Dame zu, bevor er etwas Abstand vom Gartenzaun nahm und sich wieder Shinichi zuwendete. "Ich glaube, dass es nie wirklich eine Miss Founder gab. Die Frau, die hier gewohnt hat, hieß in Wirklichkeit Emilya Vain und war die jüngste Tochter des Politikers Brian Vain. Nachdem sie Elißa Day vergewaltigt hat, ist sie schwanger geworden und aus Angst vor ihrem Peiniger und weil ihre Familie diese Schande nicht ertragen konnte, änderte sie ihren Namen und ihr Aussehen und kam hier her. Ich nehme an, ihr Vater hat sie dafür bezahlt, dass sie einfach verschwindet und schweigt. Er hat ihr hier dieses Haus bauen lassen und es ihr ermöglicht, ihre Identität zu ändern, aber danach war sie auf sich selbst gestellt. Sie hat den Vorfall niemals überwunden und deswegen lebte sie so zurückgezogen und hatte Angst vor Männern. Und dass sie Cedrik nicht gut behandelt hat, lag daran, dass er der Sohn ihres Vergewaltigers war. Kannst du mir folgen?"

Kurzes Schweigen, doch dann ging Shinichi endlich ein Licht auf. "Du meinst... dass The Wild Rose, der Sohn von Elißa Day ist?" Darauf hätte er auch schon eher kommen können, aber im Moment schwirrten zu viele Dinge in seinem Kopf rum, als dass er noch fähig war, solche Dinge anhand dieser mageren Informationen zu kombinieren.

"Richtig. Wie Jodie es gesagt hat", nickte Heiji und steckte endlich das Dokument wieder zurück in die Akte, welches sein Freund bisher in den Händen gehalten hatte. "Ich glaube nicht, dass es jemals Kontakt zwischen Vater und Sohn gab, aber ich denke, dass Founder früher oder später herausgefunden hat, dass sein Vater und der Mörder seiner Verlobten ein und dieselbe Person sind. Vermutlich hat das seinen aufkeimenden Wahnsinn noch schlimmer gemacht. Ich meine genau betrachtet, hat dieser Mann von Anfang an sein Leben zur Hölle gemacht, obwohl er nie an Cedriks Leben teil gehabt hat." Das fing damit an, dass Cedriks Mutter ihn nicht lieben konnte und endete noch lange nicht mit dem Tod von Kaori Takumi.
 

Shinichi wollte gerade etwas antworten, als der Wagen von Jodie vor fuhr, etwas weiter weg parkten zwei größere Wagen, deren Insassen ebenfalls Mitglieder des FBI waren, vermutlich Schützen, die darauf warteten, dass sie angreifen sollten. Jodie winkte die beiden jungen Männer in ihr Auto und als sie darin Platz genommen hatten, wie als wäre es ein Taxi, blickte die FBI-Agentin sie finster an.
 

"Ihr habt doch hoffentlich noch nichts unternommen?" Sie traute den beiden alles zu. Sie hatte am Telefon ihre Mühe gehabt, vor allem Shinichi davon zu überzeugen, dass es besser war, nichts zu unternehmen, bevor sie und ihr Team eingetroffen waren. Allerdings war sie sich letzten Endes nicht sicher gewesen, ob sie darauf vertrauen konnte, dass die beiden jungen Männer sich auch wirklich daran hielten.

Kurz blickten sich die beiden Detektive an. Konnte man das, was sie getan hatten, als 'etwas unternommen' betrachten? "Nein. Wir haben uns nur etwas umgesehen", antwortete Heiji schließlich und hoffte, dass Jodie das ebenso ruhig sah, wie er es aussprach. Genau genommen hatten sie sich eigentlich irgendwo hier in der Nähe verstecken sollen, damit Founder sie gar nicht erst entdeckte und die Tatsache, dass sie letzten Endes praktisch direkt vor dem Haus gestanden und sich auch noch auf dem Grundstück umgesehen hatten, sprach ja nun noch gerade dafür, dass sie sich an Jodies Befehl gehalten hatten. Auf der anderen Seite konnte sie unmöglich wirklich erwartet haben, dass die beiden nur tatenlos rumstanden und warteten, während Shiho - wenn sie denn noch am Leben war - sich in großer Gefahr befand und es auf jede Sekunde ankam.

"Umgesehen? Seid ihr wahnsinnig? Wenn TWR euch nun entdeckt hätte?" Von dem Fakt mal abgesehen, dass dies den Serienmörder dazu hätte bringen können, Shiho sofort zu töten oder zu flüchten, hätte er auch so verrückt sein und die beiden jungen Männer auf offener Straße erschießen können, immerhin hatte er nichts mehr zu verlieren, schließlich müsste ihm klar sein, dass man ihn mittlerweile durchschaut hatte. Aber gut, was geschehen war, war geschen und sie hatten keine Zeit für lange Standpauken, also konzentrierte sich Jodie lieber wieder auf das Wesentliche. "Habt ihr wenigstens irgendetwas herausgefunden?"

Wieder war es Heiji der antwortete, während Shinichi die ganze Zeit grübelnd das Gewächshaus anstarrte. "Nicht beim Umsehen, aber bei der Unterhaltung mit einer Nachbarin."

Die Brauen der FBI-Agentin schossen nach oben, "Ich hab euch gesagt, ihr sollt euch unauffällig verhalten und ihr habt nichts Besseres zu tun als euch direkt an das Haus gegenüber zu stellen und mit einer Nachbarin zu plaudern?" Das Ganze klang für sie nicht nach der professionellen Vorgehensweise zwei erfahrener Detektive, aber gut, auch hier galt es wieder, das Beste daraus zu machen, immerhin konnte im Moment jede noch so kleine Information nützlich sein. "Und was habt ihr herausgefunden?"

"Neben der Tatsache, dass The Wild Rose, der Sohn von Elißa Day ist?", fragte Heiji und erhielt einen überraschten Blick von Jodie, diese kam aber nicht dazu etwas zu sagen, denn Heiji sprach bereits weiter. "Unter dem Haus befindet sich ein Bunker. Ich denke, wir können davon ausgehen, dass sich Founder dort versteckt", für den Fall dass er tatsächlich noch im Haus war, denn gesehen hatten sie ihn ja nicht.

Endlich wendete Shinichi seinen Blick von dem Gewächshaus ab. "Vielleicht hält er auch Shiho dort gefangen." Immerhin bot der Bunker dem Mörder einige Vorteile, der Eingang war sicherlich irgendwo versteckt und dann auch noch gut getarnt, so dass man ihn bei einer Durchsuchung womöglich nicht finden würde, außerdem waren die Wände so dick, dass niemand Hilferufe oder etwas dergleichen daraus hören würde, nicht einmal der Geruch einer verwesenden Leiche würde von dort nach draußen dringen - aber diesen Gedanken wollte er lieber nicht weiter ausbauen.

Auch Jodie sah man an, dass sie ihre Zweifel daran hatte, ob sie Shiho noch retten konnten, aber sie nickte. "Das ist denkbar. Also gut. Wir gehen wie folgt vor..."
 

~*~
 

Shiho spürte Übelkeit in sich aufkommen, als Cedrik ihre Bluse ein wenig aufknöpfte um den Teil ihrer Brüste zu küssen, der nicht von ihrem BH verdeckt war. Das Herz der Studentin hämmerte wie wild gegen ihren Brustkorb, ihre Atmung hatte sich panisch beschleunigt und ein Zittern, das ganz sicher nicht von freudiger Erwartung kam, brachte ihren ganzen Körper zum Beben. Sie wusste nicht, ob Founder das gleichgültig war oder ob er glaubte, dies alles seien Zeichen der Vorfreude, aber Fakt war, dass er nicht darauf reagierte, er machte einfach weiter.
 

Das hatte sie nun also davon, dass sie Shinichis Skepsis nicht ernst genommen hatte. Dieser Typ würde sie vergewaltigen und zu anderen Dingen zwingen, die sie nicht wollte und wenn er sie dabei nicht irgendwann umbringen würde, dann würde sie sich vermutlich früher oder später selbst das Leben nehmen. Das Schlimmste daran war nicht einmal das Leid, dass sie noch erfahren würde oder der Gedanke an ihren verfrühten Tod, sondern der Gedanke an Shinichi, dass sie beide im Streit auseinander gegangen waren, dass sie ihn allein gelassen hatte, wo sie doch wusste, dass er es nicht ertragen würde, noch jemanden zu verlieren, ganz egal ob er in ihr nun nur irgendeine Freundin sah oder eine Frau, die er lieben könnte.

Shiho hatte es vermasselt, schon wieder hatte sie alles falsch gemacht. Immer machte sie alles falsch. Nichts in ihrem Leben lief richtig. War das ihre Strafe? War es weil sie das Gift erfunden und damit so viele Menschen getötet hatte? Oder war es einfach nur, weil sie ihr Unglück herauf beschworen hatte? Es war schließlich wirklich dumm gewesen, nach Amerika zurück zu kehren, nachdem sie wusste, dass die BO hier und hinter ihr her war. Aber sie hatte bei Shinichi sein und ihm helfen wollen, im ersten Moment, war ihr diese Entscheidung also richtig vorgekommen. Aber jetzt?

Nein! Sie bereute es nicht. Sie war Shinichi hier näher gekommen, hatte ihn sogar geküsst und einen kleinen Moment in seinen Armen gelegen. Auch wenn aus all diesen Dingen nie das geworden wäre oder werden würde, was sie sich wünschte, so war es das dennoch wert gewesen.
 

Aber was tat sie hier schon wieder? Hatte sie schon aufgegeben? Hatte sie sich ihrem Schicksal ergeben? Hatte sie vor, The Wild Rose mit ihr machen zu lassen, was er wollte? Wie konnte sie daran denken, von ihm getötet zu werden oder sich selbst zu töten, wo es doch immer noch Hoffnung gab? Shinichi war sicher auf den Weg hierher. Er würde sie retten und wenn er das getan hatte, würde er mit ihr schimpfen, ihr sagen, dass sie besser hätte auf ihn hören sollen und sie würde sich das alles ohne Widersprüche anhören, denn sie hatte es ja verdient. Doch bis es soweit war, musste sie kämpfen, so gut es in ihrem derzeitigen Zustand möglich war.
 

Und besonders gut fühlte es sich nicht an, als sie sich bewegte, viel mehr war es, als würde sie eine tonnenschwere Last auf sich liegen haben, dennoch mobilisierte Shiho all ihre Kräfte um ihren Peiniger von sich weg zu stoßen. Das "Nein", welches sie mühevoll hervor brachte, war nur ein Hauch, wäre Cedrik ihr nicht so nah gewesen, hätte er es vermutlich nicht einmal gehört. Aber auch wenn sie es nicht gesagt hätte, in ihren Augen konnte er deutlich lesen, dass sie entschlossen war, nicht zuzulassen, dass er weiter ging. Letzten Endes war das Ganze ein sinnloses Unterfangen, immerhin war ihr Körper durch das Gift so gut wie gelähmt und die Kraft, die sie aufwenden musste, um ihn doch noch zu bewegen war viel zu groß, als dass sie das lange durchhalten würde. Früher oder später würde der Serienmörder sie klein kriegen und das wussten sie beide.
 

Doch anstatt sich erneut auf sie zu stürzen, nahm Founder Abstand und blickte sein Opfer einen Moment überrascht und schließlich vor allem enttäuscht an. Hätte Shiho es nicht besser gewusst, würde sie glauben, er fand ihr Verhalten unverständlich. Es war, als konnte er keinen Grund für ihre Ablehnung sehen. Hatte er etwa wirklich geglaubt, sie würde es wollen und genießen, wenn er sie einfach nahm? Eigentlich hatte sie angenommen, es wäre seine Absicht gewesen, sie zu vergewaltigen, nicht zuletzt, weil sie in ihrem Zustand nicht viel anrichten konnte, aber so wie er sie jetzt ansah, war sie sich nicht mehr sicher. Auf der einen Seite wäre das natürlich gut, denn so würde er vielleicht davon absehen, es noch einmal zu versuchen, aber auf der anderen Seite fand Shiho es einfach nur verwirrend. Dass Founder, nach allem was er erlebt und getan hatte, geistig nicht mehr ganz auf der Höhe war, war ja zu vermuten gewesen, aber dass es schon so weit war, dass er glaubte, sie würde ihn lieben und sich ihm mit Freuden hingeben, nachdem er sie hier festhielt, hätte sie nicht gedacht. Womit musste man bei diesem Irren wohl als Nächstes rechnen?
 

"So ist das also..." Founder senkte den Kopf, enttäuscht und auch gekränkt. Er hatte wirklich erwartet, sie würde es wollen, würde sich nach einer Vereinigung genau so sehnen wie er und deswegen wollte er auch nicht warten. Doch er hatte sich offenbar getäuscht. "Es ist dieser Detektiv, nicht wahr? Er hat dir den Kopf verdreht." Es war nicht so, dass er wirklich eine Antwort erwartete. Im Grunde kannte er ja die Wahrheit. "Na schön. Dann werde ich warten. Du wirst schon noch erkennen, dass du mich liebst und dass wir zusammen glücklich werden können." Zu Shihos Verwunderung machte der junge Dozent kehrt und verließ das Schlafzimmer, ohne noch etwas zu tun...
 

~*~
 

Während Jodie ihren Kollegen über Funk die letzten Anweisungen gab und Shinichi unruhig Founders Haus im Auge behielt, klingelte Heijis Handy. Auf dem Display stand Claires Name. Mist! Das hatte er total vergessen! Sie hatte ihn gebeten, heute zu ihren Eltern in die Villa zu kommen, weil sie über etwas Wichtiges mit ihm reden wollte. Er hätte vor einer halben Stunde dort sein sollen. Natürlich war das, was er hier tat wichtiger und sicher auch in Claires Sinne, aber er hätte sie ja wenigstens mal kurz anrufen können, auch um ihr zu sagen, was mit Shiho los war, immerhin waren die beiden beste Freundinnen.
 

"Claire, es tut mir furchtbar Leid, aber mir ist etwas ganz Wichtiges dazwischen gekommen", nahm Heiji das Telefonat schließlich leise an, um Jodie nicht zu stören, die ja immer noch über Funk ihren Leuten in den zwei großen Wagen die letzten Anweisungen gab.

"Das dachte ich mir schon", kam es verständnisvoll von der anderen Seite der Leitung. "Ich rufe auch gar nicht deswegen an, es ist wegen Shiho. Ich versuche sie schon seit gestern Abend auf dem Handy zu erreichen, aber sie geht nicht ran. Ist irgendetwas passiert?", wollte Claire besorgt wissen. Sie hatte sie eigentlich fragen wollen, wie es bei Founder gelaufen war und wie er die Nachricht aufgenommen hatte, dass sie ihr Studium unterbrechen würde, aber Shiho war nicht an ihr Handy gegangen, obwohl es offenbar nicht ausgeschaltet war.

"So kann man das sagen...", seufzte Heiji, der Shinichi stocken sah.

"Da!", sagte er und deutete auf Founder, der ganz plötzlich im Wohnzimmer aufgetaucht war. Selbst von dieser Entfernung konnte man erkennen, dass er nicht sonderlich positiv gelaunt war.

"Was ist denn bei euch los?", hakte Claire unruhig nach, nachdem Heiji eine Weile nichts gesagt hatte.

"Okay, dass ist unsere Chance, wir greifen ein", entschied Jodie, entsicherte ihre Waffe und trat aus dem Auto, mit den Augen machten sie den beiden Detektiven deutlich, dass sie im Wagen bleiben sollten, während die ganz in schwarz gekleideten Männer mit ihren Gewehren aus den beiden großen Wagen des FBI's traten und sich hastig zu Jodie begaben.

"Heiji! Rede mit mir! War das Jodie? Ist Shiho in Gefahr?", drängte Claire zu wissen und endlich sollte sie eine Antwort erhalten.

"Ja. Sie ist in den Händen von The Wild Rose. Aber mach dir keine Sorgen! Wir werden sie retten! Ich rufe dich später wieder an", damit beendete Heiji das Gespräch und genau in diesem Moment flog Founders Haus mit einem großen Knall in die Luft.
 

Eine gewaltige Schockwelle riss Jodie und ihre Kollegen zu Boden, der Wagen in dem Heiji und Shinichi saßen, begann unangenehm zu vibrieren und das kugelsichere Glas des Wagens begann unheilvoll zu knacken. Auf die Schockwelle folgte ein kleine Rauchwolke und als das Schlimmste überstanden und soweit alle heil geblieben waren, war von Founders Haus nicht mehr viel übrig. Hier und da standen noch ein paar Mauerreste, unidentifizierbare Gegenstände brannten und rund um das Haus waren dessen Überreste verteilt. Die Glasscheiben des Gewächshauses waren alle zerbrochen und die anderen kleineren Gewächshäuser waren unter dem Druck der Schockwelle zusammengebrochen.
 

Fassungslos und mit angehaltenem Atem blickten alle das Haus an, in das die Leute vom FBI eben noch hatten stürmen wollen. Ein paar Sekunden eher und sie wären vermutlich alle tot gewesen. Jetzt beschränkten sich die Verletzungen auf vergleichsweise doch recht harmlose Wunden, hervorgerufen durch den Sturz und herumfliegende Teile des Hauses. Nichts, was nicht heilen würde. Zum Glück war auch keine Waffe los gegangen und auch die Häuser in der Umgebung schienen weitgehend unbeschadet geblieben zu sein. Die alte Dame, die ihren Weg frei geschaufelt hatte, war zwar ebenfalls gestürzt, aber sie war ansonsten unverletzt. Aber was war mit Founder und Shiho?
 

Es dauerte nicht lange, da riss Shinichi die Wagentür auf und rannte zu dem großen Gewächshaus, als vermutete er dort etwas. Alles Rufen von Heiji und Jodie, dass es zu gefährlich war, das Grundstück zu betreten, weil es dort noch brannte und noch mehr in die Luft fliegen könnte, ignorierte der Witwer. Unvorsichtig kletterte er durch die zerbrochene Tür des Gewächshauses hinein, schnitt sich dabei hier und da an den letzten Glasresten, doch er ignorierte die schmerzenden und blutenden Wunden. Sein Ziel war der übergroße Ofen, der ihm schon beim Rumschnüffeln aufgefallen war. Niemand brauchte einen derartigen Ofen in einem Gewächshaus und noch weniger brauchte man einen Ofen mit einer derartig großen Öffnung. Es war nur eine Vermutung, aber wenn er Recht hatte, dann war dieser Ofen der einzige Weg, um in den Bunker zu kommen, der nach dem Zusammensturz des Hauses noch existierte.
 

Vorsichtig öffnete der Detektiv die große Ofentür und tatsächlich gab sich ihm nicht das Innere eines mehr oder minder häufig benutzten Ofens Preis, sondern eine alte Leiter, die einen engen Röhrenförmigen Gang nach unten führte. Ohne zu zögern betrat Shinichi das Innere des Ofens und kletterte die Alte Leiter hinunter, bis er unten angekommen war, doch dort stand er vor einer verschlossenen Tür. Von Innen konnte man die schwere Eisentür nur mit einem Schlüssel öffnen, aber der Witwer war sich sicher, dass sie sich von Außen schneller öffnen ließ. Dieser Geheimgang war vermutlich erst von Cedriks Mutter in Auftrag gegeben worden. Sie hatte nach der Vergewaltigung mit hoher Wahrscheinlichkeit ständige Angst vor einem erneuten Überfall und dieser Geheimgang sollte es ihr ermöglichen, das Haus unbemerkt zu verlassen, für den Fall, das irgendetwas passiert war, dass sie beunruhigte oder darauf hinweisen könnte, dass jemand in ihr Haus eingedrungen war. Damit aber niemand diesen Eingang benutzen konnte, um unerlaubterweise in den Schutzbunker einzudringen, hatte sie diese Tür so präpariert, dass sie sich ohne Hilfsmittel nur vom Bunker aus öffnen ließ.
 

Für Shinichi hieß das, dass es jetzt nur noch eine Möglichkeit gab. "Ai! Ai, kannst du mich hören?!", schrie er so laut er nur konnte gegen die schwere Tür, würde sie ihn nicht hören oder sich aus irgendeinem Grund nicht bewegen können, dann konnte er sie da nicht raus holen und es würde vermutlich Stunden dauern, bis sie die schwere Eisentür geöffnet hatten. Vielleicht war es dann aber schon zu spät, denn wer wusste schon, in welchem Zustand Shiho war oder wie lange der Bunker nach dieser Explosion noch stehen würde? Sicherlich, es war ein Bunker, aber das machte ihn nicht grundsätzlich unantastbar. "Ai! Wenn du mich hörst, dann antworte bitte!" Es kam keine Reaktion, aber er musste es einfach weiter versuchen. "Ai! Ich bin im Ofen! Du musst die Tür öffnen, hörst du? Das ist der einzige Weg nach draußen!" Obwohl sie nicht antwortete, war sich Shinichi sicher, dass sie da war und dass sie ihn hören konnte. Dennoch geschah zunächst nichts.

"Kudo! Was machst du da unten?", rief Heiji schließlich von oben durch den Schacht. "Brauchst du Hilfe? Soll ich runter kommen?" Der junge Vater erhielt keine Antwort, er hörte nur immer wieder, wie Shinichi Ai zurief, dass sie die Ofentür öffnen sollte. "Shinichi, ich weiß, du willst das nicht hören, aber es könnte gut sein, dass Shiho gar nicht mehr am Leben ist und ich glaube nicht, dass es gesund ist, wenn du zu lange in diesem Gang bleibst, das Ding hat sicherlich auch schon stabilere Tage gesehen!" Zwar war Heiji kein Experte, aber dieser Gang war die letzten 29 Jahre sicherlich nicht gepflegt worden und durch die Explosion könnte er noch zusätzlichen Schaden genommen haben, sie mussten ja nicht riskieren, dass Shinichi da unten verschüttet wurde. "Verdammt, Kudo! Komm da endlich raus!"

Aber der Witwer dachte nicht dran und seine Hartnäckigkeit sollte belohnt werden, die schwere Eisentür öffnete sich einen kleinen Spalt und nachdem Shinichi sie ganz geöffnet hatte, fand er Shiho am Boden liegend. Sie war mit letzter Kraft bis zum Kamin gekrochen und hatte die schwere Tür irgendwie geöffnet, aber jetzt konnte sie nicht mehr. "Keine Sorge Ai, ich hole dich hier raus!", versprach der Detektiv und hob sie vorsichtig hoch, nachdem er kontrolliert hatte, ob sie noch atmete. Kurz blickte er sich in dem liebevoll eingerichteten Schlafzimmer um. Der Raum an sich war heil geblieben, aber durch die beschädigte Tür drang langsam immer mehr Rauch. Hätten sie noch länger gewartet, wäre Shiho vielleicht erstickt...
 

~*~
 

Nach einem kurzen Klopfen öffnete sich die Tür zum Krankenzimmer und Shinichi trat herein. "Nach dem ganzen Ärger bringst du es nichtmal fertig, mir einen Strauß Blumen mit zu bringen?", fragte Shiho halb schmunzelnd, halb beleidigt. Ihre Stimme war noch mehr ein Krächzen als ein Sprechen und die Ärzte hatten ihr auch gesagt, dass es noch eine Weile dauern würde, bis ihre Stimmbänder wieder im alten Zustand waren, aber ansonsten erholte sie sich gut von dem Gift, eine Rauchvergiftung hatte sie auch nicht und bis auf einen Knutschfleck an ihrem Hals war auch von Founders 'Überfall' nichts zurück geblieben. Alles in allem konnte man fast sagen, dass Shiho mit dem Schrecken davon gekommen war... und mit einer Lektion.

"Naja, ich dachte unter diesen Umständen wäre ein Strauß rote Rosen nicht so angebracht", erklärte Shinichi und trat an Shihos Krankenbett. Sie sollte über Nacht zur Beobachtung bleiben, um sicher zu sein, dass das Gift keine unerwarteten Nebenwirkungen zeigte.

"Die wären auch ohne diese Founder-Geschichte unpassend gewesen", erklärte Shiho. "Aber ich kann wohl nicht erwarten, dass du das verstehst, ihr Männer beschäftigt euch ja nicht mit 'der Sprache der Blumen'." Grundsätzlich hatte sie sich dafür auch nicht so interessiert, aber für ein Projekt während ihres Studiums hatte sie sich dann doch mal mehr damit auseinander setzen müssen und hatte das ganze letzten Endes doch recht interessant gefunden. "In deinem Fall wäre ein Strauß Margeriten passender gewesen oder die Wucherblume."

"Und was bedeuten die?" Shinichi ließ sich auf die Kante von Shihos Bett sinken, weil kein Stuhl in der Nähe war und der Tag so anstrengend war, dass der Detektiv einfach nicht mehr stehen konnte.

"Die beiden bedeuten dasselbe. Einfach nur 'lass mich in Frieden'", kam sofort die Erklärung von Shiho, aber Shinichi reagierte nicht darauf, also wechselte die Studentin das Thema. "Was ist mit Founder?"

"Wir können davon ausgehen, dass er bei der Explosion ums Leben gekommen ist. Die Trümmer des Hauses werden noch durchsucht, aber es gibt keinen Grund anzunehmen, dass er überlebt haben könnte." Immerhin hatten sie ihn alle im Haus gesehen, kurz vor der Explosion, er konnte unmöglich entkommen sein. "Allerdings ist die Ursache für den Explosion im Moment noch völlig unklar. Denkst du... Founder wollte sich vielleicht das Leben nehmen?" Eigentlich hatte Shinichi Selbstmord sofort ausgeschlossen, aber er wollte lieber auf Nummer sicher gehen.

"Nein, eigentlich nicht." Immerhin hatte er mit ihr ein neues Leben anfangen wollen, wieso sollte er sich da das Leben nehmen wollen? Ihre Abweisung hatte ihn ja wohl kaum so sehr abgeschreckt, oder?

"Das dachte ich mir. Ich vermute auch viel eher, dass die BO ihre Finger da mit im Spiel hat. Vermutlich haben sie herausgefunden, dass wir Founder enttarnt haben und haben ihn zum Schweigen gebracht, bevor er uns etwas verraten konnte." Wer wusste schon, wie lange dieser Schritt geplant gewesen war? Sie hatten sicher nur auf den richtigen Moment gewartet. "Vermutlich haben sie auch darauf gehofft, dich dabei gleich noch ausschalten zu können." Dann hätten sie gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

"Das klingt naheliegend", nickte Shiho und ließ sich dann etwas zurück sinken, sie war nicht weniger erschöpft als Shinichi. "Danke, dass du mich gerettet hast... und dass du mir einen Vortrag à la 'Ich hab’s dir ja gesagt' ersparst." Sie hatte sich zwar fest vorgenommen, wenn er ihr diesen Vortrag halten würde, würde sie ihn ertragen, aber nun war sie doch froh, dass er ihr ihn nicht hielt. Sie wusste auch so, dass sie Mist gebaut hatte. "Und es tut mir leid, dass ich nicht auf dich gehört habe. Aber ich dachte, du wärst nur eifersüchtig."

"Ich war auch eifersüchtig", gab Shinichi nach kurzem Zögern zu. "Und ich weiß auch ehrlich gesagt nicht, ob meine Skepsis nicht tatsächlich nur von dieser Eifersucht kam und dass ich Recht hatte, war dann am Ende vielleicht nur ein Zufall." So genau sagen konnte er das nicht, denn umso mehr er darüber nachdachte, desto mehr fragte er sich, ob er Founder nicht doch nur verdächtigt hatte, weil er ihm wegen Shiho unsympathisch gewesen war. "Ist ja auch egal. Der Fakt ist, dass wir jetzt quitt sind. Du hast mich gerettet und ich hab dich gerettet."

"Du hast keine Ahnung...", müde blicke Shiho ihren ehemaligen Leidensgenossen an. "So oft, wie du mir schon das Leben gerettet hast, werden wir nie quitt sein. Aber das ist okay. Ich stehe gerne in deiner Schuld, denn so lange ich dir etwas schulde, habe ich einen Grund, dich wieder zu sehen...", mit jedem Wort war sie immer leiser geworden und kaum das sie zu Ende gesprochen hatte, war sie auch schon eingeschlafen.
 

Shinichi beobachtete sie eine Weile und seufzte dann. Das war jetzt schon das dritte Mal in so kurzer Zeit, dass er sie beinahe verloren hätte und mit jedem Mal wurde er unsicherer, wie es weiter gehen sollte, nicht nur zwischen ihm und ihr, sondern auch mit dem Fall. Es war nicht nur ihr Leben, dass er damit in Gefahr brachte, auch das von Heiji, der doch gerade erst Vater geworden war und wer wusste, wie viele andere unschuldige Menschen er da noch unbewusst mit rein zog? Aber konnte er jetzt noch zurück? Nein, jetzt war es zu spät. Er musste das zu Ende bringen, was er angefangen hatte und er würde dabei alles dafür tun, dass niemand mehr sterben musste.
 

Vorsichtig erhob sich Shinichi schließlich von der Bettkannte, schaltete beim Verlassen des Raumes das Licht aus und schloss schließlich die Tür hinter sich. Unbewusst wanderte seine Hand zu der Kette an seinem Hals und umklammerte den Ring. Er hatte sie verloren, hatte sie nicht beschützen können und doch war sie immer noch bei ihm, würde immer bei ihm sein und genau das gab ihm die Kraft weiter zu machen, weiter zu kämpfen und weiter zu leben. Vielleicht würde er eines Tages auch ohne den Gedanken an Ran leben können, würde seine Kraft vielleicht aus etwas anderem oder von jemand anderem schöpfen, aber bis dahin würde es noch dauern.
 

