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Back To The Sins Of The Middleage

Kapitel 5 in Arbeit :D
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Kapitel 1

Unglaublich! Eine Frechheit! Mit einem Termin war ich hergekommen. Ich hatte verdammt noch mal seit zwei Wochen einen Termin. Tatsächlich! Dieser Kerl, der neben mir saß, der sich an seinen ekelhaften Fingernägeln gekaut hatte, der war ohne Termin hier… hergekommen. Trotzdem wurde er jetzt vor mir aufgerufen. Dreist grinste er mich an. Am liebsten hätte ich etwas gesagt, aber ich riss mich zusammen. Na, wunderbar. Ich wollte pünktlich sein, aber das konnte ich jetzt wohl vergessen. Nachdem ich dann doch endlich aufgerufen wurde und mir meine Spritze abgeholt hatte, verließ ich doch sehr gereizt die Praxis. Ein wenig in Gedanken, in denen ich schon bei meiner Familie war, schmiss ich mich in meinen Wagen. Mein jüngerer Bruder öffnete mir die Tür, ich brauchte nicht einmal mehr zu klingeln. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände. "Kouyou! Wo bist du gewesen?! Du weißt doch..." Ich unterbrach ihn. "Bitte verschon mich damit. Ich kam einfach nicht an die Reihe und meine Laune sitzt jetzt wirklich im tiefsten Kellerloch." Mein Bruder rollte mit seinen Augen. Es war doch immer wieder dasselbe, ich meckerte und er schwieg, als würde er sich nicht trauen, mir in irgendeiner Weise zu widersprechen. Er dachte wohl, ich würde ihm an die Gurgel gehen. "Und dieser Kerl!!" brach es laut aus meiner Kehle. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie mein Bruder Takanori den Kopf fragend schief legte, während ich mich meiner Jacke entledigte und sie an die Garderobe hängen wollte. "Der regt mich auf!" Takanori schüttelte den Kopf, musste aber doch ein wenig schmunzeln. "So eine dreckige Visage! Ganz bestimmt ein Alkoholiker, so wie der aus dem Maul gestunken hat!" Mit einer schnellen Bewegung drehte ich mich um und eine kleine Frau stand vor mir. Sie lächelte mich an. "Mutter, es tut mir leid, ich weiß..." Sie legte ihren Zeigefinger auf meine Lippen. "Hör lieber auf zu schimpfen, mein Sohn und setz dich endlich zu uns." Ich gab meiner Mutter eine Umarmung und seufzte leise. "Ach, Kouyou...", schmunzelte meine Mutter. "Reg dich nicht wegen jeder Kleinigkeit auf. Das hast du nicht nötig." fuhr sie dann fort. Grade als ich was sagen wollte, und ich hatte grade Luft geholt, da kam sie mir zuvor. "Ach lass gut sein. Ist jetzt auch egal. Lasst uns essen." Mit einem leisen Seufzen trat ich in die Küche ein und setzte mich neben meinen kleinen Bruder, der ein ähnliches Grinsen auf den Lippen hatte wie dieses... 'Nein, Schluss jetzt...' ermahnte ich mich gedanklich. Zuerst aß ich eher zögerlich, doch mit jedem Bissen steigerte sich mein Appetit. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass mein Bruder mich die ganze Zeit angrinste. "Taka", so nannte ich meinen Bruder des Öfteren, "Weißt du, dass du mich absolut wahnsinnig machst? Was willst du?!" Mein Bruder wollte mich wohl piesacken. Na, schön. Also gut. Ich hatte mich den ganzen Verdammten Tag über zusammengerissen. Dann würde ich mich jetzt auch zusammenreißen. "Geh mit mir zum See, Kouyou! Bitte!" Das war Takanori, wie er im Buche stand. "Was willst du denn da? Zum Baden ist das Wasser mit Sicherheit zu kalt!" entgegnete ich ihm forsch. Ich hatte jetzt absolut keine Lust mehr in irgendeiner Weise freundlich zu sein. Essen hin oder her! Meine Mutter verdrehte schon die Augen, als sie das wieder hörte. "Immer dasselbe mit dir! Tu ihm doch den Gefallen! Ich will nicht, dass er da alleine hingeht, Kouyou..." strafte sie mich mit ihren Worten. Ich konnte ihr einfach nichts abschlagen. "Ja, in Ordnung..." gab ich dann nach. „Dann müsst ihr mich aber auch mitnehmen!" erklang dann eine Stimme aus dem Hintergrund. Ich drehte mich um und sah meine kleine Schwester Kayano. Na große Klasse! Zwei Fliegen mit einer Klappe. Als ob mein Tag nicht schon anstrengend genug gewesen wäre. Aber egal. Das ist ja Familie und als Ältester hat man nun mal das 'große Los' gezogen. Außerdem brauchte meine Mutter Unterstützung in jeglicher Hinsicht. Einen Vater gab es in unserer Familie schon lange nicht mehr. Wahrscheinlich, meinte meine Mutter, hefteten sich meine Geschwister auf Grund dessen so an meine Fersen. Als wir schon halb in der Tür standen, rief meine Mutter uns noch nach: "Aber nicht so lange und seid vorsichtig!" Während meine kleine Schwester schon hüpfend vorausging, ging Takanori neben mir. "Weißt du, ich möchte eigentlich gar nicht baden. Ich möchte nur am Ufer unter der Weide sitzen und das Glitzern auf der Wasseroberfläche ansehen." "Kleiner Romantiker." konnte ich mir einfach nicht verkneifen und sah meinen Bruder grinsend an. In Momenten wie diesen fehlte mir mein Vater sehr. Leider starb er kurz nach Kaya-Chans Geburt. Nur Taka und ich haben noch Erinnerungen an ihn. Sein Tod kam für alle von uns zu früh. Kayano fragte mich manchmal, wie unser Vater so gewesen war. Natürlich erzählte ich ihr von ihm, was für ein großartiger Mann er gewesen war. Der beste Vater den man sich vorstellen konnte. Kayano glaubte, dass unser Vater uns vom Himmel auf uns aufpasste und ich ließ sie in ihrem Glauben. Warum auch sollte ich meiner kleinen Schwester etwas nehmen, was ihr eine große Stütze war. "Was soll das denn heißen?" fragte mein Bruder empört. Grinsend ging ich meinen Weg weiter, während ich meiner Schwester zusah wie sie zum Wasser hüpfte. Weit war der Weg ja nicht, denn wir hatten den See buchstäblich vor der Haustür. „Erklär’s mir!“ forderte mein Bruder. „Das war doch nur ein Scherz, Taka.“ erwiderte ich, als ich ihn frecher Weise anstupste. Leis’ begann Taka zu grummeln und nach nur kurzer Zeit fing er sich wieder. „Können wir kurz reden?“ „Natürlich,“ begann ich dann, als ich mich auf einen Baumstamm setzte. „worum geht’s denn?“ Taka setzte sich zu mir, ich malte mir schon spektakuläre Dinge aus, aber, das was kam, hatte ich nicht erwartet. Taka zögerte, richtete seinen Blick zu Boden, als sei ihm etwas sehr peinlich. „Na ja… Ich… Es geht um… Ein Mädchen…“ Ich konnte nicht anders, ich musste lachen. Taka schaute mich etwas verwirrt an. Es war ja nicht so, dass ich ihn auslachte, Kleiner Taka war wohl doch nicht mehr so klein. „Warum lachst du denn jetzt, Kouyou?! Du lachst mich aus, stimmt’s?“ Ich legte meinen Arm um seine Schulter. „Nich doch, Takanori. Es kommt nur etwas plötzlich.“ „Hmmm......“, seufzte Takanori. Meine Schwester rief zu uns herüber. „Taka, Kouyou! Seht doch mal, seht nur wie ich schwimmen kann!“ Wir stimmten ihr zu. Meine Schwester war fest davon überzeugt, sie sei mal eine Meerjungfrau gewesen. Verrücktes, kleines Ding. Ich wandte mich wieder Taka zu. „Also, los. Erzähl ruhig.“ „Aber nichts Mutter erzählen.“ Ich gab ihm mein Wort. „Sie heißt Junko, sie geht in meine Klasse.“ Ich nickte. „Ich mag sie eigentlich, aber das Problem ist...... Dass sie mich kaum zu beachten scheint.“ Taka senkte den Kopf. „Und was soll ich dir da jetzt für einen Rat geben?“ Taka seufzte und zuckte mit den Schultern, ehe er sprach: „Ich habe nur keine Ahnung, wie ich sie auf mich aufmerksam machen kann.“ Ich musste wieder schmunzeln, kaum konnte ich es glauben, dass mein Bruder ausgerechnet mich fragte. Dabei hatte ich schon lange niemanden, den ich so dicht an mich heran gelassen habe. Es ist aber nicht so, dass ich meinen Bruder so etwas nicht gönne. „Erzähl mir doch etwas von ihr…“ Taka sah in den Himmel. „Tja…. Was soll ich dir erzählen? Natürlich ist sie nett und höflich. Sie ist immer sehr hilfsbereit und zugänglich. Aber auf mich geht sie irgendwie gar nicht zu. Und ich weiß nicht mal warum.“ Taka stützte seinen Kopf mit beiden Händen. „Vielleicht bist du unnahbar.“ Mein kleiner Bruder verstand nicht. „Unnahbar?! Ich bin doch nicht unnahbar.“ „Sagst du.“ Jetzt verschränkte er seine Arme. „Ja, das sag ich!“ Ich versuchte ihm zu erklären, dass es wohlmöglich nur in ihrer Gegenwart war. Taka war schüchtern. „Ja, du hast Recht!“, gestand er dann doch, „Ich bin schüchtern… na, ja ein bisschen. Aber wirklich nur ein bisschen.“ Etwas neckisch legte ich meine Hand auf seinen Kopf. „Erwarte nicht, dass sie einfach von allein kommt. Geh auch du auf sie zu und dann wirst du sehen.“ Er nickte leicht. „Und was soll ich tun?“ fragte Takanori. „Keine Ahnung, sprich sie einfach mal an oder hilf ihr, wenn sie mal nicht weiter weiß.“ „Aber… die anderen sind schneller.“ „Dann musst du ihnen zuvorkommen!“ Meine Worte kamen etwas lauter aus meiner Kehle, als ich es wollte, aber anders versteht er es ja nicht. „Hab einfach noch etwas Geduld, Taka.“ fuhr ich dann ruhiger fort. Nachdem Taka bei meinen lauten Worten zusammengezuckt war, nickte er erneut leicht. „Du hast wirklich Recht.“ „Ich weiß… Die Zeit wird es zeigen und jede Wunde irgendwann heilen“ Auch mein Blick richtete sich gen Himmel. Der Mond schien schon durch die Äste der großen Weide hindurch. Kindergeschrei hallte über die gesamte Wiese, Kinder planschten, spielten, tollten umher. „Schon irgendwie eigenartig, dass grade zu dieser Zeit so viele Kinder hier sind, nicht wahr Kouyou?“ „Kann man sehen wie man will, meinst du nicht?“ Taka zog die Stirn krause. „Na, ja es ist schon dunkel. Das meinte ich damit.“ Die Nacht war wirklich wunderschön. So schön wie eine seltene Blume. „Ich könnte ewig so hier rum liegen, Kouyou!“ Mein Bruder legte sich auf den Rücken und sah sehnsüchtig in die Sterne. Ich tat es ihm gleich. Nur einen kurzen Moment später stand Kayano zappelnd neben uns. Sie war klitschnass, hüpfte von einem Bein auf das andere und klapperte mit den Zähnen. „Kouyou, schnell! Handtuch!“ Ganz selbstverständlich schoss ich hoch und trocknete meine Schwester ab. Sofort kuschelte sich Kaya – wie ich sie liebevoll nannte – an mich, wärmte sich an mir auf. „Wir sollten lieber reingehen, bevor sich Kayano noch erkältet.“ Grade wollte ich mich mit Kayano auf den Weg machen, da fiel mir doch grade noch etwas ein. „Kommst du nicht mit, Taka?“ „Mh? Nein… Noch nicht. Ich komme aber bald nach.“ „Ist gut.“ Und schon waren Kaya und ich auf dem Weg zurück. Takanori lag einfach noch da und starrte in den Himmel…