Noch eine Weile...
 

~~~
 

****** --> Siehe Fehlerteufel

Alles auf Anfang

Das Ticken der antikwirkenden, großen Standuhr in dem dunklen und fensterlosen Raum, war durch die Stille zwischen den Anwesenden deutlich zu hören, geradezu war es beunruhigend, wie die Uhr ihnen damit immerfort verkündete, dass die Zeit weiter lief, dass sie ihnen praktisch davon lief...
 

"Die Verräterin lebt also noch..." Ein etwas älterer Mann mit dünnen grauen Haaren, aber ansonsten einem relativ jung wirkenden Gesicht, lehnte sich in seinem Chefsessel hinter dem großen Schreibtisch angespannt zurück, nachdem er ein unscheinbares Dokument mit dem Namen 'Ethanol' unterzeichnet hatte und blickte den jungen Mann an, der mit gesenktem Blick vor ihm stand.

"Ja. Leider ist der versteckte Eingang zum Bunker durch die Explosion nicht zerstört und dann auch noch viel zu schnell von diesem Kudo entdeckt worden. Hätte er etwas länger gebraucht, um den Geheimgang zu finden, wäre Sherry sicherlich in dem Raum erstickt." Der junge Mann fuhr sich etwas unruhig mit der Hand durch seine schwarzen Haare. "Sie wird, soweit ich informiert bin, jetzt nicht nur von den beiden Detektiven aus Japan beschützt, sondern auch von einigen Leuten vom FBI."

"Das heißt, es wird jetzt noch schwieriger, an sie heran zu kommen", erkannte der ältere Mann seufzend und verschränkte die Arme vor der Brust. "Es ist wirklich eine Schande, was aus unserer Organisation geworden ist, dass wir sogar zu schwach sind, eine Verräterin wie Sherry zu erledigen."

"Vater, dürfte ich anmerken, dass unserer Organisation, auch als sie in voller Blüte stand, nicht in der Lage war, Sherry zu töten? Es liegt womöglich also gar nicht an uns." Der junge Mann warf einen Blick auf die beiden großen Kerzenständer, die links und rechts von seinem Vater auf dem Schreibtisch standen und dessen flackernde Kerzen das Zimmer in ein dämmriges rotes Licht hauchten. "Sherry ist wie Feuer, schön an zu sehen und nützlich noch dazu, aber gefährlich, wenn man die Kontrolle darüber verliert."

"Was schlägst du also vor... Scotch?" Ethanol blickte zu seinem Sohn auf und war offensichtlich gespannt darauf, was für eine Antwort er erhalten würde. "Du musst bedenken, auch wenn deine Tante Bella zweifelsfrei eine unfähige Anführerin war, so ist unter ihrer Leitung unsere Organisation wenigstens stetig gewachsen, während sie unter meiner Leitung immer kleiner wird."

"Vater, ich finde nicht, dass du dir das zum Vorwurf machen solltest, all jene die wir in den letzten Wochen verloren haben, waren ausschließlich die unfähigen Leute, die Bella in die Organisation geschleppt hat. Der einzige wirkliche Verlust war der Tod von Vermouth und der war ein Unfall. Selbst der beste Killer ist nicht sicher vor einem Unfall. Du hast dir nichts vorzuwerfen... außer vielleicht die Tatsache, dass du sie nicht wegen der Organisation, sondern aus privatem Interesse aus dem Knast geholt hast." Und man sah Scotch an, dass er ihm dies in der Tat zum Vorwurf machte, aber sein Vater ging nicht darauf ein, sondern sah ihn weiterhin nur schweigend und gespannt an. "Wie dem auch sei, ich schlage vor, unsere Taktik zu ändern. Wir sollten uns vorerst darauf konzentrieren, die Organisation zu stärken. Wenn wir genug fähige Männer und Frauen haben, dann ist es sicher leichter für uns, die Verräterin und ihre beiden Detektive auszuschalten."

Der ältere Mann zögerte, nickte dann aber. "Okay, ich bin aber nicht dafür, dass wir Sherry gänzlich aus den Augen verlieren. Sie darf uns auf keinen Fall entkommen." Mit Schwung drehte er sich in seinem Drehstuhl um 180° und stand dann auf, um einen alten Holzschrank zu öffnen, der etliche Flaschen mit den verschiedensten Alkoholsorten offenbarte. "Ich schlage deshalb vor, wir setzten unsere Geheimwaffe ein." Grinsend griff er nach einer Flasche und hielt sie seinem Sohn hin. "Was hältst du davon, wenn wir uns einen Black Pearl machen?"
 

~*~
 

"Weißt du, was ich mich manchmal frage?", erkundigte sich Shinichi, während er neben Shiho durch die verschneiten Straßen von New York lief. Die beiden liefen relativ langsam und fielen so in der Masse von hektischen Leuten, die alle an ihnen vorbei eilten, ziemlich auf.

"Nein, keine Ahnung." Shihos Stimme klang immer noch etwas kratzig, obwohl sie bereits seit zwei Wochen aus dem Krankenhaus raus war und tagtäglich diesen eklig schmeckenden Tee zu sich nahm, der ihren Stimmenbändern helfen sollte, sich zu erholen. "Aber ich würde gerne wissen, wo wir eigentlich hin gehen."

"Das wirst du dann schon sehen", war jedoch die einzige Antwort, die Shinichi für sie übrig hatte, bevor er wieder zu seinem Thema zurück kehrte. "Ich muss manchmal daran denken, wie du mir damals, als wir noch Ai und Conan waren, mal gesagt hast, dass du mich liebst und ich frage mich mittlerweile, ob du damals wirklich nur einen Scherz gemacht hast."

Gerade als Shiho antworten wollte, griff er nach ihrem Arm und zog sie etwas grob näher zu sich, offenbar weil er jemanden entdeckt hatte, der ihm suspekt vor kam. Da die einstige Wissenschaftlerin wusste, dass sie bei ihrem Detektiv in den besten Händen war, kümmerte sie sich allerdings nicht weiter darum. "Natürlich habe ich keinen Scherz gemacht. Ich habe das ernst gemein, aber nachdem ich deinen Gesichtsausdruck gesehen hatte, hielt ich es für besser, dich das nicht merken zu lassen. Du hast mir mit deinem Blick sehr deutlich gemacht, wie meine Chancen stehen und ich wollte nicht riskieren, dich auch noch als Freund zu verlieren, weil du dann sicher geglaubt hättest, Abstand von mir nehmen zu müssen." Sie überquerten mit Hilfe einer Fußgängerampel eine viel befahrene Straße und steuerten zielsicher einen kleinen Blumenladen an. "Wieso beschäftigt dich das eigentlich? Glaubst du, es wäre besser gewesen, ich hätte nicht behauptet, es wäre nur ein Scherz?"

Er musste nicht einmal darüber nachdenken, die Antwort kam sofort. "Nein." Damals hätte es keine Bedeutung für ihn gehabt, es wäre ihm viel mehr unangenehm gewesen und er hätte nicht gewusst, wie er damit hätte umgehen sollen. Vermutlich war ihr Verdacht, er hätte sich dann von ihr zurück gezogen - auch wenn er das sicher nicht mit einer bösen Absicht getan hätte - gar nicht so falsch. Aber es hatte ihn einfach interessiert, weil er sich insgeheim mittlerweile doch fragte, wie oft er wohl unbewusst ihre Gefühle verletzt hatte. "Da müssen wir rein!", verkündete der junge Detektiv plötzlich und öffnete tatsächlich die Tür zu einem Blumenladen, wo die Verkäuferin ihm schon freundlich zulächelte und ihm mit der Hand ein Zeichen gab, bevor sie kurz in den Nebenraum verschwand und mit einem kleinen Strauß bunt durcheinander gewählter Blumen und Kräuter zurück kam, welche sie Shinichi in die Hand drückte.

Shihos Augenbraue zog sich sofort nach oben. "Was wird das hier, Kudo?" Es hatte sie ja ohnehin schon verwundert, dass er sie heute so plötzlich gebeten hatte, ihn in die Stadt zu begleiten, wo er doch ansonsten darauf bestand, dass sie die Wohnung nur noch verließ, wenn es gar nicht anders ging und nun waren sie auch noch in einem Blumenladen gelandet, einen Ort, an dem sie sich Shinichi nicht einmal wirklich vorstellen konnte.

"Weißt du, es gibt ein paar Dinge, die ich dir sagen will, aber ich wusste nicht so recht, wie ich sie in Worte fassen soll, also habe ich mich dafür entschieden, eine andere Sprache zu benutzen. Eine die du auch kannst." Mit einem kurzen zielsicheren griff in seine Jackentasche zog Shinichi ein ordentlich gefaltetes Blatt hervor, welches er mit seiner einen freien Hand mühevoll entfaltete, bevor er Shiho nach und nach jede Blumen von dem Strauß einzeln überreichte. Zuerst wusste Shiho nicht, was das sollte, doch dann begriff sie, dass er von der Blumensprache reden musste. Da konnte sie nur hoffen, sie wusste noch, welche Blume was bedeutete, immerhin gab es über 100 Blumen und Blüten, die etwas bedeuten konnten.
 

Zunächst drückte er ihr eine Baldrianpflanze in die Hand.

"Ich werde dich beschützen."

Dann eine noch nicht vollständig aufgeblühte rote Rose.

"Ich beginne, dich zu lieben."

Danach eine Dahlie.

"Ich bin dir dankbar!"

Zum Schluss noch einen Krokus.

"Ich brauche noch Zeit, um mich zu entscheiden."
 

Damit war der kleine bunte Strauß zusammen und Shiho hatte Mühe, ein Seufzen zu unterdrücken. Sie wusste, was er ihr sagen wollte. Es war nicht so, dass sie ihm nichts bedeutete, aber er war noch nicht so weit. Auf der einen Seite freute sie es, dass er es ihr endlich mitgeteilt hatte, aber auf der anderen Seite war sie auch enttäuscht, denn sie wusste nicht, wie lange sie noch warten konnte und wollte. Aber was sollte sie nun sagen?
 

"Lass uns nach Hause gehen...", war schließlich das Einzige, was sie sagte, bevor sie Shinichi den Strauß einfach in die Hand drückte, so als würde er nichts bedeuten. Den etwas irritierten Blick, den er ihr zuwarf, als sie den Laden verließ, ohne auf ihn zu warten, bemerkte sie nicht.

"Vielleicht möchte die junge Frau ja nicht mehr länger warten...", wagte die Verkäuferin zu vermuten, die Shinichi dabei geholfen hatte, die richtigen Pflanzen für das zu finden, was er gerne sagen wollte. Doch sie erhielt keine Antwort, stattdessen legte er ihr nur das Geld für den Strauß auf den Tresen und folgte Shiho dann nach draußen...
 

~*~
 

"Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll... mich zu entschuldigen." Heiji kratzte sich etwas verlegen an der Wange, während eine Bedienung ihm und Claire jeweils eine Tasse Kaffee auf den Tisch stellte. Die beiden saßen in einem kleinen Café an einem hübschen runden Tisch am Fenster. In dem Café war im Moment nicht viel los und so konnten sich der Detektiv und die Studentin ganz entspannt über alles unterhalten, was bisher so passiert war seit Weihnachten.

"Du musst dich nicht entschuldigen, bei alldem was passiert ist, ist es doch ganz normal, dass du keinen Kopf hattest, mich anzurufen. Ich verstehe das, keine Sorge." Lächelnd blickte Claire ihren Gegenüber an, bevor sie ihre Tasse in die Hand nahm und begann, in das braune Getränk zu starren. "Aber weißt du... es war mir sehr wichtig, dass wir reden können. Nachdem ich meine Eltern endlich davon überzeugen konnte, mich wieder zurück in das Apartment ziehen zu lassen... werden wir ja wieder zusammen wohnen und uns auch öfter sehen. Und ich weiß, bevor ich wieder zurück kehre an den Ort, an dem du auch bist, muss ich dir noch ein paar Dinge sagen."

"Das klingt ja ernst. Habe ich etwa etwas falsch gemacht? Hätte ich öfter die Geschirrspülmaschine einräumen sollen?" Auch Kazuha beschwerte sich immer, dass er zu wenig im Haushalt half. Vielleicht hatte er Claire damit ja auch verärgert? Heiji konnte sich jedenfalls nicht vorstellen, was es sonst noch wichtiges zu bereden gab. "Oder geht es um deine Sicherheit? Ich kann dir da natürlich nichts versprechen Claire, aber ich kann dir versichern, dass Shinichi und ich dich und Shiho beschützen werden und das FBI ist auch immer in der Nähe." Sogar heute, wo der hellhäutigere Detektiv geplant hatte, mit Shiho in die Stadt zu gehen um 'etwas wichtiges zu klären', wie Shinichi es bezeichnet hatte, würde ein Team aus mindestens zwei FBI-Mitglieder irgendwo unauffällig hinter ihnen laufen und sie stets im Auge behalten - was es dem Witwer sicher nicht einfacher machen würde, mit Shiho zu klären, was er zu klären hatte.

"Nein! N-Nein, darum geht es gar nicht. Ich weiß, dass ich bei euch in guten Händen bin und es ist auch nicht der Geschirrspüler. Es ist viel mehr..." In einem Anfall von Panik begann Claire einen großen Schluck aus ihrer Tasse zu nehmen und ließ sich auch erstaunlich viel Zeit damit, die Tasse wieder sinken zu lassen. "Heiji, ich weiß jetzt, dass du verheiratet bist und eine Familie hast und... ich möchte mich da jetzt auch nicht irgendwie einmischen, falls du das denkst. Aber es ist wichtig für mich, dir meine Gefühle ins Gesicht zu sagen, auch wenn ich weiß, dass du sie niemals erwidern wirst." Erst nach kurzem Zögern blickte die Studentin schließlich direkt in Heijis Augen. "Ich liebe dich, Heiji. Ich fand dich vom ersten Tag an unglaublich faszinierend. Du bist intelligent und attraktiv und in deiner Nähe fühlt man sich irgendwie immer sicher, selbst wenn eine Horde Mörder hinter einem her sein könnte und ich war so enttäuscht, als ich herausgefunden habe, dass ich keine Chance habe, weil du bereits eine Familie hast. Aber jetzt ist es okay für mich. Aber ich musste dir das einfach sagen und nun weiß ich nicht, ob es okay für dich ist."

"Weist du ich..." Es war nicht so, dass Heiji es nicht gewohnt war, von allen Seiten Liebeserklärungen und sogar unmoralische Angebote zu bekommen und in der Regel hatte er eigentlich auch keine Probleme damit, so etwas zu handeln, aber mit Claire war das doch etwas komplizierter, immerhin würden sie noch eine ganze Weile zusammen leben und an sich fand der Detektiv sie auch zu nett, um ihre Gefühle einfach irgendwie ab zu tun, denn das könnte sie vielleicht verletzten. "Ich finde dich wirklich nett Claire und ich fühle mich geschmeichelt, aber wie du schon festgestellt hast, habe ich absolut kein Interesse an dir. Ich bin glücklich verheiratet und möchte dass auch noch viele Jahre bleiben. Wenn es aber wirklich für dich okay ist, trotzdem mit mir zusammen zu leben, dann wird es mich auch nicht stören."

Aber die Studentin schluckte die Tränen runter. "Gut. Dann werde ich Morgen früh wieder zurück ins Apartment kommen." Lächelnd nahm sie noch einen weiteren Schluck von ihrem Kaffee, während auch Heiji schließlich kurz an seiner Tasse nippte. "Und jetzt erzähl mir, wie es so mit Shinichi und Shiho geht. Durch ihre Stimme kann mir Shiho immer nicht all zu viel am Telefon erzählen, aber ich dachte mir, nachdem Shinichi ihr neulich das Leben gerettet hat, müssten sich die beiden doch endlich mal ausgesprochen haben, oder?"

"Ich fürchte, ich muss dich enttäuschen." Heijis Tasse fand ihren Weg zurück auf den Teller und der junge Vater seufzte tief. "Ich habe das Gefühl, als würden die beiden auf der Stelle treten. Ich bin mir sicher, dass Shinichi etwas für Shiho empfindet... aber ich fürchte, er ist noch nicht so weit und ich habe das Gefühl, dass deine Freundin das Warten langsam leid ist."

"Das befürchte ich auch." Claire lehnte sich etwas zurück und zog ihre Stirn in Falten, während sie überlegte, was sie tun könnten. "Eigentlich will Shiho doch gar nicht viel. Ich bin sicher, sie wäre auch schon mit ganz kleinen Schritten zufrieden. Denkst du, es bringt vielleicht etwas, wenn ich mal mit Shinichi rede?"

"Versuchen kannst du es ja gerne mal, aber ich fürchte, du wirst nicht viel Erfolg haben. Ich habe auch schon ein paar Mal versucht mit ihm zu reden, aber er hört gar nicht zu. Er fühlt sich im Recht und irgendwie kann ich ihn ja auch verstehen. Er hat seine geliebte Frau erst vor wenigen Monaten verloren... so etwas braucht Zeit, um zu heilen. Auf der anderen Seite frage ich mich natürlich, wie soll eine Wunde heilen, wenn sie immer wieder aufgerissen wird? Und Shinichi reißt diese Wunde weiß Gott oft genug wieder auf." Auch Heiji lehnte sich nun zurück und begann zu grübeln. "Wenn wir ihm nur klar machen könnten, dass es niemals weiter gehen wird, wenn er keinen Schritt nach vorne macht. Aber wenn wir uns einmischen würden, würde er erst recht abblocken."

"Also meinst du, wir können nichts tun, außer abwarten und zusehen, wie alles schief geht?" Das befand Claire ja nun nicht gerade als gute Aussichten. So würde Shiho vermutlich nie zu ihrem Glück kommen. "Was ist mit Valentinstag? Der ist doch bald. Denkst du nicht, wir könnten da etwas machen?"
 

Heiji konnte ihr darauf keine sichere Antwort geben. Aber vielleicht wäre so ein Tag doch noch mal eine Chance, um einen Schritt nach vorn zu machen?! Allerdings war er sich ziemlich sicher, dass es wohl Shinichis letzte sein würde, denn Shihos Geduld war offensichtlich bald an ihrer Schmerzgrenze des erträglichen angekommen...
 

~*~
 

"Claire kommt morgen wieder nach Hause, wusstest ihr das?" Heiji, der zusammen mit Shinichi und Shiho den Tisch fürs Abendbrot deckte, ging das Schweigen ziemlich auf die Nerven, welches schon herrschte, seit er von dem Treffen mit Claire wieder nach Hause gekommen war. Er war sich sicher, irgendetwas an Shinichis Plan - wie auch immer der ausgesehen haben mochte - musste gewaltig schief gegangen sein, denn das erneute Schweigen zwischen ihm und Shiho hatte heute Morgen noch nicht existiert. Allerdings hatte sich auch noch nicht die Gelegenheit ergeben, mal nach zu fragen, was denn passiert war.

"Ja, sie hat mich heute Morgen angerufen und es mir gesagt", nickte Shiho nur als Antwort, während sie einen kleinen Korb mit Brot- und Toastscheiben auf den Tisch stellte. "Wie lief das Treffen mit ihr eigentlich? Habt ihr alles geklärt?"

Der junge Vater nickte. "Ja." Er fühlte sich nicht danach, mehr über das Treffen zu erzählen. Er konnte damit leben, dass Claire sich in ihn verliebt hatte und ihm war auch klar, dass Shiho Bescheid gewusst haben musste, aber dennoch wollte er das Ganze jetzt lieber zu den Akten legen und nicht mehr darüber sprechen, schließlich war ja nun alles geklärt. Also beschloss er, lieber das Thema zu wechseln. "Mir ist heute aufgefallen, dass bald Valentinstag ist. Habt ihr beiden da irgendetwas vor?"

Shiho stellte als letztes jedem ein sauberes Glas hin, welches sie mit den gewünschten Getränken füllte und setzte sich dann an den fertig gedeckten Tisch. "Wieso sollten wir?" Niemand von ihnen - außer eben Heiji - hatte derzeit einen festen Partner, was sollten sie also schon vorhaben? Natürlich war der jungen Frau bewusst, worauf Heiji hinaus wollte, aber es gab nun wirklich absolut keinen Grund dafür an zu nehmen, dass sie und Shinichi das Fest für Liebespaare irgendwie zusammen verbrachten... oder zumindest nicht, dass sie es anders verbrachten, als es die Leute taten, die in einer WG zusammen lebten.

Shinichi stellte noch einen Teller mit Wurstscheiben auf den Tisch und setzte sich ebenfalls. "Aber du wirst doch sicher für ein paar Tage nach Japan wollen, oder? Zum Valentinstag, wirst du es dir schließlich sicher nicht nehmen lassen, etwas Zeit mit deiner Frau zu verbringen, oder?"

Daran hatte Heiji noch gar nicht gedacht. Das war eigentlich eine gute Idee. Aber... "Kann ich euch beide denn alleine lassen?" Immerhin gerieten sie ständig von einer Gefahrensituation in die nächste, da brauchten die beiden sicher alle Hilfe, die sie kriegen konnten.

"Natürlich kannst du das. Immerhin werden wir doch bestens bewacht." Die einstige Wissenschaftlerin der BO warf einen Blick zum Fenster hin, von welchem man zwar aus dieser Perspektive nur die Dächer der anderen Häuser sehen konnte, aber natürlich wussten die beiden Detektive, dass sie damit auf das Auto des FBI hinweisen wollte, welche sie Tag und Nacht bewachte... was durchaus lästig sein konnte, wie Shiho fand.

"Gut. Okay. Dann werde ich gleich eine Woche bleiben, denke ich. Ich muss ja auch mal wieder meine Eltern besuchen und schauen, wie Kazuha klar kommt, ohne mein regelmäßiges Einkommen als super angesehener und damit ziemlich teurer Detektiv." Natürlich war das etwas übertrieben, aber im Großen und Ganzen konnte Heiji schon von sich behaupten, relativ beliebt zu sein und auch gutes Geld zu verdienen. Reich waren sie allerdings auch nicht.

"Du kannst auch länger bleiben, wenn es nötig ist, wir kommen hier schon klar." Shinichi bestrich sich eine Scheibe Brot mit etwas Butter und legte dann ein paar Scheiben Käse darauf, während Heiji sich mit einer Scheibe frisch getoasteten Toast auch endlich an den Tisch setzte. "Im Moment passiert ja sowieso nicht viel. Oder zumindest nicht viel, bei dem du unbedingt helfen müsstest." Irgendwie hatte der Witwer das Gefühl, es war falsch gewesen, Heiji mitkommen zu lassen, wo er Kazuha und das kleine Babys dafür doch alleine zuhause lassen musste, während er sich hier in tödliche Gefahren begab. "Außerdem hast du schon mehr als genug für mich getan, du solltest dich lieber erst einmal um deine Familie kümmern."

Heiji schüttelte mit dem Kopf, auch wenn er zugegebenermaßen doch einen Moment in Betracht gezogen hatte, das Angebot an zu nehmen. "Nein, wir haben das zusammen angefangen und wir werden das auch zusammen durchziehen. Ich bin sicher, Kazuha und der Kleine werden noch eine Weile ohne mich klar kommen." Wobei er natürlich hoffte, dass sich das Ganze nicht noch weitere Monate hin zog. "Ewig kann die BO sich ja schließlich auch nicht verstecken."

"Wenn du meinst." An Shihos Gesicht konnte man erkennen, dass sie da so ihre Zweifel hatte. Sie war immerhin selbst mal ein Mitglied dieser Organisation gewesen und hatte danach einige Jahre mit Shinichi und dem FBI zusammen versucht, diese Bande auf zu spüren, wenn also jemand wusste, dass es nicht leicht werden würde, dann sie.

Der junge Vater ignorierte sie und wendete sich stattdessen an Shinichi. "Gibt es eigentlich irgendetwas Neues im Fall Founder? Du hast doch heute Morgen einen Anruf von Jodie erhalten, oder?" Was diese Sache anging, hatten sie bisher nicht viele Informationen erhalten. Man hatte zwar Founders Leiche gefunden - wenn man das, was von ihm übrig war, noch so nennen konnte - und auch Spuren von Sprengstoff, aber das Ganze musste alles erst noch genauer untersucht und überprüft werden, bevor sie eindeutige Angaben über die Umstände von Founders Tod machen konnten. Der Anruf der FBI-Agentin könnte ein Zeichen dafür sein, dass sie endlich mehr wussten.

"Ja, es gibt in der Tat Neuigkeiten", nickte Shinichi und legte das Brot wieder beiseite in welches er eher halbherzig gebissen hatte. "In Founders Körper... oder dem, was davon noch übrig war, konnten keine Spuren von Gift oder Medikamenten gefunden werden und es ist nun ganz sicher, dass die Explosion die Todesursache war. Was ihn angeht, gibt es also nichts Neues. Sie haben übrigens anhand der DNA auch eindeutig feststellen können, dass es sich bei ihm um den Sohn von Elißa Day handelte. Aber das ist ja auch nichts Neues für uns." Ehrlich gesagt, hatte sich der Hellhäutigere der beiden Detektive etwas mehr von den Ermittlungen rund um die Explosion erhofft. "Was die Bombe angeht, hatte sie offenbar einen Fernzünder. Die BO hat also vermutlich auf den richtigen Moment gewartet, um Founder samt des Hauses in die Luft zu jagen. Tja, und mit dem Haus sind natürlich auch alle Beweismittel vernichtet worden. Im Bunker oder den Gewächshäusern haben sie leider auch nichts Nützliches gefunden. Wir sind also eigentlich keinen Schritt weiter." Was langsam wirklich deprimierend war.
 

Shiho legte das Brot, dass sie sich eben erst belegt und geschmiert hatte mit einem frustrierten Seufzen beiseite, ohne dass sie auch nur einen Bissen davon genommen hatte. Seit sie wieder hinter der BO her waren, war nichts, absolut gar nichts Gutes passiert, es war nur nach und nach immer mehr schief gelaufen. Sie hatte bisher keinerlei nützliche Informationen erhalten und es gab keinen Anhaltspunkt, wo die BO ihr Hauptquartier haben könnte. Es war so viel passiert, so viel Zeit vergangen und sie standen immer noch mit nichts da. Wie sollte das nur weiter gehen? Was sollten sie nur tun?
 

Der Stuhl des ehemaligen BO-Mitglieds knarrte, als sich Shiho erhob um ihr Essen in den Biomüll zu schmeißen und ihr benutztes Geschirr in den Geschirrspüler zu stellen. "Ich denke, ich gehe ins Bett. Gute Nacht", verkündete sie dann und verschwand kurz darauf im Bad und nur wenige Minuten später in ihrem Zimmer.

Erst als sie wirklich außer Hörweite war, wendete sich Heiji an seinen besten Freund, allerdings in einem flüsternden Ton. "Ist es nicht noch etwas zu früh, um schlafen zu gehen?" Es war erst kurz nach Acht und für erwachsene Leute wie sie, war das doch nun wirklich keine Uhrzeit, um ins Bett zu gehen. Ob sie vielleicht nur vor Shinichi 'flüchten' wollte?

"Sie schläft nicht gut in letzter Zeit." Was redete er da? Sie schlief schon seit Monaten nicht gut. Angefangen hatte das Ganze damit, dass er ihr gesagt hatte, er würde sie nicht lieben und seit dem hatten sich ihre Schlafstörungen nicht wieder gegeben. Shinichi seufzte und warf einen Blick auf den kleinen Strauß, der in der teuren Kristallvase ziemlich schäbig aussah, die jetzt auf dem kleinen Telefontischchen stand. Er hatte ihr damit etwas Gutes tun wollen, irgendwie, aber er hatte es einmal mehr vermasselt, nur wusste er gar nicht so genau, was er eigentlich falsch gemacht hatte.

"Verständlich, nach allem, was sie in letzter Zeit durchgemacht hat und dann sollten wir nicht vergessen, dass du ihr auch keine große Hilfe bist, mit deinem ständigen Zögern." Heiji konnte es sich einfach nicht verkneifen.

So langsam aber sicher wurde Shinichi wütend. "Was erwartet ihr eigentlich alle von mir? Dass ich all meine Gefühle für Ran einfach von mir werfe und Ai einen Ring an den Finger stecke? Glaubt ihr wirklich, dass es so einfach ist?" Er wünschte sich ja selbst manchmal, dass es so wäre, aber jeder Mensch mit etwas Herz und einem klaren Verstand sollte wissen, dass es bei weitem nicht so simpel ist. "Denkst du, es macht mir Spaß, Ai immer wieder vor den Kopf zu stoßen? Aber ich kann nun einmal nicht ändern, dass ich einfach noch nicht so weit bin."

"Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass du derjenige bist, der zu viel verlangt? Niemand erwartet von dir, dass du Ran vergisst und Shiho sofort heiratest. Alles was wir wollen, ist, dass du langsam wieder anfängst zu leben. Wir möchten, dass du endlich mal einen Schritt nach vorne machst, weg von der Vergangenheit und auf die Zukunft zu." Auch Heiji war mittlerweile der Appetit vergangen und so legte er seinen Toast beiseite und lehnte sich etwas zurück, blicke Shinichi aber ernst an. "Ich glaube, du hast immer noch nicht wirklich begriffen, dass Ran nicht wieder kommt. Es ist, als glaubst du, du müsstest noch warten, weil Ran ja noch zurück kommen könnte, aber so ist es nicht. Sie ist tot und auch wenn du vielleicht glaubst, dass ich es mir nicht anmaßen sollte, zu behaupten, ich wüsste was Ran gewollt hätte, aber ich bin mir sicher, dass Ran nicht gewollt hätte, dass du so weiter machst wie jetzt. Sie hätte sich gewünscht, dass du weiter lebst und glücklich bist. Du sollst ja nichts überstürzen, doch langsam aber sicher ist es mal an dir, einen Schritt auf Shiho zu zumachen... oder willst du sie verlieren?"

"Natürlich nicht." Aber er wusste einfach nicht, was er tun sollte, seine Gefühle waren so schrecklich widersprüchlich. Er war sich sicher, Ran immer noch genau so zu lieben wie vorher, aber gleichzeitig fühlte er auch, dass er sich langsam aber sich in Shiho zu verlieben begann. Wie passte das zusammen? Er konnte sie schließlich nicht beide lieben. Oder doch? Und selbst wenn, würde das Gefühl, Ran zu hintergehen, zu betrügen, immer noch da und dieses Gefühl wurde nicht davon beseitigt, dass Shinichi eigentlich wusste, dass Ran wirklich nur das Beste für ihn gewollt hätte.

"Dann solltest du vielleicht endlich mal etwas unternehmen, bevor du deine Chance endgültig verpasst hast." Heiji schob sich schnell seinen Toast in den Mund, leerte dann in einem schnellen Zug sein Glas und erhob sich anschließend vom Tisch. "Du bist heute damit dran, den Tisch ab zu räumen", verkündete er nur mit einem frechen Grinsen, bevor er ins Gästezimmer verschwand...
 

~*~
 

Die Tür zu Shihos Zimmer öffnete sich langsam und vorsichtig, doch die Mühe war vergebens, die einstige Wissenschaftlerin drehte sich sofort zur Tür um und brauchte natürlich auch nicht lange, um im dämmrigen Licht ihrer rot leuchtenden elektronischen Kerze zu erkennen, dass es Shinichi war, der eben gerade ihr Schlafzimmer betreten hatte. Doch sie sagte nichts, sondern kehrte ihm wieder den Rücken und zog die Bettdecke etwas weiter über ihre Schultern, so als wäre mit dem Detektiv auch die Kälte in den Raum gekommen.
 

Shinichi schloss die Tür hinter sich, blieb dann aber unentschlossen davor stehen. "Was hab ich falsch gemacht?", fragte er irgendwann, nachdem Shiho sich schon nicht mehr sicher gewesen war, ob er nicht leise schon wieder den Raum verlassen hatte. "Waren es die Blumen? Habe ich die falsche Wahl getroffen? Oder... war es meine Botschaft? War es nicht das, was du hören wolltest?"

Sie stöhnte genervt und setzte sich schließlich auf, um ihn besser ansehen zu können. "Glaubst du im Ernst, dass ich das hören wollte, was du mir heute mit den Blumen gesagt hast? Falls es dir entgangen ist, Kudo..." Autsch, sein Nachnahme wieder, das bedeutete sicher nichts Gutes. "Ich wäre in den letzten Monaten drei mal fast getötet worden und die Aussichten darauf, dass wir beiden diese Geschichte hier überleben, ist nicht gerade groß, glaubst du da also wirklich, dass ich noch die Zeit und Geduld aufbringen kann, darauf zu warten, dass du endlich erkennst, dass dein Leben weiter gehen muss? Ich habe vielleicht nicht mehr lange Zeit."

"Du sollst so etwas nicht sagen!" Er hasste es, er hasste sie, wenn sie so war und er hasste den Gedanken, dass ihr irgendetwas zustoßen könnte, dass er auch sie verlieren könnte. "Ich habe dir gesagt, ich werde dich beschützen und du solltest mittlerweile wissen, dass ich das ernst gemeint habe. Wir werden diese Sache hier überleben und dann... dann kann ich damit auch endlich abschließen."

"Das hast du schon vor Rans Beerdigung gesagt, Shinichi." Und er würde auch nach dem Sieg über die BO - sollte es den denn geben - wieder irgendeine Ausrede finden. "Wenn du es nicht willst, dann sag es doch einfach!"

"So ist es nicht! Ich will es ja... nur... nicht so schnell." Warum konnte ihn denn nur keiner verstehen? War es so schwer, sich in seine Lage zu versetzten und zu erkennen, wie er sich fühlte?

Shiho schüttelte mit dem Kopf und legte sich nun wieder hin. "Ich erwarte doch keine Wunder von dir", entgegnete sie noch, bevor sie ihm erneut den Rücken zukehrte. Sie hatte ihm nichts mehr zu sagen. Sie wusste auch nicht mehr, was sie noch sagen sollte. Es war sinnlos. Er wollte es nicht wirklich. Würde er es wirklich wollen, würde er endlich mal einen richtigen Schritt auf sie zu machen. Sie erwartete doch keine großen Schritte, sie war auch schon zufrieden damit, wenn er erst mal wenigstens den guten Willen zeigen würde, sich ihr zu öffnen, aber nicht einmal das tat er. Und dann besaß er noch die Frechheit, ihr diese wichtige Botschaft nur durch Blumen mit zu teilen, anstatt es ihr wenigstens ins Gesicht zu sagen.

Shinichi seufzte und seine Schultern sanken kraftlos nach unten. "Ich habe eigentlich gedacht, die Sache mit den Blumen wäre romantisch." Oder zumindest hatte er gehofft, dass sie sich freuen würde, dass er sich daran erinnert hatte, dass sie die Sprache der Blumen kannte.

"Es wäre romantisch gewesen, wenn du mir andere Blumen gegeben hättest." Genau genommen, hätte nur diese eine Blume nicht im Strauß sein müssen und dann hätte sie sich tatsächlich gefreut. "Denk nicht, ich weiß die Geste, die dahinter steckt, nicht zu schätzen, aber das, was du mir mit den Blumen gesagt hast, darüber konnte ich mich einfach nicht freuen."

"Also gut... was soll ich tun? Was verlangst du von mir? Und jetzt sag mir nicht wieder, ich soll einen Schritt auf dich zu machen, ich hätte es schon gerne etwas genauer." Unbeholfen starrte er ihren Rücken an. Er war der Meinung, dass im Moment alles noch zu viel verlangt war, aber vielleicht irrte er sich ja auch und wenn sie aussprechen würde, was sie wollte, dann würde er es anders sehen.

Nur mit Mühe konnte Shiho ein Seufzen unterdrücken. "Weißt du... als Kind hatte ich immer Angst alleine im Dunkeln, also hat sich meine Schwester immer zu mir ins Bett gelegt. Irgendwann war sie dann nicht mehr da, erfüllte Aufträge für die schwarze Organisation und ich musste lernen, alleine ein zu schlafen. Aber wenn ich ehrlich bin... dann habe ich noch heute manchmal Angst alleine im Dunkeln und seit ich weiß, dass die BO wieder da und hinter mir her ist, komme ich fast gar nicht mehr in den Schlaf." Sie blickte die Kerze an. Das Licht nahm ihr etwas Angst, aber es reichte nicht, um sie beruhigt einschlafen zu lassen.
 

Zunächst wusste Shinichi mit dieser Antwort nichts an zu fangen, doch dann dämmerte es ihm. Jedoch verließ er zunächst, ohne ein Wort zu sagen, das Zimmer und Shiho dachte schon, dass sie einmal mehr eine enttäuschende Antwort erhalten hatte, doch nur wenig später öffnete sich die Zimmertür wieder und der Detektiv kehrte in seinen Pyjama gekleidet in das Zimmer der jungen Frau zurück. Nach kurzem zögern schlug er die Decke beiseite und legte sich zu ihr ins Bett.
 

"Seit Ran nicht mehr da ist... fällt es mir auch schwer, ein zu schlafen, wenn ich alleine bin." Deswegen war er eigentlich auch froh, dass er sich mit Heiji ein Zimmer teilen musste. "Entschuldige. Das war das falsche Thema..." Er machte das wirklich nicht mit Absicht. Ran kam einfach nur ständig in seinen Kopf. Er dachte ständig daran, wie sie war, was sie gemacht hatte und brachte jede nur erdenkliche Situation in irgendeiner Weise mit ihr in Verbindung. Dass er Shiho damit verletzte, fiel ihm immer erst auf, wenn es schon zu spät war.

Endlich drehte sie sich zu ihm um und sah ihn an. "Tut es dir gut, über Ran zu reden?" Sie hatte eigentlich immer gedacht, es würde weh tun. Ihr tat es heute noch weh, wenn sie über ihre Schwester sprach, aber vielleicht war es bei Shinichi anders.

Da musste er selbst erst einmal drüber nachdenken. "Nur, wenn ich über positive Erinnerungen an sie rede." Nicht aber, wenn er darüber reden musste, dass sie nicht mehr da war.

"Dann erzähl mir von deinen schönen Erinnerungen an sie..."
 

~~~
 

Hier noch einmal für alle, die geduldig auf dieses Kapitel gewartet und mich nicht unter Druck gesetzt haben: Ich weiß, wie es ist, wenn man lange auf ein neues Kapitel warten muss, denn ich bin nicht nur Autor, sondern lese auch selbst, aber ich bitte inständig um euer Verständnis. Ich war ab Oktober bis Mitte Dezember an einem großen Projekt beteiligt, dass mich leider meine ganze Freizeit gekostet hat und danach kamen dann schon die Feiertage, an denen selbst jemand wie ich, viel zu tun und nur wenig Freizeit hat. Seit die Feiertage vorbei sind, arbeite ich fleißig daran, dass es bald mit allen laufenden Storys weiter geht. Aber so etwas braucht nun einmal Zeit und ich versichere euch, wenn ihr mir diese Zeit lasst, kann ich mir um so mehr Mühe geben, euch ein gute Kapitel zu schreiben.

Ich danke euch, für eure Geduld.
 

Ansonsten kann ich mir natürlich denken, dass ihr das Kapitel etwas langweilig fandet, aber es galt in diesem Kapitel zum einen, die Protagonisten mal kurz wieder durchatmen zu lassen und zu anderen... einen meiner Pläne für das Ende der Story so langsam aber sicher ins Rollen zu bringen. Ich bemühe mich, im nächsten Kapitel wieder für mehr Action zu sorgen.
 

Was die Namen der BO Mitglieder angeht... ihr müsst wissen, dass ich selber gar keinen Alkohol trinke, weswegen es mir schwer fällt, ständig neue Namen für die Männer und Frauen in schwarz zu finden ^^'

Was die Black Perl angeht, so geht es hier nicht um das Schiff aus Fluch der Karibik, sondern um einen Cocktail, auf den ich zufällig gestoßen bin. Der Name hat mich sofort angesprochen und er passt gut zu der Person, die ihn verwendet.

Shot of love

Obwohl er jetzt schon seit einer ganzen Weile wach war, war sein Blick immer noch verschwommen und trotzdem konnte Heiji problemlos erkennen, dass er im Moment sicherlich nicht da war, wo er hätte sein wollen. Er lag nicht zuhause in Japan in seinem Ehebett mit Kazuha und lauschte zufrieden dem leisen Atem seines Sohnes. Stattdessen war er nach wie vor in New York, in irgendeinem Krankenhaus, in einem fremden und unbequemen Bett, angeschlossen an einen Tropf und zugedröhnt mit Schmerzmitteln, die dafür sorgten, dass er nicht nur seinen Körper kaum spürte, sondern auch irgendwie benebelt war. Der Arm, den sie operiert hatten, spürte er gar nicht. Aber es verwunderte ihn nicht, denn die Warnung des Arztes war eindeutig gewesen.
 

"Es könnte sein, dass sie Ihren rechten Arm nie wieder bewegen können", hatte der ältere Herr mit der Brille gesagt, der auch schon Shiho in der Notaufnahme behandelt hatte, als sie nach der Geschichte mit Founder und betäubt von seinem Gift in diesem Krankenhaus eingeliefert worden war. Dennoch konnte sich Heiji im Moment nicht an den Namen des Arztes erinnern. Ob das eine Nebenwirkung der Medikamente war? Oder eine Folge seines enormen Blutverlustes? An das was am Flughafen passiert war, konnte er sich ja auch kaum noch erinnern.
 

Aber hey, alles in allem hatte es ihn noch gut getroffen, denn er war schließlich noch am Leben, das konnten nicht viele Menschen von sich behaupten, die von den Leuten der schwarzen Organisation angegriffen worden waren. Aber war es überhaupt jemand aus dieser Organisation gewesen? Hätten diese Leute ihn nicht direkt in die Brust oder in den Kopf geschossen, anstatt in die Schulter? Auf der anderen Seite war es auf dem Flughafen voll und hektisch gewesen und der Schütze hatte sicherlich auch nicht viel Zeit gehabt...
 