Beim Haus angekommen, schloss ich die Tür auf und ging mit Kaya rein. „Geh und nimm ein Bad.“ „Okay, Onii-San!“ „Danach gehst du aber sofort ins Bett!“ „Jaaha!“ Ich warf meinen Schlüssel auf die kleine Kommode, ehe ich meine Jacke aufhing. „Ihr seid schon wieder zurück? Wo ist Takanori?“ „Er wollte noch ein wenig da bleiben, aber kommt bald nach.“ Antwortete ich meiner Mutter, die aus dem Wohnzimmer kam. „Er ist alleine dort?“ Sie verschränkte ihre Arme. „Er wird gleich hier sein, Mutter. Mach dir keine Sorgen.“ Mutter seufzte. „Na schön. Ich kann ja sowieso nichts machen. Takanori macht was Takanori will.“ Mit diesen Worten ließ meine Mutter mich stehen. Ich war müde und rieb mir die Augen. Gott sei Dank hatte ich morgen meinen freien Tag und konnte ausschlafen. Nein, falscher Alarm! Meine Mutter hatte mich doch gebeten Kaya in die Schule zu fahren. Na, schön, also doch nicht ausschlafen. Ich begab mich auf mein Zimmer. Im Badezimmer konnte ich meine Schwester singen hören. Alles in ihrem Leben schien hell, heil und erleuchtet. Es gab so gut wie keinen Tag, an dem meine kleine Kaya nicht lachte. Aber es war gut so, denn ihre kindliche Freude bestrahlte uns alle und ließ uns auch Freude empfinden. Bevor ich ins Badezimmer kam, klopfte ich an. „Bist du fertig Kayano?“ „Ja!“, antwortete sie. Also öffnete ich die Tür und Kayano stand auf einem kleinen Hocker vor dem Spiegel. Sie drehte sich zu mir um und zwinkerte mit den Augen. „Na, wie sehe ich aus?“ Ihr Gesicht zierte ein breites Grinsen und sie hatte ein Handtuch wie einen Turban um die nassen Haare gebunden. „Sehr hübsch siehst du aus.“ „Sehr hübsch? Oder wunderschön?“ Ich nahm sie auf den Arm. „Verzeihung. Ich meinte natürlich wunderschön.“ „Ach Kouyou!“, lachte meine Schwester zufrieden. „Ich hab dich soooo lieb!“ Sie drückte mir einen dicken Kuss auf die Wange. Meine Schwester ist wirklich eine ganz Süße. „Ich bring dich jetzt zu Bett.“ „Ist gut, Onii-San.“ konnte sie noch vor einem herzhaften Gähnen herauspressen. Lächelnd brachte ich sie auf ihr Zimmer, im Badezimmer hatte sie sich zuvor noch ihre Schlafkleidung angezogen, die aus einem Top und einer Jogginghose bestand. In ihrem Zimmer legte ich sie auf ihr Bett und deckte sie zu. Noch einmal gähnte sie, bevor sie sich bei mir bedankte. „Keine Ursache. Schlaf gut, Prinzessin.“ So nannte ich sie auch gerne, denn im Prinzip war sie ja auch eine kleine Prinzessin, MEINE kleine Prinzessin. Sie genoss noch den Kuss, den ich ihr auf die Stirn hauchte. „Gute Nacht, Kouyou. Ich hab dich lieb.“ Ihre Stimme wurde schon leiser und sie nuschelte schon ziemlich. Ich sah noch, als ich an der Tür stand, wie sie ins Reich der Träume glitt und überließ ihr den Rest. Ich war grade auf dem Weg in mein Zimmer, als ich das Klacken des Schlosses der Haustür hörte. Taka war also wieder da, doch anstatt etwas zu sagen, kam er einfach die Treppe hochgeschlurft. Seine Haare waren ganz zerzaust und sein Blick sagte mir, dass er unter der Weide eingeschlafen sein muss. Es war doch immer wieder dasselbe. Jedes Mal schlief er ein, wenn er spät abends nach dem Essen sich unter die große Weide legt. „Gute Nacht, Taka.“ sprach ich zu ihm, als er bei seinem Zimmer stand, mich nicht beachtete und die Tür öffnen wollte. Auch diese Szene kannte ich auswendig. Er wird gleich nur grummeln und in seinem Zimmer verschwinden. Und dem war dann auch so. Er grummelte und verschwand. Schmunzelnd verließ auch ich den Flur und ging zu Bett…