Heiji schüttelte innerlich mit dem Kopf. Es tat weh, wenn er sich zu viele Gedanken machte. Also entschied er sich, erst einmal nicht weiter darüber nach zu denken, sondern sich einfach zu freuen, dass er noch am Leben war...
 

~*~
 

Kein Wort hatte man ihnen gesagt, weil sie keine Verwandten waren und weil in diesem speziellen Fall zusätzliche Vorsicht geboten war, immerhin konnten die Ärzte nicht sagen, von wem und warum der junge Mann angeschossen worden war, der vor knapp einer Stunde erst aus dem OP heraus gekommen und immer noch nicht vollständig ansprechbar war - wenigstens so viel wussten Shinichi und Shiho. Heiji hatte die Operation offenbar überstanden und war auch schon wieder aufgewacht.
 

Er lebte...
 

"Also...", Jodie trat auf den Detektiv und seine Freundin zu, die unruhig auf einer Bank vor der Intensivstation auf sie gewartet hatten und nun sofort zu ihr aufsahen, "ich habe den Chefarzt davon überzeugen dürfen, dass du kurz zu Heiji ins Zimmer darfst, Shinichi. Aber wirklich nur kurz. Dein Freund braucht jetzt viel Ruhe."

"Aber er ist nicht mehr in Lebensgefahr, oder?", hakte der junge Witwer sofort nach. Er wusste ja nicht einmal was genau passiert war. Er und Shiho hatten gerade darüber diskutiert, was sie nun am Valentinstag machen würden, als plötzlich das Telefon geklingelt hatte und man meinte, Heiji hätte diese Telefonnummer noch angeben können, als man ihn gefragt hatte, wen man informieren sollte. Natürlich hatte man Shinichi aber nicht viel gesagt, nur dass sein Freund angeschossen wurde und nun im Krankenhaus war. Da es sich bei ihm nicht um einen Verwandten handelte, sollte er doch bitte die nächsten Angehörigen informieren. Und hier im Krankenhaus hatte er nur zufällig erfahren, dass Heiji wohl am Flughafen angeschossen wurde.

"Wenn ich den Arzt richtig verstanden habe, dann ist der Zustand von eurem Freund im Moment soweit stabil. Sie haben die Blutung stoppen und die Wunde schließen können. Die Kugel wurde entfernt und er hat eine Bluttransfusion erhalten. Allerdings musste man ihm sehr starke Schmerzmittel geben, so dass er im Augenblick vermutlich sehr benommen sein wird. Außerdem meinte der Arzt, dass sie noch nicht sicher sind, ob die Verletzung irgendwelche Folgen haben wird." So genau hatte Jodie da jetzt auch nicht zugehört, sie hatte diese Informationen nur aus dem Chefarzt gequetscht, um Shinichi etwas zu beruhigen. Viel wichtiger für Jodie war die Frage gewesen, was denn nun genau passiert war, aber da Heiji im Augenblick noch nicht richtig ansprechbar war, hielt sie es für unangemessen ihn zu befragen. "Jedenfalls solltest du jetzt zu ihm rein gehen, bevor der Chefarzt es sich anders überlegt!" Schließlich hatte Jodie ganz schön auf ihn einreden müssen, damit Shinichi diese Erlaubnis bekam.

"Danke", nickte der Detektiv nur schnell und verschwand dann zu einer Schwester, die man offenbar bereits informiert hatte, denn sie forderte keine langen Erklärungen, sondern bat Shinichi nur, ihm zu folgen.
 

Shiho blieb in dem Gang zurück und sah ihm nach. Es dauerte eine Weile, bis sie wieder zu Jodie aufsah. "Es waren die Männer in Schwarz, richtig?" Es musste einfach so gewesen sein. Wer sonst würde Heiji mitten auf einem überfüllten Flughafen unerkannt anschießen und dann problemlos entkommen können?

"Davon können wir wohl ausgehen." Jodie setzte sich neben Shiho und schlug die Beine übereinander. "Ich habe bisher noch nicht viele Informationen, denn Heiji ist momentan noch nicht imstande eine Aussage zu machen und die Leute vom Flughafen werden derzeit von der Polizei und einigen Kollegen vernommen." Der arme Inspektor war schon reichlich genervt davon gewesen, dass das FBI schon wieder seine Finger mit im Spiel hatte, aber was sollte Jodie tun? Im Moment war jeder noch so 'unbedeutende' Mord in Verdacht, mit der BO zusammen zu hängen. Selbst wenn nicht Heiji das Opfer gewesen wäre, hätte sie sich in die Ermittlungen mit eingemischt, nur um ganz sicher zu gehen. "Aber mir ist nicht ganz klar, wie diese Leute es geschafft haben, an den strengen Sicherheitsvorkehrungen so problemlos vorbei zu kommen. Irgendwo müssen doch selbst diese Leute ihre Grenzen haben..."

"Die haben sie sicher, aber sie haben sicherlich auch mehr als genug Wege, diese Grenzen zu umgehen." So war es schon gewesen, als Shiho noch Mitglied der Organisation gewesen war und obwohl in der Zwischenzeit viel passiert war, glaubte sie nicht, dass sich daran etwas geändert hätte. "Aber mir ist nicht ganz klar, warum sie ihn nur angeschossen haben. Das ergibt doch keinen Sinn..."

"Vielleicht doch..." Die FBI-Agentin legte grübelnd eine Hand an ihr Kinn. "Was ist, wenn sie nur wollten, dass er New York nicht verlässt?"

"Sie meinen, weil sie uns drei zusammen den Todesstoss verpassen wollen, irgendwo hier in New York?" Aber eigentlich war das nicht die Vorgehensweise dieser Leute. "Das glaube ich nicht", sagte Shiho daher auch nach kurzem überlegen. "Die schwarze Organisation macht keine halben Sachen. Wenn sie es tatsächlich waren, die Heiji angegriffen haben, dann ist es vermutlich ein Versehen gewesen, dass sie ihn nur angeschossen haben. Womöglich ist irgendetwas schief gegangen und der Schütze musste sich beeilen. Auf jeden Fall glaube ich nicht, dass Heiji jetzt noch leben würde, wenn es wirklich die BO war und alles glatt gelaufen wäre."

"Vielleicht hast du Recht..." Jodie lehnte sich etwas zurück und schloss einen Moment die Augen. Es war wirklich zum Verzweifeln. Würde dieser Alptraum denn niemals aufhören? Nein! So durfte sie nicht denken! Sie würden diese Organisation schon bald den Gar aus machen und dieses Mal für immer! Und dann würden sie alle endlich etwas ruhiger leben können. "Habt ihr schon Heijis Frau informiert?"

Shiho schüttelte mit dem Kopf. "Nein. Wir wollten erst... aber dann haben wir gedacht, dass sie dann sicherlich sofort hierher kommen würde und dass das unter diesen Umständen vermutlich zu gefährlich wäre. Also haben wir beschlossen, dass wir warten, bis wir mehr wissen und Heiji entscheiden lassen, sollte er dazu in der Lage sein."

"Das wird wohl das Beste sein." Jodie erhob sich von der Bank und blickte Shiho an. "Ich werde einen meiner Leute hier postieren, nur um sicher zu gehen, dass euer Freund gut bewacht wird. Und ihr beide werdet dann in Begleitung eurer beiden Bewacher nach Hause fahren, verstanden? Wir müssen jetzt noch vorsichtiger sein. Immerhin scheint der Feind mitten unter uns zu leben." Wie sonst hätte er wissen können, dass Heiji gerade heute und um diese Uhrzeit am Flughafen sein würde?

"In Ordnung." Das einstige Mitglied der BO konnte nicht sagen, dass sie und Shinichi sich mittlerweile an die Vollzeitüberwachung gewöhnt hatten, aber sie wussten natürlich, wie wichtig es war, dass sich immer jemand in der Nähe befand. Auch wenn Shiho hoffte, dass diese Bewachung irgendwann nicht mehr nötig wäre. Irgendwann, wenn sie endlich ein normales Leben führen könnten...
 

~*~
 

Vorsichtig betrat Shinichi das Zimmer seines besten Freundes, der mit dem Rücken zu Shinichi in seinem schmalen Krankenhausbett lag, so dass der Blick des Witwers sofort auf den Verband fiel, der um Heijis rechte Schulter gebunden war und nicht wirklich von dem Krankenhaushemd verdeckt wurde. Die Wunde musste irgendwo unter diesem Verband noch zu sehen sein, sicherlich hatte man sie genäht und durch die OP womöglich sogar zuvor noch erweitern müssen, so dass man später vermutlich nicht erkennen würde, dass die Narbe von einer Schusswunde kam. Aber dass eine Narbe bleiben würde, stand für Shinichi außer Frage. Aber die Narbe würde den jungen Vater nicht nur daran erinnern, dass ihn einmal eine Kugel getroffen hatte, sondern auch daran, dass es sein bester Freund gewesen war, der ihn erst in diese Situation gebracht hatte.
 

Shinichi seufzte leise und ging dann um das Krankenbett herum, damit er in Heijis ungewöhnlich blasses Gesicht sehen konnte. Die Augen des normalerweise dunkelhäutigen Detektives waren glasig und sein Blick wirkte abwesend, so als wäre er mit seinen Gedanken ganz weit weg. Und tatsächlich dauerte es etwas, bis der Detektiv aus Osaka Shinichi bemerkte und ihn mit einem schief geratenen Lächeln begrüßte. Diesem fiel es sichtlich schwer, etwas zu erwidern. Nach einem Lächeln war ihm jetzt jedenfalls nicht, aber was sollte er sonst tun? Nur da stehen und schweigen? Ihn einfach irgendwie begrüßen?
 

Nach längerem Zögern wusste der Witwer dann endlich, was er erwidern würde. "Es tut mir leid." Shinichi senkte den Blick. Es hatte ihm auf der Seele gebrannt, schon seit er den Anruf erhalten hatte. Die Schuldgefühle hatten sich durch seine Brust gebohrt und ihn nicht mehr in Ruhe gelassen. Wäre Heiji gestorben, wäre Kazuha zur Witwe geworden und ihr Sohn zum Halbwaisen... und das alles nur, weil Shinichi sich der BO nicht alleine gestellt hatte. Es war ja schon schlimm genug, was Shiho erst vor Kurzem widerfahren war - auch wenn Shinichi wusste, dass er daran nur wenig Schuld trug - aber das Heiji nun angeschossen worden war, brachte Shinichis Meinung, dass sie jedes Risiko eingehen mussten, um die Männer in Schwarz zu vernichten, ziemlich ins Wanken.

"Wieso? Warst es etwa du, der auf mich geschossen hat?", versuchte Heiji mit schwacher Stimme zu scherzen und brachte sogar ein kurzes Schmunzeln hervor. Er fühlte sich immer noch benommen und auch sein Blick hatte sich bisher nicht gänzlich aufgeklärt, aber die Schuldgefühle, die sein bester Freund jetzt hatte, waren dem jungen Vater trotzdem nicht entgangen. Man hörte es ihm einfach an.

"Natürlich nicht. Aber wenn ich dich nicht in die Sache mit reingezogen hätte, dann-"

"Ich habe mich selbst in die Sache rein gezogen, Kudo!", unterbrach Heiji den Witwer mit der kraftvollsten Stimmelage, die er im Moment aufbringen konnte. "Du hast mich nie um Hilfe gebeten, erinnerst du dich? Es war meine eigene Entscheidung. Ich habe mich aus freiem Willen dazu entschlossen, dir in dieser Sache zu helfen und ich bereue das nach wie vor nicht... und du solltest das auch nicht."

Das fiel Shinichi sichtlich schwer. "Ich hätte deine Hilfe nicht annehmen sollen. Du bist doch gerade erst Vater geworden und nachdem ich Ran verloren habe, sollte ich eigentlich nicht noch das Risiko eingehen, auch noch meinen besten Freund und größten Rivalen zu verlieren."
 

Es war ja nicht so, dass der Hellhäutigere der beiden Detektive nicht immer mal wieder daran gedacht hatte, dass es falsch gewesen war, Heiji in die Sache mit rein zu ziehen, ebenso wie es falsch gewesen war, Shiho so intensiv an der Suche nach der BO zu beteiligen, aber bisher hatte sich Shinichi immer wieder gesagt, dass es doch einem guten Zweck diente, dass es das Risiko wert war, immerhin würden sie nicht nur Ran rächen, sondern auch die Welt vor einer großen Bedrohung bewahren, wenn sie die schwarze Organisation endgültig zerstörten. Sie riskierten ihr Leben, für das Leben vieler Unschuldiger... das klang doch aufopfernd, oder? Aber eigentlich war es egoistisch! Shinichi ging es nicht wirklich um die Sicherheit der anderen, es ging ihm nur um seine Rache. Rache für die lange Zeit, die er als Conan verbringen musste, verschwendete Zeit ohne Ran und in einem unwillkommenen Leben. Und außerdem - oder vor allem - wollte er natürlich Rache für Ran und was ihr Tod in ihm ausgelöst hatte. Ja, er wollte diesen verdammten Scotch unbedingt finden und wollte das dieser mindestens ebenso leiden musste, wie Shinichi selbst es nach dem Tod seiner Frau getan hatte... und dazu war ihm fast jedes Mittel Recht gewesen.
 

"Ich hätte mich sowieso nicht von dem Gedanken abbringen lassen, dir zu helfen. Wir sind immerhin nicht nur Freunde, die sich in solchen Situationen gegenseitig helfen sollten, sondern wir sind auch Detektive und was wäre ein größerer Beweis unserer Fähigkeiten, als wenn unsere Ermittlungen zu der Vernichtung der schwarzen Organisation führen? Außerdem stand auch ich Ran auf eine gewisse Weise nahe und wollte sie zu Rechenschaft ziehen für das Leid, das ihr Tod bei Kazuha und dir ausgelöst hat. Es ist also nicht deine Schuld und du musst dir absolut keine Vorwürfe machen." Heiji war klar, dass das seinen besten Freund nicht beruhigen würde, zumindest im Moment nicht, denn verständlicherweise war er im Augenblick viel zu aufgewühlt, um das Ganze nüchtern und sachlich zu betrachten und anzuerkennen, dass ihn keine Schuld an dem Geschehenen traf. "Wie dem auch sei...", wechselte der junge Vater daher das Thema und verfluchte seine Schulter dafür, dass er nicht in der Lage war, seine Position wirklich zu ändern, denn so langsam war es unbequem, immer nur auf einer Seite zu liegen. "Habt ihr Kazuha informiert?"

Shinichi schüttelte mit dem Kopf. "Wir wussten nicht, was wir ihr sagen sollten. Immerhin könnte es gefährlich sein, wenn sie hierher kommen wollte und genau das wäre ja vermutlich der Fall, wenn wir ihr sagen würden, dass du angeschossen wurdest und schwer verwundet im Krankenhaus liegst."

"Richtig..." Man sah Heiji an, dass er erleichtert war, dass Shinichi daran gedacht hatte, denn der Detektiv aus Osaka wollte seine Frau auf keinen Fall in Gefahr wissen. "Wenn es mir später etwas besser geht, werde ich sie anrufen und behaupten, dass ich vorerst nicht nach Japan zurück kommen kann, weil wir in dem Fall plötzlich Fortschritte gemacht haben und ich dir helfen will... sie wird zwar sauer sein, aber ich denke nicht, dass sie die Geschichte anzweifeln wird. Und wenn es mir dann in ein paar Wochen wieder besser geht, kann ich ja immer noch nach Japan fliegen." Auch wenn Heiji zugeben musste, dass seine Sehnsucht nach seiner Familie langsam aber sicher unerträglich wurde. Er hatte es bisher irgendwie verdrängt, wie sehr er Kazuha und seinen Sohn vermisste, aber nun, wo er hier im Krankenhaus lag, dem Tod praktisch von der Schippe gesprungen war, wurde ihm so richtig bewusst, wie gerne er die beiden bei sich hätte.

Alles was Shinichi darauf erwiderte, war ein Nicken und dann war es eine Weile still. Irgendwie wusste der Witwer einfach nicht, was er noch sagen sollte und da Heiji ohnehin so aussah, als würden ihm bald die Augen zufallen, entschloss er sich, dass es das Beste war, zu gehen. "Also dann, ich lasse dich jetzt besser ausruhen. Ich komme dann morgen wieder, mit einer Tasche mit Sachen und so." In der Hektik hatte er das ganz vergessen.

"Warte noch!", hielt Heiji seinen besten Freund plötzlich zurück. "Morgen ist Valentinstag. Was wirst du also tun?"

Trotz der ernsten Situation kam Shinichi nicht umhin, genervt eine Braue zu heben. Das Thema ging ihm langsam auf den Geist. Heiji hatte diesbezüglich bis kurz vor seiner Fahrt zum Flughafen auf den Hellhäutigeren der beiden Detektive eingeredet und selbst jetzt noch, wo er angeschossen war und sein Körper vollgepumpt mit starken Schmerzmitteln, konnte er nicht anders als darauf herum zu hacken, dass Shinichi nichts Spezielles für den Valentinstag geplant hatte. Es fehlte nur noch, dass Heiji sich wieder darüber lustig machen würde, dass Shinichi zwar seit einiger Zeit jede Nacht in Shihos Bett verbrachte, die beiden aber tatsächlich nichts anderes taten als schlafen und reden. "Ich werde gar nichts tun", erwiderte der Witwer daher auch nur und machte sich einfach auf den Weg zur Tür.

"Kudo! Jeder Tag könnte die letzte Chance sein! Denk daran, wenn du morgen früh aufwachst und immer noch der Meinung bist, den Valentinstag einfach so an euch vorbei ziehen zu lassen!"
 

~*~
 

"Ja, ist gut, ich werde Shinichi sagen, er soll ihn von dir grüßen... Natürlich... Ja... Nein... Okay, dann noch viel Spaß mit deiner Familie!" Shiho beendete das Gespräch mit ihrer Freundin und legte dann das Handy auf ihren Nachtschrank. "Du sollst Heiji bitte morgen ganz lieb von ihr grüßen", wendete sie sich dann an Shinichi, der schon in ihrem Bett lag und gedankenverloren an die Decke starrte.

"Hm."

Shiho zog eine Braue nach oben. "Sie war ziemlich geschockt, als ich ihr erzählt habe, was passiert ist." Claires älterer Bruder war überraschend aus dem Ausland zurück gekommen, wo er wohl studierte und wollte gerne etwas Zeit mit der Familie verbringen, deswegen war Claire noch einmal für ein paar Tage nach Hause zurück gekehrt - das hatte sie zumindest behauptet, aber eigentlich glaubte Shiho eher, dass sie der Meinung war, ihrer besten Freundin ein wenig Zweisamkeit mit Shinichi zu gönnen, in der Hoffnung, dass sich etwas ergeben würde.

"Aha."

Die Braue rutschte noch ein Stück nach oben. "Hörst du mir überhaupt zu?"

"Hm."

Sie legte die Hände in die Hüften, während er immer noch ins Leere zu starren schien, aber bevor sie grundlos mit ihm schimpfte - immerhin hatte er heute doch irgendwie Welpenschutz durch die Sache mit Heiji - wollte sie lieber testen, ob er ihr wirklich nicht zuhörte oder einfach nur nicht gesprächig war. "Hast du gesehen? Da fliegt ein rosa Elefant vor dem Fenster!"

"Schön..."

Okay, er hörte ihr offenbar wirklich nicht zu. Gerade als Shiho los schimpfen wollte, kam ihr ein anderer Gedanke und plötzlich mit einem Schmunzeln legte sie sich neben Shinichi, der sich nach wie vor nicht regte. "Weißt du, dass ich dich liebe?"

"Ja..."

Fast war es doch schon deprimierend und doch schmunzelte Shiho immer noch und mit einer gewissen Vorfreude im Blick stellte sie ihre letzte Frage: "Darf ich dich küssen?"

"Hm." Und noch bevor Shinichi endlich registriert hatte, dass da ein Wort in ihrem Satz war, der ihn aus seiner Lethargie hervor holen sollte, hatte sie auch schon sanft ihre Lippen auf seine gelegt. Aber sofort wich der Detektiv instinktiv etwas zurück und drückte seine Freundin ein Stück von sich weg.
 

Enttäuscht seufzte Shiho auf und legte sich zunächst wortlos einfach neben Shinichi, so als wäre nichts passiert. Es war einen Versuch wert gewesen. "Was hältst du davon, wenn wir uns morgen was zu essen bestellen und einen Film ausleihen? Ich weiß zwar, dass du nicht vorhast, den Valentinstag im üblichen Sinne zu 'feiern' und mir ist auch klar, dass dir im Augenblick nicht wirklich nach Heiterkeit zumute ist, aber ich finde, wir könnten beide etwas Ablenkung und Entspannung gebrauchen." Sie hatte diesen Vorschlag eigentlich schon machen wollen, bevor der Anruf kam. Wobei sie da noch vorhatte, ihm ein romantisches Essen anzudrehen und anschließend einen Film zu schauen. "Und antworte jetzt nicht mit 'Hm', sonst explodier ich!"

"Schon gut, schon gut!" Shinichi hob abwehrend die Hände, immer noch etwas überrumpelt von ihrer Kussaktion. Aber musste er sich wirklich so haben? Verdammt noch mal, sie schliefen immerhin im selben Bett und Heiji hatte ja im Grunde Recht, es war albern, dass sie sich nicht wie ein Paar benahmen, obwohl sie doch irgendwie eines sein wollten. Also versuchte der Witwer etwas entspannter an die Sache ran zu gehen. "Ich bin einverstanden, was das Essen und den Film angeht. Aber könnten wir vielleicht was Japanisches gucken? Sonst gewöhne ich mich noch so sehr an das Englisch, dass ich meine Muttersprache verlerne." Außerdem war er im Allgemeinen der Meinung, dass japanische Filme mehr zu bieten hatten als die aus Hollywood.

"Von mir aus." Es würde sich sicher eine DVD finden, auf der auch die Originalsynchro des Filmes drauf war. "Aber keinen Kriegsfilm! Ich habe genug von Waffen und Toten."

Da würde ihr Shinichi im Augenblick sicherlich nicht widersprechen. "Aber eine Liebesschnulze muss es auch nicht sein."

Shiho kam nicht umhin zu schmunzeln, als sie erwiderte: "Also lieber was Erotisches?", Nichts war erheiternder als zu sehen, wie Shinichis Gesicht in Sekundenschnelle rot anlief und er versuchte, stotternd eine Antwort zustande zu bekommen. "Entspann dich wieder, das war ein Scherz."

Ungläubig hob Shinichi eine Braue und fand seine Sprache erstaunlich schnell wieder. "So wie damals, als du mir gesagt hast, dass du mit mir zusammen leben wollen würdest, sollten wir ewig Conan und Ai bleiben?" Im Nachhinein betrachtet war er doch damals sehr naiv gewesen, nicht zu bemerken, dass es keinesfalls ein Scherz gewesen war und dass er sie mit seiner Reaktion sicherlich verletzt hatte.

"Willst du das denn?" Es bereitete ihr extremes Vergnügen, mit ihm zu spielen und sie war vor allem deswegen so vergnügt, weil sie endlich wieder so sorglos mit ihm spielen konnte. Die Zeit davor war sie stehst verkrampft gewesen und musste fürchten, ihn mit jeder derartigen Aktion nur noch weiter von sich weg zu drängen. Jetzt war die Lage zwischen ihnen aber endlich entspannter und so war es auch möglich, einmal einfach nur herum zu albern - auch wenn Shiho den Ernst der Lage und das was mit Heiji passiert war natürlich nicht vergessen hatte.

Dieses Mal wurden seine Wangen nur ein bisschen rot. "Hör endlich auf damit!", forderte er schließlich und kehrte dann hastig zu dem Uhrsprungsthema zurück. "Vielleicht ein Fantasyfilm?"

"Von mir aus." Es würde sowieso kaum ein Film zu finden sein, der sich nur um ein Genre drehte. Letzten Endes würden sie einen Kompromiss finden müssen, aber daran sollte es ja nun nicht scheitern.
 

"Gut, also gehen wir morgen früh am besten gleich in die Videotheke", denn es würde definitiv eine Weile dauern, bis sie sich auf einen Film geeinigt hatten.

"Hm."

"Und wo wollen wir das Essen bestellen? Beim Chinesen?" Japanisches essen wäre auch mal wieder toll. Er hatte sich schon viel zu sehr an das fettige Zeug hier gewöhnt. Mittlerweile hatte er vermutlich schon öfter Pizza als Nudeln gegessen und das, obwohl es meistens nur Nudeln gab, wenn er oder Heiji dran waren mit Kochen.

"Hm."

Nun war es an Shinichi, eine Braue zu heben. "Du machst das jetzt mit Absicht, nicht wahr?"

"Hm."

"Okay, dann rede eben nicht mit mir." Nur halb so beleidigt wie er tat, kehrte Shinichi ihr den Rücken zu. "Gute Nacht."

"Shinichi?"

Überrascht drehte er sich fast sofort wieder zu ihr um. Irgendetwas an ihrem Ton hatte ihm gesagt, dass das was sie jetzt sagen würde, nicht zu ihren Albernheiten von eben gehörte. "Ja?"

"Es ist nicht deine Schuld, was heute passiert ist." Sanft sah sie ihn an. Er hatte kein Wort darüber verloren, dass er so dachte, aber es war ihr vom ersten Moment an klar gewesen und sie hatte einfach das Gefühl gehabt, es ihm sagen zu müssen.

"Danke." Nach kurzem Zögern beugte sich Shinichi schließlich ein Stück nach vorne und legte seine Lippen sanft auf die von Shiho und sie hatte nicht vor den Kuss so schnell zu beenden, wie er es zuvor getan hatte...
 

~*~
 

Die Tür zu dem fensterlosen Raum öffnete sich mit einem leisen Knarren und eine Gestalt, die in dem dämmrigen Kerzenlicht kaum zu erkennen war, trat an den schweren hölzernen Schreibtisch von Ethanol heran. Selbiger lehnte lässig mit einem Glas Scotch in der Hand in seinem Chefsessel und blickte die junge Frau gespannt an. Scotch lehnte an der holzvertäfelten Wand und hatte seinen Blick ebenfalls auf die Frau gerichtet, die ihre blonde Perücke abnahm, so dass ihr langes schwarzes Haar zum Vorschein kommen konnte.
 

"Pearl, mein Schatz... wir haben keine Zeit für solche albernen Spielchen", begann Ethanol schließlich ruhig, nachdem die blonde Perücke achtlos auf seinem Schreibtisch gelandet war. "Wenn du schon auf den Kerl schießt, warum hast du ihn dann nicht auch gleich erschossen? Dann hätten wir ein Problem weniger."

Scotch federte sich von der Wand ab und trat auf die junge Frau zu. "Das dürfte doch klar sein... sie ist scharf auf den Typen und hat es nicht über ihr kleines, weiches Herz gebracht, ihn umzubringen. Ist es nicht so, Schwesterherz?", wie er erwartet hatte, zeigte ihr Gesichtsausdruck, dass sie sich ertappt fühlte. "Sie ist eine hervorragende Schützin, aber sie bringt es einfach nicht übers Herz jemanden umzubringen. Was sollen wir mit so einer wie der in unserer Organisation?", wendete sich der Dunkelhaarige schließlich an seinen Vater.

"Du sollst deine kleine Schwester nicht immer ärgern", erwiderte dieser, halb streng, halb amüsiert. "Sie ist noch eine Anfängerin, aber sie wird es noch lernen. Und immerhin, unbemerkt in den Flughafen einzudringen und unerkannt wieder raus zu kommen, nachdem sie jemanden angeschossen hat, ist doch schon eine hervorragende Leistung."

Scotch konnte nicht behaupten, dass er nur halb so beeindruckt war wie sein Vater. "Sie wäre doch aber gar nicht rein gekommen, wenn unser Freund vom Sicherheitspersonal nicht ein paar Fäden gezogen hätte." Im Großen und Ganzen hatte seine Schwester nichts getan, was jeder andere nicht auch hätte tun können. Aber so waren sie eben, die Väter, Papas kleiner Engel hatte immer einen Sonderposten und spezielle Privilegien.

"Wie dem auch sei...", räusperte sich Ethanol, der nicht weiter auf das Thema eingehen wollte. "Wir müssen darauf Acht geben, dass keiner der drei Störenfriede uns entwischt. Sie haben uns schon zu viel Ärger gemacht, um ungeschoren davon zu kommen. Pearl? Du kennst deine Aufgabe! Sobald wie möglich wirst du zu deinem Posten zurück kehren, hast du verstanden?" Die junge Frau nickte nur.