Kapitel 2

Viel Zeit zum Schlafen blieb mir ja nicht mehr, also genoss ich es so sehr es ging. Geweckt wurde ich von meiner Mutter, die mit ihrer sanften und ruhigen Stimme zu mir sprach: „Kouyou... aufstehen...“ liebevoll streichelte sie mir dabei die Wange. Sie wusste halt genau, wie ich es am liebsten hatte. „Aufwachen…“ war das letzte, was ich hallend in meinem Traum hörte, ehe sich meine Augen öffneten. „Na? Endlich wach?“ wurde ich dann von meiner Mutter gefragt, welche ich mit verschlafenem Gesichtsausdruck anblickte. „Jaaaaa~… Ich komme gleich runter…“ säuselte ich noch total müde. Ich hätte gestern einfach nicht zu lange wach bleiben dürfen. Kurz hob ich mein Haupt, blickte zur Uhr. Mutter hatte bereits wieder mein Zimmer verlassen. „Oh man…“ entwich es mir, während mein Kopf wieder auf’s Kissen fiel. Kurz darauf stand ich aber auf. Träge und müde ging ich ins Badezimmer, auf dem Weg begegnete ich meiner Schwester, die schon so gut wie fertig war. „Onii-saaaaan~! Beeil dich!“ rief sie mir zu. Ich zuckte zusammen, da mein Kopf irgendwie etwas dröhnte, fast so, als hätte ich ein ziemliches Saufgelage hinter mir. Woher diese Kopfschmerzen kamen, wusste ich selbst nicht. Im Badezimmer machte ich nur eine schnelle Katzenwäsche, da ich mich wohl wieder hinlegen würde, wenn Taka und Kaya in der Schule sind. Meine Mutter würde mich mit Sicherheit nicht daran hindern. Die Zähne waren auch schnell geputzt und angezogen hatte ich mich auch ziemlich schnell. Mittlerweile war ich wach, aber mein Schädel dröhnte noch immer. Unten bei der Haustür warteten bereits Taka und Kaya auf mich. „Können wir los?“ wurde ich von Taka gefragt. „Moment.“ erwiderte ich, ging zu meiner Mutter in die Küche um mich von ihr zu verabschieden, wenn auch nur für kurze Zeit. „Ich bringe die beiden dann jetzt zur Schule.“ Da fiel mir ein, dass eigentlich nur von Kayano die Rede war, aber für meine jüngeren Geschwister würde ich fast alles tun. „Ist gut. Fahr vorsichtig.“ „Mach ich.“ Ich gab ihr noch einen Kuss auf die Wange, ehe ich aus der Küche ging, meine Jacke nahm, mir die Schlüssel schnappte und mit meinen Geschwistern das Haus verließ. „Ich will aber vorne sitzen!“, bestand Kayano. „Herr Gott, ja ist ja schon gut!“, nörgelte Taka. Ich lächelte nur sanft. „Alles Klar im Cockpit?“, fragte ich meine Kleine mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Sie nickte übertrieben und klatschte in die Hände. „Und auch auf der Rückbank alles paletti?“ Ich grinste meinen Bruder an. Er erwiderte mein Grinsen mit einem düsteren, genervten Blick. „Was ist denn los, Taka?“ Einen Moment später antwortete er mir, dass er kaum Schlaf bekommen hatte. Seine Stimme war leicht angeraut. Er hätte jetzt furchtbare Kopfschmerzen und ganz schlabberige Glieder. Bei näherem Betrachten erkannte ich seine tiefen Augenringe. „Wenn du heute nach Hause kommst, dann legst du dich sofort hin und schläfst eine Runde.“ Er nickte äußerst matt. Als ich die beiden abgesetzt hatte, fuhr ich schnurstracks zurück nach Hause. Ich war selbst noch sehr müde. Außerdem war der Himmel von einer dicken grauen Wolkendecke verdunkelt und es begann langsam zu nieseln. Wahrlich ein Tag um im Bett liegen zu bleiben. In meinem Zimmer angekommen kroch ich unter meine Bettdecke und kugelte mich regelrecht ein. Der Übergang von wach bis in den Schlaf zurück erfolgte fließend. Mein Bewusstsein schwand mit dem Geräusch des Regens, der gegen meine Fensterscheiben prasselte. Ich hatte einen verrückten Traum. Ich war mit meinen Geschwister am See. Wir waren ganz allein dort. Die Sonne ging grade unter und hatte eine außergewöhnlich rot-violett erscheinende Farbe. Die Wasseroberfläche des Sees war spiegelglatt, als wenn man mit einem Bügeleisen drüber gegangen wäre. Auf einmal lief meine kleine Schwester ins Wasser und verschwand. Ich schrie, sie solle doch zurückkommen, obwohl sie schon längst ‚ertrunken’ war. Taka saß regungslos unter einem Baum. Er antwortete mir nicht, als ich ihn etwas fragte. Die Atmosphäre war erdrückend. Ich wollte aufwachen, aber ich schaffte es irgendwie nicht. Plötzlich ertönte wieder die helle Stimme meiner Kleinen. „Sieh nur Kouyou, großer Bruder! Ich bin eine Nixe! Siehst du?! Ich wusste es!“ Tatsächlich. Als ich mich umdrehte, sah ich wie Kaya-Chan mit einem Fischschwanz anstatt ihres Unterleibes im See umhersprang wie ein junger Delfin. Völlig absurd! Kayano vollführte geradezu Kunststücke im Wasser. Sie tauchte auf und ab. Doch zuletzt kam sie nicht mehr hoch. Wo blieb sie denn nur? Mit einer hastigen Bewegung drehte ich mich zu Takanori um, doch der war ebenso, wie seine Schwester, verschwunden. In meinem Körper verbreitete sich eine unangenehme Unruhe, die sich langsam zu Panik steigerte. Ich wollte immer wieder aufwachen, doch es gelang mir absolut nicht. Die Stille, die herrschte, fing an mich wahnsinnig zu machen. Sie lag in meinen Ohren, als würde sie ‚Lärm’ machen. Diese verfluchte Stille überall. Und wo zum Henker waren meine Geschwister? Niemand war da, Wahnsinn in dieser doch vertrauten Idylle. Es war einfach unerträglich. Dann mit einem Mal, wurde alles schwarz. Mir war heiß, als wäre mein Körper im Feuer gefangen. Die Flammen loderten, schlossen mich gänzlich ein, bis.... ich schweißgebadet aufwachte. Im selben Moment blitzte es. Das Zimmer wurde für einen Bruchteil einer Sekunde erhellt. Schwitzend und keuchend saß ich da. Meine Finger hatten sich fest in die Bettdecke gekrallt. Ich atmete heftig. Leicht erschöpft rieb ich mir das Gesicht. Ich fühlte mich, als hätte ich 40 Grad Fieber. Mein Puls raste. Mein Herz donnerte von innen gegen meinen Brustkorb wie ein Rammbock. Anscheinend war ich noch gar nicht wirklich zurück in der Realität. Benommen suchte ich dann aber meine Uhr an der Wand. Es musste Eingebung gewesen sein, denn es war höchste Zeit, meine Geschwister von der Schule abzuholen. Mein Gott, wie lange hatte ich denn geschlafen? Es mussten ja fast sieben Stunden gewesen sein. Merkwürdig. Als ob während ich geträumt hätte, die Zeit um ein Vielfaches schneller vergangen wäre. Wahrscheinlich warten Kaya und Taka schon. Und so wie ich meinen Bruder kenne, steht er vor der Schule und ärgert sich wie nichts Gutes. Und Kaya wird wohl noch auf dem Schul-Spielplatz rumtollen. Langsam nur schob ich meine Beine aus dem Bett und grade, als ich meinen Fuß auf den Boden stellen wollte, meldete sich meine Wade... ein Wadenkrampf. Schmerzhaft verzog ich mein Gesicht, hielt mir die Wade, krallte mir regelrecht in die Haut. Vor Schmerz stöhnte ich leis’ beim Aufstehen. Sehr tat es weh, doch anders geht es jetzt nicht... Durchstrecken, einfach grade durchstrecken das Bein. Na, komm schon, komm schon. Langsam löste sich der Krampf. Welch ein erleichterndes Gefühl. Jetzt schnell in die Schuhe, Jacke über und los. Irgendwie stand ich noch ganz und gar neben mir. Ich spielte schon mit dem Gedanken einen Unfall zu bauen. Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren. Was war denn bloß los mit mir? Ich fand mich gar nicht mehr zurückt und meine Hände zitterten am Steuer. Als plötzlich der schrille Ton einer Hupe hinter mir ertönte, zuckte ich unwillkürlich und heftig zusammen. Es war bereits grün. Sofort fuhr ich los, blickte noch einmal in den Rückspiegel im das Gesicht eines dicken, vor Fett triefenden Prolls zu erblicken. Sein Ausdruck sagte mir, dass er sehr sauer war, doch interessierte mich dieses Etwas mit einem Mercedes unterm fetten Fahrgestell herzlich wenig. Jetzt kamen mir schon solche Wörter in die Gedanken, was ich von mir nie gedacht hätte. Bei der Schule meiner Schwester angekommen, stieg ich aus. Von weitem sah ich schon wie Kayano auf dem Klettergerüst spielte. Ich stellte mich etwas abseits hin, meine Schwester winkte mir freudig zu und rief mir zu, dass sie noch ein wenig spielen möchte. Ich konnte nicht anders und gewehrte ihr diesen Wunsch, auch gut für mich, denn so konnte ich mich ein wenig sammeln. Ich ließ einen lauten, erschöpfenden Seufzer los. Das Lachen der Mädchen im Hintergrund schien mir die Normalität näher zu bringen. Aber Taka? Wo war denn Taka? Plötzlich zog jemand an meinem Arm. Kaya-Chan. „Wollen wir jetzt nach Hause, Kouyou?“ Ich streichelte ihren Kopf. „Ja, wir fahren nach Hause, Kayano. Nur fahren wir doch nicht ohne deinen Bruder.“ „Oh, ja! Natürlich….. aber wo ist er denn nur?“ In dem Moment schlenderte Taka auf uns zu. Hände in den Hosentaschen, den Blick gesenkt. „Taka, da bist du ja. Wo warst du?“, lächelte Kayano. Taka antwortete sichtlich betroffen und doch sofort. „Ich hatte ein Gespräch mit Herrn Takashima.“ Zielstrebig schlurfte er weiter in Richtung Auto. Grade wollte ich hinter meinen Geschwistern her gehen, als ich auf meiner Schulter einen Arm spürte und eine Stimme in meinen Ohren hörte. „Kouyou, Kouyou, Kouyou… Musst du wieder deine Geschwister rumkutschieren? Hast du nichts Besseres zu tun?“ Die Stimme kam mir sofort bekannt vor. Seiichi, mein bester Freund, hatte mich entdeckt und mir einen kleinen Besuch geschenkt. Seiichi war eiskalt und gemein gegenüber anderen. Warum er zu mir einigermaßen normal war, wusste ich nicht. Na, ja wir kannten uns immerhin schon seit unserer Sandkastenzeit. Seiichi war damals schon immer zurückhaltend gegenüber anderen Menschen gewesen. Nein, zurückhaltend war das falsche Wort, er wollte einfach nichts mit anderen zu tun haben. Außer mit mir. Seiichi hat einmal gesagt, dass er Menschen hasst. Da fragte ich ihn, warum er grade mich nicht hasst. Bis heute hat er mir nicht darauf geantwortet. Nur gelächelt. Manchmal war mir dieser Bursche ein einziges Rätsel. Aber parallel dazu konnte ich mir ein Leben ohne diesen Tausendsasser gar nicht vorstellen. „Musst du gar nicht schuften?“ Ich musste wieder mal über seine Wesenszüge lachen. „Nein. Heute nicht. Ist doch mein freier Tag heute.“ Seiichi schaute mich unglaubwürdig an. „Na, ja…. Von wegen freier Tag. Musst doch die Kleinen durch die Gegend fahren.“ Taka, der ein Stück weit voraus stand, hatte das gehört. „Wer ist hier klein, hmm? Hast du vielleicht schon mal an dir Maß genommen, du Zwergenkönig?“ Damit war der Kampf eröffnet. „Ey, Kouyou, dein Bruder ist verdammt frech. Richte ihm mal aus, dass wenn er an den falschen gerät, ihm diese Frechheit sehr zu Schaden kommen könnte.“ Seiichi war wie ein Stier, der auf ein rotes Tuch reingefallen war und Taka lachte ihn nur aus. Es war albern. Taka provozierte Seiichi manchmal nur zu gern und kannte seine ‚Schwachstelle’ genau. Auch wenn Seiichi sich als unverwundbar darstelle, er hatte ganz offensichtlich ein Problem mit seiner Körpergröße. 1,61m plus seine große Klappe, die ihm doch immer wieder Respekt verschaffte. „Hört auf damit. Das ist doch albern.“, ging ich dazwischen. „Das finde ich auch. Und ich bin grade erst 10!“ Kayano grinste so altklug, wie ihre Mutter es manchmal tat. Seiichi stand verdutzt da und fing laut an zu lachen. „Dieses kleine Ding will mir etwas sagen?! Bei dir…“, er drehte sich zu mir. „… kann ich es ja noch verstehen, aber bei ihr?!“ Kaum konnte er sich beherrschen, klopfte mir noch mal auf die Schulter. „Mach’s gut, Kouyou!“ Und schon verschwand er. Ich sah ihm nach, fragte mich, ob sein lachen nur aufgesetzt war oder echt. Aber ich wurde von meiner kleinen Schwester aus den Gedanken gerissen. Sie zupfte mir am Ärmel rum. „Kouyou… Nach Hause…“ Ich begann zu schmunzeln, denn sie hatte ihren süßen Hundeblick aufgesetzt. Meine Hand fand kurz Platz auf ihrem Schopf. „Ja… Lasst uns.“ Gemeinsam gingen wir dann zum Auto, wo es wieder einen kleinen Streit zwischen Taka und Kaya gab, welchen Taka aber mit dem Kommentar „Du saßt heute morgen vorne. Jetzt bin ich dran!“ gewann. Kayano hatte sich schmollend hinten hingesetzt, doch konnte ich sie besänftigen mit dem Versprechen, dass sie nächstes Mal wieder vorne sitzen dürfte. Auf unserer Auffahrt schnallten sich meine Geschwister schon ab, obwohl sie wissen, dass man das nicht machen soll. Protest kam auf, als ich den Wagen spaßeshalber einmal absaufen ließ, indem ich im 1. Gang einfach die Kupplung losließ. Beide hatten sich schon bereit gemacht, den Wagen zu verlassen, doch bekamen sie erstmal eine Standpauke von mir. Vater hätte es auch nicht gewollt… „Du hast ja `nen Knall, Kouyou!“, pöbelte Takanori. „Ich wollte euch nur mal zeigen, was passieren kann, denn anscheinend hat es noch nicht gefruchtet.“ Takanori schenkte mir nichts weiter, als einen abwertenden Blick. Kayano, den Blick senkend, erwies sich als einsichtig. Taka war nach diskutieren zu Mute, wie es schien. „Ich verstehe dich nicht, Kouyou. Manchmal benimmst du dich wie ein… wie ein Freak!“ Ich nahm es weniger ernst, weil Taka gereizt war, aber Kaya. „Hör auf, Takanori! Bist du blöd, so etwas zu sagen?“ Mein Bruder drehte sich kopfschüttelnd um und schlurfte in Richtung Haustür. „Los, marsch ins Haus.“, forderte ich dann auch Klein-Kayano auf. Takanori war manchmal einfach unverbesserlich. Das würde Taka mir noch einige Zeit nachtragen, befürchte ich zumindest. Im Haus warf ich meine Schlüssel einfach auf den kleinen Schrank neben dem Kleiderständer, wo ich meine Jacke einfach mal drüber geschmissen hatte. Mutter wird es mal wieder nicht gutheißen, aber was soll’s. Kaya und Taka waren schon auf ihre Zimmer verschwunden, als ich gen Wohnzimmer schlurfte. Ich wollte grade die Tür öffnen. Da kam mir schon ziemlich lautes Gelächter entgegen. „Ah! Kouyou! Da bist du ja endlich!“ rief mir meine Mutter freudig entgegen, ehe sie mich auch noch umarmte, nachdem sie schlagartig von der Couch aufgesprungen war. Ich wusste gar nicht, wie mir geschah, doch als mich meine Mutter wieder losgelassen hatte, wusste ich, was der Auslöser für ihre gute Laune war. Eine junge Frau, fast mein Alter, saß dort auf dem Sessel. „Kouyou… Kouyou, mein Lieber… Darf ich dir Kéneâ vorstellen? Sie ist heute frisch in das Haus neben uns eingezogen.“ Kurz blinzelte ich, musste erstmal alles sacken lassen, ehe ich überhaupt reagierte. „Äh, ja… Hallo, ich bin Kouyou.“ Kéneâ? Mal ein anderer Name, dachte ich noch so bei mir, als sie sich verbeugte und sich vorstellte. „Hallo, ich bin Kéneâ Nakagawa. Es freut mich ihre Bekanntschaft zu machen.“ Ich nickte etwas verwirrt. „Ja, ja, ganz meinerseits… äääh… wenn ihr mich entschuldigt.“, sagte ich, als ich schon rückwärts wieder raustorkelte. Hatte sich wohl doch noch jemand für das alte Haus gefunden. Ob sie allein eingezogen war? Na, ja wie auch immer. „Das müssen sie ihm verzeihen, Kéneâ. Manchmal ist er so durch den Wind, dass er in Gedanken in alle vier Windrichtungen zerstreut ist.“ „Ist schon in Ordnung, Frau Takeya. Ich finde es jedenfalls sehr nett, dass sie mich mal mit zu sich genommen haben.“ „Ach, ist doch kein Problem...“ hörte ich meine Mutter und Kéneâ noch reden, denn auf der Treppe blieb ich stehen. Irgendwas war mir auch noch entfallen, aber ich wusste absolut nicht mehr, was es war. Ich dachte eigentlich nur noch an mein Bett, in welches ich mich auch begeben hatte, nachdem ich kopfschüttelnd die Treppe weiter hinaufstieg...