"Ich werde indes unsere neuen Mitglieder ausbilden, damit sie für den entscheidenden Vernichtungsschlag gewappnet sind. Und in ein paar Wochen wird es dann endlich soweit sein und wir können all denen, die uns in die Quere kommen wollen, endlich zeigen, dass man sich besser nicht mit uns anlegen sollte", seinen Worten fügte Scotch noch ein boshaftes Lachen hinzu und bald darauf stimmten sein Vater mit ein, nur seine Schwester schien das ganze nicht so amüsant zu finden...
 

~~~
 

Meine Betaleserin hat mich darauf hingewiesen, dass sie gerne mehr über Pearl erfahren und sie gerne auch etwas mehr in Aktion gesehen hätte und ich verspreche euch, ihr werdet bald noch die Gelegenheit dazu haben, Pearl richtig kennen zu lernen. Im Moment habe ich aber einen guten Grund, sie eher unerkannt zu lassen ^.~

Ansonsten bin ich bei Fragen gerne Bereit euch eine (Spoilerfreie) Antwort zu geben. Schreibt eure Frage einfach in den Kommentar oder schreibt mich per ENS an.
 

Nun hoffe ich, dass Kapitel hat euch gefallen und ihr seid auch beim nächsten wieder dabei. Bis dann!

Der Anfang vom Ende

"Also..." Shinichi breitete die große Stadtkarte auf dem Tisch aus und malte mit einem roten Stift einen Kreis um ein bestimmtes Viertel. Gespannt beobachten Heiji und Claire das Tun und warteten darauf, dass der Hellhäutigere der beiden Detektive ihnen erklärte, was es mit der Karte und dem markierten Bereich auf sich hatte. "Das hier ist der Bereich, in dem sich das Hauptquartier der schwarzen Organisation befinden muss. Das Viertel dürfte euch bekannt vorkommen, oder?" Shinichi bemerkte, wie Shiho hinter ihm ungewöhnlich tief Luft holte, doch er reagierte nicht darauf. Er kannte die Gründe, doch sie selbst war es gewesen, die zu Beginn dieses schwierigen Falles gesagt hatte, dass sie objektiv an die Sache ran gehen würde und ihre Gefühle dabei aus dem Spiel lassen wollte. Deswegen würde er auch nicht zögern, Jodies Verdacht nach zu gehen, ganz egal, was das bei Shiho auslöste.

"D-Das ist das Viertel, in dem das Haus meiner Eltern steht", erkannte Claire, die mit plötzlich blassem Gesicht neben Heiji auf einem der Küchenstühle an dem Tisch saß. "Soll das bedeuten, diese... Leute sind irgendwo ganz in meiner Nähe?" Die Schwarzhaarige konnte nicht verhindern, dass ihr Herz begann ungesund schnell zu schlagen und sie hatte Mühe, sich ihre plötzliche Unruhe nicht anmerken zu lassen.

Shinichi nickte und behielt Claire dabei genau im Auge. "Davon geht das FBI aus." Genauer gesagt, ging das FBI davon aus, dass Claire eine Spionin für die schwarze Organisation war und Shinichi wollte mit dieser Markierung lediglich schauen, wie die junge Studentin reagieren würde, wenn man ihren Wohnort unter Verdacht hatte, zumindest irgendetwas mit der BO zu tun zu haben. "Wir wissen ja mittlerweile, dass die Organisation nicht halb so gut organisiert ist wie früher und im Moment verhalten sie sich besonders auffällig. Und so sind alle Ereignisse, die in den letzten vier Wochen passiert sind und in irgendeiner Form mit der BO in Verbindung gebracht wurden, in unmittelbarer Nähe dieses Viertels geschehen." Was darauf hinweisen könnte, dass Claire viel mehr als nur eine Spionin war, oder aber – und das wäre natürlich der Jackpot – sich das Hauptquartier der Organisation tatsächlich in der Nähe von Claires Viertel befand. Shinichi hatte seit Heiji angeschossen worden war gleich an mehreren Mordfällen in diesem Gebiet gearbeitet und fast immer hatte es so ausgesehen, als war nur jemand zum Schweigen gebracht worden, der zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war und somit irgendetwas herausgefunden hatte. Bei einigen Opfern schien es sich offenbar auch um Leute gehandelt zu haben, die die schwarze Organisation 'aussortiert' hatte, vermutlich weil sie aus irgendwelchen Gründen nicht geeignet gewesen waren. Und es schien ein merkwürdiger Zufall zu sein, dass fast alle diese Leute in der Nähe von dem Prominentenviertel gefunden wurden, in dem Claires Familie lebte.

Heiji legte grübelnd seine Hand ans Kinn, er war erst vor wenigen Tagen aus dem Krankenhaus entlassen worden, aber Shinichi hatte ihn immer auf dem Laufenden gehalten, nur von einer Sache wusste er noch nichts und das ist auch der Grund, warum er folgende Frage stellte: "Hat Jodie schon ein bestimmtes Haus im Auge?" Es standen gut und gerne 20 Villen in dem eingegrenzten Bereich und auf den ersten Blick, soviel wusste Heiji mittlerweile von Shinichi, machte keines der Häuser den Eindruck, dass irgendwelche Zwielichtigen Gestalten darin lebten.

Dennoch erhielt der junge Vater ein Nicken als Antwort. "Jodie wollte mir allerdings nicht verraten, um welches Haus es sich handelt", das war gelogen und es war für Heiji kein Problem, das sofort zu durchschauen, aber da er annahm, dass Shinichi einen guten Grund dafür hatte, in dieser Sache zu lügen, beschloss er, nicht weiter nach zu fragen. Er würde die nötige Information sicherlich bald erhalten.
 

Claire fuhr zusammen als das schrille Klingeln der Tür ertönte. "Ich geh schon!", sagte sie dann und schien mehr als erleichtert, den Tisch einen Moment verlassen zu können. Sie war nicht besonders gut darin, ihre Emotionen zu verbergen und gerade wenn man mit zwei Detektiven zusammen lebte, war es nur noch schwerer, zu verbergen, was man zu verbergen hatte und sie hatte ein mehr als nur dunkles Geheimnis, dass es gut zu verstecken galt. "P-Papa?", stammelte die junge Studentin, nachdem sie die Tür geöffnet hatte und ihre Eltern vor ihr standen. Wie lange war das her, dass sie sie hier besucht hatten? Aber warum waren sie hier? Gerade jetzt? Nervös warf Claire einen Blick weiter in die Wohnküche hinein, wo ihre Freundin und die beiden Detektive immer noch über der Karte brüteten. "Es sind meine Eltern!", rief sie plötzlich fast schon etwas zu laut und konnte beobachten, wie Shinichi fast sofort die Karte an sich nahm und wieder zusammen faltete und sie schließlich unweit vom Küchentisch in irgendeiner Schublade versteckte.

"Hallo Schatz", Claires Mutter zog ihre Tochter in eine feste Umarmung und sofort kam der Studentin wieder der beruhigende Lilienduft ihres Parfüms entgegen. Wie oft hatte sie sich in die Arme ihrer Mutter geflüchtet, wenn sie als Kind Angst gehabt hatte? Doch in letzter Zeit hatte sich die junge Frau mit den langen schwarzen Haaren darum bemüht, den Kontakt zu ihrer Mutter so gering wie möglich zu halten, denn sie war nur eine ahnungslose Figur in diesem Schachspiel, die immer Gefahr lief, von ihren eigenen Leuten beseitigt zu werden, ohne auch nur den Grund dafür zu kennen. "Dürfen wir rein kommen?", fragte Claires Mutter schließlich und nach kurzem Zögern wurden sie und ihr Mann von der Studentin nach drinnen gelassen.

Während Mrs. McGregor sofort zu Shiho ging, um auch diese in eine mütterliche Umarmung zu ziehen, blieb Claires Vater neben seiner Tochter an der Tür stehen. "Es ist alles bereit", flüsterte er. "Das ist deine letzte Chance, dich als vollwertiges Mitglied der Organisation zu beweisen. Auch wenn du meine Tochter bist... ich kann keinen weiteren Fehlschlag dulden. Und du weißt, was es bedeutet, wenn du einen weiteren Fehler machst, oder?" Der streng wirkende Mann mit den grauen Haaren erhielt ein wissendes, wenn auch deutlich eingeschüchtertes Nicken von seiner Tochter und machte sich dann ebenfalls auf den Weg um Shiho und die beiden jungen Männer zu begrüßen, die er ja schon von der Weihnachtsfeier her kannte. Claire blieb noch eine ganze Weile wie erstarrt im Flur stehen und kam erst wieder zur Besinnung, als ihre Mutter sie zu sich rief.
 

Nachdem alle sechs anwesenden zusammen am Küchentisch saßen und Kaffee oder Tee tranken, war endlich der Zeitpunkt gekommen, um die Frage zu stellen, die vermutlich allen auf der Zunge brannte. "Darf ich fragen, was Sie heute hierher führt?" Shinichi kam nicht drum herum, sich über die Anwesenheit von Claires Eltern zu wundern. Soweit er wusste, waren sie beide schwer beschäftigte Leute. Er ein Geschäftsmann und sie Ärztin in einer privaten Klinik, die sich auf Chirurgie spezialisiert hatte. Shinichi war nun schon seit einigen Monaten hier, aber bisher hatten sich die beiden nie hier blicken lassen. Warum also gerade jetzt? Er musste zugeben, es beunruhigte ihn. Und er war ganz offensichtlich nicht der Einzige, denn auch Claire wirkte äußerst nervös.

"Natürlich dürfen Sie fragen", Mrs. McGregor lächelte freundlich. "Zum Einen sind wir natürlich hier, um unsere Tochter zu besuchen, aber der Hauptgrund für unser Kommen, ist dieser junge Mann hier", sie deutete auf Heiji, der etwas überrascht drein blickte. "Claire hat mir von Ihrer Verletzung erzählt und dass Sie Ihren Arm seitdem nicht mehr bewegen können. Nun, wie Sie vielleicht wissen, bin ich eine bekannte Chirurgin aus einer der besten Chirurgischen-Kliniken dieses Landes und ich habe schon andere Fälle wie Sie gehabt. Ich kann Ihnen zwar nichts versprechen, aber es gibt eine sehr erfolgversprechende OP, die schon einigen Menschen mit ähnlichen Problemen geholfen hat und ich bin eine der wenigen Ärzte, die Übung in dieser Operation hat. Jedenfalls bin ich hier, um Ihnen meine Hilfe anzubieten."

"Das ist sehr nett von Ihnen...", Heiji kam nicht umhin, etwas sprachlos zu sein. Immerhin handelte es sich bei Claires Mutter um eine im Grunde wildfremde Frau und nur weil ihre Tochter ihr von seiner Verletzung erzählt hatte, kam sie extra hierher und bot ihm ihre Hilfe an. "Aber... ich fürchte, ich muss Ihr Angebot dennoch ablehnen. Ich werde Sie einfach nicht bezahlen können", immerhin handelte es sich um eine exklusive Privatklinik, die sonst nur ViP's aufsuchten und er war zwar ein erfolgreicher Detektiv, aber man konnte nicht behaupten, dass er übermäßig viel Geld verdiente.

"Am Geld soll es nicht scheitern...", lachte Mrs. McGregor und holte ein paar Formulare aus ihrer großen Handtasche hervor. "Wenn Sie mir Ihr Einverständnis geben, bis auf Ihren Namen und dergleichen alle wichtigen Angaben zu der OP, ihrer Verletzung, Körperlichen Verfassung und ihrer anschließenden Genesung öffentlich zu machen, dann werden keine Kosten für Sie anfallen. Es mag zwar etwas seltsam klingen, aber Sie wären dann so zu sagen ein 'Ausstellungsstück' und wenn Sie sich als solches zur Verfügung stellen, werden lediglich die Kosten für die anschließende Reha anfallen, die werden aber meistens zumindest zum Teil von einigen Krankenkassen getragen." Normalerweise musste sich Claires Mutter niemanden suchen, der dafür sorgte, dass für sie und ihre Klinik Werbung gemacht wurde, es gab eine Menge Leute, die sich darum rissen ein 'Ausstellungsstück' zu sein, aber weil es Claire so mitgenommen hatte, dass Heiji seinen Arm nie wieder würde bewegen können, hatte sich ihre Mutter entschlossen, dem jungen Mann zu helfen. "Ich verstehe natürlich, wenn Sie diese Entscheidung nicht gleich treffen wollen. Sehen Sie sich den Vertrag und die Angaben zu der OP erst einmal in Ruhe an und schlafen Sie eine Nacht darüber. Und dann bringen Sie es einfach morgen mit, wenn sie zu dem Abendessen zu uns kommen, zu dem wir Sie alle einladen wollten." Sie strahlte die Gruppe an, die von dieser Einladung noch mehr überrumpelt war als von dem Besuch oder dem Angebot der kostenlosen OP für Heiji.
 

Diese Leute hatten sich seit Shinichis Ankunft hier in New York weder sonderlich häufig gemeldet, noch sich wirklich hier blicken lassen, warum wollten sie auf einmal diesen Kontakt? Hatte am Ende Claire das alles eingefädelt? War es vielleicht eine Falle? Aber wenn es keine war, wäre das die Gelegenheit, heraus zu finden, ob sich hinter Claire tatsächlich ein BO-Mitglied verbarg und ob womöglich noch mehr Leute aus ihrer näheren Umgebung in diese Sache verwickelt waren. Sie konnten sich diese Chance einfach nicht entgehen lassen, auch wenn natürlich ein gewisses Risiko damit verbunden war.
 

"Das ist sehr großzügig von Ihnen, uns einzuladen, aber haben Sie überhaupt Zeit für so etwas?" Natürlich hatten sie das, sonst hätten sie sie nicht eingeladen und das war auch genau die Antwort, die Shinichi schließlich von Claires Vater erhielt. "Dann nehmen wir natürlich gerne an", nickte der hellhäutige Detektiv schließlich dankbar...
 

~*~
 

Kaum das sich die Tür hinter Claire geschlossen hatte, die noch einmal zur Uni musste, wendete sich Heiji mit interessierter Miene an Shinichi und Shiho, die ihm gegenüber saßen und schon die ganze Zeit so merkwürdige Blicke austauschten. „So… jetzt rückt mal schön raus mit der Sprache, ihr beiden! Was hat Jodie euch heute Morgen erzählt, dass du so plötzlich mit einem Bereich ankommst, in dem sich möglicherweise das Hauptquartier der BO befindet, obwohl wir vor ein paar Tagen noch nicht den leisesten Schimmer hatten, wo wir nach diesen Leuten suchen sollen?“ Natürlich war es logisch, dass man diesen Bereich in Betracht zog, nachdem so viele Morde, die vermutlich von der BO ausgeführt worden waren, dort in der Nähe stattgefunden hatten, aber es handelte sich trotzdem lediglich um eine naheliegende Vermutung und nicht um einen Grund, sofort eine Karte aus der Schublade zu ziehen und sich so konkret auf diesen Bereich zu konzentrieren. Am Ende könnte es sich schließlich auch um ein Ablenkungsmanöver handeln.

Shinichi lehnte sich etwas zurück. „Seit wir hier sind, sind ein paar Dinge passiert, die sich nicht wirklich erklären lassen. Zum Beispiel, wie kam es, dass Vermouth seiner Zeit in das Apartment kommen konnte, ohne das es an der Tür Spuren eines Einbruches gab, obwohl wir alle gesehen haben, dass Claire die Wohnung abgeschlossen hat, als wir zu der Weihnachtsfeier gegangen sind? Und es handelt sich bei dem Schloss ja auch wirklich nicht um eine Tür, die man einfach mit einer Kreditkarte öffnen kann. Sie muss also einen Schlüssel gehabt haben und es ist doch naheliegend, dass ihr den jemand gegeben hat, oder?“

„Vermutlich schon“, nickte Heiji. Wie Vermouth damals in das Apartment gekommen war, war zu dieser Zeit völlig in den Hintergrund getreten, weil sie sich damals ja auch noch mit dem Mord an Rebecca Steel hatten befassen müssen, plus der Ermittlungen wegen ‚The wild Rose‘ die damals nebenbei stattgefunden hatten. Aber so im Nachhinein betrachtet, was es wirklich schwer zu glauben, dass Vermouth ohne einen Ersatzschlüssel spurenlos in das Apartment hätte eindringen können.

„So ein Unsinn.“ Shiho erhob sich von ihrem Stuhl, um sich kurzerhand die Schürze um zu binden, weil sie für Claires Eltern als Dankeschön noch einen Kuchen backen wollte. „Wir wissen doch alle, wie leicht es Vermouth fällt sich zu verkleiden. Vermutlich hat sie sich wie Claire verkleidet und dem Hausmeister irgendetwas erzählt, sie hätte ihren Schlüssel vergessen und er hat ihr den Notfallersatzschlüssel gegeben.“

Shinichi seufzte. „Der Hausmeister hat den Notfallschlüssel aber seit Monaten nicht raus gegeben, dass hat er ganz eindeutig ausgesagt.“ Und es hatte sich auch kein extra Schlüssel in Vermouths Besitz befunden. Sie musste den Schlüssel von einem regulären Besitzer erhalten und ihn nach dem Eindringen in die Wohnung einfach wieder zurück an seinen üblichen Standort gehängt haben, den ein Fremder unmöglich kennen konnte. „Und selbst, wenn der alte Mann einfach nur Demenz hätte, wie erklärst du dir dann, dass der Schütze, der auf Heiji geschossen hat, genau wusste, wann und wo Heiji abfliegen würde? Wir haben schließlich nicht den naheliegendsten Flughafen gewählt. Und außer uns wusste das keiner.“

„Doch, die FBI Leute wussten es.“ Shiho band sich ihre Haare zu einem kleinen Pferdeschwanz und suchte nervös nach alle Utensilien, die sie brauchte. „Es wäre doch nicht das erste Mal, dass es einen Doppelagenten beim FBI gibt. Wer sagt, dass unsere ‚Bewacher‘ nicht in Wirklichkeit unsere Henker sind?“ Die Tüte mit dem Mehl, die Shiho gerade erst geöffnet hatte, rutschte ihr aus den zitternden Händen, fiel auf den Boden und gab eine Wolke aus weißem Staub Preis, die nicht nur Shiho mit weißen Flecken übersäte. Fluchend hob sie das Mehlpäckchen auf und versuchte, das weiße Pulver auf dem Boden und an den Schränken zu beseitigen.

So langsam wurde Heiji klar, worauf sein bester Freund hinaus wollte. „Jodie vermutet, dass Claire eine Spionin ist, sehe ich das richtig?“, dass würde zumindest Shihos Reaktion erklären. Natürlich wollte sie nicht hören, dass ihre einzige Freundin eine Verräterin war. Aber auch Heiji, der Claire eigentlich mochte, musste zugeben, dass die Vermutung nahe lag. Claire hatte Zugriff auf alle wichtigen Informationen gehabt und hätte sie problemlos weiter geben können. Und sie hatte ihre Rolle hervorragend gespielt. Cedrik Founder alias ‚The wild Rose‘ hatte ihr keinerlei Beachtung geschenkt, niemand hätte auch nur angenommen, dass sie außerhalb der Uni überhaupt Kontakt zu ihm hatte. Als man damals dieses tote Mädchen zur Weihnachtsfeier im Nebenraum gefunden hatte, hatte sie perfekt die unter Schock stehende gespielt, niemand hätte auch nur vermutet, dass sie gewusst hatte, dass in diesem Raum eine Leiche sein würde, davon ganz zu schweigen, dass sie vermutlich regelmäßig selbst für die ein oder andere Leiche sorgte. Und dann… „Da war doch dieser Anruf von ihr, als Shiho in Founders Haus festgehalten wurde, erinnerst du dich? Da hat sie mich gefragt, ob Shiho in Schwierigkeiten steckt. Sie hat fast sofort aufgelegt, als ich ihr gesagt habe, was los ist und gleich danach ging die Bombe hoch. Ich meine, das Ding war ferngesteuert, nicht wahr? Wer sagt, dass sie nicht nur angerufen hat, um sicher zu gehen, dass sie mit der Bombe nicht nur Founder, sondern auch Shiho erwischen?“ Sie hatte damals am Telefon die besorgte Freundin gespielt, aber in Wirklichkeit hatte sie es womöglich nur darauf abgesehen gehabt, Shiho zu töten.

Shihos flache Hände knallten unsanft auf die Arbeitsfläche „Das ist nicht wahr!“ Es durfte einfach nicht wahr sein…
 

~*~
 

Der Frühlingsanfang hatte zwar mildere Temperaturen nach New York gebracht, aber auch eine Menge Regen, der seit Tagen immer wieder gegen die großen Fenster des Apartments trommelte, in dem Shiho nun schon seid so vielen Jahren lebte. Sie war hier her geflüchtet. Weggelaufen aus Japan, weil sie es nicht hatte ertragen können, Shinichi glücklich mit Ran zu sehen. Es war nicht so, dass sie nicht gewollt hatte, dass er glücklich war, aber es war dennoch schwer für sie gewesen, daneben zu stehen und zu zu sehen, wie der Mann den sie liebte, eine andere Frau heiratete. Zweifelsfrei, sie war ein Nichts im Vergleich zu Ran und das Shinichi sich nie für sie entschieden hätte, war ihr im Grunde von Anfang an klar gewesen, aber diese Tatsache zu wissen und sie zu ertragen, dass waren zwei vollkommen verschiedene Dinge gewesen.
 

Shiho hatte in New York ganz von vorne anfangen wollen, aber eine Sache hatte sich nie ganz aus ihrem Leben vertreiben lassen und das war die Einsamkeit gewesen. In Japan hatte sie wenigstens noch Professor Agasa gehabt, aber hier in New York, war sie ganz allein gewesen. Einmal mehr allein. Doch dann hatte sie sich mit Claire angefreundet und war von ihren Eltern wie eine Tochter behandelt worden. Sie hatte sozusagen auch eine neue Familie gefunden, eine gute Freundin und sie hatte angefangen, sich hier heimisch zu fühlen. Und nun... stellte sich heraus das alles nur eine Lüge gewesen war. Denn es war wohl davon aus zu gehen, dass, wenn es sich bei Claire tatsächlich um ein Mitglied der BO handelte, sie den Kontakt zu Shiho nur zu dem Zweck gesucht hatte, die Verräterin der schwarzen Organisation eines Tages endgültig zur Strecke bringen zu können.
 

Shiho schlang schützend die Arme um sich selbst. Es war auf einmal kalt hier. So schrecklich kalt. Und niemand war da, um sie zu wärmen. Niemand kam, um sie zu retten, vor der schrecklichen Dunkelheit, die sie einmal mehr zu umfangen schien. Sie war allein. Wieder ganz allein.

Erschrocken fuhr sie zusammen, als ein metallisches Geräusch sie aus den Gedanken riss. Als sie sich umdrehte, entdeckte sie allerdings nur Shinichi, der seine Kette samt Ring auf dem Nachttisch abgelegt hatte. Das hatte er zuvor noch nie getan. Was sollte das, wieso gerade jetzt? Warum sollte er auf einmal den wichtigsten Gegenstand, den er besaß, von sich geben?
 

Shinichi ignorierte die Verwunderung im Blick seiner Freundin und begann stattdessen seelenruhig sein Hemd auf zu knöpfen. „Ich denke, wenn die Sache mit der BO erledigt ist, sollten wir erst einmal ein paar Wochen Urlaub machen, bevor wir nach Japan zurückkehren. Ich habe gehört, in Kalifornien soll es zu dieser Jahreszeit sehr schön sein.“ Es war ihm nicht entgangen, dass dieses Thema gleich aus mehreren Gründen Verwunderung bei ihr auslöste, aber das war auch so beabsichtigt gewesen.

„Wer sagt, dass ich mit dir nach Japan zurückkehre?“ Sie hatten nie darüber gesprochen, was ‚danach‘ passieren würde oder ob es überhaupt ein ‚danach‘ gäbe. Ihre Beziehung war so schwierig, dass Shiho sich überhaupt nicht sicher war, ob es sich lohnen würde, hier alle Zelte für ihn abzubrechen, nur um dann ein paar Monate später enttäuscht wieder hier her zurück zu kehren. Aber von welchen Zelten war eigentlich die Rede? Wenn Claire tatsächlich ein Mitglied der BO war, dann gab es nicht mehr viel in New York, was Shiho hier halten würde. „Außerdem wird es nie wirklich vorbei sein mit der schwarzen Organisation. Es werden immer irgendwelche Leute entkommen und versuchen, die Organisation neu auf zu bauen, um sich dann an uns zu rächen. Es wird nie wirklich aufhören, wir werden niemals wirklich Ruhe haben.“ Shihos Hände krallten sich an ihre Oberarme, während sie daran dachte, dass dieser Alptraum nie enden würde. Sie würde immer in Angst leben und immer weglaufen müssen. Sie würde immer allein bleiben.

„So ein Unsinn“, Shinichi legte sein Hemd über einen nahe gelegenen Stuhl und griff nach dem Hemd seines Schlafanzuges, welcher wie selbstverständlich neben dem von Shiho ordentlich zusammen gelegt auf ihrem Bett lag. „Wenn wir die BO ein zweites Mal zerschlagen haben, werden die sich sicherlich hüten, uns jemals wieder unter die Augen zu kommen. So dumm sind selbst die nicht, sich noch ein drittes Mal mit uns an zu legen.“
 

Und er hatte beschlossen, dass er auch kein drittes Mal nach ihnen suchen würde. Natürlich war es für ihn schwierig, eine Organisation wie diese frei herum laufen zu lassen, vor allem nach alle dem, was sie ihm angetan hatten, aber genau das war der Punkt. Er wollte nicht, dass noch mehr Menschen in Gefahr gerieten, nur weil er ständig nach Gerechtigkeit und Wahrheit schrie. Er überlegte ohnehin, etwas kürzer zu treten. Takagi, Megure und Sato hatten schon länger auf ihn eingeredet, er solle doch bei der Polizei anfangen und im Großen und Ganzen war das doch wirklich keine schlechte Arbeit. Er würde weiterhin Mordfälle lösen, helfen die Wahrheit und Gerechtigkeit zu finden. Aber eben alles in einem etwas anderen Rahmen. Vielleicht nicht unbedingt in einem wesentlich ungefährlicherem, aber immerhin hätte er als Polizist immer jemanden an seiner Seite, jemand der in demselben Beruf ausgebildet war und sich dieser Gefahr aus demselben Grund stellte wie er und nicht nur, um einem Freund zu helfen.
 

Shiho seufzte. „Du weißt, dass das Morgen eine Falle sein könnte, oder?“ Sie wollte nicht über Urlaub und die Zukunft reden, wenn sie noch gar nicht wussten, ob sie überhaupt eine Zukunft hatten. Wer wusste schon, ob sie den finalen Kampf gegen die BO überleben würden? Oder ob sie überhaupt lange genug lebten, um ihn mit zu erleben?

„Ich dachte, du glaubst nicht daran, dass Claire eine Spionin der BO ist?“ Shinichi, inzwischen vollständig in seine Schlafkleidung gehüllt, kroch unter die Decke des Bettes und lehnte sich gegen dessen Kopfende.

Shiho drehte sich um, um die Jalousien der Fenster zu schließen, sie wandte sich allerdings nicht um, als sie mit leiser Stimme antwortete: „Claire ist in Heiji verliebt. Schon von Anfang an. Und wir haben uns die ganze Zeit gefragt, warum er nur angeschossen und nicht erschossen worden ist. Vielleicht…“, sie hasste sich dafür, aber der Gedanke war ihr sofort gekommen, als Jodie ihren Verdacht geäußert hatte. Zwar wollte die einstige Wissenschaftlerin eigentlich nicht glauben, dass Claire wirklich gemeinsame Sache mit der BO machte, aber die Wahrheit war, dass Shinichi Recht hatte. Die Vermutung lag nahe. Sehr nah. „Vielleicht war es Claire, die im Auftrag der schwarzen Organisation auf ihn geschossen hat.“

Shinichi nickte, dieser Gedanke war ihm noch gar nicht gekommen, aber so gesehen war auch das eine logische Schlussfolgerung. „Aber das ist doch ein gutes Zeichen, oder?“, fragte er schließlich und als Shiho sich zu ihm umdrehte, war ihr die erneute Verwunderung deutlich anzusehen. „Wenn sie noch genug Herz hat, Heiji am Leben zu lassen, dann ist es vielleicht noch nicht zu spät für sie.“ Wenn sie tatsächlich ein Mitglied der BO war, hieß das noch lange nicht, dass es sich bei ihr um eine kaltblütige Mörderin handelte. Shiho war schließlich nicht die Einzige, die gar keine andere Wahl gehabt hatte, ein Teil der Organisation zu werden.

„Wer weiß…“, mit einer geübten Bewegung zog Shiho das Haarband aus ihren Haaren, legte es auf ihre Kommode und trat dann auf das Bett zu, vor dem sie schließlich stehen blieb und Shinichi eine Zeit lang einfach nur ansah. „Was passiert, wenn ich mit dir nach Japan zurückkomme?“, fragte sie schließlich.

Der Detektiv kam nicht umhin, zu bemerken, dass er mit der Frage überfordert war. „Was willst du denn jetzt von mir hören?“ Er wusste, dass sie nicht der Typ Frau war, der von ihm sobald es geht einen Kniefall verlangte oder dergleichen, aber irgendetwas schien sie sich ja zu erhoffen oder zu verlangen, wenn sie diese Frage stellte.

Anstatt einer Antwort von ihm, kam eine weitere Frage von ihr: „Wer bin ich, wenn ich mit dir zurück komme? Was bin ich für dich?“ Obwohl sie sich seit dem Kuss vor einigen Wochen irgendwie als ein Pärchen hätten bezeichnen können, hatte noch keiner von ihnen es gewagt, darüber zu reden, ob sie nun ein Paar waren oder ob sie sich lediglich brauchten, um sich von der Angst vor der BO abzulenken. War überhaupt eine gemeinsame Zukunft geplant? Waren sie überhaupt schon so weit, eine gemeinsame Zukunft planen zu können? Klar, sie kannten sich schon seit Jahren, aber Rans Tod war erst etwa ein halbes Jahr her und ihre Beziehung – wenn man es denn so nennen konnte – war noch frisch. Es gab etliche unbeantwortete Fragen, etliche Zweifel und Bedenken auf beiden Seiten. Waren sie wirklich schon an einem Punkt, an dem sie davon reden konnten ‚zusammen‘ nach Japan zurück zu kehren?
 

So langsam ging ihm auf, worauf sie hinaus wollte. „Du bist meine Freundin. Ich habe nicht vor, so zu tun, als wäre zwischen uns nichts gewesen, sobald das hier vorbei ist. Aber ich will auch nichts überstürzen. Ich denke, wir werden beide Zeit für uns brauchen, wenn wir das hier heil überstanden haben. Aber das heißt nicht, dass ich will, dass zwischen uns ein Ozean liegt.“ Sie würden sicherlich in Japan nicht gleich in eine gemeinsame Wohnung ziehen, Hochzeitspläne schmieden und den ersten Nachwuchs planen. Sie würden zunächst eine Beziehung führen, wie viele Pärchen sie hatten. Jeder hatte seine eigene Wohnung, in die man sich zurückziehen konnte, aber die meiste Zeit würden sie wohl dennoch zusammen verbringen. Und alles Weitere würden sie dann sehen.

„Gut“, Shiho nickte, offenbar zufrieden mit der Antwort, und stieg dann auf das Bett, wo sie sich schließlich auf Shinichis Schoss nieder lies. Vor ein paar Tagen hatte das Ganze angefangen. Zunächst war es nur mal wieder ein Spaß von Shiho gewesen, sie hatte ihn ärgern wollen, sehen, wie er und sein Körper reagierte, wenn sie sich in dieser Position befand. Und am Anfang war es wirklich lustig gewesen zu sehen, wie er zwischen Wollen und Nichtwollen schwankte, wie er mit sich und seinem Gewissen kämpfte, nur um dann nach einem harmlosen Kuss auf seine Lippen von ihm runter zu steigen und zu sehen, wie sich Erleichterung und Enttäuschung zugleich auf seinem Gesicht abmalte. In der Zwischenzeit waren sie einen kleinen Schritt weiter gegangen.
 

Vorsichtig, aber doch irgendwie selbstverständlich zog Shinichi Shihos dünnen Rollkragenpullover über ihren Kopf, es war nicht der Beginn einer leidenschaftlichen Liebesnacht, es war ein weiterer Schritt in diese Richtung. Ihre Schritte waren langsam, genauso langsam wie Shinichis Finger, die sanft über die frei gelegte Haut glitten, bevor er sich etwas aufrichtete, um Shiho in einen zärtlichen Kuss zu ziehen. Es war von einem kleinen Spaß, zu einer Art Einschlafritual geworden, dass sie noch eine Zeit lang Zärtlichkeiten austauschten, bevor sie schließlich in einer lockeren Umarmung einschliefen.
 

Ihr Zusammenleben war einfacher geworden, seit sie sich innerlich endlich als ein Paar zu bezeichnen begonnen hatten. Auf einmal standen sie nicht mehr unter Druck. Jetzt konnten sie sich plötzlich Zeit lassen. Natürlich hatten sie immer noch den Gedanken im Hinterkopf, dass der Tag kommen würde, an dem sie es bereuen würden, es so langsam angegangen zu sein, weil die BO ihre Beziehung ganz schnell gewaltsam beenden konnte. Aber hatten diese Leute in ihrem Leben nicht schon genug Chaos angerichtet? Von nun an würden nur noch die beiden entscheiden, in welcher Geschwindigkeit es weiter gehen würde und dieses mal schien es auch nicht so, als hätte einer von ihnen etwas gegen das langsame Tempo ein zu wenden. Warum auch?
 

Es war schön so…
 

~*~
 

„Danke, dass du mir beim Durchgehen des Vertrages geholfen hast, ich glaube, alleine hätte ich da noch bis Mitternacht dran gesessen“, rief Heiji aus dem Gästezimmer, dessen Tür nur angelehnt war, zu Claire in die Küche.

Selbige füllte gerade ein Glas mit Leitungswasser, zog dann ein Pulver aus ihrer Hosentasche hervor, welches sie in das Wasser gab, wo es sich nach kurzer Zeit scheinbar in nichts auflöste. Seufzend blickte die Schwarzhaarige das Getränk an. „Das ist doch kein Problem“, rief sie schließlich zurück und bemerkte, dass ihre Hand zitterte, als sie sich auf den Weg ins Gästezimmer machte, wo Heiji auf seinem Bett saß, mit zwei unterschiedlich großen Tabletten in der Hand. „Ich bin auf jeden Fall froh, dass du das Angebot meiner Mutter annimmst. Sie ist wirklich eine hervorragende Ärztin und wenn es einen Weg gibt, deinen Arm zu retten, dann wird sie es auf jeden Fall schaffen.“

Heiji nahm das Glas entgegen, nachdem er seine Tabletten bereits in seinem Mund verschwinden lassen hatte, und starrte es einen Moment an. Er konnte verstehen, dass Shiho nicht glauben wollte, dass Claire eine Spionin war, denn sie wirkte einfach nicht wie jemand, der mit der schwarzen Organisation zu tun hatte. Aber was dachte er da eigentlich? Er hatte nun wirklich schon genug Menschen getroffen, denen man nicht angesehen hatte, dass sie kaltblütige Mörder waren. Dennoch hatte er bei Claire irgendwie das Gefühl, dass da einfach nur etwas nicht stimmen konnte. Die Fakten sprachen gegen sie, aber die Umstände, die die junge Studentin zu einer Spionen für die BO gemacht hatten – wenn sie denn tatsächlich eine war – die kannten sie nicht und war es so abwegig zu glauben, dass sie, genauso wie Shiho damals nur ein Opfer einer Verkettung unglücklicher Umstände war? Heiji wusste nicht wieso. Aber er wollte es glauben. Er wollte glauben, dass es für Claire noch nicht zu spät war, auf den richtigen Weg zurück zu kehren. „Danke“, mit einem schnellen Schluck waren das Wasser und die Tabletten in seinem Körper verschwunden.
 

„Du solltest mir lieber nicht danken…“
 

~~~
 

Danke Leute, dass ihr so lange auf das Kapitel gewartet habt. Es tut mir wirklich leid, dass das Kapitel so lange gedauert hat, aber durch mein FSJ habe ich momentan nicht viel Zeit. Wer regelmäßig auf den laufenden bleiben will, was den Status meiner FF angeht, sollte öfter bei meinem Animexx-Weblig vorbei schauen (wenn ihr angemeldet seid), dort gebe ich in unregelmäßigen Abständen den Stand der Dinge an.
 

Manchmal könnt ihr hier: http://monasatlantis.tumblr.com/ auch ein paar kleine Ausschnitte aus den Kapiteln sehen, an denen ich aktuell Arbeite und damit einen Einblick in meine Arbeitsweise bekommen. Der Ausschnitt, der dort derzeit zu sehen ist, ist zum Beispiel aus dem ersten Entwurf dieses Kapitels und hat es letzten Endes nicht in das Kapitel geschafft.
 

Ich möchte noch ein paar Unklarheiten klären, auf die mich meine Betaleserin aufmerksam gemacht hat:
 

1. Zuerst war die Frage, wie Vermouth den Schlüssel an Claire zurück geben konnte, wo sie doch während ihres Angriffs auf Ai verstorben ist. Die Antwort ist folgende: Der Ersatzschlüssel hängt normalerweise an irgendeinem Haken in der Nähe der Tür, so dass ihn Heiji und Shinichi (die ja keinen eigenen Hausschlüssel haben) ihn nutzen können, wenn sie die Wohnung verlassen oder die Post holen wollen. Vermouth hat den Standort von Claire erfahren und den Schlüssel nach dem Eindringen in die Wohnung dahin zurück gehängt, damit Shinichi und Shiho, wenn sie nach Hause kommen, keine Veränderung bemerken. So, und wenn ihr mir jetzt sagt, ihr dachtet die ganze Zeit, Vermouth wäre erst in die Wohnung eingedrungen, als Shinichi und Shiho bereits drin waren, dann habe ich offenbar beim schreiben des letzten Weihnachtskapitels einiges falsch gemacht ^^‘
 

2. Außerdem bestand die Frage, wie es kommt, dass Shinichi so selbstverständlich Shihos Zimmer betritt. Ehm… ich hoffe den meisten von euch ist aufgefallen, dass sie bereits seit einer Weile im selben Zimmer und auch im selben Bett (nämlich dem von Shiho) übernachten, weil sie beide dort besser schlafen können. Und weil sich daran nichts geändert hat, betritt Shinichi auch so selbstverständlich Shihos Zimmer, um dort zu schlafen.
 

Wenn ihr ansonsten fragen habt, zu meiner Arbeitsweise, dem Inhalt oder der Entwicklung meiner FF oder vielleicht auch zu mir, dann könnt ihr diese Fragen hier Anonym stellen: http://www.formspring.me/ShyMonaAngel So lange sie freundlich sind, werde ich sie gerne beantworten.
 

Ansonsten: Danke fürs lesen und kommentieren! Wir sehen uns dann im nächsten Kapitel!

Der Beginn eines Alptraums

Es war ein ruhiger Tag heute in der kleinen Stadt Tonalá, es war Frühling und aufgrund der Klimabedingungen in der kleinen Stadt Mexikos herrschte ein angenehmes Wetter. Eine Tatsache, die viele Menschen für Spaziergänge nutzen. Viele, aber nicht alle. Ein Pärchen, dessen Identität ebenso wenig echt war wie ihre Liebe, war heute zuhause geblieben. In einem kleinen Häuschen am Rande der Stadt.
 

In der Stadt redete man viel über dieses Paar. Zwei Japaner, die nach Mexiko ausgewandert waren, um, wie sie gesagt hatten, ein neues Leben an zu fangen. Sie hatten sich ein baufälliges, kleines Häuschen gekauft, das so weit von der Stadt und auch anderen Häusern entfernt lag, dass nur ein Feldweg dahin führte und nicht einmal eine richtige Straße. Die beiden hatten fast gänzlich alleine das Haus renoviert, nur bei Sachen wie der Elektrik oder dem Dach hatten sie sich professionelle Hilfe geholt. Aber mit den Leuten der Stadt in Kontakt getreten waren sie kaum. Man hatte es zuerst auf Kommunikationsschwierigkeiten geschoben, aber selbst nach einem Jahr suchten sie nur selten Kontakt zu Nachbarn oder Kollegen.
 

Aber eines musste man ihnen lassen: Faul waren sie nicht; sie hatten sich beide Arbeit gesucht. Sie arbeitete in einer Apotheke und er in einer Bibliothek. Es gab von Seiten ihrer Arbeitgeber und Kollegen nie Beschwerden über die Arbeitsmoral oder –leistung - nur dass sie so wenig kontaktfreudig waren, bemängelte man oft.
 

Die beiden waren verheiratet, aber besonders liebevoll gingen sie in der Öffentlichkeit nicht miteinander um; sie hatten keine Kinder und wenn man sie fragte, ob sie in Zulunft welche wollten, bekam man nie eine Antwort. Ja, sie waren merkwürdig, Ai und Conan Edogawa.
 

Gelangweilt klappte Conan das Buch zu, das er eben noch gelesen hatte. Beim dritten Mal lesen war es nicht mehr so interessant wie noch beim ersten Mal. Außerdem war es schmerzlich zu lesen, wie sein Vater den vermeintlichen Tod seines Sohnes in diesem Krimi zu verarbeiten versucht hatte. Er als Detektiv und Helden der Geschichte, wie er verzweifelt versuchte, seinen Sohn zu finden, den er entführt und nicht ermordet glaubte, nur um dann am Ende seine Leiche zu finden. In der Zwischenzeit hatte er zwar anderen durch das Lösen von Fällen das Leben gerettet, die er mit dem Verschwinden seines Sohnes in Verbindung zu stehen geglaubt hatte. Aber das nahm dem Ende des Buches nicht seinen bitteren Beigeschmack.
 