Kapitel 3

So richtig entspannen konnte ich mich allerdings nicht. Irgendwas hinderte mich an meinem wohl verdienten Schlaf. Das merkte ich besonders, als ich erneut schweißgebadet aufwachte. War ja auch kein Wunder, meine Mutter muss wohl heute Morgen, als ich los fuhr, Fenster zu und Heizung angemacht haben. Mit freiem Oberkörper stand ich am Fenster, zog die Gardinen zurück und öffnete das Fenster. Mit einer Hand fuhr ich mir durchs Haar und fühlte mich irgendwie beobachtet. „Wirst du jetzt auch noch paranoid?“, sagte ich etwas selbstironisch zu mir selbst. Aber ich fühlte mich tatsächlich beobachtet. Vom Fenster aus schaute ich hinaus. Keine Menschenseele auf der Straße zu sehen. Totenstille, was eigentlich sehr ungewöhnlich für diese Tageszeit war. Nur ein leichter Wind trieb die graue Wolkendecke mühsam voran. Fast unheimlich kam es mir vor. Na, ja. Erst dieser seltsame Traum und irgendwie wollte ich heute gar nicht richtig wach werden. Vielleicht bahnte sich ja auch bloß eine Erkältung an. Aber die Atmosphäre war wirklich eigenartig und meine sonst so vertraute Umgebung, schien auf einmal völlig verfremdet. „Vielleicht sollte ich trotzdem mal zum Arzt gehen.“, dachte ich mir beiläufig. Halbnackt, wie ich aufgestanden war, ging ich nach unten in die Küche, wo meine Mutter schon wieder das Abendessen vorbereitete. Ich war mich regelrecht auf einen der Stühle und griff zur Zigarettenschachtel. Und das, obwohl ich aufhören wollte…

Ich steckte mir eine an, begann zu rauchen. „Alles in Ordnung, mein Sohn?“, fragte mich meine Mutter. „Ich fühl mich nicht so besonders…“ „Was ist denn los?“ „Ach, keine Ahnung… Irgendwie scheine ich krank zu werden.“ „Oh… Soll ich dir einen Tee machen?“ „Nein, lass mal… Es liegt bestimmt nur an der komischen Luft momentan…“ Kayano tappste die Treppen herunter. „Ich hab Hunger! Ist das Essen schon fertig?“ Meine Mutter tadelte sie. „Na, na Kayano. Das gehört sich nicht. Sei geduldig.“ Da guckte meine kleine Schwester mich an. „Und was ist das da? Das ist doch auch nicht in Ordnung! Außerdem hast du gesagt, dass du damit aufhören willst, Kouyou!“ Ich ging nur an ihr vorbei und streichelte ihren Kopf. Ich wollte es ja wirklich. Ich wollte damit aufhören, aber anscheinend war ich zu schwach. „Sag deinem Bruder Bescheid. Er soll runterkommen.“, bat meine Mutter. Wie immer kam er eine viertel Stunde später. Er zog ein langes Gesicht. Als wir aßen, herrschte eine widerliche Stille vor. Keiner sagte etwas, also brach ich es auf. „Sag’ mal Taka? Was war denn heute in der Schule? Ich meine dein Gespräch mit deinem Lehrer.“ Sofort blickte meine Mutter auf. „Was?“ „Lass doch das jetzt! Nicht vor Mama!“ Es war ihm sichtlich unangenehm. Ein leises Seufzen entweicht Taka’s Kehle. Jetzt musste er wohl doch nachgeben. Nicht hilft mehr. „Er hatte mich zu sich gerufen, weil…“ und schon wurde er von Mutter unterbrochen. „Weil?! Hast du dich geprügelt?! Junge! Das sollst du nicht!“ „Nein, hab ich nicht…“ „Dann sag es mir doch…“ „Er rief mich wegen meiner schlechten Leistung momentan zu sich…“ Nach der Konversation wurde es still. Zu still. „Was soll das jetzt eigentlich heißen? Deine Leistungen sind schlechter geworden?“ „Ist doch egal! Er hat ganz normal mit mir geredet, nur so, wie Lehrer es manchmal tun. Nichts weiter.“ Meine Mutter wollte nicht davon ablassen. „Aber, Takanori......“ In diesem Moment richtet sich Taka wutentbrannt auf. Seine Fäuste fuhren auf den Tisch nieder und es knallte. Kaya zuckte zusammen und bekam Tränen in den Augen. Sie hasste es, wenn einer ihrer Brüder sauer wurde. „Lass gut sein, Mutter!“ erwiderte Taka noch, bevor er sein Besteck einfach hinschmiss und ging. „Aber…“ begann Mutter noch, aber hielt ich sie zurück. „Mutter, lass mich… Ich hab’s auch angesprochen. Es ist meine Schuld.“ Somit erhob auch ich mich vom Tisch und ging Taka nach. Er schien äußerst aufgebracht. Irgendwas schien da wohl wirklich nicht zu stimmen. Die Treppen hoch eilend, hörte ich, wie Taka seine Zimmertür zuknallte. Ich klopfte von außen daran. „HAU AB! LOS, VERPISS DICH!“ „Ich bin es nur, darf ich reinkommen?“ Ich bekam keine Antwort und öffnete langsam die Tür. Taka lag in seinem Bett, grub sein Gesicht ins Kopfkissen und krallte seine Finger ins Laken. „Takaaa~“ begann ich und setzte mich auf die Bettkante. „Was ist los mit dir?“ fuhr ich ruhig fort. „Ach!“ kam lediglich von Taka. Er war ziemlich wütend. Aus welchem Grund auch immer. „Ich komme einfach im Moment nicht mit.“ Meint er dann und richtet sich langsam wieder auf. „Ich will die Klasse nicht wiederholen. Das ist es doch, was Mutter will. Wenn es nach ihr ginge, soll ich der Beste sein. Aber das will ich nicht!“ Ich hörte ihm zu, unterbrach ihn nicht. „Aber was ist denn so schlimm daran, die Klasse zu wiederholen?“ fragte ich ihn dann in einem ruhigen Ton. Taka zeigte mir den Vogel. „Pffff... Damit ich irgendwann mit Kayano in einer Klassenstufe bin. Ist klar!“ Ich musste ein wenig lachen. „Taka! Sei nicht albern!“ „Ist doch wahr.“ Er setzte sich auf. Der Kopf war immer noch gesenkt. Er drehte Däumchen. Ich streichelte seinen Kopf. „Jetzt mach keine Welle wegen der Sache. Setz dich auf den Hosenboden und du wirst sehen… Du wirst nicht sitzen bleiben.“ Takanori seufzte. „Danke, Kouyou.“ Ich nahm ihn wieder mit runter zum Abendessen. Ich setzte mich wieder an meinen Platz, sah im Augenwinkel wie auch Taka sich setzte. Er schwieg still. Mutter beobachtete uns nur und Kaya war auch wieder ruhig am essen. Bis zum Ende des Abendessens war es total still. „Gute Nacht, Mama!“ kam es von Kayano, ehe sie auf ihr Zimmer verschwand. Takanori verschwand auch, jedoch wortlos. Ich blieb noch bei meiner Mutter in der Küche. Zum einen, um ihr zu helfen und zum anderen, um noch eine Zigarette zu rauchen. Draußen regnete es in Strömen. Grade als ich die Zigarette anmachen wollte, klingelte UND klopfte es an der Tür. Mutter und ich sahen uns gegenseitig an. „Ich gehe schon.“ „Wer das wohl ist… Zu dieser Uhrzeit.“ Ich ging also zur Tür. Ein Fenster an der Tür oder einen Spion hatten wir nicht. Zu unserem Nachteil anscheinend. Ich öffnete die Tür langsam… Erst erkannte ich nicht, wer es war. „Hallo… Ich brauche Hilfe…“ war das einzige, was diese Person sagte, dann brach sie zusammen. Ich konnte noch schnell genug reagieren und sie auffangen. Mutter kam auch an die Tür. „Um Himmels Willen!“ schrie sie förmlich. „Kéneâ!“ Mutter erkannte sie sofort. „Ist sie ohnmächtig?! Was ist los? Was ist denn nur passiert?“ Meine Mutter war den Tränen sehr nahe. „Keine Angst. Es geht ihr gut. Ihr Puls schlägt noch.“ Meine Mutter war völlig außer sich. „Mutter jetzt beruhige dich doch.“ Kayano kam die Treppen runtergetappst. Sie hatte mitbekommen was vorging. „Kayano! Geh ins Bett, sofort!“ Aber sie ging nicht. „Im Nachbarhaus hat auf einmal ganz komisch das Licht geflackert und dann war es ganz aus. Ganz plötzlich. Findet ihr das nicht ein bisschen unheimlich?“ Meine Mutter eilte zum Fenster. „Alles stockdunkel… Ein Stromausfall ist das ganz sicher nicht.“ Langsam kam Kéneâ wieder zu sich. „Da… Da ist ir… gendwas… in meinem Haus…“ brachte sie unter Stöhnen heraus. „Wie? Da ist was? Kéneâ… Sag es mir.“ „Ein Ding…“ „Was für ein Ding?“ Und wieder verlor sie das Bewusstsein. „Kouyou… Bring sie erstmal rein.“ Brachte meine Mutter ein. Ich hob sie auf meine Arme. Mein Blick ging hoch zu Kayano. „Geh… schlafen… Sofort!“ Ein befehlerischer Ton von mir. Unerwartet kam es für Kayano, doch ging sie wieder auf ihr Zimmer. Ich trug Kéneâ ins Haus. Mutter lief vor, schloss die Tür hinter mir und öffnete mir die Wohnzimmertür. „Leg sie hier hin.“ Und das tat ich auch. „Sie ist ganz kalt.“ Stellte ich fest. Mutter zögerte nicht lange, griff zu einer Wolldecke und deckte Kéneâ zu. „Warten wir einfach, bis sie von selbst aufwacht.“ Sprach ich. Ich hatte noch immer, die ganze Zeit über, die Zigarette im Mundwinkel. „Kouyou!“ rief meine Mutter, als ich grade das Wohnzimmer verlassen wollte. Ich drehte mich um, Kéneâ wurde wach. Sofort eilte ich zurück, um sie noch weiter auszufragen. „Kéneâ! Hey! Sieh mich an! Hier, sieh’ mich an!“ Ich schnippste vor ihrem Gesicht. Sie schien wie weggetreten. Sie stammelte einige Wortfetzen vor sich hin. „Im Haus… Böse… Meine Eltern… Familie… Wahrscheinlich alle tot… Dieses Etwas… Böse…“ Ich glaubte nicht, was ich da hörte. Das klang völlig absurd. Meine Mutter hielt sich die Hand vor den Mund. „Ich verstehe sie nicht. Sie redet völlig zusammenhanglos.“ Mutter sah sehr verängstigt aus. „Das ist doch… So eine ruhige Gegend hier. Hier passiert doch sonst nichts…!“ „Sie wird heute Nacht hier bleiben, Mutter.“ Es wäre zu gefährlich, sie jetzt wieder nach Hause zu schicken. „Wer weiß, ob das ‚Ding’ noch da ist.“ Es reizte mich schon, da rüber zu gehen und nach zu sehen, aber ich hatte, nach weiterem Nachdenken, doch eher gemischte Gefühle. „Aber sie kann doch nicht hier auf dem Sofa schlafen! Auch hier würde sie Angstzustände bekommen!“ „Dann nehme ich sie mit in mein Zimmer. Es wäre weniger von Vorteil sie mit einem kleinen Mädchen oder einem mürrischen Faulpelz in ein Zimmer zu legen.“ Kéneâ war endlich ruhig eingeschlafen. Es war schon irgendwie von Vorteil, wenn man ein großes Ehebett besaß.
 