Es war der bisher erfolgreichste Roman seines Vaters, weil alle sich daran ergötzten, das Leid zu spüren, das er mit dieser Geschichte zu verarbeiten versucht hatte. Nachdem Conan das Buch zum ersten Mal gelesen hatte, war er eine Zeit lang kurz davor gewesen, seine Eltern anzurufen. „Ich lebe, mir geht es gut, macht euch keine Sorgen“, hatte er sagen wollen, aber am Ende blieb das Telefon einmal mehr unberührt auf seinem Tisch stehen. Es war besser, wenn sie es nicht wussten. Sicherer für alle beteiligten. Sie mussten glauben, dass Shinichi Kudo tot war, gestorben bei einem tragischen Autounfall auf dem Weg nach Osaka. Das FBI hatte die Geschichte eingefädelt, nachdem Shinchi und seine Leidensgenossin Shiho entschieden hatten, nicht länger in Angst vor den Männern in Schwarz leben zu wollen, und irgendwo ganz von vorne anzufangen. Shiho selbst saß angeblich bei dem Unfall neben dem einstigen Meisterdetektiv, war ebenfalls ums Leben gekommen – sie hatte gemeint, dass sie sowieso keiner vermissen würde – man hatte die beiden dann auf ihren Wunsch hin nach Mexiko gebracht und ihnen neue Identitäten verschafft. Nun lebten sie hier seit über einem Jahr, rannten davon vor der BO, der Vergangenheit und ihrem Schicksal…
 

Shiho, die hier als seine Frau Ai Edogawa bekannt war, setzte sich mit einem Seufzen neben ihn. „Mein Chef hat uns wieder zum Frühlingsfest eingeladen. Ich fürchte, dieses Jahr können wir nicht noch einmal mit der Ausrede kommen, wir seien zu beschäftigt“, erklärte sie und nahm sich das Buch vom Tisch, das Shinichi eben erst aus der Hand gelegt hatte. „Wir sollten vielleicht einfach hin gehen. Ein paar Blumen kaufen, kurz nett mit den Nachbarn plaudern und dann wieder nach Hause fahren.“

Das klang ja alles schön und gut, aber Shinichi wusste, dass man sie nicht so schnell gehen lassen würde, die Leute waren viel zu neugierig auf die beiden Japaner, die so zurückgezogen lebten. Dabei wussten die beiden nicht einmal, warum sie sich nicht mit den Nachbarn und Kollegen anfreunden wollten. Die meisten waren wirklich nette Leute. Aber vielleicht war es ja doch die Angst vor den Männern in Schwarz, die sie zu diesem Verhalten drängte, sie dazu zwang, vorsichtig zu sein und sich weitgehend versteckt zu halten. Vielleicht war es aber auch die Tatsache, dass sie sich hier nicht wohl, nicht Zuhause fühlten. Dass dieses ganze Leben nichts weiter als eine große Lüge war, die sie so wenig Leuten wie möglich auftischen wollten.
 

Was sollten sie denn erzählen, wenn man sie fragte, wie sie sich kennen gelernt hatten, wann ihr Hochzeitstag war und warum sie sich einfach nicht wie ein Pärchen benahmen? Nein, sie wollten nicht noch mehr Lügen erfinden müssen. Sie wollten eigentlich nur ein ruhiges und friedliches Leben. Aber es war manchmal so schwer…
 

„Wir werden sehen“, antwortete er schließlich und erhob sich von der Couch, während Shiho in dem Buch zu blättern begann. Sie hatte es auch schon gelesen, aber genauso wie er, schien sie irgendwie ständig das Bedürfnis zu spüren, es wieder und wieder zu lesen, obwohl es auch ihr im Grunde weh tat. „Ich gehe mal einen kleinen Spaziergang machen“, eigentlich sollte er sie jetzt fragen, ob sie mit kommen wollte, aber er wollte sie gar nicht dabei haben. Er wollte allein sein und über die Richtigkeit seiner Entscheidung grübeln; über diese lebende Lüge nachdenken und seinem Heimweh nachgeben. Es war nicht so, dass er Shiho nicht gern hatte und hinter verschlossenen Türen begannen sie mehr und mehr sich wie ein Paar zu fühlen und auch zu benehmen. Aber irgendetwas sorgte dafür, dass er sich nicht sicher war, ob er sie wirklich liebte oder ob er nicht einfach nur begann, selbst die Lüge zu glauben, die sie allen erzählten. Und weil er ihr nicht weh tun wollte, musste er diese Zweifel vor ihr verbergen, indem er eben ab und an alleine irgendwo hin ging. Meist einfach nur raus, ohne Ziel.
 

Er verließ das Haus, ging ein paar Schritte über den trockenen Boden und hielt dann inne, als ihm ein vertrauter Duft in die Nase stieg. Es sah auf, ungläubig und hoffnungsvoll zugleich, schellte sich selbst gedanklich einen Narren über die unglaubliche Vermutung, die sich sofort in seinem Kopf gebildet hatte und doch, sie stand vor ihm. Seine Ran. Wie ein Engel in einem weißen Kleid und ohne Schuhe stand sie da und sah ihn an. Traurig. Traurig wie zu den Zeiten, in denen sie Shinichi vermisst hatte, obwohl der doch als Conan direkt neben ihr saß.
 

„Ran!“, rief er ihren Namen, als stünde sie Meilen von ihm entfernt, dabei stand sie doch direkt vor ihm, seine geliebte Ran.

Sie machte einen Schritt auf ihn zu, sah, wie seine ungläubigen Augen jeder Bewegung folgten und gleichzeitig mit Angst erwarteten, dass sie gleich verschwinden würde, wie die Halluzination, für die er sie insgeheim hielt. „Du hast mich vergessen“, flüsterte sie, gerade laut genug, dass er es hören konnte.

Vergessen? Sie? Niemals. „Nein!“ Zögernd griff er nach ihren Händen, als hätte er Angst, sie würde sich auflösen, würde er versuchen, sie zu berühren. Doch er irrte. Ihre Haut war weich und warm, wie er sie in Erinnerung hatte. „Ich habe dich nicht vergessen, dass könnte ich gar nicht. Ich habe ständig an dich gedacht! Hier! Ich trage immer noch unseren Ring!“, obgleich er ihn nun natürlich als den Ehering von ihm und Shiho ausgab, aber das war okay, so lange zumindest er seine wahre Bedeutung kannte.

„Du hast mich im Stich gelassen!“, noch immer blickten ihre schönen blauen Augen ihn traurig, fast schon verzweifelt an.

„Nein… ich… ich hätte dich gerettet, wenn ich gekonnt hätte.“ Aber diese Möglichkeit war ihm verwehrt geblieben.

„Du hast mich alleine gelassen.“

„Was?“, wann hatte er sie allein gelassen? Er war doch da gewesen, als der Mord geschah, ganz in ihrer Nähe, wenn auch nicht im selben Zimmer.

„Du hast mich vergessen!“ Mit einem Windstoß löste sich Ran plötzlich vor Shinichi auf, auf ihrem Gesicht eine Träne. „Du hast aufgehört mich zu lieben…“
 


 

Mit einem Mal saß er aufrecht, nach Luft schnappend und sich verwirrt umsehend da. Und nach einem kurzen Moment wurde ihm klar, er hatte nur geträumt. Es war nichts weiter als ein Traum gewesen. Ein Traum von Ran - seiner Ran - der Frau, die er immer geliebt hatte und immer lieben würde. Der Frau, für die er dieses elende Leben überhaupt nur weiterhin ertrug und eben nicht, wie in seinem Traum, den Weg des geringsten Wiederstandes wählte und davon lief, obwohl ihm ziemlich oft danach war.
 

Shinichi wollte sich gerade wieder in das Kissen zurück sinken lassen, als ihm erst einmal so richtig bewusst wurde, wo er eigentlich war. Neben ihm lag Shiho und das hier war ihr Bett und eigentlich war es nichts ungewöhnliches, dass sie beide eng beieinander schliefen, aber jetzt, nach diesem elenden Traum, fühlte sich der Detektiv nicht wohl dabei, sich einfach wieder neben sie zu legen. Es war irgendwie nicht richtig. Es war… wie das was Ran gesagt hatte, wie als hätte er seine Frau vergessen, aufgehört sie zu lieben. Wie sonst ließ es sich erklären, dass er morgens neben einer anderen Frau aufwachte, sie abends küsste und darüber nachdachte, mit ihr eine gemeinsame Zukunft zu planen? Das klang nicht gerade danach, als wäre er der trauernde, verzweifelte Witwer, der er seine sollte. Und obwohl es durchaus noch genug Momente gab, in denen er sich wie eben jener Witwer fühlte, reichte es ihm im Moment nicht aus, um sein schlechtes Gewissen gegenüber Ran zu beruhigen.
 

Schnell, aber vorsichtig, schlug Shinichi die Decke beiseite, schlüpfte aus dem Bett und verließ eilig das Zimmer, im Vorbeigehen griff er nach der Kette mit dem Ring, die auf dem Nachtschrank gelegen hatte. Warum zur Hölle hatte er den Ring überhaupt abgelegt? Warum trug er ihn nicht an seinem Finger, wie es sich gehörte, anstatt an einer Kette? Und seit wann verbrachte er nur einen Moment, ohne die Kette an seinem Körper zu tragen?

Tja, die Antwort war einfach. Ihretwegen. Wegen Shiho. Er tat das alles, um es ihr leichter zu machen, um ihr zu zeigen, dass er ganz langsam bereit war, sich auf sie ein zu lassen. Aber war das richtig? Ran war noch kein Jahr tot, seit ihrer Beerdigung schien kaum Zeit vergangen zu sein und der Schmerz in seinem Herzen war noch lange nicht verebbt. Aber wen hinterging er damit eigentlich wirklich? Sie? Sich? Oder Ran? Vermutlich belog er sie alle auf irgendeine Weise, die er selbst nicht verstand.
 

Müde, noch halb benommen von dem bisschen Schlaf, der ein so abruptes Ende genommen hatte, ließ sich Shinichi auf die Couch im dunklen Wohnzimmer sinken. Es schüttelte ihn, aber nicht weil es so kalt war im Wohnzimmer, sondern weil der Traum immer noch in seinem Kopf herum spukte. Er hatte ihn noch in der Nase, den Duft von Rans Parfüm. Er wusste nicht einmal, wonach es roch. Irgendeine Blume war es wohl… eine Lilie oder so etwas. Es spielte eigentlich auch keine Rolle, was es für ein Duft war, Fakt war, es handelte sich um ihren Duft. Ihm war klar, dass es unsinnig war, zu glauben, dass er ihn wirklich in der Nase gehabt hatte, aber es fühlte sich einfach so echt an. Genau so echt wie ihre Haut, die er in dem Traum berührt hatte, ihre zarten Hände. Sie hatte früh die Hausfrau gemimt, schon für ihren Vater und dennoch waren ihre Hände immer weich und gepflegt gewesen. Ihre Fingerspitzen auf seiner Haut waren so ein schönes Gefühl… gewesen. Es war schon verdammt lange her, dass er sie in Wirklichkeit berührt hatte und insgeheim fragte er sich, ob er vor Trauer und Sehnsucht am Ende schon verrückt geworden war. So verrückt, dass er ihren Duft in der Nase und das Gefühl ihrer Haut auf den Fingerspitzen hatte.
 

Oder war es einfach nur die Angst vor der Falle, in die er unter Umständen rennen würde, wenn er Claires Haus betritt, die ihn zu diesem Traum gebracht hatte? Spiegelte sich seine Angst vielleicht in dieser Form wieder? Oder wollte Ran ihm vielleicht…?
 

Eine Tür wurde aufgerissen und alarmiert sprang Shinichi vom Sofa auf, nur um sich wenig später bewusst zu werden, dass kein Einbrecher ins Haus eingedrungen war, sondern dass Heiji wie von der Tarantel gestochen ins Bad gestürmt ist…
 

~*~
 

„Also damit ist klar, dass du definitiv nicht mit gehen kannst“, entschied Shinichi, während er gelassen darauf wartete, dass Heiji sich buchstäblich ausgekotzt hatte und ihm somit antworten konnte. Manche würden das ja ekelhaft finden, so wie Claire, die gleich wieder den Raum verlassen hatte, aber Shinichi hatte weiß Gott schon schlimmeres gesehen. Zerstückelte Leichen waren wesentlich schlimmer als das.

„Was?“, Heiji klang genau so elend wie er aussah, als er sich wieder zurück ins Kissen sinken ließ, den Eimer immer noch in seinen Händen, weil er nicht wusste, wie lange es dauern würde, bis sein Magen sich erneut auf die falsche Weise entleerte – wobei Heiji schon seit Stunden nichts weiter als Tee oder Wasser zu sich genommen hatte und da eigentlich gar nichts mehr war, was er ausspucken konnte. „Das geht nicht. Ich kann euch schließlich nicht alleine lassen!“ Nicht gerade an einem Tag wie heute, wo sie vielleicht das Versteck der BO entdecken würden, wo es mehr als nur ein bisschen gefährlich werden konnte. Nein, er musste Shinichi und Shiho auf jeden Fall begleiten.

„Red keinen Unsinn! Du kommst ja kaum bis zur Toilette, wie willst du es da überhaupt bis zu Claires Haus schaffen, ganz davon abgesehen, wie du dem standhalten willst, was uns dort erwarten könnte“, Shinichi steckte die Hände in die Hosentaschen. „Außerdem…“, er senkte seine Stimme, um ganz sicher zu gehen, dass Claire, die vermutlich direkt nebenan war, auch ja nichts hören würde, „weiß Jodie wo wir sind. Wenn wir bis 20.00 Uhr nicht draußen sind und ich auch nicht ans Handy gehe, wird sie eingreifen.“ So hatten sie es besprochen. Natürlich war die FBI-Agentin nicht begeistert gewesen von dieser Aktion, aber letzten Endes war sie daran gescheitert, Shinichi Vernunft bei zu bringen. Alles wofür sie hatte Sorgen können war, dass er und Shiho mit schusssicheren Westen und Waffen ausgerüstet waren.

Heiji war so erschöpft, dass sein Protest nicht einmal halb so überzeugend klang, wie er sollte. „Aber bis dahin könnte es zu spät sein!“ Niemand wusste, was sie bei Claire Zuhause erwarten würde. Schließlich war Claires Familie genauso verdächtig wie sie selbst und außer Shiho kannte keiner das Haus und selbst sie würde unmöglich die Geheimgänge kennen, durch die weitere BO-Mitglieder möglicherweise ebenfalls ins Haus eindringen könnten. Es war geradezu Selbstmord, nur zu zweit da rein zu gehen. Wobei, wenn er mal ganz ehrlich mit sich selbst war, zu dritt das Haus zu betreten, war auch nicht besser. Und er, mit seiner gelähmten Hand, war vermutlich ohnehin eher eine Last als eine Hilfe. Trotzdem behagte es ihm nicht, seinen besten Freund und dessen Freundin so ganz alleine ins offene Messer laufen zu lassen.
 

Gerade als Shinichi seinem Freund antworten wollte, ging die Tür zum Zimmer auf und Shiho kam herein mit einem Glas Wasser in der Hand, dass allerdings eine merkwürdige Farbe hatte. „Hier, Claire hat noch Tropfen gegen den Brechreiz gefunden“, erklärte die einstige Wissenschaftlerin der BO und stellte dem kranken das Glas auf den Nachtschrank. „Du sollst alles austrinken, sonst wirkt es nicht.“

Schon bei dem Gedanken, überhaupt etwas zu sich zu nehmen, wurde Heiji nur noch schlechter, aber er nickte tapfer. „Solltet ihr das Treffen mit Claires Eltern nicht doch lieber verschieben? Ich meine, immerhin war der Grund für das Essen doch ohnehin, dass ich mit Mrs. Gregor über die Operation sprechen sollte.“ Zumindest offiziell. Wie es inoffiziell aussah, wusste vermutlich nur Claire selbst.

„Das ist kein Problem“, Claire steckte den Kopf durch die Tür und lugte ins Zimmer, „ich nehme den Vertrag einfach mit und lasse mir von meiner Mutter alles erklären, was für dich wichtig sein könnte. Und außerdem war das Essen ja nicht nur wegen der OP. Meine Eltern freuen sich, dass Shiho uns mal wieder besuchen kommt.“ Nervös strich sich Claire eine Strähne hinters Ohr, die aus ihrer Frisur heraus gerutscht war. „Und wenn es dir schlechter gehen sollte, kannst du uns ja anrufen.“ Sie lächelte, doch irgendwie wirkte sie angespannt.

„Dann ist ja alles geklärt“, nickte Shinichi. „Also dann, bis heute Abend!“, es klang fast so, als wäre es ganz selbstverständlich, dass sie am Abend wieder nach Hause kommen würden. Es war, als gingen sie wirklich nur zu ein paar Bekannten etwas essen und als gäbe es daher gar keinen Grund daran zu zweifeln, dass sie gesund und munter wieder zurückkamen. Dabei war ihnen allen bewusst, dass es sehr wohl Grund gab, daran zu zweifeln.
 

Aber Heiji waren die Hände gebunden und so ließ er die drei mit einem unguten Gefühl gehen. Und ein weiteres ungutes Gefühl machte sich in ihm breit, als er das verfärbte Wasser in dem Glas betrachtete, bevor er es widerstrebend in kleinen Schlucken zu sich nahm. Es schmeckte ekelhaft. Aber wenn es half, dann war es diesen kleinen Moment des Ekels wert. Der junge Detektiv hatte sich gerade wieder zurück ins Kissen sinken lassen, als die Tür zu seinem Zimmer hastig aufgerissen wurde.
 

„Entschuldige. Ich… wollte dir das hier nur schnell geben“, hastig tat Claire einen Briefumschlag auf Heijis Nachtschrank. „Lies ihn bitte, ja? Und… es tut mir wirklich leid“, noch bevor er hatte fragen können, was sie meinte und was es mit dem Brief auf sich hatte, war Claire auch schon wieder verschwunden und hatte die Tür hinter sich geschlossen. Man hörte noch, wie sie mit ihren Absatzschuhen hastig zur Wohnungstür eilte und dann war es still. Heiji warf einen zweifelnden Blick auf den Briefumschlag. Ob er wirklich wissen wollte, was darin stand?
 

~*~
 

Shinichi und Shiho standen alleine im Fahrstuhl, der gerade nach unten fuhr. Claire hatte noch etwas vergessen, sie würde sofort nachkommen, also sollten sie beide schon mal ins Taxi einsteigen. Shiho konnte nicht anders, als sich zu fragen, was sie jetzt wohl tat, in diesem kurzen unbeobachteten Moment. Ob sie den Männern in Schwarz Bescheid gab, dass ihre beiden meistgesuchten Feinde gerade ganz alleine auf den Weg zu ihnen waren? Oder irgendetwas anderes tat, um sicher zu gehen, dass Shinichi und Shiho definitiv in die Falle tappen und ihr nicht mehr würden entkommen können?

Es fiel Shiho immer noch schwer zu glauben, dass ihre einzige Freundin eine Verräterin war, aber wenn diese Vermutung doch stimmte, dann rechnete sie mit dem Schlimmsten. Ein Mensch, der ihr monatelang eiskalt vorspielte, ihre beste Freundin und Vertraute zu sein, ja fast eine Schwester, während sie insgeheim schon ihren Tod geplant hatte, konnte sich ja nur etwas Grausames für sie ausgedacht haben.

Die Frage war nur, wenn Shiho wusste, dass sie diesen Tag kaum überleben würden, warum stand sie dann jetzt so selbstverständlich neben Shinichi, und war bereit, ohne zu Zögern in das Taxi zu steigen, das sie vielleicht direkt in die Hölle bringen würde? Lag es an ihm? Wollte sie so unbedingt bei ihm sein, dass sie dafür sogar sterben würde? Lag es an dem kleinen Funken Hoffnung in ihr, dass Claire und ihre Familie doch keine Verbindung zur schwarzen Organisation hatten? Oder war sie einfach nur dumm? Todesmutig? Todessehnsüchtig? Es wäre nicht das erste Mal, dass sie bereit war, ihr Leben weg zu werfen. Es zu beenden und sich selbst zu opfern.

Aber nein, es war dieses Mal nicht so, dass sie sterben wollte. Im Gegenteil, sie fühlte zum ersten Mal seit Langem wirklich den Wunsch zu Leben. Sie wollte mit Shinichi gemeinsam leben. An seiner Seite glücklich werden oder wenn es sein musste, auch ewig unglücklich bleiben, Hauptsache, sie war mit ihm zusammen. Und vermutlich war es auch das, was jetzt dafür sorgte, dass sie bei diesem gefährlichen Weg an seiner Seite war. Wenn er heute sterben würde, dann würde sie mit ihm sterben. Und wenn sie nicht sterben würden, dann würden sie gemeinsam, ein für alle mal, mit ihrer Vergangenheit abschließen, in dem sie der BO erneut zeigten, dass man sich nicht mit ihnen anlegen sollte. Und dass sie es besser nicht noch einmal versuchten. Niemals wieder.
 

Das Ende des Alptraumes.
 

„Shinichi…“, die Fahrstuhltür öffnete sich und die beiden traten nach draußen, vor ihnen wartete die große automatische Glastür darauf, sich zu öffnen und ihnen den Weg zum Taxi frei zu geben, doch noch bewegten sich die beiden nicht auf diese Tür zu. Standen still, sahen sich an. „Es könnte sein, dass wir heute sterben.“

Er nickte, als sich die Fahrstuhltür hinter ihnen schloss und man hören konnte, wie er wieder nach oben fuhr. Vermutlich um Claire zu holen. „Ich weiß“, es faszinierte Shinichi fast selbst, wie ruhig er war. Sollte er nicht nervös sein und Angst haben? Gut, er hatte irgendwie Angst, aber die anderen Gefühle überwogen. Der Wunsch danach, diese Sache endlich zu beenden, seine Rache zu nehmen und den Menschen in seiner Nähe die Sicherheit zurück zu bringen, die sie verdient hatten. So etwas wie Ran sollte und durfte nie wieder einem Menschen passieren, der ihm nahe stand. Nie wieder. Und dafür würde er kämpfen, bis zum Tod wenn es sein müsste und für dieses Ziel würde er gerne sterben.
 

Shiho griff nach seiner Hand, wollte sie kurz drücken als Zeichen dafür, dass sie bei ihm war und immer bei ihm bleiben würde. Als eine Art Versprechen, dass sie diese Sache mit ihm beendet würde, ganz egal, was es kostete. Doch er zuckte zusammen, als sie seine Hand nur leicht berührte. Ihre Schultern sanken nach unten. Also doch! Irgendetwas war anders gewesen an diesem Morgen. Er hatte nicht nur nicht mehr neben ihr gelegen, er hatte auch kaum mit ihr gesprochen und sie nur selten wirklich lange angesehen. Als würde er ihr aus dem Weg gehen, ihren Blicken ausweichen, ihre Anwesenheit einmal mehr als unangenehme Last empfinden. Aber warum? Was war denn passiert? Was hatte sich in den wenigen Stunden zwischen dem zu Bett gehen und dem Aufstehen verändert?
 

„Entschuldige“, Shinichis Schultern sanken ebenfalls nach unten, als er ihren enttäuschten Blick sah. „Aber ich mag solche Szenen nicht, verstehst du? Ich will jetzt nicht Abschied nehmen für den Fall, dass uns etwas passieren könnte. Ich möchte einfach darauf hoffen, dass wir überleben“, und dass er dann wieder klar denken und erkennen konnte, dass dieser Traum eben einfach nur ein Traum gewesen war.

„Du bist ein Lügner“, ihre Hände ballten sich zu Fäusten und sie wendete ihren Blick ab. „Du bist schon seit heute Morgen so anders. Was ist passiert? Ist dir plötzlich klar geworden, dass du mir versprochen hast, dass wir zusammen bleiben, wenn das hier vorbei ist? Wenn dir das Sorgen bereitet, dann kann ich dich beruhigen, ich werde dich nicht an dieses Versprechen binden.“ Sie war bereit an seiner Seite auch unglücklich zu sein, aber nicht wenn das bedeutete, auch ihn unglücklich zu machen und im Moment schien es so, als wäre ihre Anwesenheit, ihre Nähe, ihre Zuneigung, ihm einmal mehr lästig.

„Unsinn“, einen Moment lang war er selbst überrascht davon, wie schnell diese Antwort kam. Er hätte damit gerechnet, dass er zunächst zögern und darüber nachdenken würde. Aber nein, dieses Versprechen bereute er nicht. Er wollte ja mit ihr zusammen sein. Es war nur… dieser Traum… und das Gefühl Ran hintergangen zu haben. „Uns steht ein schwerer Kampf bevor und meine Nerven gehen einfach etwas mit mir durch. Ich versuche nur einen klaren Kopf zu bekommen. Denn auch wenn es so aussieht, eigentlich will ich uns nicht direkt ins Messer laufen lassen und nachdem Heiji als unsere Unterstützung ausfällt, muss ich ganz neu planen und-“

„Du hast gar keinen Plan!“, sie zwang sich dazu, ihn wieder an zu sehen. „Du kannst gar keinen haben, weil wir nicht die geringste Ahnung haben, was uns erwartet“, der einzige Plan den sie hatten war der, auf das Schlimmste vorbereitet zu sein. „Warum sagst du mir nicht einfach die Wahrheit? Hast du Angst, dass ich es nicht verkraften kann, dass du einen Rückzieher machst? Keine Sorge, du hast mir schon oft genug das Herz gebrochen, es kann gar nicht mehr weh tun.“
 

Autsch. Sie hatte ihm noch nie so direkt gesagt, dass er ihr so oft weh getan hatte. Natürlich war er sich immer dessen bewusst gewesen, seit er von ihren Gefühlen für ihn wusste, dass er ihr duzende Male ein Messer durch die Brust gejagt hatte, alleine schon damit, dass er vor ihr so oft über seine Gefühle für Ran gesprochen hatte. Es war ihm immer bewusst gewesen, dass sie unglaublich gelitten haben musste unter dieser unerwiderten Liebe, vielleicht sogar mehr, als Ran unter der Trennung von Shinichi gelitten hatte, aber es nun so direkt von ihr zu hören und dabei in ihre Augen zu sehen, die mit allen Mitteln gegen die Tränen ankämpften, war etwas völlig anderes, als es nur zu wissen. Es war greifbar. Es war fühlbar, wie sehr sie gelitten haben musste, wie sehr sie immer noch litt und das nur seinetwegen.
 

Gerade wollte er etwas sagen, als sich die Fahrstuhltür hinter ihnen öffnete und Claire zu ihnen trat. „Hey, warum seit ihr denn noch nicht im Taxi?“, ihr Lächeln war mittlerweile unübersehbar aufgesetzt. Es gelang ihr einfach nicht mehr, ihre Maskerade länger zu halten. Sie konnte nicht mehr so tun, als wäre alles schön und gut. Denn nichts war schön und gut, nicht für sie und nicht für die beiden, die jetzt links und rechts neben ihr standen und sie ansahen, als hätte sie gerade ein unglaublich wichtiges Gespräch unterbrochen.

„Wir haben auf dich gewartet“, war es diesmal Shiho, die log und sich dann von Shinichi und Claire abwendete, um auf die Glastür zuzugehen, die sie nach draußen lassen würde.

„Warte!“, Shinichi hatte ihr Handgelenk ergriffen und sie somit zum Stehen bleiben gezwungen.

Claire fühlte sich irgendwie unwohl, hier zu stehen und die beiden zu beobachten. Das, was auch immer sie jetzt gerade zu klären hatten, schien nichts zu sein, was sie etwas anging und damit auch nichts, wo die beiden sie dabei haben wollten. „Wisst ihr was? Ich gehe schon mal zum Taxi und erkläre dem Fahrer, wo es hin geht, okay? Kommt einfach nach, wenn ihr alles geklärt habt.“ Mit hastigen Schritten verschwand die Schwarzhaarige nach draußen und ließ das zweifelhafte Paar allein im Eingangsbereich des Hochhauses zurück.

„Ai es tut mir leid. Ich hatte die Nacht einen Alptraum mit Ran und der hat mich etwas aus der Bahn geworfen. Aber ich bereue nichts was zwischen uns war und nichts was ich gesagt habe. Ich brauche einfach nur etwas Zeit, um den Traum zu verarbeiten, das ist alles“, seine Lippen formten sich zu einem entschuldigenden Lächeln. „Ich weiß, dass ich dich ziemlich oft habe warten lassen in den letzten Monaten und das es nicht fair ist. Aber… lass uns jetzt bitte nicht im Streit auseinander gehen, okay?“ Sollte ihm oder ihr doch etwas passieren, dann würde er sich das nie verzeihen können.

Einen Moment sah sie ihn an, und erweckte nicht den Eindruck, nachgeben zu wollen, doch dann schlug sie die Augen nieder und seufzte. „Na schön. Dir kann man ja sowieso nicht lange böse sein.“ Zumindest sie konnte das nicht, egal wie sehr sie es auch versuchte. „Aber eine Sache will ich als Entschädigung.“

Okay, damit hatte er nicht gerechnet. „Und was?“ Ab und zu überschätze er seine Wirkung auf sie offenbar doch. Tze, und so etwas nannte sich nun Detektiv. Aber gut, er war schließlich auf Mordfälle spezialisiert und nicht auf Liebesangelegenheiten. Es gab einem Unterschied dazwischen heraus zu finden, warum jemand einen Mord begangen hat und was in dem Herzen einer Frau vor ging. Einen gewaltigen Unterschied sogar.

„Einen Abschiedskuss“, das war doch nicht zu viel verlangt, oder?

„Den bekommst du nicht, weil es keinen Abschied geben wird“, denn sie würden nicht sterben, sie durften nicht sterben. Sie hatten das Recht und die Pflicht weiter zu leben. Und genau das würden sie auch tun. Es würde schwer werden, aber es war zu schaffen. Sie mussten es schaffen. „Aber ich bin bereit, dir das hier zu geben“, er zog sie zu sich in eine Umarmung und hauchte ihr einen leichten, aber zärtlichen Kuss auf die Lippen. Vorerst musste das reichen. „Und jetzt lass und gehen, sonst fährt das Taxi noch ohne uns.“
 