Behutsam legte ich sie auf mein Bett und deckte sie zu. Sie schien wie tot. Ihre Haut war ganz kalt. Verrückt. Wirklich verrückt. Aus meinem Fenster heraus erhaschte ich einen Blick auf das mysteriöse Nachbarhaus. Immer noch kein Licht. Mich packte der Forschungsdrang, ich musste jetzt da rüber gehen. Ich machte mich sofort auf den Weg nach draußen. Ich hastete an meiner verstörten Mutter vorbei. „KOUYOU!! WO WILLST DU HIN?! Geh da nicht rein!“ Aber ich ging einfach. „Achte du auf Kéneâ’s Zustand, bitte!“ rief ich noch, als ich schon aus der Tür raus war. Das Gebäude wirkte wie ein Geisterhaus. Die Haustür und alle Fenster waren offen. Sperrangelweit. Die Dunkelheit schien förmlich aus dem Haus zu lungern. Ich atmete noch mal tief ein, bevor ich mich ins Innere des Hauses begab. Ganz tief im Inneren hatte ich Angst. Es war wie ein unangenehmes Pochen, eine Art leichtes Stechen in der Brust. Im Haus merkte ich sofort, dass etwas nicht stimmte. Die Dunkelheit und die Ruhe waren abnormal. Ein leichter Wind zog durch die Fenster herein. Langsam arbeitete ich mich durch das Haus, doch von Kéneâ’s Familie fand ich niemanden. Keinen einzigen. Als ob der Boden sie verschluckt oder sie einfach in Luft aufgelöst hatten. Die Atmosphäre in dem Haus schien lebendig. Es war einfach abnormal und angsteinflößend und doch war ich zu neugierig um wieder zu verschwinden. Irgendwas war in diesem Haus. Nur was? Weiter ging ich durch die Zimmer, ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken, als sei etwas hinter mir. Langsam drehte ich mich um, doch da war nichts,. In meinem ganzen Körper kribbelte es. Das gesamte Möbilliar war zerstört und lag an allen Ecken und Kanten rum. Ich hatte mich jetzt schon in die Küche vorgearbeitet. Hinter der Küchentheke sah ich es dann… Ein Fuß. Sofort eilte ich hin. Eine Leiche… Weiblich… jung. Das muss Kéneâ’s Schwester sein. Ich fasste ihr an den Hals. Kein Puls. Tot. Um Gottes Willen. Was zum Henker war hier vorgefallen? Blut war nirgends zu sehen und Verletzungen hatte sie auch keine. Als ich ihr Gesicht betrachtete, fiel mir auf, dass Mund und Augen weit aufgerissen waren. Es sah so aus, als hätte sie, bevor sie gestorben wäre, etwas Schreckliches gesehen oder gefühlt. Ich ließ sie vorerst so da liegen. Das Haus war völlig verwüstet, als ob jemand die Möbel durch das Haus geschmissen und randaliert hätte. Wenige Augenblicke später fand ich mich im Badezimmer wieder. Der Wandspiegel war beschädigt. Es sah aus, als wäre er gesprungen. Ich betrachtete den Spiegel, als ich in ihm etwas erkannte. Ein kurzes Aufflackern einer halbtransparenten Gestalt. Ich wich sofort einen Schritt zurück. Ich hatte nicht erkennen können was genau es war, aber es hatte mir einen riesigen Schrecken eingejagt. Außer Kéneâ’s Schwester hatte ich niemanden sonst im Haus vorfinden können. Ich verließ das Haus so schnell ich konnte, denn jetzt übermannte mich meine Angst. Ich spürte wie mein Puls sich verrannte. War ich jetzt schon paranoid? Ich fühlte mich wirklich, als würde ich verfolgt werden. Erleichterung hätte nie schöner sein können, als ich endlich aus dem verdammten Haus draußen war. Ich drehte mich noch mal um. Als ich schon auf unserer Auffahrt stand. Ich hätte schwören können, das verfluchte Haus schaute mich an. Nein, es starrte. Ich schloss hastig die Tür hinter mir, als ich wieder zu Hause war. Mutter stand vor mir, ich hatte sie nicht bemerkt, weshalb ich mich ziemlich erschrocken hatte, als ich aufblickte. „Und?“ fragte sie mich lediglich. „Ruf die Polizei, sie sollen auch gleich einen Leichenwagen mitbringen.“ „Oh Gott!“ entwich es ihr heiser. „Wie ist Kéneâ’s Zustand?“ warf ich dann ruhig ein, damit Mutter auch ein wenig abgelenkt wird. „Sie schläft. Nicht mal, als ich sie umgezogen habe, wurde sie wach. Ich habe ihr eines deiner T-Shirts angezogen.“ Na Klasse, dachte ich nur. Ich konnte jetzt sowieso nicht mehr schlafen, jetzt würde ich eh nur Alpträume bekommen. „Ich schlafe heute im Wohnzimmer.“, seufzte ich müde, während ich mir leicht den Hinterkopf kratzte. Meine arme Mutter war sichtlich mitgenommen. Ich nahm sie in den Arm und tröstete sie ein wenig. „Mach dir keine Sorgen. Es wird alles gut.“ Natürlich war gar nichts in Ordnung. Aber das konnte ich meiner Mutter auf keinen Fall erzählen. Das würde ihr Verstand nicht verarbeiten können. Ich war aber auch vollkommen durcheinander, kein Wunder, nach dem Bild, dass ich grade sehen musste. Durch diese Verwirrung stapfte ich auch nach oben, um in mein Zimmer zu gelangen. Mutter war bereits im Wohnzimmer verschwunden, um die Polizei zu rufen. Ich öffnete die Tür zu meinem Zimmer, machte das Licht an und erschrak erneut. Ich war total neben der Spur, vergaß total, dass jemand in meinem Bett war. Kéneâ saß aufrecht da, ich musste mich erstmal besinnen. Sie sah mich mit leeren Augen an, weinte dazu auch noch. „Ich wollte nur… meine Decke holen. Ich bin gleich… wieder weg.“, sprach ich ruhig. Ich verlor kein Wort über den Vorfall nebenan. Ich ging also zu meinem Bett. Kéneâ rührte sich noch immer nicht. Langsam griff ich zu meiner Bettdecke, blickte im Augenwinkel immer mal zu Kéneâ, doch keine Regung. „Kéneâ?“ entwich es mir leis’. Ich bekam noch immer keine Reaktion von ihr. Irgendwie wurde das Fürsorgliche in mir geweckt. Langsam setzte ich mich auf die Bettkante und lehnte mich ein wenig zu Kéneâ rüber. Meine Hand hob sich langsam, ich wollte sie bloß nicht verschrecken. Zart tastete ich an ihrer Stirn herum, um ihre Temperatur zu prüfen. Fieber hatte sie nicht, dabei war sie vollkommen blass. Was für ein Wahnsinn. Plötzlich schoss mir Seiichi durch den Kopf. In diesem Moment wollte ich unbedingt mit ihm reden. Er war jetzt der Einzige, mit dem ich wirklich reden wollte. Zu dieser späten Stunde konnte ich ihn doch nicht mehr anrufen. Ich musste, ich konnte nicht anders. Etwas verunsichert wählte ich seine Nummer. Es klingelte etwa 6 Sekunden lang, dann ging er ran. Er war sauer, das hörte ich sofort. „Ja, wer ist da?“ „Seiichi… Ich bin es. Es tut mir leid, dass ich……“ Da unterbrach er mich auch schon. „Du hast echt den Schuss nicht gehört! Meine Güte, weißt du wie spät es ist?!“ „Tut mir echt leid Seiichi, es ist nur… ich muss unbedingt mit dir über etwas reden, etwas was ich nur dir erzählen kann. Du bist der Einzige der es versteht. Bitte!“ Durch den Hörer hörte ich ihn erneut ächzen. „Na, schön… Da hast du mich mal wieder soweit. Aber eins sag’ ich dir. Wehe, es ist NICHT wichtig!“ Danach legte er sofort auf. Leise schlich ich mich nach draußen um meine Mutter nicht zu wecken. Kéneâ hatte sich wieder beruhigt und döste. Wenige Minuten später stieß ich auf meinen Freund Seiichi. „So, was ist nun, du Blödmann?!“ „Lass uns ein Stück gehen.“, bat ich ihn. Es war mir grade zu gefährlich in dieser Gegend. „Also, pass auf. Ich habe dir ja von dem Leerstehenden Haus neben uns erzählt.“ Begann ich ruhig. Meine Hände verschwanden in meinen Hosentaschen. „Ach, das ‚verfluchte’ Haus.“ Erwiderte Seiichi. „Genau.“ Kurz ließ ich eine Pause. „Da ist eine Familie eingezogen.“ Fuhr ich fort, ehe ich aufzählte, woraus die Familie bestand. „Vater, Mutter und 2 Töchter. Eine davon ist in unserem Alter.“ Seiichis Augen zuckten kurz. „Eine junge Frau?“ „Ja.“ Er dachte anscheinend, dass ich ihm eine Weibergeschichte erzählen würde. „Und für so was schmeißt du mich aus dem Bett?!“ „Das Haus ist vollkommen verwüstet. Die jüngste Tochter ist tot, die Eltern wahrscheinlich auch.“ „Oh…“ „Da ist immer noch etwas in diesem Haus. Ich war da!“ Seiichi blieb stehen, wortlos fuchtelte er mit den Armen rum, bis er dann endlich sprach: „Worauf warten wir dann noch?!?“ Er hatte jetzt nicht im ernst Lust dahin zu gehen und dieses ‚Ding’ zu besuchen. „Spinnst du?! Das Ding wird uns töten!“ schmiss ich ihm an den Kopf, nachdem auch ich stehen geblieben war. „Ich will wissen, was das ist! Alter, komm schon!“ „Nein! Ich werde mich nicht in die Höhle des Löwen begeben! Und wenn ich mich recht entsinne, wolltest du doch wieder zu Bett!“ „Ja, stimmt schon, aber vorhin wusste ich nicht, dass du mir so was erzählst!!“ „Wenn du unbedingt sterben willst, bitte! Nur zu!“ So wirklich egal war es mir natürlich nicht, aber anders würde er es wohl nicht verstehen. „Ist gut, Kouyou. Ich gehe nicht.“ Gab er dann doch endlich nach. „War eine blöde Idee von mir. Sorry Alter!“ fügte er dann noch an. Es war doch immer wieder das selbe mit Seiichi, immer wieder überstürzt er etwas, bevor er überhaupt richtig darüber nachdachte. „Ist gut. Aber du musst mir helfen.“ „Wobei?“ „Naja, die älteste Tochter pennt bei mir, sie ist die einzige, die anscheinend überlebt hat“ Und schon gingen wir weiter. Ich war wirklich ratlos. „Und wobei soll ich dir helfen, Alter?“ Momentan hatte Seiichi mal wieder seine Ghetto-Sprache drauf. Das hatte er ab und zu einfach mal. Ich nahm es einfach mal hin. „Naja, was soll ich machen?“ „Ja, was wohl?! Leg sie flach!“ „WAS?“ Und er dachte ab und zu nur an das eine! Ich blieb wieder stehen und starrte Seiichi an. „Hast du ’ne Vollmeise?!“ Seiichi brach in Lachen aus. Sein Lachen hallte über die ganze Straße. „Das war doch nur ein Scherz gewesen!“ lachte er mir entgegen. Nachdem er sich dann endlich wieder eingekriegt hatte, war er der Meinung wieder auf den Boden der Realität zurück zu kehren. „Du hast wirklich ne Schraube locker, Seiichi.“, grinste ich. Er klopfte mir auf die Schulter. „Lieber EINE Schraube locker, als das, das ganze Regal zusammenbricht, richtig?“ Ein kurzer Moment der Stille. Dann mussten wir wieder lachen. „Was ist eigentlich los mit dir? So kenn ich dich gar nicht.“ Er schaute mich an. „Du bist ein Weichei, Kouyou, eine total hohle Frucht!“ Seiichi war wie ausgewechselt. Völlig untypisch für ihn. So ausgelassen hatte ich ihn noch nie zuvor erlebt. „Halt die Klappe Seiichi Niikura-Terachi.“ Plötzlich zog er mich mit sich.