~*~
 

Während Heiji in seiner Erschöpfung eingeschlafen war, lag Claires Brief immer noch ungeöffnet neben ihm, dabei stand in dem Brief etwas, dass Shinichi und Shiho das Leben retten könnte…
 

~~~
 

Liebe Leser, nach über einem Jahr geht es nun endlich weiter mit "Save me from the Dark" und ich freue mich unendlich über jeden Leser, ob er nun Kommentare schreibt oder nicht, der der Story über dieses Jahr hinweg treu geblieben ist.

Trotz der Langen Pause, hier ein paar Organisatorische Sachen: Ich kann wirklich nur jedem raten, ab und zu in meinen Weblog zu schauen, denn dort finden sich immer mal Informationen zu meinen FF. Auch auf Tumblr (http://monasatlantis.tumblr.com/) gibt es immer mal nützliche Informationen und Szenen aus Kapiteln, die gerade in Bearbeitung sind, oder verworfen wurden.
 

Nach wie vor, stehe ich bei Formspring (Keine Anmeldung nötig) unter dieser Adresse für Fragen zu meinen FF oder auch zu mir selbst zur Verfügung: http://www.formspring.me/ShyMonaAngel
 

Ansonsten, hoffe ich, ihr hattet einen guten Rutsch, fandet das Kapitel einigermaßen interessant und wünsche euch, ein wunderbares Jahr 2013! Bis zum nächsten Kapitel, dort wird es dann auch mit dem großen Finale los gehen.

In der Falle

Das Dienstmädchen, das ihnen die Tür öffnete, war blass und nervös, ihre Hände zitterten, als sie Claire, Shiho und Shinichi ihre Jacken abnahm und alleine diese kleinen Dinge, die manch anderem vielleicht nicht einmal weiter aufgefallen wären, beunruhigten den jungen Detektiv. Er hatte sofort das Gefühl, dass etwas nicht stimmte und mit diesem Gefühl kam auch sofort Unsicherheit in ihm auf. War es richtig gewesen, so unvorbereitet hierher zu kommen, obwohl sie wussten, dass es eine Falle sein könnte? Wenn es eine Falle war, was hatten sie ihnen dann zu bieten?

Sie beide waren mit Waffen und schusssicheren Westen ausgerüstet, beides natürlich gut versteckt vor den Augen von Claire. In Shihos Ohr steckte so ein neumodisches, auf Unauffälligkeit bedachtes Kommunikationsgerät, es erinnerte auf den ersten Blick an ein kleines Hörgerät, war aber in Wirklichkeit ein unscheinbares Multitalent. Es sendete nicht nur Funkwellen über ihren Standort aus, sondern konnte auch alles übertragen, was in dessen unmittelbarer Reichweite an Geräuschen war und zusätzlich übertrug es auch die Stimmen der FBI-Leute leise in Shihos Ohr, wenn diese mit ihr kommunizieren wollten. Eigentlich klang das Ganze ja doch nach einer sicheren Sache, denn mit dem einsatzbereiten FBI-Leuten keine drei Straßen weiter, konnte ihnen doch eigentlich gar nichts passieren, oder? Trotzdem, Shinichi wurde das Gefühl nicht los, zu überstürzt die Einladung angenommen zu haben.
 

„Mrs. McGregor wurde zu einem Notfall ins Krankenhaus gerufen und kann deswegen leider nicht hier sein, aber Mr. McGregor wird sie dafür entschädigen, indem er Sie in seinem Privatzimmer empfängt, das ist sonst nur für besondere Gäste“, erklärte das noch recht junge Dienstmädchen Shinichi und Shiho. „Miss Claire? Ihr Bruder möchte Sie noch kurz sprechen, er erwartet Sie in Ihrem Zimmer. Ich werde Ihre Gäste in der Zwischenzeit zu Ihrem Vater führen.“

Claire zögerte kurz und öffnete bereits den Mund - ganz offensichtlich um zu widersprechen – um zu sagen, dass sie ihre Gäste begleiten würde, doch als sie den fast schon flehenden Blick des Dienstmädchens sah, schloss sie ihren Mund wieder und nickte artig. „Gut. Shinichi? Shiho? Ich komme gleich nach“, verkündigte die einzige Tochter des Hauses McGregor und verließ dann die große Eingangshalle der Villa, indem sie einige Stufen einer leicht geschwungenen Treppe hinauf ging.
 

Die Blicke des Witwers und seiner Freundin trafen sich kurz. Für ihre geschulten Augen war es nun nicht mehr zu übersehen, dass etwas nicht stimmte, doch sie zögerten nicht lange, dem blassen Dienstmädchen zu folgen, das sie wenig später eine dunkle Kellertreppe hinunter führte, durch einen Weinkeller hindurch, wo sie schließlich vor einem der mit teuren Weinflaschen gefüllten Regalen stehen blieb. „Es tut mir leid“, flüsterte die Angestellte des Hauses McGregor plötzlich und zog dann eine der Weinflaschen aus dem Regal, woraufhin dieses samt der dahinterstehenden Wand wie eine übergroße Tür aufschwang und einen ins Dunkel gehüllten Raum preis gab.

„Kommt nur rein!“, forderte die Stimme von Mr. McGregor, der in dem nur von einer einzigen Kerze wenig erhellten Raum gerade noch so an einem dunklen Schreibtisch sitzend zu erkennen war. Und plötzlich wurde Shinichi und Shiho klar, wenn sie es sich anders überlegen wollten, dann war jetzt die letzte Gelegenheit und dann sollten sie auch wirklich sofort die Beine in die Hand nehmen, doch noch bevor ihnen überhaupt in den Sinn kommen konnte, fragende Blicke aus zu tauschen, schubste das Dienstmädchen sie bereits in den Raum und kaum das sie gefolgt war, schloss sich die als Regal getarnte Tür hinter ihnen und gab mit einem leisen Klicken bekannt, dass sie ins Schloss gefallen war. Auf einen ersten Blick nach hinten konnte Shinichi erkennen, dass der Mechanismus, der die Tür von innen öffnete, ein anderer, schwierigerer sein musste, denn auf dieser Seite der Tür war rein gar nichts an der Wand befestigt. Er vermutete den Schalter für die Tür irgendwo an dem Schreibtisch, an dem Mr. McGregor jetzt saß und die beiden triumphierend angrinste.

„Wer sind Sie?“, eines war Shinichi klar, es war absolut schwachsinnig, noch so zu tun, als wären sie wirklich nur Gäste, die vom Hausherren in diesen „exklusiven Raum“ eingeladen worden waren. Spätestens jetzt, wo man sie in diesen dunklen Raum geschubst und die Tür hinter ihnen verschlossen hatte, war klar, dass sie nicht zum Kaffee trinken und Smalltalk führen hergekommen waren. „Sind Sie ein Mitglied der schwarzen Organisation?“, setzte er daher auch nach kurzem Zögern seine Vermutung nach. Sollte er sich doch wider erwartend irren, dann würde Mr. McGregor mit diesem Namen ohnehin nicht viel anfangen können.

Doch dass sein Grinsen breiter wurde, verriet bereits, dass Shinichis Instinkte ihn nicht getäuscht hatten. Sie waren direkt in eine Falle der schwarzen Organisation getappt. Ihm war nur nicht ganz klar, warum, anstatt des Dienstmädchens, nicht Claire sie hierher geführt hatte. War sie etwa unschuldig und ihre Familie hatte sie nur als Spionin verwendet, vielleicht sogar noch, ohne dass sie sich dessen überhaupt bewusst war?
 

Mr. McGregor erhob sich von seinem Stuhl am Schreibtisch, das dunkle Licht im Raum und das durch seine Bewegung ausgelöste Flackern der Kerze, die auf seinem Tisch stand, ließ ihn unheimlich wirken. „Ich möchte deine Frage schnell und einfach beantworten“, erklärte er und noch bevor Shinichi und Shiho überhaupt hatten reagieren können, hatte er bereits seine Waffe gezogen und das arme Dienstmädchen einfach erschossen. Mit weit aufgerissenen Augen ging sie zu Boden, während Blut aus der Wunde in ihrer Brust quoll. Sie war sofort tot. Während der Detektiv und die einstige Wissenschaftlerin die Leiche anstarrten, fassungslos darüber, wie schnell alles gegangen war, fuhr Mr. McGregor in aller Seelenruhe fort. „Nun, da wir ungestört sind, möchte ich mich euch gerne vorstellen. Doch zuvor…“ Eine weitere getarnte Tür schwang auf, dieses mal hinter dem Schreibtisch von Claires Vater und gleich ein halbes Dutzend unbekannte Gesichter mit Waffen traten in den Raum, je die Hälfte von ihnen richtete ihre Waffen auf Shinichi und Shiho. „Zuvor möchte ich sicher gehen, dass uns niemand stört“, mit einer Seelenruhe, die die beiden gefangenen der BO zur Weißglut brachte, ging Mr. McGregor auf sie zu und musterte sie, dann nickte er zwei seiner Leute zu, die ihre Waffen sinken ließen und nun ihrerseits zu Shinichi und Shiho gingen, um sie nach Waffen abzusuchen und ihnen diese dann auch abzunehmen. Die beiden hatten keine Möglichkeit sich zu wehren, denn nicht nur die unbekannten Frauen und Männer in Schwarz hatten ihre Waffen auf sie gerichtet, auch der Herr des Hauses, hielt seine Waffe nach wie vor fest in der Hand und sie hatten ja eindrucksvoll demonstriert bekommen, wie schnell und genau er in der Lage war, diese zu benutzen. „Gut, jetzt muss ich nur noch eines tun, bevor wir uns in alle Ruhe unterhalten können“, er steckte seine Waffe weg, machte einen weiteren Schritte auf Shiho zu, holte aus und verpasste ihr eine solch heftige Ohrfeige, dass sie zu Boden ging. Das Gerät, dass in ihrem Ohr gesteckt hatte, war heraus gefallen und Mr. McGregor trat nun genüsslich darauf rum, bis er sicher war, dass es definitiv nicht mehr funktionierte.
 

Shinichi war inzwischen zu Shiho gegangen, um sicher zu gehen, dass sie unverletzt war und ihr dann wieder auf die Beine zu helfen. Noch verfiel er nicht in Panik. Das FBI war da, sie wussten sicherlich, nach allem was sie gehört hatten, das etwas nicht stimmte und ihren Standort hatten sie bis eben auch noch Orten können, es würde also sicherlich nicht lange dauern, bis sie hier wären. Allerdings – und dessen war sich der Detektiv natürlich bewusst – wusste auch Mr. McGregor sicherlich, dass Jodie und der Rest vom FBI in Kürze hier auflaufen würden. Allerdings wirkte er im Moment kein bisschen beunruhigt oder angespannt. Er ließ sich ganz gelassen wieder an seinem Schreibtisch nieder und grinste seine beiden Gäste an, die mittlerweile wieder mit ganzen sechs Waffen bedroht wurden.

„Ich möchte mich euch nun endlich vorstellen. Ich bin Ethanol, nicht irgendein Mitglied dieser glorreichen Organisation, sondern ihr Anführer. Ich habe es übrigens euch zu verdanken, dass ich zu diesen Posten aufgestiegen bin, denn ihr seid es ja gewesen, die zu dem unglückseligen Ende meiner lieben Schwester und Vorgängerin Bella geführt haben, nicht wahr? Also, ich danke euch“, Ethanol grinste, sich natürlich der Tatsache bewusst, dass seine Gäste diesen Dank ganz sicher nicht haben wollten. „Danke übrigens auch, dass ihr mir einen guten Grund gegeben habt, das Dienstmädchen zu erschießen, sie war mir schon länger lästig.“

Shinichi ballte seine Hände zu Fäusten. Wie konnte dieser Mann nur so reden? Das arme Dienstmädchen hatte sicherlich nicht einmal gewusst, dass sie es hier mit einer Verbrecherorganisation zu tun hatte, sie war vermutlich erpresst worden, mit ihrem Leben zu bezahlen, wenn sie nicht tat, was man ihr sagte. Und anstatt ihr Leben wie versprochen zu verschonen, hatte Ethanol sie einfach umgebracht, um ihm und Shiho zu demonstrieren, was für ein unglaublicher Schütze er war.

„Oh, wie schade…“, seufzte Ethanol gespielt enttäuscht. „Offenbar seid ihr heute nicht sehr gesprächig. Nun, sei’s drum. Ich habe euch sowieso nicht eingeladen, damit wir nett plaudern können. Und wir sollten den Ort des Geschehens ohnehin verlagern, immerhin wollen wir doch nicht, dass eure Freunde vom FBI uns stören, nicht wahr?“ Der Anführer der schwarzen Organisation drehte sich zu seinen Leuten um und nickte ihnen zu…
 

~*~
 

Das Piepen seines Handys hatte Heiji aus seinem erholsamen Schlaf aufgeweckt und im ersten Moment drehte er den Nachtschrank, auf dem sein Handy lag, einfach nur gähnend den Rücken zu und freute sich innerlich darüber, dass es ihm jetzt schon so viel besser ging. Die Übelkeit und der Brechreiz waren verschwunden, er fühlte sich zwar noch etwas erschöpft, aber das war wohl zu erwarten gewesen. Und immerhin, er verspürte schon wieder ein leichtes Hungergefühl. Claires Medizin schien ein Wundermittel zu sein.
 

Claire!

Die schwarze Organisation!

Shinichi und Shiho!
 

Mit einem mal saß Heiji aufrecht in seinem Bett und obwohl ihm von dieser schnellen Bewegung schwindlig wurde, zögerte er keinen Moment sein Handy regelrecht von dem kleinen Schränkchen zu reißen und die Nachricht, die darauf angezeigt wurde, zu öffnen. Sie kam von Claire. „St .Marien evakuieren“, stand in der Nachricht. Nicht mehr und nicht weniger. Heiji wusste damit nichts an zu fangen. Dennoch beunruhigte ihn die Nachricht. Schnell wählte er Jodies Handynummer, klemmte sein Mobiltelefon dann zwischen Schulter und Kinn, um mit seiner einzigen bewegungsfähigen Hand umständlich den Umschlag zu öffnen, in dem Claires Brief steckte. Unruhe kam in Heiji auf, als Jodie seinen Anruf nicht entgegen nahm. Gut, vielleicht war bereits etwas vorgefallen und sie waren gerade dabei, Claire und alle anderen Leute, die sie finden konnten, fest zu nehmen, da würde Jodie kaum ans Handy gehen können. Aber auf der anderen Seite musste das nicht zwangsweise etwas Gutes bedeuten. Wenn Jodie jetzt schon hatte eingreifen müssen, wo es doch noch vor 20.00 Uhr war, dann konnte das schließlich nur bedeuten, dass irgendetwas schief gegangen war. Die Unruhe in Heiji wurde größer, als er den Brief von Claire kurz überflogen hatte. Mit dem Versuch ruhig zu bleiben, las er die wichtigen letzten Zeilen noch einmal durch, dieses Mal ganz und mit voller Aufmerksamkeit. Und schließlich stieg doch Panik in ihm auf. Hastig sprang er aus dem Bett und suchte sich schnell ein paar Sachen zusammen. Er hatte nicht viel Zeit…
 

~*~
 

Es schmerzte in ihren Augen, als sich mit dem Öffnen der Tür auch endlich das Licht anschaltete und auch gleichzeitig die Belüftung wieder anging. Zum Glück, denn die Luft im Raum war bereits so verbraucht gewesen, dass Shinichi und Shiho sich sicher gewesen waren, dass sie in Kürze ohnmächtig und anschließend ersticken würden. Und ihnen war klar, genau das würde früher oder später noch auf sie zu kommen, wenn sie nicht die Gelegenheit nutzten, um aus diesem Raum zu entkommen. Diesem eisernen Gefängnis, aus dem es selbst für zwei Genies wie ihnen kein Entkommen zu geben schien. Es gab nur einen Ausweg und das war eben jene elektrische Tür, die sich gerade geöffnet hatte. Eine, die sich nur von außen öffnen ließ mit einem Passwort, das Shinichi und Shiho nicht hatten erkennen können, als man sie hierher gebracht hatte. Aber wie sollten sie entkommen?
 

Es musste mindestens eine Stunde vergangen sein, seit man sie in dem kleinen Raum mit dem Metallboden und der Metallwand gesperrt hatte, für die beiden waren es gefühlte drei Tage gewesen, die sie hilflos in der Dunkelheit des Raumes hatten verbringen müssen, in dem ihnen langsam die Luft ausgegangen war. Fakt war, sie waren durstig. Ihre Sinne waren benebelt vom Sauerstoffmangel und ihre Augen so geblendet von dem plötzlichen Licht, dass es viel länger als gewöhnlich dauerte, bis sich ihre Augen an das viel zu grelle weiße LED-Licht gewöhnt hatten. Und so dauerte es auch einige Zeit, bis sie erkannten, wer ihnen da einen Besuch abstattete.
 

Es war Ethanol und er war nicht allein. Hinter ihm tauchte eine Gestalt auf, ein junger Mann mit dunklen Haaren und einer glimmenden Zigarette in der Hand. Es war nur ein Bruchteil von Sekunden, bis Shinichi erkannt hatte, dass kein geringerer als Rans Mörder vor ihm Stand, der Mann mit der Zigarette, der in der heruntergekommen Wohnung gehaust und Bella Unfähigkeit vorgeworfen hatte. Jener Mann, den Shinichi unbedingt finden wollte, um sich an ihm zu rächen, für das was er getan hatte. Und hätte der Witwer seine Waffe noch getragen, hätte er sie jetzt ohne zu zögern gezogen und auf diesen Mann geschossen. Stattdessen stand Shinichi nur da, sein Gesicht erstarrt vor Wut.
 

„Darf ich euch meinen Sohn Billy vorstellen – nein, nennt ihn lieber Scotch, den Zukünftigen Chef dieser Organisation“, stolz deutete Ethanol auf seinen Sohn, der den beiden Insassen des eisernen Gefängnisses entgegen grinste.

Scotch, der Mörder von Ran. Claires älterer Bruder Billy McGregor. Er war die ganze Zeit ganz nahe gewesen und Shinichi hatte es nicht gewusst. Hatte nicht einmal geahnt, dass jenes Mitglied der schwarzen Organisation, das er am meisten finden und unbedingt selbst ausschalten wollte, die ganze Zeit erreichbar gewesen wäre. Der junge Witwer wünschte sich, man hätte ihm seine Waffe nicht abgenommen, damit er noch die Gelegenheit gehabt hätte, wenigstens Ran zu rächen, wenn ihm schon die Vernichtung der BO und die Rettung von Shiho nicht mehr möglich waren. Aber selbst die Rache an Scotch würde Shinichi offenbar verwehrt bleiben.

Was hatte er sich auch dabei gedacht, hier so unvorbereitet hin zu kommen? Nur er und Shiho, mit nichts weiter ausgerüstet als je einer Waffe und einer schusssicheren Weste? Hatte er wirklich geglaubt, dass es so einfach sein würde? Dass er so leicht aus den Händen der Mitglieder der BO entkommen würde? Hatte er diese Leute tatsächlich unterschätzt? Tja, es musste wohl so sein, sonst würde er sich wohl kaum so hilflos fühlen.
 

Triumphierend blickte Ethanol seine beiden Gefangenen an, die es kaum geschafft hatten, sich aufzurichten, als die Tür aufgegangen war und sich jetzt auch mehr schlecht als recht auf den Beinen hielten. Aber es war dumm gewesen, etwas anderes zu erwarten, immerhin war das Gehirn der beiden schon eine Weile nicht mehr mit ausreichend Sauerstoff versorgt worden, ihnen musste schwindlig sein, wie als hätten sie 50 Runden mit dem Karussell gedreht. Sie stellten für ihn im Moment kaum eine Gefahr dar.

So ließ er die Waffe sinken, die er eben noch auf Shinichi gerichtet hatte, bevor er zu sprechen begann. „Wie fühlt ihr euch? Ich hoffe euch gefällt der Ort, den wir für euren Tod auserkoren haben?“ Er machte einige Schritte in den kleinen Raum hinein, während Scotch im Türrahmen stehen blieb. „Verzeiht meine Unhöflichkeit von vorhin, aber ich musste ein paar Sicherheitsmaßnahmen treffen für den Fall, dass das FBI versuchen sollte, uns hier unten auf zu spüren. Doch nun gilt euch meine volle Aufmerksamkeit.“
 

Was Ethanol als „Unhöflichkeit“ bezeichnete, war eigentlich nichts weiter gewesen, als die Tatsache, dass der Detektiv und seine Freundin ohne viele Worte in den eisernen Raum verfrachtet worden waren, dessen Tür sich kurz darauf geschlossen und die beiden in der stickigen Dunkelheit zurück gelassen hatte. Da sie beide keine Waffen mehr besaßen, ihre Fähigkeiten sich mit Händen und Füßen zu wehren eingeschränkt waren und dies bei so vielen bewaffneten Leuten der Organisation ohnehin nicht ratsam gewesen wäre, war es natürlich kein Problem gewesen, Shinichi und Shiho aus Ethanols kleinem „Büro“ durch die zweite Geheimtür hindurch, einen langen, ebenfalls metallenen Gang entlang zu „führen“ - um es mal freundlich auszudrücken – und sie dann einfach in den fensterlosen Raum zu schubsen, in welchem sie sich nun befanden.
 

„Wir haben uns lange überlegt, wie wir euch ein besonders 'schönes' Ende bereiten können“, Scotch hatte seine Waffe im Gegensatz zu seinem Vater nicht gesenkt, sondern richtete sie weiterhin fest auf Shihio, als glaubte er, sie würde nach wie vor eine Gefahr darstellen oder ernsthaft in der Lage sein, einen Fluchtversuch zu wagen. „Und haben uns entscheiden, dass es doch langweilig wäre, euch einfach nur in diesem dunklen Raum ersticken zu lassen. Ihr habt etwas weitaus grausameres verdient. Ihr beide, vor allem aber du Sherry, für deinen tausendfachen Verrat an der Organisation, die immer so gut zu dir gewesen ist.“

Shiho öffnete gerade den Mund, offenbar um zu fragen, wann bitte die Organisation jemals gut zu ihr gewesen war, doch Ethanol hatte nicht vor, sie etwas dazu sagen zu lassen. „Wie dem auch sei“, meinte er also und räusperte sich. „Ich muss zugeben, dass ich enttäuscht bin. Als Claire uns erzählte, dass zwei solche bekannte Detektive in ihrer Wohnung unter gekommen waren, mit dem Ziel, unsere Organisation zu finden, hatte ich mit etwas mehr Gefahren für uns gerechnet. Ich hatte angenommen, Claires doppeltes Spiel würde in kürzester Zeit auffliegen und wenig später hättet ihr unser Geheimversteck, hier in den Kellerräumen einer ehemaligen kleinen Bank entdeckt. Aber stattdessen habt ihr praktisch all eure Geheimnisse und Entdeckungen bezüglich der Organisation vor Claire offenbart und uns damit kostbare Informationen zugespielt und am Ende seid ihr sogar freiwillig hierher gekommen. Es ist mir schleierhaft, wie ihr es damals geschafft habt, die Organisation zu zerschlagen. Für uns seid ihr jedenfalls keine Bedrohung.“ Und Ethanol schien fest daran zu glauben, dass dies ein Zeichen dafür war, dass er ein besserer Anführer der Organisation war, als derjenige, der die Organisation geleitet hatte, als es Shinichi, Shiho und dem FBI gelungen war, die BO zu zerschlagen. Ja, er hatte es allen bewiesen, die nicht an ihn geglaubt hatten. So lange er die Organisation anführte, waren sie unbesiegbar!

„Sie scheinen da etwas zu vergessen!“ Shinichis Lungen hatten sich endlich wieder mit Sauerstoff gefüllt und sein Gehirn begann langsam wieder richtig zu arbeiten. „Das FBI konnte unseren Aufenthaltsort bis in Ihr kleines Kellerbüro verfolgen. Sie wissen also wo sie nach Ihnen suchen müssen und sie werden einen Weg finden, hier herein zu kommen und dann sind Sie und ihre jämmerliche Organisation dem Untergang geweiht“, natürlich war sich der Witwer bewusst, dass die Eingänge zu diesen Räumlichkeiten gut getarnt und gesichert waren und natürlich auch, dass es noch einen Weg nach draußen geben musste, der nicht durch Claires Haus führte, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis das FBI auch diesen Eingang fand. Vielleicht war es dann zu spät für Shiho und ihn, aber wenigstens auch zu spät für die Organisation…
 

~*~
 

Claire war flankiert von zwei ihr unbekannten Mitgliedern der Organisation, offenbar schon wieder neue Leute, die ihr Vater in irgendeiner Gosse aufgetrieben und zu Eliteschützen ausgebildet hatte. Die Tochter des Unternehmers hatte die fragwürdigen, neuen Mitglieder der Organisation schon nicht gemocht, als sie noch getarnt als Geschäftspartner ihres Vaters in ihrem Haus ein- und ausgegangen waren und Claire nicht einmal gewusst hatte, dass es die schwarze Organisation überhaupt gab. Aber nun, wo ihr bewusst war, wozu diese Leute fähig waren, weil sie nichts, aber wirklich nichts außer ihr sinnloses Leben zu verlieren hatten, fürchtete sie diese Leute noch viel mehr. Die Tatsache, dass die beiden Unbekannten dazu angesetzt worden waren, aufzupassen, dass Claire keinen Mist machte und sie, sollte es nötig sein, auch auszuschalten, machte die Angst, die in der jungen Frau ohnehin schon brodelte, nur noch schlimmer.
 

Im Grunde war sich die Schwarzhaarige immer bewusst gewesen, dass die Chancen mehr als nur gering waren, dass sie ihre unfreiwillige Mitgliedschaft in dieser Organisation überlebte, das hieß aber noch lange nicht, dass sie keine Angst mehr um ihr junges Leben hatte, obgleich sie nur noch tat, was man ihr befahl, weil die Strafe für einen Fehler, nicht nur das Ende ihres eigenen Lebens sein würde. Das war überhaupt der Grund, warum sie all die Zeit getan hatte, was auch immer man von ihr verlangte. So wertlos ihr eigenes Leben durch diese Organisation auch geworden war, sie wollte nicht, dass ihretwegen irgendjemand litt, der nicht einmal wusste, dass es diese BO überhaupt gab. Keine Fremden und erst recht nicht ihre eigene Mutter. Mrs. McGregor war immer ein ehrlicher und herzensguter Mensch gewesen, die Claires Vater seine Affäre und ihrem Bruder all seine Fehltritte als Jugendlicher einfach vergeben hatte. Sie war der beste Mensch, den Claire kannte und wenn sie am Ende auch sonst niemanden retten konnte, ihre Mutter musste das unter allen Umständen überleben.
 

Claire blieb vor einer Tür stehen, die sich kurz darauf automatisch öffnete und ein kleines, aber modernes Labor preisgab. Obwohl der Raum geradezu winzig war, zumindest für ein Labor, arbeiteten hier ein gutes Dutzend Wissenschaftler. Die meisten davon kannte die Tochter des Unternehmers nicht einmal vom Sehen her. Aber der ältere Mann, der ihr jetzt mit einem fast schon ekelerregenden strahlenden Lächeln entgegen kam, gerade so, als würde er hier wunderbare, weltverbessernde Dinge tun, war ihr nicht unbekannt. Er war verantwortlich für die Herstellung und Weiterentwicklung von Giften jeglicher Art. Ein paar Mal schon hatte Claire mit seinen Giften und Drogen arbeiten müssen. Sie hasste es auch nur zu ahnen, was das Gift mit den Leuten anstellte, die damit in Berührung kamen, deswegen zögerte sie auch, das Messer in Empfang zu nehmen, dass der Wissenschaftler ihr nun wortlos entgegen hielt - offenbar in der Annahme, sie wüsste schon, was damit zu tun wäre.

Aber das unfreiwillige Mitglied der Organisation hatte keine Ahnung. Sie sollte etwas im Labor abholen und es dann zu ihrem Bruder bringen. Das waren die Informationen gewesen, die sie erhalten hatte. Sie zögerte, denn sie merkte, dass ihre beiden Bewacher langsam skeptisch wurden, weil sie das Messer noch nicht entgegen genommen hatte, doch dann straffte sie die Schultern.

„Was hat es mit diesem Messer auf sich?“, sie versuchte die Angst in ihrer Stimme zu überspielen und so zu klingen, als interessiere sie nur aus reiner Gehässigkeit, was mit demjenigen passierte, für den die Spitze des Messers gedacht war - denn so viel war sicher, ihr Bruder wollte sich damit sicher kein Brot schmieren.

„Unser neuestes Gift“, antwortete der ältere Mann, dessen Brille schief auf seiner Nase saß, „die Klinge dieses Messers ist darin gebadet. Wer auch immer damit verletzt wird, dessen Leben ist dem Ende ein sehr großes Stück näher.“ Das Grinsen auf seinen Lippen wurde breiter, als er noch hinzufügte: „Ich freue mich schon darauf, die Leiche zu untersuchen, um fest zu stellen, welche schönen Nebenwirkungen das Gift noch hat, denn bedauerlicherweise konnten wir es noch nicht oft an Menschen testen und diese dann auch noch untersuchen.“

Claire wurde schlecht. Sie hatte auch einige schlimme Dinge getan – oder tun müssen – seit sie in der Organisation war, aber sie konnte nach wie vor nicht die Wonne verstehen, mit der ihre Kollegen töteten. „Sagen Sie…“, nachdem sie dem stechenden Blick ihrer Bewacher im Nacken spürte, nahm Claire das Kissen, auf dem das Messer lag, vorsichtig entgegen, „für den Fall, dass mein Bruder sich versehentlich damit verletzen sollte, gibt es dann überhaupt ein Gegengift?“ Nein, es ging ihr nicht um ihren Bruder. Er war zu gut im Umgang mit Waffen, als dass ihm so ein Missgeschick passieren würde, aber wenn das Messer für Shinichi und Shiho gedacht war, könnte das Wissen um das Gegengift sicherlich Leben retten.

Der Forscher hob verwundert eine Braue ob der Frage, vermutlich, weil auch er wusste, dass Scotch nahezu mit jeder verdammten Waffe dieser Welt umzugehen wusste. Dennoch antwortete er schließlich: „Natürlich. Wir haben es gleich hier, immerhin wollen wir dieses Gift nicht nur zum Töten, sondern auch zum Foltern nutzen“, er deutete auf ein verschlossenes Reagenzglas in dem eine leicht rosafarbene Flüssigkeit war und grinste wieder, offenbar bei der Vorstellung, wie toll es sein musste, jemanden mit den Auswirkungen dieses Giftes foltern zu können.

„Ich verstehe“, Claire versuchte gar nicht erst so auszusehen, als würde sie denselben Genuss empfinden wie der Wissenschaftler bei dem Gedanken, was dieses Gift alles auslösen könnte und was dies der Organisation brachte. Stattdessen drehte sie sich um und machte sich auf den Weg zu ihrem Bruder, dessen Aufenthaltsort sich mit hoher Wahrscheinlichkeit bei Shinichi und Shiho befand und für einen von ihnen, war das Messer sicherlich gedacht…
 

~*~
 

Mit Blaulicht kam ein Streifenwagen um die Kurve gebrettert und stoppte kurz vor dem scheinbar unauffälligen Transporter des FBI, der unweit der Villa von Claires Familie gehalten hatte. Der dicke Polizeichef, den Heiji durch Claire kennen gelernt hatte, und ein jüngerer Kollege von diesem stiegen zusammen mit dem dunkelhäutigen Detektiv aus dem Wagen aus und rannten zu dem Transporter. Doch er war leer. Wie Heiji es befürchtet hatte, sie mussten schon zugegriffen haben, aber irgendetwas sagte ihm, dass etwas nicht stimmte. Es konnte das Gefühl nicht ganz erklären, aber er wusste einfach, dass es in der Straße nicht mehr so ruhig zugehen würde, wenn das FBI Claires Villa wirklich gestürmt hätte. Man müsste doch Schüsse hören, oder? Gerade wollte Heiji verkünden, dass er einfach zur Villa gehen und nachsehen würde, als neben ihm ein weiteres Auto hielt. Ein unauffälliger schwarzer PKW. Der Mann am Steuer ließ die Scheibe seines Fensters herunter und blickte Heiji dann skeptisch an.
 

„Was tun Sie hier?“, der Mann trug einen schwarzen Anzug und an seinen Händen waren deutlich einige schlimme Narben zu erkennen. Neben ihm saß eine Frau im mittleren Alter, ebenfalls gekleidet wie jemand, der auf dem Weg zu einem wichtigen Meeting war, die beiden blickten ziemlich angespannt drein.

„Wer will das wissen?“, fragte Heiji alarmiert. Was, wenn das Leute von der BO waren? Sollten sie dann die Unwissenden spielen? Oder vielleicht sogar so schnell wie es geht in den Wagen steigen und dann verschwinden?

„Ah… nur eine Anzeige wegen Falschparkens“, lachte der dicke Polizist, mit dem Heiji her gekommen war und deutete auf selbigen. „Unser junger Freund hier ist zwar offenbar der amerikanischen Sprache mächtig, aber nicht den amerikanischen Verkehrsregeln.“ Der Oberinspektor der amerikanischen Polizei, der sich um den Fall von „The Wild Rose“ gekümmert hatte, bevor dieser an das FBI übergegangen war, schien offenbar die Sorge des jungen Detektivs zu teilen und hatte daher beschlossen, diese kleine Lüge zu erzählen. Obgleich es eine gefährliche Lüge sein konnte, denn wenn es die BO war, dann wussten sie sicher, dass der Transporter dem FBI gehörte.

Aus diesem Grund warf Heiji auch hastig ein: „Ich habe diesem Mann schon mehrmals erklärt, dass das nicht mein Transporter ist, ich bin nur zufällig gerade hier vorbei gekommen.“ Was tat er hier eigentlich? Wenn das Leute von der BO waren, dann wussten die doch sicher wer er war, oder? Dann nützte auch alles Versteck spielen nichts. Auf der anderen Seite war die Organisation in letzter Zeit immer wieder durch Anfänger-Fehler aufgefallen. Vielleicht wussten ja doch nicht alle Mitglieder der Organisation so genau Bescheid. Er konnte es nur hoffen, denn ansonsten waren sie vermutlich in Kürze tot.

Der Mann warf seiner Nachbarin einen fragenden Blick zu, die schließlich mit den Schultern zuckte. Der Mann in dem Anzug seufzte, schnallte sich ab und öffnete die Waagentür um aus zu steigen. „FBI! Wir haben einige Fragen an Sie“, sagte er plötzlich und zeigte seine Dienstmarke hervor. Offenbar wollte er noch etwas sagen, doch Heiji unterbrach ihn.

„FBI? Wissen Sie dann, was mit Jodie und ihrem Team ist?“, fragte er hoffnungsvoll, woraufhin der Mann und die Frau, die noch in dem Auto saß erneut fragende Blicke tauschten.

„Du kennst Jodie?“, fragte die Frau schließlich und beugte sich etwas rüber, um Heiji von ihrer Position aus besser ansehen zu können.

Der junge Vater nickte hastig. „Ja, ich bin hier, weil meine Freunde in dem Haus sind, das möglicherweise ein oder mehrere Mitglieder der schwarzen Organisation beherbergt. Jodie stand mit ihnen in Kontakt und wollte eingreifen, wenn es nötig ist. Als sie nicht ans Handy ging, hab ich mir Sorgen gemacht und habe den hiesigen Oberinspektor gebeten, mich her zu bringen.“

Die Frau in dem Auto musterte Heiji kurz. „Sie… sind der junge Mann, der am Flughafen angeschossen wurde, richtig?“, ihr Blick lag auf dem Arm, der bewegungslos an Heijis Körper herunterhing, als wäre er nur eine Attrappe. Offenbar hatte Jodie ihren Kollegen von dem Schicksal des dunkelhäutigeren Detektivs erzählt. Heiji war das nicht gerade angenehm, aber er hatte keine Zeit für so etwas, also nickte er. „Jodie war auch mit uns in Kontakt“, erklärte die unbekannte FBI-Agentin darauf hin. „Sie erklärte, dass sie jetzt eingriffen würden, nachdem ein Schuss gefallen war und die Verbindung zu euren Freunden abgebrochen ist. Leider ist unsere Verbindung zu Jodie und ihrem Team danach auch abgebrochen und weil wir uns Sorgen gemacht haben, sind wir her gefahren, um nach dem Rechten zu sehen.“ Und so wie die Frau vom FBI aussah, war auch sie mittlerweile fast sicher, dass etwas ganz und gar nicht stimmte…
 

~*~
 

„Ah, Pearl… da bist du ja endlich“, Ethanol machte seiner Tochter Platz und deutete ihren beiden Bewachern zu verschwinden. „Gut, dann kann ich euch ja jetzt alleine lassen. Scotch? Du weißt, was zu tun ist?“, erkundigte sich der Chef der schwarzen Organisation noch einmal bei seinem Sohn und Shinichi konnte sehen, dass er hinter Claires Rücken mit seiner Hand ein Zeichen machte. Den Daumen nach unten, worauf hin Scotch nur nickte. „Dann noch viel Spaß“, damit verschwand Ethanol aus der Sichtweite von Shinichi und Shiho, jedoch waren sich die beiden sicher, dass er nicht weit weg war.

„Also…“, Scotch grinste, als er das Messer von dem Kissen nahm, dass seine Schwester in der Hand hielt, „sehen wir doch mal, wie hart im Nehmen du wirklich bist…“
 

~~~
 

Sorry für die lange Wartezeit, aber meine Ausbildung hält mich fleißig in Atem und fern vom Schreiben. Ich hoffe das Kapitel sagt euch trotzdem zu.

Rache ist bitter

Der FBI-Agent mit den vielen Narben an den Händen, stieß mit einem gezielten Tritt die Tür zum Haus der McGregors ein, nachdem ihm auch nach mehrfacher Aufforderung niemand geöffnet hatte. Sofort kam ihnen ein merkwürdiger Geruch entgegen. Heiji konnte ihn nicht zuordnen, aber er hatte sofort ein noch schlechteres Gefühl als ohnehin schon.
 

„Was ist das für ein Geruch?“, sprach der Polizeichef von New York die Frage aus, die auch Heiji auf der Seele brannte.

„Das ist ein sehr starkes Schlafgas, wenn ich mich nicht irre“, antwortete der FBI-Agent, der sich als James Keen vorgestellt hatte und fuhr sich nervös durch die kurzen schwarzen Haare. „Und wenn ich mich wirklich nicht irre, dann müssen wir uns beeilen, denn wenn man dem Gas zu lange ausgesetzt ist, dann wacht man nie wieder auf, wenn ihr versteht, was ich meine.“

Die FBI-Agentin, Lee-Ann Wilkes, hatte in der Zwischenzeit ihr Handy gezückt, offenbar telefonierte sie mit dem FBI, sie forderte eiligst gleich zwei Spezialeinheiten und vorsorglich mehrere Krankenwagen an. Nachdem sie aufgelegt hatte, blickte sie ihre drei männlichen Begleiter mit ernster Miene an. „Wir können hier nicht ohne Schutzmasken rein, das wäre nahezu Selbstmord. Außerdem wissen wir nicht, wie viele Leute der schwarzen Organisation sich in dem unteren Teil des Gebäudes befinden und wir sind nur zu viert. Wir können da unmöglich rein gehen. Ich schlage also vor, wir nehmen etwas Abstand vom Gebäude und beobachteten die Situation von Weitem, bis die Spezialteams eintreffen.“

„Aber-“, Heiji war das ganz und gar nicht recht. Immerhin hatte dieser James doch eben noch gesagt, dass sie sich beeilen mussten, weil das Gas auf die Dauer tödlich war und außerdem wussten sie immer noch nicht, wie es Shinichi und Shiho ging, da konnten sie doch nicht einfach nur dastehen und nichts tun.

Doch die FBI-Agentin mit den langen roten Haaren unterbrach ihn: „Es ist niemandem damit geholfen, wenn wir jetzt direkt ins Verderben rennen. Die Kollegen werden sich beeilen und tun was sie können, das verspreche ich. Aber bis sie da sind, sollten wir hier warten.“ Sie sah ihn streng an, doch ihr Blick wurde schnell mitfühlend. „Während wir warten, sollten wir gemeinsam unser Wissen zusammentragen und sehen, ob wir einen Weg finden, schnell genug den Aufenthaltsort Ihrer Freunde zu finden, um sie lebend da raus holen zu können, okay?“

Nein, es war nicht okay. Es war ganz und gar nicht okay. Aber Lee-Ann hatte recht. Es war niemanden geholfen, wenn sie jetzt da rein stürmten und das Gas sie überwältigte und sie getötet wurden, also nickte Heiji widerwillig und zog dann Claires Brief aus seiner hinteren Hosentasche. „Hier in dem Brief stehen wichtige Informationen, möglicherweise auch wie man in die Basis der Organisation kommt, ohne das Haus der McGregors zu durchqueren.“ Er wusste es nicht genau, denn er hatte aufgehört den Brief konzentriert zu lesen, nachdem ihm klar geworden war, was alles auf dem Spiel stand, und dass er keine Zeit mehr verlieren durfte.

Gerade als die Agentin den Brief entgegen genommen hatte und wohl fragen wollte, von wem er war und warum dieser jemand solche Informationen Preis gab, klingelte das Handy des Polizeichefs. Dieser ging hastig ran, aber nicht mehr als „Ja… Aha… Hm… Verstehe… Gut… Danke“ gab er nicht von sich und das Telefonat war beendet. Mit ernster Miene sah er Heiji an. „Es sind mehrere Bomben im St. Marien gefunden worden, offenbar werden sie per Fernzünder gesteuert. Die Kollegen werden es unmöglich schaffen, die Bomben rechtzeitig zu entschärfen. Die Klinik und das umliegende Gebiet wurden also evakuiert. Und Frau Doktor McGregor ist in Polizeigewahrsam. Sie sollte also sicher sein.“

Heiji nickte dankbar. In Claires Brief hatte unter anderem gestanden, dass ihre Mutter Ziel der Organisation sein würde, sollte sich die Tochter des Chefs der BO einen weiteren Fehler erlauben. Nach Claires kurzer Nachricht, hatte Heiji eins und eins zusammen gezählt und dafür gesorgt, dass das St. Marien wirklich evakuiert wurde und ein Spezialteam das Gebäude nach Bomben absucht, während Claires Mutter bei der Polizei in Sicherheit gebracht wurde. Es sollte am Ende nicht doch noch ein Mitglied der BO sie einfach erschießen können, wenn er merkte, dass das Krankenhaus gar nicht oder zumindest ohne Mrs. McGregor in die Luft geflogen war. Wenn Claires Mutter jetzt also in Sicherheit und das Krankenhaus evakuiert war, konnte sich Heiji nun ganz der Rettung von Shinichi und Shiho widmen.
 