Kapitel 4

„So, dann lass uns mal in diese alte Ramschhütte gehen, du Versager.“ Mir fiel es auf, dass Seiichi sein Katana bei sich hatte. Er trug es auf dem Rücken. Shishi-Oh. Der Name war im Griff des Schwertes eingemeißelt. Seiichis Ein und Alles. Würde jemand Fremdes diese Klinge nur mit dem Zeigefinger berühren, Seiichi würde mit einem Sprung auf ihn losgehen. Eiligen Schrittes trat er in das Haus. „Aha! So ist das also! Haha! Witzig! Kannst jetzt rauskommen, du Vollspinner! Der Spaß ist vorbei, komm schon! Zeig dich!“ Er schrie durch das ganze Haus. „Seiichi, bist du verrückt?!“ zischte ich ihn an. „Hier ist keine. Das hab ich dir doch gesagt! Hör bitte auf hier rumzuschreien.“ Seiichi zog geschmeidig sein Katana hervor. „Was hast du denn vor? Willst du hier ne Szene machen mit deinem Schwert oder was?!“ „Halt doch mal die Luft an, man! Du hast doch selbst gesagt, dass ‚etwas’ im Haus ist. Also bitte.“ Seiichi schritt in Kampfhaltung durch das Haus, bereit im nächsten Moment alles zu filetieren.

„Wer wagt es, mich zu stören…?“ zischte es aus allen Ecken und Zimmern des Hauses. Ich zuckte ungewollt zusammen… „Wusst’ ich’s doch…“ kam es flüsternd von mir. „Hier ist doch etwas…“ Ich hörte etwas rascheln, als würde irgendwas über den Boden kriechen. Seiichis Augen beobachteten den ganzen Raum, er hielt sich kampfbereit. Das schlurfende Geräusch kam immer näher, bis es verstummte. Ein harter Windstoß kam durch die zerbrochenen Fenster herein. „Seiichi… Weißt du wo es ist?“ fragte ich ihn, da ertönte es aber schon hinter mir: „Hier… bin ich…“ Der Schock war mir ins Gesicht geschrieben, meine Augen waren bis zum Anschlag aufgerissen und ein kalter… nein eiskalter Schauer lief mir den gesamten Rücken hinab. In meine Nase kroch der Geruch von Blut und Fleisch. Starr stand ich da. Ich wollte mich bewegen, aber ich konnte nicht. Es war fast so, als wären meine Füße festgebunden, als wolle das „Etwas“ mich festhalten. „Ich kann nichts sehen! Ich sehe nichts, Kouyou. Wo kommt das her?“ Ich war von der Angst gefressen. Das war der Wahnsinn. Der Tonfall dieser Stimme war unheimlich. Sie war tief und herrisch. Doch konnte ich sie nicht wirklich zuordnen. ‚Es’ war unmenschlich. Seiichi war in Bewegung wie ein Brummkreisel. Er hatte genauso Angst wie ich, das wusste ich genau. „SEIICHI, LASS UNS ABHEUEN!“ Seiichi hörte mir gar nicht zu. „SEIICHI NUN KOMM SCHON!!“ Auf einmal starrte er mich an. „Riechst du das? Das riecht gar nicht gut. Es riecht nach einer widerlichen, bösen Infektion. Böse. Einfach nur…… böse. Blut,…… das ist Blut, altes Blut und totes Fleisch.“ Mir wurde übel und ich hielt mir die Hand vor den Mund. Ich war wirklich kurz davor kotzen zu müssen. „Seiichi, bitte…. Lass uns endlich von hier abhauen.“ Seiichi kam grade auf mich zu, um gemeinsam mit mir dieses absonderliche Haus zu verlassen. Im nächsten Moment eröffnete sich der absolute Alptraum. Die Tür knallte vor unserer Nase zu. Ehe wir überhaupt was geschnallt hatten, schlossen sich auch die Fenster. Ein kurzer Moment der Verwirrung blieb nicht aus, dann stürmte Seiichi auf die Tür zu und schlug wie ein Geisteskranker mit seinem Katana darauf ein. Immer und immer wieder. Die Tür hätte völlig demoliert sein müssen, doch an ihr zeigte sich kein einziger Kratzer. Sein Atem ging heftig und er ging auf die Fenster los und donnerte mit dem Griff des Schwertes gegen die Scheiben. Nichts passierte, die Fenster schienen unzerstörbar. Seiichi war in Panik. Ich lief zu ihm um ihm vom Fenster wegzuholen. „Seiichi! Seiichi!! Jetzt hör auf! Es bringt nichts.“ Er schubste mich weg.
 

In seinem Gesicht war nichts als Angst zu sehen. „ICH WILL HIER ABER RAUS, VERDAMMTE SCHEIßE! Ich meine…… was läuft hier eigentlich?! Das ist doch ein verdammter Scherz oder? So eine Art Horrorscherz was?...... Du weißt, das ich durchdrehe, wenn ich eingesperrt bin!!“ Ich konnte es nicht fassen. Der ‚kleine’ Seiichi war kurz davor loszuheulen wie ein kleiner Junge. „Hey, hey, hey! Jetzt beruhige dich, Seiichi. Ich weiß, es ist ‚WAHNSINN’, aber wir müssen jetzt irgendwie versuchen die allerhöchste Ruhe zu bewahren!“ Sofort drehte ich mich um. Ich suchte das ding regelrecht. Was ist hier ur los? Was soll der ganze Scheiß? Das war einfach der blanke Horror! „Schnell, komm mit, Seiichi! Es gibt eine Hintertür!“ Ich zog ihn einfach mit mir, zog ihn mit zur Küche. Ich hatte die Tür nach hinten raus bemerkt, als ich das erste Mal hier war. Hier stank es am schlimmsten. Mein Blick wanderte zur Leiche. „Oh Scheiße…“ entwich es mir. Dieses Monster hatte tatsächlich die Leiche angefressen!

Die Tür stand offen… Welch Glück! Sofort lief ich mit Seiichi zur Tür, doch sie wurde vor unserer Nase zugeschlagen, als wir hindurchlaufen wollten. Seiichi stand völlig neben sich. „Oh Gott!! Weißt du was!? Wir werden draufgehen. Aber sowas von!“ Ich packte seinen Kopf mit meinen Händen. „Seiichi! Wir werden nicht sterben! Hast du gehört? Wir werden nicht draufgehen in diesem Teufelshaus. Wir finden einen Weg hier raus. Egal wo, es gibt immer einen Ausweg. Hm? Deine Worte! Also komm schon.“ Er schüttelte nur sachte den Kopf. „Aus so einer Hölle kommt man nicht mehr raus.“ „Herr Gott, was ist denn los mit dir? Du kuschst wie ein Hundewelpe.“ Mein Freund machte einen psychisch instabilen Eindruck. „Tut mir leid, man, aber bei übernatürlichen Ereignissen wird’s auch mir zu bunt.“