Hoffentlich war es dazu noch nicht zu spät…
 

~*~
 

Ein Schrei, der für die abgebrühte ehemalige Wissenschaftlerin der BO absolut untypisch war, entwich ihrer Kehle, als Scotch sein Messer mit voller Wucht in Shinichis Oberarm rammte und selbst Claire konnte nicht anders, als ihren Bruder mit weit aufgerissenen Augen an zu starren. Sie hatte immer gewusst, dass er nicht so wie sie war, dass er gerne mordete, dass es ihm sogar Freude bereitete, Mitglied der Organisation zu sein, aber es zu wissen und es mit eigenen Augen zu sehen, war ein himmelweiter Unterschied. Jetzt, nachdem sie das gesehen hatte, konnte sich Claire nicht länger Hoffnungen machen, dass ihr großer Bruder am Ende doch ein guter Mensch war, der nur wie sie zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war und deswegen in die Organisation hineingezogen wurde.
 

Mit einem Genuss, der erneut Übelkeit in Claire auslöste, zog ihr Bruder das Messer ganz langsam aus Shinichis Arm, der schon lange keuchend zu Boden gegangen war und dessen Schmerz so groß war, dass er nicht einmal versuchen konnte, Scotch von sich weg zu drücken. Als das Messer endgültig seinen Weg aus Shinichis Oberarm gefunden hatte, gab es die stark blutende große Wunde Preis, die es dort hinterlassen hatte. Scotch blickte stolz auf sein Werk, während er das mit Blut überzogene Messer einfach aus der Tür schmiss, ohne darauf zu achten, ob vielleicht gerade jemand dort lang ging.
 

„Das Messer“, begann Scotch, nachdem er sich von dem am Boden knienden und keuchenden Shinichi etwas entfernt hatte, „ist in ein Gift getränkt worden. Und dieses wundervolle Gift wirkt äußerst langsam. Es wird ein ziemlich qualvoller Tod für dich werden.“ Der zukünftige Chef der BO grinste breit, als würde ihm der Anblick von dem schwer atmenden Shinichi und der nun neben ihm knienden Shiho, deren Blick schon panisch auf die Wunde an seinem Arm gerichtet war, unglaubliche Freude bereiten. Und vermutlich tat es das auch. „Wie dem auch sei…“, Scotch gab seiner Schwester ein Zeichen, die selbst noch wie erstarrt da stand und eine Weile brauchte, bis sie den auffordernden Blick ihres großen Bruders überhaupt bemerkte. „Es gibt noch einen Ausweg.“
 

Bleich und mit zitternder Hand zog Claire eine Waffe aus einer Halterung in ihrem Gürtel. Es war nicht ihre Waffe. Es war irgendeine Waffe, die man ihr zuvor gegeben hatte mit den Worten, sie wäre für Shinichi und Shiho, ohne dies näher zu erläutern. Claire hatte gedacht, sie sollte die beiden damit erstechen – auch wenn sie nicht verstanden hatte, wieso sie nicht ihre eigene Waffe dafür nehmen sollte. Doch jetzt ging ihr ein Licht auf. Die Waffe war dazu da Shinichi zu erlösen, aber es war weder ihr, noch Scotchs Job, dies zu tun. Nervös legte Claire die Waffe neben Shinichis gesunde Hand und entfernte sich wieder von ihm.

Das wäre jetzt die Chance für Shinichi gewesen, Scotch einfach zu erschießen, aber sein Gehirn war vernebelt von dem Schmerz seiner Wunde, der so stark war, dass er Mühe hatte, bei Bewusstsein zu bleiben. Auch Shiho, die hilflos neben ihm kniete, weil sie gegen die Wunde und das Gift darin nichts tun konnte, schien in diesem Moment nicht einmal daran zu denken, die Waffe zu nehmen und auf Ethanols Sohn zu richten.
 

Scotchs Grinsen wurde breiter, obgleich es kaum vorstellbar schien, dass dies überhaupt noch möglich war, so zufrieden und seelig, wie er zuvor schon ausgesehen hatte. „Es befindet sich nur eine einzige Kugel in der Waffe. Was ihr damit macht, ist ganz euch überlassen. Ihr könntet natürlich auf Claire oder mich schießen, aber damit würdet ihr die einzige Möglichkeit verschwenden unseren Meisterdetektiv hier von seinen Qualen zu erlösen, bevor sie unerträglich werden.“
 

Dazu war die Waffe gedacht gewesen, Shinichi sollte entweder, so lange er noch dazu in der Lage war, sich selbst die Kugel geben, vor den Augen von Shiho oder aber, wenn sein Zustand unerträglich wurde, seine Freundin darum anflehen, ihn zu erschießen, um ihn endlich zu erlösen. Und diese Waffe enthielt bewusst nur diese eine einzige Kugel, damit Shiho, wenn Shinichis Leiche dann neben ihr lag, nicht mehr in der Lage war, sich selbst das Leben zu nehmen. Sie würde dann damit leben müssen, dass ihr toter Geliebter neben ihr lag und dass vielleicht sogar sie selbst ihn umgebracht hatte.

Das war die Strafe, die sie sich für die Verräterin Sherry ausgedacht hatten. Shiho sollte nicht einfach nur qualvoll zugrunde gehen, so wie Shinichi, sie sollte in ihrer Verzweiflung dem Wahnsinn verfallen und erst dann würde man sie – und man musste hier schon fast sagen: „Wenn sie Glück hatte“ – endlich qualvoll sterben lassen. Die Panik, die Shiho schon überfallen hatte, als sie Shinichis Wunde gesehen hatte, verdoppelte sich schlagartig bei dem Gedanken an das, was noch kommen würde. Die Vorstellung von einem Shinichi, der sie anflehte ihn zu erschießen, weil er die Qualen nicht mehr ertrug und die Angst vor dem Gedanken ihn zu verlieren und…

Shiho schüttelte energisch mit dem Kopf. Nein. Sie durfte das nicht zulassen. Sie durfte nicht jetzt schon diesem Wahnsinn verfallen. Noch hatten sie eine Chance. Noch bestand die winzige – unwahrscheinliche - Möglichkeit, dass das FBI sie rettete und das vielleicht sogar noch rechtzeitig.
 

Hoffentlich…
 

~*~
 

Mit Gasmasken, schweren Geschützen und schutzsicheren Westen ausgestattet hatte das Spezialkommando die Villa von Claire gestürmt. Ihr Anführer war der FBI-Agent mit den vielen Narben an seinen Händen. Beim letzten Kontakt mit Jodie hatten sie erfahren, dass ihre beiden Schützlinge in den Keller des Gebäudes gegangen waren und dass dort der Empfang sich extrem verschlechtert hatte, so dass sie immer nur Wortfetzen hatten wahrnehmen können. Zuletzt hatten sie etwas gehört, was sich wie ein Schuss angehört hatte, danach hatte das Gerät den Geist aufgegeben und sie hatten sich entschieden, die Villa zu stürmen. Leider war auch bald der Kontakt zu Jodies Team abgebrochen. James war sich also sicher, dass der Weg ihn in den Keller führen musste. Mittlerweile hatte das Gas schon eine Form angenommen. Die Agenten gingen durch Nebelschwaden, während sie den Weinkeller durchquerten und schließlich vor einer als Regal getarnten, nur leicht geöffneten Tür standen, aus dem das Gas zu kommen schien.
 

Der FBI-Agent riss die Tür auf und fand sich in einem dunklen Raum wieder. Mit seiner Taschenlampe erhellte er ihn und fand Jodie und ihr Team am Boden liegend. Das Gas strömte von oben aus einer Belüftungsanlage in den Raum, der an ein schickes Büro erinnerte, nur ohne Fenster und anstatt einer Menge Akten in den Schränken, befanden sich dort ausschließlich alkoholische Getränke. Und in diesen Raum – das wusste James aus der Beschreibung von Claires Brief – musste der erste Geheimgang zum Versteck der BO sein.
 

„Sie Leben noch, aber ihr Puls ist schwach!“, rief einer der Männer durch seine Maske hindurch, nachdem er den Puls bei Jodie und einigen in der Nähe liegenden Agenten gefühlt hatte.

„Schaffen wir sie hier raus!“, forderte der FBI-Agent mit den Narben an den Händen und half einem seiner Teammitglieder einen schwereren FBI-Agenten hoch zu hieven und raus zu tragen, wo Ärzte und Krankenwagen bereits darauf warteten, dass Leben von Jodie und ihrem Team zu retten.

„Sie scheinen unverletzt zu sein… wie kommt das?“, der Kollege, der dem dunkelhaarigen FBI-Agenten half, keuchte, während sie den kräftigeren Mann die Treppen hoch zerrten und weitere Kollegen ihnen hastig folgten.

„Warum einen Schusswechsel riskieren, wenn es doch so viel einfacher geht? Vermutlich hat dieser Bastard von Anführer der Organisation gewusst, dass Jodie mit ihrem Team früher oder später in dem Raum auftauchen würde und hat sie dann dort mit dem Gas überrascht. Da der Empfang hier unten so schlecht ist und das Schlafgas so hoch konzentriert, konnte er sicher sein, dass niemand mehr einen Hilferuf absenden würde und musste davon ausgehen, dass alle die wir retten wollten, schon längst tot waren, wenn wir beginnen würden, nach ihnen zu suchen.“ Gut, dass sie nicht gewartet hatten…
 

~*~
 

„Ich sehe, Sherry, du hast begriffen, wo das Ganze hinführt, nicht wahr?“, Scotch lachte genüsslich. Es gab ihm einen solchen Triumph, die Verräterin Sherry und diesen Möchtegern Meisterdetektiv so zu sehen. Er war so stolz darauf, dass er und sein Vater etwas geschafft hatten, woran die alte Organisation gescheitert war. Und eines war sicher, wenn Shinichi und Shiho erst einmal tot waren und mit ihnen einige der besten Mitglieder des FBI, plus die vielen Toten, wenn das Krankenhaus erstmal explodiert war, dann würde jeder diese Organisation fürchten. Niemand würde auch nur den Gedanken wagen, sie zu finden und zu zerschlagen. Sie würden unbesiegbar sein. Übermächtig. Sie würden die Weltherrschaft insgeheim an sich reißen und niemand würde sie aufhalten. Wie dem auch sei, noch war es nicht soweit. Erstmal musste er seine beiden Gefangenen hier noch etwas mehr quälen. Aber nicht nur sie. „Nun, ich will gnädig sein und gebe dir eine letzte Chance, diesem Wahnsinn ein für alle Mal zu entkommen. Du musst nur meine Schwester bitten, dich zu erschießen und sie wird es sicher tun. Dann ist alle Qual für dich zu Ende. Du musst deinen geliebten Shinichi Kudo hier nicht jämmerlich zugrunde gehen sehen, musst nicht ertragen, wie er dich anflehen wird, ihn zu töten. Du kannst den langen Weg entgehen, den du noch wirst gehen müssen, bevor wir dich endlich von diesem sinnlosen Leben erlösen. Und du kannst wieder mit deiner Familie vereint sein.“ Erneut gab Scotch seiner Schwester ein Zeichen, als sie zögerte, fauchte er ihren Namen. „Denk dran, was auf dem Spiel steht!“, er hatte ihr von den Bomben im Krankenhaus ihrer Mutter erzählt und gesagt, er würde das Ding samt ihrer Mutter und allen Patienten in die Luft jagen, wenn sie es wagen sollte, nicht zu gehorchen und er wusste ganz genau, dass Claire niemals ungehorsam sein würde, wenn das Leben ihrer geliebten Mutter auf dem Spiel stand. Nun, Scotch hing nicht so sehr an der Frau, die ihm sein Leben geschenkt hatte und er hing auch nicht besonders an seiner Schwester. Also würde er früher oder später das Krankenhaus ohnehin in die Luft sprengen. Aber für den kleinen Moment, in dem Claire ihm noch nützlich war, würde er das natürlich noch nicht Preis geben.
 

Claires Hand zitterte noch mehr als zuvor, als sie schließlich ihre eigene Waffe aus ihrer Jackeninnentasche zog und sie auf Shiho richtete. Was sollte sie jetzt nur tun? Sie konnte Shiho unmöglich erschießen. Sie hatte das Leben ihrer besten Freundin schon mehrfach mit ihrem Handeln riskiert. Als sie Vermouth den Ersatzschlüssel für die Wohnung überlassen hatte und als sie ihrem Vater gesagt hatte, dass Shiho im Haus von TWR war und er damit wusste, dass er den Sprengsatz in die Luft jagen konnte. Sie hatte das alles nur getan, um ihre Mutter zu beschützen. Claire mochte Shiho wirklich, sie hatte sie gern. Aber sie wusste, wenn es um ihre Mutter ging, dann würde sie selbst ihre beste Freundin töten. Allerdings war es ein Unterschied, eine Mörderin in die Wohnung zu lassen, deren Aufgabe es war Shiho zu töten oder selbst vor seiner Freundin zu stehen und den Abzug drücken zu müssen. Was war, wenn Shiho sie wirklich anflehte? Was sollte Claire dann tun?
 

Shiho blickte kurz enttäuscht zu Claire auf, senkte dann aber wieder ihren Blick auf den vor Schmerz verkrampften Shinichi. Nein, sie würde es sich nicht einfach machen und weglaufen. Sie würde ihn hier nicht alleine leiden lassen. Sie konnte und durfte jetzt noch nicht sterben. Sie hatte versprochen zu leben und auch wenn es ihr schwer fiel, sie würde es tun, bis man ihr Leben gewaltsam beendete oder ihr Herz aufhörte zu schlagen. Sie würde hier an Shinichis Seite sein und das Leid ertragen, dass seine Qualen ihm und ihr brachten und sie würde beten, beten dass man sie rettete, dass ihr einmal mehr das Glück hold war und dass sie dann zusammen mit Shinichi eine Zukunft hatte, ganz egal wie diese Zukunft auch aussehen würde. Sie würde alles ertragen, so lange man sie nur rettete.
 

Claire war getroffen von Shihos enttäuschtem Blick, obgleich sie natürlich noch mit so viel mehr als nur Enttäuschung gerechnet hatte. Dennoch war Ethanols Tochter auch erleichtert, als ihr klar wurde, dass Shiho sie nicht anflehen würde, sie zu erschießen. Sie ließ ihre Waffe sinken.
 

Hinter ihr, hatte allerdings jemand seine Waffe gezogen und sie nicht etwa auf Shiho oder Shinichi, sondern auf Claire gerichtet. Das war Scotchs letzter Auftrag gewesen, bevor er endgültig die Rolle des Stellvertreters der BO einnehmen durfte. Er musste nur noch diese eine Sache tun: seine Schwester töten. Und obwohl etwas in ihm doch Skrupel hatte es zu tun, war dieses Etwas nicht stark genug, um ihn wirklich davon abzuhalten. Doch noch bevor er den Abzug nach einem kurzen Zögern drücken konnte, war es stattdessen er, den eine Kugel in den rechten Unterbauch traf.

Scotch schrie auf vor Schmerz und ließ seine ungesicherte Waffe fallen. Ein Schuss löste sich, prallte an der Metallwand ab, verfehlte Shiho und Claire nur knapp und traf Ethanols Sohn in den Oberschenkel, der junge Mann ging zu Boden, während das Blut aus seinen Wunden nur so sprudelte.
 

Der Schuss war von Shinchi gekommen, dem ein kurzer Adrenalinstoß, als er erkannte was Scotch vorgehabt hatte, dazu geholfen hatte, die Kraft und Konzentration aufzubringen, die Waffe vor ihm auf zu heben und auf Ethanols Sohn zu schießen. Zum genauen Zielen hatte die Kraft allerdings nicht mehr gereicht. Die Frage, ob der Detektiv den Mörder seiner Frau also tödlich verletzen wollte oder nicht, hatte nicht zur Debatte gestanden. Shinichi hatte nur schießen und hoffen können, dass er ihn irgendwo traf, so dass Scotch nicht mehr in der Lage wäre, Claire zu erschießen. Es mochte zwar sein, dass sie ein Mitglied der BO war und schlimme Dinge getan hatte, aber Shinichi war sich sicher, dass sie keine eiskalte Mörderin war wie ihr Bruder, dass in Ethanlos Tochter noch Menschlichkeit steckte. Etwas, dass es sich zu retten lohnte, selbst in einer scheinbar ausweglosen Situation wie dieser.
 

Scotch sackte nun endgültig zu Boden. Claire stürmte zu ihm hin, suchte etwas, womit sie wenigstens die Wunde am Bauch verbinden konnte und drückte schließlich einfach mit der Hand darauf. Sie wollte nicht, dass ihr großer Bruder starb. Ja, er war ein böser Mensch, er hatte viel Schlimmes getan und er verdiente eine Strafe, aber er durfte nicht sterben! Doch das Blut quoll an Claires Händen vorbei aus der Wunde, besudelte sie mit der dunkelroten Flüssigkeit, während ihr Bruder nach Luft schnappte und immer blasser wurde.
 

Einen Moment dachte Shiho daran, dass sie vielleicht versuchen sollten zu fliehen, nachdem sie den ersten Schrecken überwunden hatte, doch gerade als sie überlegte, ob sie überhaupt eine Chance hatten in dem Zustand, in dem Shinichi war – denn so viel besser als Scotch sah er im Moment nicht aus – kam Ethanol mit einer Bande von Mitgliedern der Organisation angestürmt. Mit erhobenen Waffen standen sie an der Tür, doch der Chef der BO ließ seine Waffe sofort sinken, als er seinen Sohn am Boden verbluten sah. „Ruft den Arzt!“, kreischte er seinen Leuten zu, schubste Claire unsanft von ihrem Bruder weg und drückte nun selbst auf die Wunde. Doch obgleich seine großen und starken Hände mehr Druck auf die Wunde ausübten, quoll das Blut weiter und auch die andere Wunde an seinem Oberschenkel blutete unbeachtet weiter. „Billy! Billy du darfst nicht sterben, hörst du!“, rief er seinem einzigen Sohn wütend zu, der bereits dabei war, das Bewusstsein zu verlieren. „Wir haben doch noch so viele Pläne, erinnerst du dich? Wir wollen die Organisation zur gefürchtetsten Organisation der Welt machen und zur Mächtigsten. Wir beide… WIR… wir wollten es allen zeigen. Also stirb nicht, hast du verstanden?“ Ethanlos Stimme bröckelte, als er bemerkte, dass sein Sohn längst nicht mehr mit seinen Sinnen bei ihm war und Feuchtigkeit sammelte sich in seinen sonst so kalten Augen. „Wo bleibt denn der Arzt?!“, brüllte er seine Leute an, von denen schon längst einer losgestürmt war, aber es dauerte nun einmal, in den verwinkelten Gängen der alten Bank, den Raum mit dem Arzt zu erreichen. „Billy! Billy, bitte! Ich weiß… ich war dir nicht immer ein guter Vater… Ich habe manchmal Dinge von dir verlangt, die nicht fair waren und ich habe deine Schwester immer bevorzugt. Aber… aber damit ist jetzt Schluss, hörst du? Alles wird jetzt besser, ich verspreche es dir, du darfst nur nicht sterben!“, doch Ethanols Worte erreichten seinen Sohn nicht mehr und auch die Hilfe des Arztes würde zu spät kommen…
 

~*~
 

Mit voller Wucht landete Claire an der nächsten Wand gegen die sie ihr Vater mit all seiner Kraft gestoßen hatte. Der Schmerz nahm ihr einen Moment die Luft und sie glaubte in Ohnmacht zu fallen, doch Ethanol ließ es gar nicht erst zu. Mit einer heftigen Ohrfeige holte er sie wieder ins Diesseits zurück. "Wie konntest du es wagen?!“, fauchte der Anführer der Organisation, der seine Tochter in sein Ersatzbüro geschleift hatte. „Wie konntest du deinen Bruder töten?! Deinen eigenen Bruder!“ Selbst wenn Claire ihrem Vater hätte erklären wollen, dass es nicht sie gewesen war, die auf Billy geschossen hatte, so würde Ethanol ihr nicht einmal die Gelegenheit dazu lassen. „Ich hätte es wissen müssen. Billy hat mir von Anfang an gesagt, dass man dir nicht trauen kann, dass ich dich töten sollte, aber ich habe ihm nicht geglaubt und nun ist er tot und das ist nur deine schuld!“ Ethanol wirbelte herum, während Claire ihn mit Tränen in den Augen, höllischen Schmerzen im Rücken und einer roten Wange schluchzend ansah.

Mit schnellen Schritten war der Anführer der Organisation an seinem Schreibtisch, holte ein unscheinbares kleines Gerät heraus und noch bevor Claire überhaupt erkennen konnte, was es überhaupt war, betätigte Ethanol einen Knopf und kurz darauf war selbst hier, tief unter der Erde, ein lauter Knall zu hören und die Erde begann bedrohlich zu beben. „Hast du das gehört?“, fragte Ethanol seine Tochter, die ihn nun wie erstarrt ansah, sich wohl bewusst, wo das Beben hergekommen war. „Das war das Krankenhaus deiner Mutter, es ist mit ihr, allen Insassen und einer Menge sich zufällig in der Nähe des Gebäudes befindenden Menschen in die Luft geflogen. Alle sind tot! Deinetwegen!“ Er ließ das nun nutzlose Gerät auf den Boden fallen und zückte anschließend seine Waffe. „Und jetzt bist du dran!“, ohne nur einen Moment zu zögern schoss Ethanol in einer unglaublichen Geschwindigkeit erst auf Claires rechtes und dann auf ihr linkes Bein.
 

In einem Bruchteil von Sekunden ging die Tochter des Anführers der BO zu Boden, ihre Schmerzen waren so stark, dass sie nicht einmal schreien konnte und selbst ihre Tränen wollten unter der großen Last des unvorstellbaren Schmerzes nicht fließen. Sie war zu nichts mehr imstande, wie sie da mit dem Gesicht auf dem hässlichen orientalischen Teppich lag, der nach Zigarre roch und spürte, wie das Blut ganz langsam aus den Wunden in ihren Beinen quoll.

So viel ging ihr durch den Kopf, Dinge die sie sagen, ihren Vater noch fragen wollte. Hatte er ihre Mutter überhaupt geliebt? Hatte er sie, seine Tochter jemals geliebt? Bedeutete ihm all das, was sie zusammen erlebt hatten nichts? Doch Claires Lippen wollte nichts weiter entweichen als ein verzweifeltes und schmerzerfülltes Stöhnen. So würde sie also sterben? So und ohne, dass sie auch nur ein einziges Leben hatte retten können? Würde sie also in der Hölle schmoren? Aber das hatte sie wohl verdient. Sie schloss die Augen, weil es auf einmal so anstrengend war, sie offen zu halten und von ihrer Position aus konnte sie sowieso nichts Wichtiges sehen. Ob Heiji wohl ihre Nachricht bekommen hatte? Ob ihre Mutter vielleicht gerettet war? Claire hoffte es, denn wenn wenigstens ihre Mutter in Sicherheit war, dann konnte sie in Frieden sterben.
 

Ethanol stand vor ihr und blickte mit Hasserfülltem Gesicht zu ihr herunter. „Du wirst verbluten, wie dein Bruder verblutet ist, oder die Wunde entzündet sich und du gehst daran zugrunde. Auf jeden Fall wird es ein sehr langsamer Tod.“ Er wendete sich von ihr ab und machte sich auf, das Zimmer durch eine versteckte Tür zu verlassen. Er drehte sich nicht einmal zu ihr um, zeigte kein Zeichen von Bedauern oder Reue. Nichts. Sie war ihm egal. Er wollte wirklich, dass sie starb. Sie, seine kleine Prinzessin. Er hatte sie als kleines Mädchen doch so geliebt, so sehr verwöhnt und nun… War denn gar nichts mehr von seinen Gefühlen für sie übrig? Wie traurig, dass sie nun mit diesem Wissen sterben musste…
 

~*~
 

Sein Kopf lag auf ihrem Schoss, er atmete schwer, sein Gesicht war von Schweiß bedeckt, wie sie deutlich spürte, während sie ihm in einer beruhigenden Geste über die Stirn strich, und er zitterte. Er hatte gesagt, er spürte die Schmerzen schon gar nicht mehr, so benebelt waren seine Sinne von dem Gift. Fieber hatte er mit Sicherheit, schwindlig war ihm und übel und in seinen Ohren pfiff es ganz fürchterlich. Das Atmen fiel ihm schwer, egal wie tief er auch Luft holte, es schien, als würde der Sauerstoff seine Lungen nie erreichen. Und sie beide waren sich bewusst, dass dies erst der Anfang war. So lange war der Angriff auf Shinichi noch nicht her und wenn das Gift wirklich langsam wirkte, dann würde es noch viel, viel schlimmer werden. Und sie saßen hier, in einem stockfinsteren und stickigen Raum. Nun, das Ganze hatte auch Vorteile. Wenn sie Glück hatten, würden sie wegen des Sauerstoffmangels einschlafen und dann relativ friedlich sterben, anstatt so qualvoll zu enden, wie es die BO für sie vorgesehen hatte.
 

„Es fühlt sich nicht gut an…“, keuchte Shinichi plötzlich und erschreckte Shiho damit. Er hatte schon seit einer Weile nichts mehr gesagt, sie hatte angenommen, er hätte vielleicht das Bewusstsein verloren und nun begann er so unerwartet zu sprechen.

„Was? Deine Wunde? Oder… weil du auf meinem Schoss liegst? Ich-„

„Nein, keines von beiden…“, er holte einmal mehr tief Luft, bevor er weiter sprach. „Ich meine, das Gefühl, Rache genommen zu haben.“ Sein Mund war so schrecklich trocken, dass ihm das Sprechen zusätzlich schwer fiel, aber er ertrug diese Stille einfach nicht mehr. „Scotch ist tot. Rans Mörder… ist endlich weg. Aber ich… ich fühlte mich nicht gut dabei.“

Shiho seufzte. Ja, wer behauptete, Rache wäre süß, der war offenbar so krank wie Scotch, der vorgehabt hatte, seine Schwester zu töten und das nicht einmal deswegen, weil sie ein schlechtes Mitglied der Organisation gewesen war, sondern nur damit die Leiche von Claire direkt vor Shihos Augen liegen bleiben konnte, um sie noch mehr zu foltern. Das jedenfalls vermuteten sie und Shinichi hinter Scotchs Versuch, Claire gerade in diesem Moment zu erschießen. Ein Versuch, der ihn letzten Endes selbst das Leben gekostet hatte. „Es war vielleicht gar nicht dein Schuss, der Scotch letzten Endes getötet hat“, er sollte sich keine Vorwürfe machen. Er hatte das Richtige getan. Er hatte versucht ein Leben zu retten, das so viel mehr Wert war, als das von Scotch – obgleich Shiho eigentlich gelernt hatte, das man den Wert eines Lebens nicht gegen ein anderes abwiegen sollte.

„Aber es war mein Schuss, der dazu geführt hat…“, seufzte der Detektiv. „Und ich war es, der dich mit hierher genommen hat… und deswegen wirst du jetzt auch sterben.“

„Kudo, du-„

„Ich habe damals die Tür nicht abgeschlossen…“, Shinichi drehte seinen Kopf auf ihrem Schoss, als wolle er sich an ihren Bauch schmiegen, damit er spüren konnte, dass sie noch atmete. „Deswegen konnte Scotch in unsere Wohnung kommen und Ran ermorden.“

„Scotch wäre auch so in deine Wohnung gekommen! Und ich bin freiwillig hier, also hör auf solchen Unsinn zu reden!“ Shiho fühlte sich ganz und gar nicht wohl in dieser Situation. Natürlich war die Situation so oder so keine zum Wohlfühlen, aber wenn Shinichi solche Sachen sagte, dann fühlte sie sich nur noch schlechter an.

„Ethanol hat Claire sicher schon getötet, weil sie nicht verhindert hat, dass ich auf ihren Bruder schieße. Also war alles umsonst…“, Shinichis Stimme klang lallend. Offenbar begann er das Bewusstsein zu verlieren.

„Shinichi!“, rief Shiho, als ihr das bewusst wurde. „Du musst wach bleiben, hast du gehört?! Bitte lass mich hier nicht alleine!“, sie klang verzweifelt. Fast panisch.

„Ich hätte mit dir nach Mexiko gehen sollen… auch wenn Ran mir das nie verziehen hätte“, murmelte der Detektiv noch halblaut, bevor er das Bewusstsein verlor…

Ein neuer Anfang

Es war… irgendwie kalt. Furchtbar kalt. Wieso war es denn nur so verdammt kalt? Shinichi hatte Mühe, die Augen zu öffnen und er war sich nicht sicher, ob er überhaupt sehen wollte, wo er war und warum er so fror, denn er hatte einen totalen Filmriss. Er konnte sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, was passiert war. War überhaupt etwas passiert? Aber es musste doch etwas passiert sein, oder? Er hatte jedenfalls das Gefühl, dass er etwas sehr wichtiges vergessen hatte.

Doch als er die Augen öffnete, fand er sich in einem liebevoll eingerichteten Schlafzimmer wieder, eng an den Rücken einer Frau mit rotblonden Haaren geschmiegt. Noch immer nicht ganz wissend was los war, geriet er dennoch in Panik. Es war kalt… und… sie war kalt. War sie etwa…? Hastig packte er sie am Arm und drehte sie um. Atmete sie noch? Es war so schwer zu erkennen, in dem dunklen Raum.
 

„Was machst du denn?“, murmelte Shiho schlaftrunken und öffnete ihre Augen nur einen kleinen Spalt.

Sie atmete. Sie lebte. Gott sei Dank! „Geht es dir gut?“, fragte er dennoch, als sie sich bereits wieder zur Seite drehte, offenbar nicht gewillt, großartig mit Shinichi zu reden.

„Natürlich geht es mir gut. Du hattest wieder einen Alptraum, leg dich hin und schlaf weiter“, damit zog sich Shiho die Decke wieder etwas über die Schultern und erklärte das Gespräch mit einem gegähnten „Gute Nacht“, für beendet.
 

Hinlegen? Schlafen? Wohl kaum. Er war hell wach und er befand immer noch, dass es viel zu kalt war. Doch Shiho schien das nicht zu stören. Also beschloss Shinichi, dass es besser war aufzustehen und in einen anderen Raum zu gehen, wo er seine Partnerin nicht stören würde und sich aufwärmen konnte. Erst als er das Schlafzimmer verlassen und wie selbstverständlich einen kleinen Flur und einige Stufen hinab gegangen war, wurde dem jungen Meisterdetektiv erstmal bewusst, dass er gar nicht wusste, wo er war. Das hier war definitiv nicht das Haus seiner Eltern oder das von Heiji und er wüsste sonst niemanden, bei dem er mal eben übernachten würde. Oder arbeitete er gerade an einem Fall? Aber das Haus schien nicht groß genug, um das seine Klienten hier einen Detektiv und dessen Freundin hätten unterbringen können.
 

Während er dennoch wie selbstverständlich durch das Haus lief, bemerkte er, dass sein Kopf hämmerte. Und wie er das tat. Hatten sie vielleicht gefeiert und er hatte jetzt einen Kater? Wusste er deswegen nicht mehr was passiert war und wo er sich befand? Unbemerkt war er vor einer Tür stehen geblieben. Eine Tür, die nicht zum Rest des modern hergerichteten kleinen Hauses passen wollte. Sie… sie erinnerte ihn an eine Tür in seiner Wohnung. Der Wohnung in der er mit Ran gelebt hatte. Ran… wie lange war sie jetzt eigentlich schon tot? Wie lange war es her, dass er sie begraben hatte? Und warum erinnerte er sich nur nicht daran? Wie konnte er so etwas wichtiges vergessen?
 

Wie von fremder Hand geführt, öffnete er die Tür zu dem Zimmer vor dem er stand und fand sich in einem Raum wieder, den er unter Tausenden ähnlich aussehenden wiedererkennen würde. Er war im Kinderzimmer. Oder viel mehr, in dem Zimmer, das Ran für ihr gemeinsames Kind gedacht hatte. Eine alte Wiege stand darin und ein ebenso altes Schaukelpferd. In der Wiege hatte Ran schon als Baby geschlafen, Eri hatte es aus nostalgischen Gründen aufbewahrt. Und Shinichi war als kleines Kind immer auf diesem Schaukelpferd geritten, seine Mutter hatte das alte Ding für mögliche Enkelkinder aufbewahrt und es etwas aufhübschen lassen, als sie gehört hatte, dass Ran und Shinichi Nachwuchs planten.

An den Wänden waren verschiedene Tapeten mit Kindermustern angebracht. Ran hatte sich nicht entscheiden können und hatte daher verschiede Tapeten gekauft und zu sehen, welche ihr an der Kinderzimmerwand am besten gefiel. Der junge Detektiv hatte keine davon ansprechend gefunden. Alle zu kitschig. Daraufhin hatte Ran ihm gesagt, dann solle er halt eine Tapete aussuchen. Er hatte es nicht getan. Hatte gedacht, sie hätten noch Zeit gehabt. Aber bereits zu diesem Zeitpunkt war es eigentlich schon zu spät gewesen…
 

Auf einmal stieg er ihm in die Nase. Der Duft von Rans Parfüm. Und plötzlich, als wäre das alles gewesen, was er brauchte. Wusste er sehr genau wo er war und was passiert ist. Es war wieder so ein Traum, von dem Leben, dass er hätte haben können, wäre er mit Shiho nach Mexiko gegangen. Er wirbelte herum, fand sich Ran gegenüber, die ihn mit tränennassen Augen ansah. Doch sie sagte nichts. Sie stand einfach nur da.
 

„Ich hab jetzt verstanden, was du gemeint hast, als du sagtest, ich hab dich vergessen“, begann Shinichi nach kurzem Zögern. „Du hast dir immer gewünscht, dass ich ein bisschen normaleres und sicheres, bodenständigeres Leben führe. Und du hättest niemals gewollt, dass ich auf Rache aus bin. Dir wäre es lieber gewesen, mir wäre das, was dir passiert ist, eine Lehre gewesen und ich hätte mich endlich von meinem Dasein als Detektiv verabschiedet, richtig? Du wolltest nicht, dass ich mich an dem Fall beteilige und damit alles nur noch schlimmer mache, nicht wahr?“

Sie sagte noch immer nichts, aber ein trauriges Lächeln bildete sich auf ihren Lippen.

„Du hast gedacht, ich habe aufgehört dich zu lieben, weil mein Kopf voll war von meinem Wunsch nach Rache an der schwarzen Organisation und vor allem an Scotch. Das… das war alles, worum meine Gedanken gekreist haben, wann immer ich eigentlich geglaubt habe an dich zu denken. Ich wollte mich rächen, für das, was ich verloren habe. Ich… ich wollte einfach nur, dass diese Leute so leiden wie ich. Dabei… habe ich meine wahren Gefühle die ganze Zeit verdrängt. Versteckt hinter meiner Wut auf Scotch und die BO. Aber jetzt nicht mehr! Nie mehr!“ Mit einem schnellen Schritt stand er direkt vor Ran und nahm ihre Hand, wie er es schon in seinem letzten Traum getan hatte. „Ich liebe dich! Und ich vermisse dich! Und ich hasse mich dafür, dass ich dich nicht beschützen konnte! Aber vor allem macht es mich wahnsinnig, auch nur daran zu denken, wie mein Leben ohne dich weiter gehen soll. Alles was ich immer wollte, war das wir zusammen sein können. Ich wollte dich glücklich machen. Aber ich… ich habe es nie geschafft und nun bist du nicht mehr da und ich werde niemals-„

Die sanften Finger von Rans Hand fanden ihren Weg zu Shinichis Lippen. „Du hast mich glücklich gemacht. Sehr glücklich sogar. Ich habe jeden Moment mit dir genossen und ich bereue absolut nichts. Die Zeit, die ich hatte, war schön. Schön, weil ich dich lieben und mit dir zusammen sein durfte. Shinichi, dich trifft keine Schuld! Du musst aufhören, dir die Schuld zu geben und nach Rache zu sühnen. Du musst leben! Vergib dir selbst, vergib diesen Leuten und vergib vor allem bitte mir!“

„D-Dir?“, Shinichi nahm Rans Finger von seinen Lippen und sah sie überrascht an. „Dir vergeben? Was soll ich dir denn vergeben? Du hast nichts getan. Du hast nichts falsch gemacht! Ich bin derjenige, der deine Wünsche immer hinten angestellt hat.“ Ihr Wunsch nach einem normaleren, bodenständigeren und ungefährlicherem Leben, ihr Wunsch nach einem Kind, nach einem hübschen kleinen Haus irgendwo in einer ruhigeren Gegend… das alles hatte er hinten angestellt, für sein ach-so-tolles Leben als Detektiv.
 

„Du bist wütend auf mich, weil ich dich verlassen habe.“

„Nein! Nein, ich…“

„Und das ist okay. Du darfst wütend auf mich sein.“

Wie konnte sie so etwas sagen und dabei so ein wundervolles Lächeln auf den Lippen haben? „Ran… ich… Ich würde niemals, wütend auf dich sein. Es war nicht deine schuld!“

„Ich möchte, dass du weiter lebst, Shinichi! Dass du kämpfst! Dass du nach Hause zurück kehrst und endlich zu all deinen Gefühlen stehst. Allen, hörst du?!“ Energisch sah sie ihn an. „Deiner Trauer und Verzweiflung, deinen Schuldgefühlen, deinen Ängsten und… auch deinen Gefühlen für sie.“

„Sie?“
 

„Shinichi!“, von irgendwoher kam Shihos Stimme. Sie kam nicht von innerhalb des Hauses. Sie kam… von außerhalb. Von… weit weg.
 

„Das ist Ai…“, der junge Detektiv suchte nach dem Uhrsprung der Stimme, doch bald wurde ihm klar, dass es ihm nicht möglich war, sie zu sehen. Denn sie war nicht wirklich hier in diesem Traum. Sie war draußen. In der realen Welt. Erfüllt von Angst, weil er das Bewusstsein verloren hatte.

„Sie ist wie du. Zerfressen von Trauer, Angst und Verzweiflung. Und sie ist einsam… genau wie du. Sie braucht dich und du brauchst sie. Und es ist in Ordnung, sie zu lieben. Ich mag sie und ich will dass ihr beide glücklich werdet. Es wird mir Frieden geben, wenn ich weiß… dass es dir gut geht und du in guten Händen bist.“

„Aber ich liebe dich! Wie kann ich da…?“

„Ich weiß, dass du mich liebst und auch wie sehr du mich liebst“, noch immer lächelte Ran, wenn es nun auch trauriger war, ob der Tatsache, dass sie sich gewünscht hatte, er hätte seine Gefühle zu ihren Lebzeiten einmal so intensiv und oft geäußert wie in diesem Traum. „Aber ich bin tot und dein Leben geht weiter. Du darfst auch jemand anderen lieben. Und du hast meinen Segen, denn wenn es einen Menschen gibt, der dich nur annähernd so sehr liebt, wie ich das tue, dann sie.“
 

„Shinichi, bitte!“, Shihos Stimme wurde lauter. Sprach sie nur lauter oder wachte er langsam auf?
 

„Geh zu ihr. Und kämpfe! Du darfst nicht sterben, hörst du? Hilfe ist unterwegs, also halte durch! Lebe für mich weiter!“, noch während Ran sprach begann sie und alles um Shinichi herum sich aufzulösen. „Und vergiss mich nicht. Denn ich bin bei dir. Immer…“
 

~*~
 

Mit einem schmerzhaft tiefen Atemzug schreckte Shinichi hoch, fiel allerdings kurz darauf wieder zurück, mit seinen Kopf auf Shihos Schoss. Es war immer noch stockfinster in dem kleinen Raum. Er konnte nichts sehen. Nicht sie und auch nicht seine Wunde. Aber er fühlte, dass etwas um seine Wunde gewickelt war. Fast schon schmerzhaft fest. Und er wusste jetzt auch, warum es ihm in seinem Traum so kalt gewesen war. Er hatte Schüttelfrost.
 

„Wie geht’s dir?“, fragte Shiho vorsichtig und er spürte wieder ihre Hände, die durch sein verschwitztes Haar streichelten. Er hatte gar nicht bemerkt, wie angenehm das eigentlich war. Wie beruhigend.

„Weiß nicht…. Taub… Irgendwie ist alles… alles taub.“ Sein ganzer Körper fühlte sich im Moment schrecklich schwer an und alles kribbelte. Aber immerhin, bis auf seinen Kopf, schienen seine Schmerzen dadurch irgendwie betäubt zu sein.

Das einstige Mitglied der BO wusste nicht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Es war sicherlich gut für Shinichi, wenn er keine Schmerzen spürte, aber war das nicht auch ein Zeichen, dass sein Körper bereits dabei war aufzugeben? Sie Schüttelte mit dem Kopf. So durfte sie nicht denken. „Glaubst du… sie suchen bereits nach uns?“

„Ja… sie… sie sind unterwegs. Ich weiß es.“ Rein logisch betrachtet, hatte er nur geträumt und nichts was er in diesem Traum gesehen, gehört oder erlebt hatte, war echt. Dennoch fühlte er sich durch das Gespräch mit Ran irgendwie erleichtert. Und er glaubte das, was sie gesagt hatte. Hilfe war unterwegs. „Wir müssen… durchhalten. Wir kommen bald… hier raus. Bald…“, hoffentlich sehr bald, denn Shinichi merkte schon wieder, wie sich sein Bewusstsein verabschieden wollte und die verbrauchte Luft im Raum war keine große Hilfe im Kampf gegen die drohende Ohnmacht. „Rede mit mir… Ai! Sag irgendetwas… ich… muss irgendetwas… hören. Ich will nicht… wieder ohnmächtig werden.“ Es war zwar verlockend, noch einmal in diese Welt zurück zu kehren, wo Ran war, aber sie hatte ihm gesagt, er solle zu Shiho zurückkehren und deswegen musste er jetzt auch hier bleiben. Seine Partnerin und Freundin brauchte ihn. Er musste bei ihr bleiben. Irgendwie…
 

~*~
 

Die Geheimtür öffnete sich und das Sonderkommando stürmte hinein - schwer bewaffnet und nach wie vor mit Gasmasken vor dem Gesicht. Das Risiko war zu hoch gewesen, dass man sie auch hier mit diesem Schlafgas empfangen würde. Doch anstatt des Gases war hier nichts weiter als ein weiteres Büro. Dieses Mal allerdings mit weit weniger Aufwand eingerichtet. Ein paar spärlich mit Büchern, Akten und einigen wenigen Alkoholflaschen und Gläsern gefüllte Regale standen im Raum. In der Mitte des Raumes, auf einem hässlichen orientalischen Teppich, stand ein Schreibtisch, der farblich so gar nicht zu den Regalen passen wollte, und einige wenige Zentimeter hohe Fenster warfen ein fahles Licht in den Raum und auf eine Person. Eine Person, die bauchlinks auf dem Teppich lag, der sich teilweise mit Blut vollgesaugt hatte.
 

Heiji, der trotz aller Widersprüche darauf bestanden hatte, das FBI zu begleiten, aber hinter dem Team bleiben sollte, drängelte sich nun durch die Leute des Spezialkommandos, an James Keen vorbei, der sich gerade zu der am Boden liegenden Person mit den langen schwarzen Haaren hin knien wollte, und war es nun selbst, der sich auf dem Teppich kniete, die langen schwarzen Haare aus dem Gesicht der Person strich und vorfand, was er erwartet hatte. „Claire!“, rasch fühlte er ihren Puls. „Sie lebt!“, verkündete er, woraufhin James sofort über Funk seiner Partnerin Bescheid gab, die draußen mit einem kleineren Spezialteam und einigen Ärzten die Stellung halten sollte. Man würde Claire raus holen und ins Krankenhaus bringen. Sie hatte offenbar viel Blut verloren und wer wusste, was sie noch alles für Verletzungen hatte. Aber so lange sie noch atmete, hatte sie noch eine Chance.

„Hei…ji…“, Claire öffnete die Augen. Sie sah nur verschwommen. Doch sie hatte Heijis Stimme gehört. Wie schön, dass sie seine Stimme noch einmal hören durfte, bevor sie starb.

„Claire! Hör zu! Man wird dich jetzt hier raus bringen und in ein Krankenhaus fahren! Gib nicht auf, okay? Es wird alles wieder gut!“, versicherte Heiji ihr, während das Team inzwischen begonnen hatte, nach dem Schalter für die zweite Geheimtür zu suchen.

„Mei…ne M…utter?“, das war das Einzige, was Claire noch wissen musste, bevor sie in Frieden sterben konnte, denn sie glaubte nicht daran, dass es eine Rettung für sie gab. Sie hatte schon so viel Blut verloren. Und sie fühlte sich so schrecklich…

„Es geht ihr gut. Es geht allen gut. Das Krankenhaus war leer, als die Bomben explodiert sind und niemand war in der Nähe. Deine Mutter ist in Sicherheit. Du musst dir keine Sorgen machen. Du wirst sie bald wiedersehen“, versicherte Heiji und hoffte, dass niemand Mrs. McGregor auch noch würde sagen müssen, dass ihre Tochter tot war. Es war sicherlich schon Schock genug für sie, die Wahrheit über die Organisation zu erfahren. „Aber hör mal, weißt du, wo Shinichi und Shiho sind? Geht es ihnen gut?“ Er musste fragen. Sie hatten keine Zeit zu verlieren. Sie mussten sie raus holen, wo auch immer sie waren, erst recht, wenn sie verletzt sein sollten.

Claire holte tief Luft und das tat verdammt weh. „Tre… Tresor… Raum… 21. Shinichi… verletzt.“ Als ihr klar wurde, dass sie gleich nicht mehr in der Lage sein würde, irgendwelche Fragen zu beantworten, nahm sie alle Kraft zusammen, die sie noch hatte um zu sagen: „Vergiftet… Gegenmittel… im Labor… Rosa… Flüssig…keit. Schnell…“, ihr Blick wurde dunkel. Ob sie überleben würde? Sie hörte noch Schritte, Leute die redeten, spürte, dass sie jemand auf eine Trage hob und dann war es still. So schön still…
 

~*~
 

Hätte man später von Heiji verlangt, einen Bericht abzugeben, über das, was in dem Keller des ehemaligen Bankgebäudes passiert war, hätte er etwas erfinden müssen, denn es war einfach viel zu schnell gegangen. Als sie die Geheimtür geöffnet und über die Schwelle getreten waren, war ein Alarm losgegangen und danach war das Chaos ausgebrochen. Mitunter waren Schüsse gefallen, dabei war sich Heiji nicht einmal sicher gewesen, jemand anderen außer die Spezialeinheit gesehen zu haben. Gefangene gemacht wurden kaum, bei dem Schusswechsel schien es aber auch verständlich, dass die Spezialeinheit des FBI nicht groß darüber nachgedacht hatte, ob sie schießen sollten oder nicht. Jedes der erschossenen oder angeschossenen Mitglieder war bewaffnet gewesen.

Dennoch hatte sich der Detektiv aus Osaka mit dem Gebrauch seiner eigenen Waffe zurück gehalten, nicht zuletzt auch, weil er noch nicht so gut darin war, seine Waffe mit der linken Hand zu führen. Und außerdem mochte er kein Blutvergießen. Er war schließlich nicht ohne Grund Detektiv geblieben, anstatt in die Fußstapfen seines Vaters zu treten.
 

Umrundet von fünf Männern der Spezialeinheit begann Heiji schließlich in den Fluren nach Tresorraum 21 zu suchen, allerdings hatte er die Erlaubnis dazu erst bekommen, nachdem man sicher gewesen war, die meisten Mitglieder der Organisation ausgeschaltet zu haben und so hatte der junge Vater nun noch mehr Druck, denn wenn Shinichi vergiftet war, dann hatten sie keine Zeit zu verlieren. Weswegen ein weiterer kleiner Teil des Spezialteams auch bereits nach dem Labor und der rosa Flüssigkeit suchte – in der Hoffnung, dass es nicht allzu viele dieser Art in dem Forschungslabor geben würde.

Heiji und die fünf Jungs hatten gerade eine mit einem Code gesicherte Metalltür erreicht, über der ein Schild mit „21“ hing. Sie hatten ihr Ziel also offenbar erreicht. Jetzt musste der Detektiv nur noch hoffen, dass auch hier der Code funktionierte, dem Claire ihm in seinem Brief überlassen hatte. Und die Götter schienen ihm gnädig zu sein, denn die Tür öffnete sich. Doch sie gab nicht ganz das Preis, was er gehofft hatte zu finden…
 

~*~
 

„Lieber Heiji,
 

wenn du diesen Brief liest, dann werden sich Shinichi und Shiho bereits in Lebensgefahr befinden. Die Zeit drängt. Deswegen werde ich dir alle Infos geben, die du brauchst, um sie hoffentlich zu retten…“
 

Der Polizeichef, der sich mittlerweile mit Mrs. McGregor im Polizeipräsidium befand, hatte Claires Brief an Heji in der Hand, er hatte ihn dem etwas korpulenteren Mann überlassen, nachdem das FBI sich alle wichtigen Informationen notiert gehabt hatte. Sie hielten es für besser, den Brief der Polizei zu überlassen, für den Fall, dass etwas schief ging, damit es wenigstens ein paar Anhaltspunkte gab. Der Brief war eigentlich nicht dazu bestimmt gewesen, dass Claires Mutter ihn vorgelesen bekam, aber die verwirrte Frau wollte wissen, was vor sich ging und der Polizeichef von New York hatte Mitleid mit ihr gehabt.
 

„Du weist sicherlich mittlerweile, dass ich Teil der schwarzen Organisation bin, nach der ihr sucht. Ich, mein Bruder und mein Vater ist sogar deren Anführer. Ich bin erst seit einigen Monaten unfreiwillig Mitglied der BO und dennoch habe ich schon viele schreckliche Dinge getan. Ich habe Menschen auf dem Gewissen und ich habe Shihos Leben mehrfach riskiert. Und ich bin es auch gewesen, die auf dich geschossen hat. Mein Auftrag war es, dich zu töten. Aber ich konnte es nicht. Denn ich liebe dich.“
 

Der kräftigere Mann mit dem Schnauzbart räusperte sich, während er sich dem völlig überforderten Blick von Claires Mutter gegenüber sah. Aus dem ersten Gespräch mit ihr hatte der Polizeichef heraus gehört, dass sie keine Ahnung gehabt hatte von der Organisation und dass nahezu ihre ganze Familie Teil davon war. Und erst recht hatte sie nicht glauben wollen, dass ihre liebe Tochter womöglich eine Mörderin war. Dementsprechend sah man ihr nun auch an, dass sie nicht so recht glauben wollte, was der Mann ihr da vorlas. Er fuhr nach kurzem Zögern dennoch fort.
 

„Es ist auch meine Schuld, dass es dir diese Nacht so schlecht ging. Ich habe ein Gift in dein Wasser gemischt. Und das Gegengift war in dem Wasser, das ich dir heute Morgen gegeben habe. Ich musste das tun. Denn jemand musste zurück bleiben, jemand der Hilfe holen konnte. Und nur dir kann ich wirklich vertrauen. Ich bitte dich nicht mir zu verzeihen, aber ich möchte dir dennoch sagen, dass ich gezwungen wurde, all dies zu tun. Mein Vater hat uns in diese Geschichte hinein geritten. Er hat bei seiner Arbeit diese Frau kennen gelernt, die ihr als Vermouth kennt. Er hatte eine Affäre mit ihr und sie hat ihn schließlich in die Organisation geholt, dass mein Bruder und ich ihm in die Organisation folgen mussten, lag daran, dass wir ihn mit Vermouth erwischten. Sie sagte, wenn wir nicht Teil der Organisation würden, würde sie uns und unsere Mutter töten lassen. Meine liebe Mutter weiß nichts von alledem. Sie ist vollkommen unschuldig und deswegen auch in besonders großer Gefahr. Ich werde tun was ich kann, um Shinichi und Shiho zu helfen, bis du sie retten kommst. Aber ich bitte dich, im Gegenzug, meine Mutter zu beschützen. Sie darf nicht sterben. Sie kann doch für all das nichts.“
 

Der Polizeichef holte tief Luft. „Im Anschluss erklärt sie nur noch, dass Shinichi und Shiho in eine Falle getappt sind und wie Heiji sie da raus holen kann.“ Details, die Mrs. McGregor nicht interessieren mussten.

„Kann ich… den Brief bitte sehen?“, sie musste sehen, ob das wirklich die Handschrift ihrer Tochter war. Doch ihre trügerische Hoffnung, dass das alles nur ein schrecklicher Irrtum war, wurde zerstört…
 

~*~
 

Man hätte meinen müssen, dass Ethanol klar im Nachteil war, immerhin hatten fünf Eliteschützen des FBI und Heiji die Waffe gegen ihn erhoben, aber mit einem Bein, dass er auf Shinichis Rücken gestellt hatte und wie eine Fußbank benutzte und Shiho im Schwitzkasten, an dessen Schläfe er seine Waffe hielt, war es am Ende doch der Chef der Organisation, der am längeren Hebel saß - für den Moment.
 

„Lasst die Waffen fallen oder ich zerquetsche Shinichi Kudo wie ein Insekt und erschieße die kleine Verräterin hier, bevor ihr auch nur blinzeln könnt!“, warnte Ethanol seine Feinde und um zu demonstrieren, dass er es ernst meinte, verlagerte er sein Gewicht auf das Bein, dass er auf dem Rücken des auf dem Boden liegenden Shinichi gelegt hatte und drückte ihn damit fest auf den harten Metallboden, so dass der Detektiv vor Schmerzen aufschrie, als ein widerliches Geräusch verkündete, dass mindestens eine seiner Rippen gebrochen war.

„Was soll das Theater Ethanol? Du hast verloren!“, verkündete Heiji und versuchte unberührt zu wirken. Er musste versuchen dafür zu sorgen, dass der Mann einen Moment unaufmerksam war, dann konnte er vielleicht…

Mr. McGregor lachte triumphierend. „Das glaubst aber nur du!“, er verlagerte sein Gewicht erneut, dieses mal zu Shinichis Gunsten, der nun wieder atmen konnte – soweit das in seinem Zustand und mit gebrochenen Rippen noch möglich war. „Die Organisation ist noch lange nicht vernichtet. Selbst wenn ihr außer mir jeden Mann und jede Frau getötet habt, die hier waren, glaubt ihr wirklich, das waren die einzigen Mitglieder? Selbst wenn ich heute sterbe, die Organisation wird wieder und wieder auferstehen und ihr werdet niemals Frieden finden“, erneut ein Lachen, dieses Mal ein Boshaftes. „Fakt ist, ich würde nur ungern verpassen, wie meine Leute das mit euch machen, was ihr heute mit ihnen gemacht habt. Deswegen muss ich euch leider sagen, dass ich nicht vorhabe, heute zu sterben.“

„Dann haben wir ein Problem, denn wir haben nicht vor, dich heute gehen zu lassen“, eine Schweißperle floss Heijis Stirn herunter. Er suchte nach einem Ausweg, einen Schwachpunkt, aber so lange dieser Mann seine Waffe an Shihos Schläfe hatte, wäre es dumm, irgendwelche übereilten Aktionen durchzuführen. Claire hatte in ihrem Brief geschrieben, dass ihr Vater ein sehr guter und schneller Schütze war. Wenn das stimmte, war die einstige Wissenschaftlerin vermutlich tot, noch bevor Heiji den Abzug seiner Waffe gedrückt hatte.

Ethanol lachte. „Oh ja, das habt ihr. Es sei denn, ihr wollt den Tod dieser beiden jungen Menschen hier zu verantworten haben“, er deutete mit den Augen auf den immer wieder schmerzhaft aufstöhnenden Shinichi und die blasse Shiho.

Letztere blickte den dunkelhäutigeren Detektiv flehend an. „Heiji, du muss schießen“, sagte sie. „Er wird uns so oder so töten.“ Sie würde er ja als Geisel brauchen, um aus dem Gebäude zu kommen und wenn er sich in Sicherheit wog, würde er sie töten und Shinichi, Heiji und jeden der in dieses Gemetzel heute involviert war, würde er töten oder töten lassen, sobald die Organisation wieder stark genug dafür war. „Wenn du ihn jetzt nicht tötest, dann wird er dich und deine Familie heimsuchen. Denk an deinen kleinen Sohn! Soll er so aufwachsen? Immer in Angst?“ Sie und Shinichi wussten wie es war, sich verstecken zu müssen, immer Angst davor zu haben, von der Organisation entdeckt zu werden und Menschen in Gefahr zu bringen, die ihnen nahe standen und wichtig waren.

„Was bist du doch für ein schlaues kleines Mädchen“, Ethanol verstärkte den Griff um Shihos Körper so lange, bis man den Schmerz in ihrem Gesicht lesen konnte. Er sah sie dabei an, schien regelrecht zu genießen, wie sie verzweifelt versuchte einen schmerzhaften Aufschrei zu vermeiden. Und dann…
 

…dann traf ihn ein Schuss von einem der Männer, die hinter Heiji standen und damit besser unbemerkt auf den Mann zielen konnten, in den Unterschenkel. Sofort ließ Mr. McGregor Shiho los und sackte ein wenig zusammen, ob der unerwarteten Schmerzen. Es waren nur wenige Sekunden, aber Shiho hatte schnell genug geschaltet ihm in diesem kleinen Moment, die er brauchte, um sein Gleichgewicht trotz des verwundeten Beines wieder zu finden, ihm seine Waffe zu entreißen und damit auf ihn zu zielen. Doch ein Schuss war nicht nötig, denn noch bevor sich Ethanol wieder aufrichten und möglicherweise Shinichi für das geschehene bestrafen konnte, stürzten sich die Mitglieder des Spezialteams vom FBI auf ihn und nahmen ihn fest…
 

~*~
 

Seufzend stellte Shiho eine Vase mit dem Strauß roter Rosen, die sie mitgebracht hatte, auf das kleine Schränkchen neben Shinichis Krankenbett. Er sah furchtbar aus. Wirklich schrecklich. Aber er war endlich außer Lebensgefahr. Das Gegengift hatte gewirkt. Auch wenn es nur dem glücklichen Umstand zu verdanken war, dass Shiho Ahnung von Giften und Gegengiften hatte, dass sie unter den vielen rosa Flüssigkeiten noch rechtzeitig das richtige Gegengift gefunden hatten.

Trotzdem ging Shinichis Genesung nur sehr langsam von statten. Zu den Nebenwirkungen des Giftes kam ja auch noch seine gebrochene Rippe dazu und die tiefe Wunde an seinem Arm, die sich natürlich entzündet hatte. Weswegen er nach über 14 Tagen Krankenhausaufenthalt auch immer noch an einem Tropf hing und an alle Geräte angeschlossen war, die nötig waren, um sicher zu stellen, dass seine Vitalfunktionen stabil blieben.
 

„Also so langsam aber sicher kann ich keine Krankenhäuser mehr sehen“, verkündete die einstige Wissenschaftlerin der BO schließlich und ließ sich auf einem Stuhl neben Shinichis Bett sinken. Sie war in den letzten zwei Wochen jeden Tag hier gewesen – einen Tag hatte man sie auch selbst zur Beobachtung hier behalten – und auch die Monate zuvor hatten sie immer wieder irgendwelche unschönen Umstände hierher gebracht und dies nicht selten als Patient. Aber ganz gleichgültig ob nun als Patient oder Besucher, sie hatte Krankenhäuser einfach satt. Sie mochte den Geruch nach Desinfektionsmittel nicht, sie hasste das Piepen, Summen und Brummen der Geräte, an die Shinichi angeschlossen war, und sie fand es vor allem nervig, dass immer noch FBI-Agentin über sie wachten. Aber zumindest das – das hatte man ihnen versichert – würde vorbei sein, sobald sie wieder sicher in Japan angekommen waren. Wobei im Moment noch unklar war, wann Shinichi wieder reisen konnte.

„Wenigstens kannst du das Krankenhaus dieses Mal wieder verlassen. Ich bin hier gefangen…“, knurrte Shinichi. Obgleich er sehr wohl froh war, dass es dieses Mal weder Shiho, noch Heiji waren, die im Krankenhaus gelandet sind. Er hatte die beiden wirklich schon oft genug in Lebensgefahr gebracht.

„Jetzt tue mal nicht so, als würde dich jemand dazu zwingen, hier zu bleiben. Ich weiß gang genau, dass du dich schon lange selbst entlassen hättest, wenn es dir gut genug gehen würde, das Krankenhaus zu verlassen“, aber das tat er eben nicht. Man musste schließlich kein Arzt sein, um zu sehen, dass Shinichi sich noch nicht wieder richtig erholt hatte. Das Gift hatte Spuren in seinem Körper hinterlassen und die Entzündung der Wunde hatte ihn zusätzlich geschwächt. Shiho war von Anfang an klar gewesen, dass er einige Wochen im Krankenhaus würde verbringen müssen. „Du kannst froh sein, dass durch den Bruch deiner Rippe keine Organe verletzt wurden, sonst würdest du noch wesentlich länger hier bleiben müssen“, wenn er das überhaupt überlebt hätte. So gesehen hatte er also verdammt viel Glück gehabt. Nein, sie beide hatten verdammt viel Glück gehabt. Immerhin hätten sie auch schon tot sein können, als man sie gefunden hatte, erschossen oder erstickt.

Shinichi grummelte nur missmutig irgendetwas vor sich hin, als es an der Tür zu seinem Zimmer klopfte und ein strahlender Heiji herein kam. „Na, wie geht es dir?“, fragte er Shinichi und zog sich einen Stuhl von einem kleinen Tisch heran, der ebenfalls in dem recht kleinen Einzelzimmer stand.

Nachdem der Hellhäutigere der beiden Detektive kurz überlegt hatte, was er antworten sollte, weil er seinen Zustand im Moment nur schwer beschreiben konnte, entschied er sich schließlich für eine kurze und doch zutreffende Antwort. „Besser“, dass zumindest, konnte er mit Sicherheit sagen. Denn schließlich kämpfte er nicht mehr ums Überleben.
 

„Dann kann ich also guten Gewissens nach Hause fliegen?“, nachdem Shinichi außer Lebensgefahr war und man ihm versichert hatte, dass es nichts mehr gab, was ihn hier in Amerika festhielt, hatte er sich entschieden, endlich zu seiner kleinen Familie nach Hause zurück zu kehren. Deswegen strahlte er auch so. Er konnte gar nicht in Worte fassen, wie sehr er sich freute, seine Frau und seinen Sohn wieder zu sehen. Auch wenn er sich auf eine Standpauke á la Kazuha gefasst machen musste, nachdem er ihr nun erzählen müssen würde, was er die ganze Zeit alles vor ihr verheimlicht hatte. Wie zum Beispiel, dass er angeschossen wurde und seinen rechten Arm nicht mehr benutzten konnte und dass er trotzdem beim finalen Schlag gegen die schwarze Organisation dabei gewesen war.

Shinichi nickte sofort. Wenn es nach ihm gegangen wäre, wäre Heiji ja schon viel früher zu seiner Familie zurück gekehrt, aber die Umstände hatten es eben nicht zugelassen. „Ich danke dir für deine Hilfe.“ Eigentlich drückten diese Worte nicht einmal im Ansatz aus, wie dankbar der junge Witwer wirklich war. Aber er wusste einfach nicht, wie er seine unendliche Dankbarkeit am besten zum Ausdruck bringen sollte. „Grüß Kazuha von mir und sag ihr, dass es mir Leid tut, dass ich dich in die Sache mit rein gezogen hab.“

Heiji winkte ab. „Grüßen tue ich sie gerne, aber das andere sage ich ihr nicht. Es ist schließlich meine Entscheidung gewesen, dich zu begleiten und dir zu helfen. Und ich bereue diese Entscheidung nicht.“ Immerhin hatten sie eine gefährliche Organisation zerschlagen und damit so zu sagen auch die Welt für seinen kleinen Sohn etwas sicherer gemacht. „Ach übrigens. Du hattest mich doch gebeten, Kazuha nach Rans Grab zu fragen. Es sieht sehr gut aus. Schön gepflegt. Rans Eltern gehen anscheinend regelmäßig hin und es lagen auch frische Blumen auf dem Grab. Du musst dir darum also keine Sorgen machen und kannst dich ganz auf deine Genesung konzentrieren.“

Shiho nickte zustimmend, sie verstand, dass Shinichi sich Gedanken darum machte, ob Rans Grab gepflegt wurde – auch wenn sie es als logisch ansah, dass ihre Eltern sich darum kümmerten – aber trotzdem sollte der Witwer sich jetzt erst einmal auf seine Genesung konzentrieren. Wenn sie wieder in Japan waren, dann wäre immer noch genug Zeit, dass Grab zu pflegen. Aber die einstige Wissenschaftlerin hielt sich bei dem Thema Ran lieber zurück. Das war das Beste so, für sie alle. Deswegen wechselte sie nun auch das Thema. „Was ist mit deinem Arm? Hast du mit Claires Mutter nochmal darüber gesprochen?“

Heiji schüttelte den Kopf. „Ich war eben noch kurz bei Claire und da war auch ihre Mutter, aber ich wollte sie damit nicht belästigen. Sie hat einiges aufzuarbeiten und nachdem die beiden nun bald ins Zeugenschutzprogramm gehen, denke ich, haben sie auch anderes zu tun.“ Claire hatte überlebt. Sie lag ebenfalls in diesem Krankenhaus und erholte sich noch. Bald würde sie entlassen werden und dann irgendwo mit ihrer Mutter ein neues Leben im Zeugenschutzprogramm beginnen. Die beide hatten das Geschehene noch nicht richtig verarbeiten können und Heiji war sich auch nicht sicher, ob sie überhaupt noch viel darüber nachdenken wollten. „Jedenfalls… denke ich, dass ich schon klar komme. Vielleicht werde ich irgendwann nochmal einen Arzt aufsuchen und ihn fragen, ob man etwas tun kann. Aber im Moment möchte ich eigentlich nur zurück nach Hause, zu meiner Familie.“ Das hatte für ihn jetzt oberste Priorität. „Ich muss auch bald los meine Koffer packen. Ich wollte mich nur noch von euch verabschieden und euch sagen, dass ihr jederzeit bei uns willkommen seid. Wir können immer Babysitter gebrauchen“, zwinkerte der junge Vater und erhob sich wieder von seinem Stuhl. „Also bis bald. Und meldet euch, wenn ihr wieder in Japan seid.“ Der Dunkelhäutigere der beiden Detektive winkte noch einmal zum Abschied und verließ dann den Raum.
 

Shinichi und Shiho sahen ihm nach und schwiegen dann eine Weile. Heiji wusste, wohin er zurückkommen würde und was ihn dort erwartete, aber für die beiden einstigen von der schwarzen Organisation Gejagten, würde ein Neuanfang anstehen. Sie kehrten zwar nach Tokio zurück, aber wie ginge es dann dort weiter? Zunächst würden sie beim Professor unterkommen und dann…? Sie hatten sich ausgemacht, erst einmal getrennt leben zu wollen und es langsam anzugehen. Aber was genau bedeutete das eigentlich? Und wie würden sie sonst weiter verfahren? Würde Shiho ihr Studium in Japan wieder aufnehmen? Würde Shinichi Detektiv bleiben? Würden sie zusammen sein, wirklich zusammen? Oder war mit der Zerstörung der Organisation auch das kaputt gegangen, was sie sich in den letzten Monaten so mühsam aufgebaut hatten? Bisher hatten sie nicht wieder darüber gesprochen.
 

Shiho zuckte kurz zusammen, als Shinichi ihre Hand nahm und sie kurz aber sanft drückte. Als sie zu ihm aufsah, schenkte er ihr ein Lächeln…


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich muss euch sagen, meine Betaleserin hatte noch etwas Kritik an ein paar Kleinigkeiten, die ich aber nicht geändert habe, weil ich mit dem Kapitel so wie es ist, zufrieden bin.

Ich danke euch dafür, dass ihr der Storys bis hier her treu gewesen seid und hoffe, ich darf euch beim Epilog noch ein letztes mal hier begrüßen. Komplett anzeigen

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Von:  sanxbrit
2013-11-02T01:45:26+00:00 02.11.2013 02:45
Richtig gut!
Von:  fahnm
2013-11-01T00:06:48+00:00 01.11.2013 01:06
Hammer Story.
Von:  Sandoran
2013-09-02T19:03:40+00:00 02.09.2013 21:03
Hui. Wirklich wirklich spannend. Bitte lass dir nicht mehr so viel Zeit wie bis anhin, sonnst musst du das Ergebnis verantworten...
;-)
Von:  sanxbrit
2013-08-29T00:17:47+00:00 29.08.2013 02:17
ethanol ist richtig krank im kopf. ich hoffe nur das shinichi, shiho und claire überleben.
ich bin richtig fasziniert von der story. fängt spannend an und hört auch wieder jedes mal spannend auf^^ echt genial.
Von:  fahnm
2013-08-28T21:17:37+00:00 28.08.2013 23:17
Oh langsam wird es Spannend.
Hoffentlich Findet das FBI die beiden bevor es zu spät ist.
Von:  Wolkenkranich
2013-06-23T17:41:39+00:00 23.06.2013 19:41
AAAAHHHHHHHHH!!!!!!! SCHREIB JA WEITER!!!!!! SONST PLATZE ICH VOR VORFREUDE!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! :-) :-) :-)

Antwort von:  Mona-Kaiba
23.06.2013 20:02
Danke für den Kommentar.
Das Kapitel ist schon fertig und ist auch bereits beim Betaleser. Ich bitte um noch etwas Geduld.
Aber wo nimmst du die Vorfreude her? Das was im nächsten Kapitel kommen soll, wird sicher nicht besonders schön ^^'
Von:  fannarusasuhina
2013-05-17T20:27:29+00:00 17.05.2013 22:27
Hallo ich bin neu auf diesen Seite und ich wollte sagen das deine Story richtig klasse ist.
ich finde deine Story richtig toll ich freue mich wenn die anderen Kapitel kommen. Mach so weiter und mach bitte schnell weiter.
ich entschuldig mich jetzt schon wenn ich schreib fehler habe. Denn ich bin jemand der nicht alle Wörter richtig schreiben kann.
aber ich freue mich schon auf die anderen Kapitel.
Von:  Sandoran
2013-04-11T19:11:56+00:00 11.04.2013 21:11
Natürlich tut es das. Hat mich gefreut ein weiteres wunderbares Kapitel zu lesen. :-)
Viel Erfolg bei deiner Ausbildung
Von:  sanxbrit
2013-04-07T22:35:41+00:00 08.04.2013 00:35
du baust echt spannung auf, jetzt bin ich sehr auf die fortsetzung gespannt^^
Von:  fahnm
2013-04-07T22:10:41+00:00 08.04.2013 00:10
Hammer Story^^


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