Er glotzte die Leiche an. „Das ist doch pervers!“ Die Position des toten Mädchens hatte sich nicht verändert. Der Bauch war allerdings offen. Wie es schien, einfach nur angenagt und geöffnet. „Ich seh’ zu viele Horrorstreifen, glaub ich! Das hier ist bestimmt so eine abgedrehte Traumversion davon und gleich wach ich auf und alles ist gut.“ Schweiß perlte an den Schläfen meines Freundes herunter. „Vielleicht hat irgendein perverser Psychodoc hier seine geheimen OP-Phantasien ausgelebt. Der Beweis liegt uns zu Füssen, nicht wahr?!“ Seiichi tat mir so unendlich leid, denn er schien seinen Verstand zu verlieren. Kein Wunder, in der Situation, in der wir uns befanden. Ich….. was war eigentlich mit meinem Befinden? Sicherlich hatte ich auch Angst und war nervös, aber….. ich war noch viel zu gelassen. Im Gegensatz zu Seiichi die Ruhe in Person. Schlechtreden wollte ich dies allerdings auf keinen Fall, denn wer weiß. Hätte ich nicht diese gewisse Ruhe, hätte sich Seiichi vielleicht schon etwas angetan. Auf einmal fing der „Kleine“ an zu lachen. „Yo, weißt du was wir jetzt machen? Wir spielen ’ne kleine Partie Verstecken und das was hier im Haus rumschwirrt kann doch mitmachen. Findet bestimmt alle als erstes! Na, was hältst du davon?... Hier die Kleine kann auch mitmachen!“ Seiichi stupste die Leiche etwas mit seinem Fuß an. „Genau! Ich hab die Bombenidee für mein Versteck! Ich krabble in ihre Bauchdecke rein! Ha! Ich würd’ dich ja gern mit einschleusen, aber da drin ist nur Platz für einen, tut mir Leid!“ Ich verpasste ihm im nächsten Moment einen Schlag mit der flachen Hand. „SEIICHI!! KOMM DOCH MAL WIEDER ZU DIR!..... und behalt deine makabren Späße für dich.“ Er schaute mich äußerst verärgert und sich seine rechte Gesichtshälfte haltend an. „Makaber?! Soll ich dir mal sagen, was makaber ist? Ein Kerl, der seinen besten Freund mitten in der Nacht aus der heilen Welt klingelt und ihn zum Horrortrip in ein Psychohaus zwingt!“ Ich seufzte. Im darauf folgenden Augenblick zuckten Seiichi und ich unwillkürlich zusammen, als ein Fenster knallte. Wieder hielt Seiichi sein Katana bereit zum Angriff, während ich ihn schon mitzog, um der Richtung des Echos dieses Fensterknalls zu folgen. Es knallte wieder und wieder, wurde immer lauter je näher wir kamen. Wieder befanden wir uns im Wohnzimmer. Das Geräusch war direkt vor uns, aber NICHTS war zu sehen. Wie war es möglich. „Kein Wunder, dass keine Sau in dieses verkorkste Haus einziehen wollte. Die die’s jedenfalls getan haben, sehen ja was dabei rausgekommen ist… oder auch nicht…“ murmelte Seiichi. So schnell wie das Knallen gekommen war, verschwand es auch wieder. Ich hatte zwar niemanden dort gesehen, doch ich hatte wahrhaftig schwören können, jemanden vernommen zu haben. Ich fragte mich beiläufig wie es meiner Familie und Kéneâ ging. Ich lief jetzt auf den Flur, der aussah, als wäre er im 14. Jahrhundert zurückgeblieben. Seiichi folgte mir. In diesem flur schien alles noch dunkler als normal. Seiichi gab Laut. „Lass uns wieder zurück in die Küche, da haben wir wenigstens was zu essen und ne nette Person mit der wir uns unterhalten können… Sie kann zwar nicht mehr ganz so vollständig reden und ihr bauch is’ offen, aber was soll’s.“ Ich mahnte ihn. „Sei doch mal still!“ Ehe ich begriff, wie mir geschah, bewegte ich mich auf einer Treppe nach unten. Ich erkundigte mich nach Seiichi. Er war dicht hinter mir. „Man, wo führt diese Treppe denn hin, Kouyou?“ „Was weiß ich denn?! Wenn wir Glück haben, vielleicht irgendwo nach draußen.“ „Das glaub ICH nicht. Sie führt nach unten und das geht niemals gut!“ Ich antwortete ihm nicht darauf. Es war unglaublich wie weit diese Treppe nach unten zu führen schien und auch wo sie auf einmal hergekommen war. Diese Häuser hatten eigentlich nur die Treppen nach oben, zu den Dachböden, aber sonst nichts. „Kouyou… mir ist kotzübel!“ „Reiß dich zusammen, man!“ „Nein ehrlich, ich glaub, ich muss….“ Und dann hörte ich hinter mir nur noch einen Schwall von Erbrochenen auf dem Boden aufklatschen. Das war dann wohl die Angst, die das veranlasst hatte. Überraschend endeten die Stufen und man konnte erkennen, wo man sich befand. „Du meine Fresse! Das is’ ne abgefahrene Untergrundkapelle! Hier ist bestimmt ne Sekte am Werk.“, brabbelte Seiichi. Es war unglaublich. Es erinnerte tatsächlich an eine Kapelle, an eine ziemlich altertümliche. Aber nirgendwo sah ich Kreuze oder ähnliches an den Wänden hängen. Außerdem konnte man nicht alles genau erkennen, denn das Licht, was wir zur Verfügung hatten, war bläulich, schwummrig. Doch dann entdeckte ich etwas, was mir den Atem raubte. „Sieh’ dir das an, Seiichi!“ Über allem eine in die Wand gemeißelte Statue eines wie ein Engel aussehenden Wesens. Aber dieser Engel hatte schwarze Flügel und das Gesicht war schmerzhaft verzogen. „Das jagt mir gerade echt Angst ein, Kouyou!“ Aber das war noch nicht alles gewesen. Ich und Seiichi erblickten ein Relief, das eine Geschichte zu erzählen schien, eine Art Rhapsodie. Nur konnten wir leider nicht alles genau erkennen. Seiichi ergriff das Wort. „Wetten, das hier ist so eine Art Verehrungsstätte? Für dieses… ‚Ding’?“ Ich sah ihn an und schüttelte den Kopf. „Nein… Das ist es nicht… und von einem ‚Ding’ kann man hier nicht sprechen. Das wäre viel zu einfach und einsehbar… nein… das hier ist… sowas wie eine Ausstrahlung die sich auf dieses Haus gelegt hat. Fast wie… eine Aura. Ich kann’s gar nicht erklären. Jedenfalls kann man es als ‚Wesen’ nicht bezeichnen.“ Und eins war mir auch noch klar. Nämlich, dass diese ‚Kapelle’ oder was auch immer es war, Ewigkeiten bevor dieses Haus gebaut wurde, existent war. Seiichi zuckte zusammen, ihm lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. „Seiichi wir müssen her raus!“ meinte ich zu ihm. Ich hatte ein wirklich ungutes Gefühl. Zudem stank es hier nach Seiichi’s Erbrochenem, dass es mir fast selbst schon hochkam. „Diese Statue…“ begann Seiichi und trat auf das Ding zu. „Ich habe es schon einmal irgendwo gesehen.“ „Das meinst du doch nicht ernst? Oder Seiichi?!“ Er verschränkte die Arme. „Und wie ernst ich das meine. .....Ich weiß nur nicht wo... oder wann.... und in welchem Zusammenhang.“ Ich erblickte in der Dunkelheit einen Gang. Wo er wohl hinführen würde? Man erkannte ihn nur schwach. Ich kniff die Augen zusammen. „Seiichi! Sieh’ doch mal.....“ Ich machte ihn auf den Gang aufmerksam. Er stöhnte. „Hast du nicht grade gesagt, dass wir hier raus müssen?“ Ich war zu neugierig. Ich musste einfach wissen wohin dieser Weg führte. Gegen meine Neugierde konnte ich einfach nichts machen. Wie heißt es so schön? ‚Wer einmal Blut leckt, will noch mehr?’ Ja, das passte ungemein. „Kouyou, komm schon! Lass uns gehen!“ „Ich will aber wissen, wohin dieser Weg führt. Vielleicht ja nach draußen.“, versuchte ich ihm schmackhaft zu machen. Aber er zog und zerrte an mir, als ich mir den Kleinen Gang genauer ansehen wollte. Der Gang war wirklich klein, selbst Seiichi müsste darin auf allen Vieren krabbeln. Ich beugte mich also runter, im Gang war es stückdunkel. Ich schaute mich im Kellerraum um. Seiichi hatte es bereits aufgegeben mich von der Idee abzubringen. Ich suchte nach etwas, was als Lichtquelle dienen sollte. Doch fand ich nichts, außer einem schäbigen Kerzenständer. Moment. Der Kerzenständer. Ich betrachtete das Ding genauer. Zwei halbabgebrannte Kerzen. „Das wachs war noch warm, Vor nicht allzu langer Zeit brannten diese Kerzen also noch.“, entwich es mir. Seiichi blickte mich an. „Hast du wirklich vor da reinzugehen`“, fragte er, ehe auch er sich den Gang noch einmal ansah. Ich wühlte in meinen Hosentaschen rum, irgendwo hatte ich noch das Feuerzeug von vorhin. Ich wühlte in meiner linken Jackentasche. Da war nichts. Rechte Jackentasche. Da war’s ja. Wusst ich’s doch. Kurze Zeit später hatten mein Freund und ich ein wenig mehr Licht zur Verfügung. „Ich komm mir echt bescheuert vor..... das ist nicht mal mehr schwarzer Humor.“ Er kroch hinter mir. Brabbelte die ganze Zeit. Fast ununterbrochen- Im Grunde genommen redete er mit sich selbst und irgendwann fing es wirklich an zu nerven. „SEIICHI! Jetzt halt doch endlich mal den Rand!“ Wieder pöbelte er gegenan. „Seiichi! Noch ein einziges Wort von dir und ich trete dir ins Gesicht. Ich meins Ernst!“ Hinter mir vernahm ich ein äußerst unzufriedenes Grummeln. Anscheinend hatte meine Drohung aber gefruchtet. „Eine Frage muss ich dir jetzt aber noch stellen, Kouyou. Was glaubst du wo wir hier grade hinkriechen? Vielleicht in euren Vorgarten?!“ Ich antwortete nicht darauf. „Ja, toll! Jetzt redest du gar nicht mehr mit mir.“ Dass ich nicht antwortete, hatte immerhin seine Gründe. Ich war vollkommen darin vertieft, diesen Gang zu erkunden. Mit einem Mal hielt ich an. Es fehlte nicht viel und Seiichi wäre fast gegen meinen Hintern gekrochen. „Ey!“ ertönte es von ihm. „Warum hältst du an?!“ „Eine Zweigung.“, erwiderte ich lediglich. Wieder pöbelte Seiichi rum, dass es nicht angehen könnte, dass er zurück wolle, dass ihm das langsam zu viel wurde. Ja, ja... So viel zum Thema eiskalt und skrupellos. Seiichi hatte Angst, das roch man regelrecht. Irgendwie hatte ich ein bestimmtes Gefühl, als ich in die rechte Abzweigung sah. „Hallo?! HALLO??! Wo krabbelst du denn hin, du Schlauberger?!“ „Krabbel mir einfach nach.“ Er gehorchte. Das Licht wurde mehr und ich fühlte, dass wir uns in einem größeren Raum befanden. Die Augen mussten sich erst an die Lichtverhältnisse gewöhnen, doch dann konnte man etwas erkennen. Mehr oder weniger. Wieder roch es nach Blut. Nach Blut und Verwestem und Verbranntem Fleisch. Seiichi reagierte darauf wieder dermaßen empfindlich, dass er sich die Hand vor den Mund hielt und komische Geräusche von sich gab. „Seiichi, bitte!“ mahnte ich ihn. „Du hast ja gut reden.“ Eine lange Bank mit Hand- und Fußgelenkfesseln fiel mir ins Auge. Ein rundum gespickter Stuhl, ein aufgebahrter Tisch mit mörderischen Instrumenten. Rostige Metallzangen, Eisenstiefel, Daumenschrauben und Holzspäne. Mir wurde klar, wo wir uns befinden mussten. „Seiichi..... ich glaube wir sind in einer gottverdammten Folterkammer.“ Seiichi fing an zu lachen. „Ding, ding, ding!! JACKPOT! Herzlich Willkommen zur Freakshow im Mittelalterstil. Wir haften nicht für ihr Überleben, denn sie können auch draufgehen!“

Kapitel 5

Dazu fiel mir nun wirklich nichts mehr ein. Entsetzt blickte ich Seiichi an, der neben mir stand nachdem wir aus dem Gang herausgekrochen waren. An dem Kerzenständer, den ich noch immer in der Hand hielt, lief flüssiges Wachs hinab und tropfte gradewegs auf den steinigen Fußboden. Pflasterstein, im gesamten Raum. "Alter! Wir sollten uns von hier verpissen!" kam es auffordernd von Seiichi, der sich - genau wie ich - im Raum umsah. Meine Finger glitten an dem blanken Holz hinauf, von mir hörte Seiichi kein einziges Wort. Ich war selbst noch betroffen und erschrocken, dass soetwas überhaupt noch existiert. "Ich will ja nicht nerven, aber..... eigentlich will ich hier garnicht mehr sein! Ich wollte hier nie sein!", meckert der "Kleine". "Ist ja gut, ist ja gut", versuchte ich ihn abermals zu beruhigen. "Gar nichts gut! Weißt du was..... Ich wärm mir die Streckbank schon mal vor! Dann ist's nicht so kalt, wenn mir der Folterknecht gleich die Glieder auseinander reißt." Ich hielt Seiichi fest, als er beinahe entschlossen auf die Streckbank zuging. "Seiichi! Jetzt ist aber wirklich Schluss mit diesen Mätzchen! Du hast doch außerdem dein Shishi-Oh! Schneid sie einfach in Stücke. Wenn überhaupt jemand kommt!" "Dein Wort in Gottes Ohr.", säuselte er auf einmal wie gebannt, als tatsächlich Schritte, wie von schwerfälliger Gestalt, auf uns zu kamen. "Siehst du! Da kommt schon einer.", schnatterte Seiichi. Nicht nur einer kam. Drei Folterknechte mit vier Gefangenen. "Ach, du Scheiße, ach, du scheiße! Was machen wir jetzt, Kouyou?!" Ich hielt ihm von hinten den Mund zu und zog ihn hinter die eiserne Jungfrau. Seiichi's Herz raste wie verrückt. Von unserem nicht all zu sicheren Versteck aus konnte ich beobachten, was geschah. Brutal und unmenschlich wurden die Delinquenten geknebelt und festgeschnallt, damit sie nicht entfliehen konnten. Seiichi bebte innerlich. Ein heftiges Zusammenzucken, als das erste verzweifelte und schmerzhafte Haulen udn Schreien eines der Opfer hervorkam. Seiichi krallte seine rechte Hand in meinen Arm. Ich fühlte eine Träne an meiner Hand hinuntergleiten. Seiichi heulte. Das Geschrei und das Geheule machte einen wahnsinnig. Dazu das unerträgliche Geknarre und gequietsche der rostigen Folterinstrumente. Es war grauenvoll. Gestank von verkohltem Fleisch war zu riechen, als eines der Opfer gebranntmarkt wurde. Quälende Schreie in der Dunkelheit. Seiichi's Gesicht war inzwischen tränenübertströmt. Ich konnte es nicht fassen. Zudem staute sich auch in mir eine unerträgliche Gefühlsmischung an. Das Knacken der Glieder, das Zischen der Branntzeichen auf nacktem Fleisch und das Spritzen von Blut auf den Fußboden. Dazu immer wieder die krankmachenden Schreie der Leidenden.

Das Entsetzen war mir wirklich ins Gesicht geschrieben... Doch Seiichi war sehr viel schlimmer dran. Wenn das Ganze hier irgendwann mal vorbei wäre, würde er sicherlich ein starkes Trauma mit sich rumschleppen. Er tat mir so unendlich leid. Würde ich meine Hand von seinem Mund entfrnen, würde er wohl losschreien, er zitterte schon so, als wolle er gleich auf die Knechte zurennen und sie brutal abschlachten. Meine Hand triefte schon durch seine Tränen.

Einer der 4 Gefangenen war bereits tot, er konnte die Schmerzen auf der Streckbank wohl nicht mehr aushalten. Ein zweiter der Gefangenen sank auf die Knie und schrie laut vor Schmerzen. Ich wollte nur zu gerne wissen, was diese Personen getan haben, dass sie so schrecklich gefoltert werden müssen. Seiichi zuckte, wimmerte leis, was meinen Gedankengang vollkommen aus dem Ruder warf. "Seiichi, reiß dich zusammen!" flüsterte ich ihm so leise wie möglich ins Ohr. Sie durften uns auf gar keinen Fall entdecken, sonst wären wir mit Sicherheit die nächsten auf der Streckbank. Schmerz fühlte ich kurz, als Seiichi mir in die Hand biss. Wie in Zeitlupe sah ich ihn sein Katana hervorziehen und auf die Knechete zu renne. Ein entschlossener Geist mit Tränen im Gesicht.

Sein langer Mantel glitt hinter ihm her. Er sah aus wie ein Held. Immer noch erlebte ich alles wie in Zeitlupe. Die Knechte waren nicht schnell genug um Seiichi entgegenzuwirken. Mit schnittigen Hieben und harten Stößen seines Schwertes metzelte er die stiernackigen Henker zu Tode. Auch wenn er nicht von großer Gestalt war und ein fast puppenhaftes Gesicht hatte, strahlte Seiichi in diesem Moment die Aura eines ehrenhaften und gewaltigen Rächers aus. Es zog mich völlig in den Bann. Alle drei Henker waren das reinste Hackfleisch, so wie Seiichi sie zugerichtet hatte. Alle samt tot. Eines der Opfer, es war noch völlig unverletzt, starrte Seiichi an, kniete vor ihm auf den Boden und bot ihm die Hände. "Ihr..... ihr müsst ein Engel sein! Ein Wunder..... der stählerne Retter, geschickt vom Herrn." Er umklammerte Seiichi's Beine. Seiichi stand einfach nur da, sah auf den jungen Mann runter. Ich trat langsam hinter der eisernen Jungfrau hervor. "Wer ist das? Sagt. Ist dies euer Gehilfe. Ein Gefährte? Bitte. So sprecht mit mir, edle Gestalt." Seiichi sah sein Spiegelbit im Shishi-Oh aufblitzen. "Was habe ich getan?...." seufzte er. "Mich gerette, Edler!" "Denn ich konnte nicht anders.... ich konnte es nicht ertragen, das Geschrei, denn ich wusste, du bist unschuldig." "Oh, habt Dank, Edler... mit dem Gesicht wie aus Porzellan.... oh, ja... der Edle mit dem Gesicht aus weißem Gold." Der junge Mann mit westlichem Aussehen weinte vor Berührung. "Ihr.... kommt mit mir! Ihr und euer ebenso edle Gefährte." Er griff meine Hand. "Kommt! Kommt! Schnell!" Seiichi's Blick war leer, aber er blickte mich an, wollte mich umarmen. Angetrocknetes Blut zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Durch das Geschehen äußerst verwirrt folgten wir dem westlichen Jungen.

Wo zum Teufel hielten wir uns denn grade auf? Der Westjunge zog an Seiichis Hand und Seiichi zog an mir. Nach Atem rang ich, als ich verwirrt nach dem Sinn dieses Geschehens suchte. Dem wersifften Kerker waren wir bereits entkommen. Bestimmt würden wir jeden Moment entdeckt werden. Durch eine anscheinend nicht allzu bekannte Klapptür schafften wir es nach draußen. Schnell zischte uns der Westjunge zu: "Los! Schnell! Wir haben es gleich geschafft!" Wie Staatsgefangene huschten wir durch die Gassen. Ohne irgendwelche weiteren Zweifel folgten wir ihm immer weiter. Eigentlich völlig absurd, denn das könnte ebenso eine Falle sein. Plötzlich fiel mir die Kleidung des Jungen ins Auge. Sah aus wie die Kleidung eines Adligen aus dem 14 Jahrhundert. Seine Haare waren leicht gewellt, mittelblond und zu einem kurzen Zopf zusammengebunden mit einem schwarzen Band. Wir kamen an die Öffentlichkeit. Ein großer Markt, gefüllt mit Hunderten von Menschen. Der Westjunge hielt an. Ruckartig. Wir versteckten uns hinter einer dicken Mauer. "Was ist? Wieso halten wir an?! Was ist los??", fragte ich ihn außer Atem. Er deutete uns äußerst streng, dass wir mucksmäuschenstill sein sollten. Seine Augen waren weit aufgerissen. "Hört mir zu meine edlen Retter! Wir müssen jetzt geschickt vorgehen. Der Markt ist voller Menschen. Wenn wir entdeckt werden, dann sind wir wirklich verdammt zu sterben." Seiichi schluckte. "Tolle Ansage..... und weiter? ..... Aah!! Ich schlage vor wir laufen einfach durch und dann sehn wir was dabei rauskommt!" Ich boxt ihm auf die Brust. "SEIICHI! KLAPPE!!" Ich zischte ihn an. "Wir dürfen auf keinen Fall die Aufmerksamkeit auf uns ziehen..... geht mir einfach nach, ich habe einen Plan." Etwas unsicher folgten wir dem, mir langsam mysteriös erscheinenden Westjungen. Mit gesenktem Blick schritten wir gehetzt durch die Massen. "Senkt nur immer eure Köpfe!", flüsterte er geschärft. Ich senkte meinen Kopf, wie er es sagte. Seiichi tat es uns gehorsam gleich. Unglaublich. Normalerweise müssten wir auffallen. Die Leute hätten sich nach uns umdrehen müssen, doch das taten sie nicht. Wir schafften es tatsächlich vollkommen unbenerkt über den Markt. Große Erleichterung machte sich breit, als wir es in einen nahegelegenen Wald schafften. "Warum haben uns die Leute nicht bemerkt?" Seiichi strich sich mit zittrigen Fingern durch sein seidenglattes Haar. Der Westjunge seufzte. "Ach, mein Retter! Dies ist wahrlich schwer zu erklären, doch ich werde versuchen es euch Klar zu machen. Die Menschen hier sind im Grunde alles Gefangene. Sie sehen nur in die Augen und das Gesicht des anderen. Sehen sie es nicht, so bleibt ihr völlig unbemerkt." Es leuchtete irgendwie ein, was der Junge da erzählte. Es war völlig verrückt, aber momentan konnte mich auch das nicht mehr schocken. "Klingt wie in einer Fantasystory, was?!", lachte Seiichi etwas unsicher. Er brüstete sich etwas auf, als er dem Westjungen eine Frage stellte. "Nun?.... Als dein..... eder Retter..... möchte ich deinen Namen erfahren! Bitte verrate ihn mir." Der Westjunge verbeugte sich wieder. "Gewiss verrate ich euch meinen Namen. Er ist Gaathluahn. Ich bin der Sohn des Königs dieser Lande." Seiichi und mir fielen fast die Augen aus dem Kopf. "Wie bitte, was?", stotterte ich. "Ja, es ist wahr. Mein eigener Vater war es auch, der mich in das eigene Verließ hat werfen lassen." "Aber warum?" Seiichi war sehr aufgebracht. "Nun, auch das will ich euch verraten. Ich bin eine einzige Schande. Die Ausgeburt der eigenen Verwandtschaft und eine Zerstörung meiner Selbst! Ich bin der Sohn meines Vaters und meiner Mutter, die gleichzeitig auch meine Schwester ist. Ich bin die Inzucht dieses Landes. Mein Vater selbst wurde aus dem Schoß der Sünde geboren. Schon er ist das Zeugnis des Inzests." Mir wurde schlecht, als ich das hörte. Übelkeit und Ekel schlangen sich um meinen ganzen Körper. "Wie war das mit 'Freakshow', Seiichi? Langsam glaube ich dir wirklich." Doch Seiichi hat hatte sich keuchend an einen Baum gelehnt. Das war wirklich zu viel für ihn. "Aber sag..." begann Seiichi und blickte Gaathluahn an. "Warum hat man dich ins Verließ gesteckt? Hast du irgendwas verbrochen?" war die neugierige Frage. Interessiert blickte auch ich den Königssohn an, konnte es aber wirklich nicht glauben, was ich dann hören musste... "Nun ja... Ich widersetzte mich dem Willen meines Vaters." Nur verschwieg er es, was er getan hatte. Vielleicht weil es ihm peinlich war, oder Ähnliches. Grade wollte ich Luft holen, da sich bei mir schon eine neue Frage in den Vordergrund stellte, doch fiel mir Gaathluahn ins noch nicht vorhandene Wort. Es war ihm sichtlich unangenehm darüber zu sprechen. "Ich muss dazu sagen, dass mein Vater nicht ganz klar im Kopfe ist. Sein Wille war es, dass ich mich mit meiner Mutter, nun eher Schwester, vereine. Doch ließ er mich beschatten, erwischte mich wie ich mich mit einer anderen vereinte." Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen! Dann nahm mir Seiichi die Worte aus dem Mund. "Was für'n kranker Vater!" Ich nickte lediglich, stimmte meinem besten Freund zu. Welcher Vater tut soetwas? Zumindest hatte ich noch nie zuvor von soetwas gehört.



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von: abgemeldet
2008-07-28T22:30:23+00:00 29.07.2008 00:30
An den Schreibstil muss man sich erst gewöhnen aber nach 5,6 Zeilen weis er zu gefallen. Kapitel 4 war uuunheimlich spannend. Weiter so :)

Von: abgemeldet
2008-05-24T20:12:51+00:00 24.05.2008 22:12
Wieeder einsame Spitzenklasse!
Wie gesagt, ohne die Absätze verhaspel ich mich oft x_X aber wiedermal super beschrieben!
Dieser Traum.. der klang garnicht gut ò__ó.. ich wette sowas in der Art wird noch Realität.. gruselig.. da hätt ich auch Schiss <__<~
Seine Schwester is mir total symphatisch. So stell ich mir richtig so ein kleines, Bruderverliebtes Mädchen vor XD vorallem das mit der Nixe find ich süß.
Und sein Freund. 1,61 xD Putzig :D Aber Japaner sind halt klein XD

Von: abgemeldet
2008-05-24T20:01:12+00:00 24.05.2008 22:01
Noch keinen Kommentar? *__*
Boah Süße das ist soo guut geschrieben!
Nicht nur das du gut RPst, du scheinst deinen tollen Stil auch beim FF schreiben beizubehalten.
Das erste Kapitel ist schonmal der Wahnsinn und macht Lust auf mehr.
Das ganze ist sehr gut beschrieben und total süß <3
Es wäre nur toll, wenn du etwas mehr Absätze machen würdest, sonst verhaspel ich mich immer mit der Zeile >_______<
Aber ansonsten, keinerlei Kritik *_*
Ich mach mich gleich ans nächste!


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